Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

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Blaight
Lord Moderator of the Isles, First of his name
Beiträge: 1554
Registriert: 2. Jun 2016, 10:41

Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von Blaight »

Leider finde ich, dass wir nicht viele neue Erkenntnisse haben, außer dass uns die wissenschaftlichen Methoden fehlen diese Fragestellung anzugehen und dass zu viele Parameter und Variablen schwer zu definieren und zu kontrollieren sind, ein grundsätzliches Problem der Psychologen will ich meinen (deswegen müssen die ja auch so viel verrückte Statistik machen und soviel interpretieren in ihren Daten. Trotzdem freue ich mich auf mehr Folgen dieser Reihe. Ich bin selbst an Hirnforschung sehr interessiert und bin deswegen begeistert, dass Ihr Euch dem Feld stellt.
Aufnahme Qualität war nicht so gut, ich schlage wiederholt vor, dass Ihr zumindest für Interviews innerhalb Deutschlands ein Verleih-USB Mic haben solltet. Der Gast hat mir gut gefallen!

@Andre
Ich habe ihn hier schon mehrfach erwähnt -- Kennst Du Duncan Shields (Thorin)
https://www.youtube.com/watch?v=B-dpn1IRR7Q" onclick="window.open(this.href);return false;
Dieses Video befasst sich mit dem medialen Umgang bzgl Computerspiele-Gewalt und ist auch trotz, vermutlich sogar wegen, seiner Länge wirklich ein sehr hörenswerter Beitrag zur Diskussion.
0:00 Einstieg: wie reagiert die Spieleszene intern auf Gewalttaten (Amokläufe, Attentate)
4:47 Hauptproblem der Berichterstattung: Ausklammern anderer Ursachen
7:57 Warum wird die Schuld in Videospielen Gesucht: Einfacher Gegner, man tritt niemandem auf die Füße, macht sich selbst nicht angreifbar.
10:37 Where is the evidence: Das Fehlen von wissenschaftlichen Hinweisen auf videospielinduzierte Gewalt über zwanzig Jahre nach Doom macht die Prämisse angreifbar
16:05 Die Prämisse auseinanderanalyisiert: Das Spiel suggeriert Gewalt sei konsequenzlos und leicht und deswegen auch im echten Leben zu gebrauchen
18:48 Videospielgewalt ist keine reale Gewalt. Das Thema ist Gewalt, aber es findet keine reale Gewalt statt (Beispiele anderer Medien etc)
22:12 Die Prämisse angewandt auf andere Medien (Pornografie) - Karthasis Theorie
24:44 Platon vs Aristoteles: Philosophische Ursprünge der Medienkritik und Kartharsistheorie
26:52 Fazit und Medienschelte
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Ines
Beiträge: 361
Registriert: 27. Sep 2016, 07:22

Re: Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von Ines »

Schönes Interview!
Spätestens jetzt weiß ich wieder, warum aus mir keine Forscherin, sondern so eine Hemdsärmelige Klinikerin geworden ist.
Ich fand die Aussagen über mildere Formen der Gewalt (verbale Gewalt etc.), die möglicherweise durch virtuelle Gewalt befeuert werden können, ganz spannend.
Schade finde ich es immer wieder, dass es so wenig Forschung zu Interaktionen zwischen virtueller Gewalt und anderen Faktoren (ich denke an dieser Stelle immer an psychische Erkrankungen, bestimmte Persönlichkeitsstrukturen oder z.B. Zustände in denen jemand kurz vor der Entwicklung einer Psychose steht. Aber: wie sowas beforschen?
"Se faire objet, se faire passive, c'est tout autre chose q'être un objet passif" (S. de Beauvoir)
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bluttrinker13
Beiträge: 4915
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Re: Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von bluttrinker13 »

Hut ab!

Als selbst großenteils experimentell arbeitender Psychologe bin ich vollauf zufrieden mit der Folge. Malte hat die grundsätzlichen Probleme auch echt gut auf den Punkt gebracht, wobei ich (a) die Messung von Aggression und (b) die ethischen Richtlinien ebenfalls als Hauptgründe für eine recht bescheidene Aussagekraft experimenteller Forschung sehe, wenn es um alltagsrelevante Gewalt geht.

Kompliment an Malte, das hat er echt gut gemacht. :clap:

Meine Meinung ist eh seit längerem, dass andere Disziplinen, vor allem Soziologie und Pädagogik, besser imstande dazu sind die Frage nach der gesellschaftlich relevanten Gewalt und deren Zusammenhang mit Medienkonsum/Medieninhalten zu beackern.
Peninsula
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Re: Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von Peninsula »

bluttrinker13 hat geschrieben:Meine Meinung ist eh seit längerem, dass andere Disziplinen, vor allem Soziologie und Pädagogik, besser imstande dazu sind die Frage nach der gesellschaftlich relevanten Gewalt und deren Zusammenhang mit Medienkonsum/Medieninhalten zu beackern.
Mein Eindruck ist aber, dass die dann auf eben die aus genannten Gründen in diesem Kontext wenig aussagekräftigen psychologischen Studien zurückgreifen, ohne die damit verbundenen Probleme zu benennen (schlimmstenfalls sogar ohne diese überhaupt zu reflektieren) und da haben wir letztlich wieder den selben Salat ;)
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bluttrinker13
Beiträge: 4915
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Re: Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von bluttrinker13 »

Falls das so eintritt wie du es beschreibst, ja - dann dreht sich das Ganze im Kreis. Kommt manchmal auch vor in der Wissenschaft. ;)

Allerdings muss man da nicht so pessimistisch sein. Die beiden Disziplinen haben ihre eigenen Methodiken und gute Forschung zeichnet sich dann auch dadurch aus, dass diese in origineller Weise neue Bereiche und Erkenntnisse erschließt. Damit kommst du dann allemal eher in ein Topjournal, als wenn du die Ergebnisse anderer Disziplinen nur neu aufkochst. Insofern gibt es da auch regulative Mechanismen die für Qualität sorgen.

Aus der Pädagogik (ich habe es irgendwo schon mal erwähnt) fällt mir der Jürgen Fritz ein. Hatte mal einen Artikel von 2003 von ihm gelesen "Virtuelle Gewalt: Modell oder Spiegel?", heute schon recht alt, damals aber fand ich den sofort viel besser und gehaltvoller als vieles was meine Fachkollegen auf Kongressen so gesagt haben zum Thema. (Nur zur Erklärung warum ich auf die Pädagogik komme) :)
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derFuchsi
Beiträge: 4127
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Wohnort: Hessen

Re: Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von derFuchsi »

Der Hinweis dass bereits durch das Wissen dass es sich hier um Studien handelt die Probanden bereits beeinflusst werden fand ich interessant. Das erinnert mich an ähnliche Aussagen zur Quantenmechanik wo es ja laienhaft ausgedrückt auch heißt dass das Ergebnis durch die Messung beeinflusst wird.

Zum Thema Beeinflusst uns der Konsum von Gewaltmedien bzw Spielen:
Generell beweißt wohl die Tatsache dass es eine funktionierende Werbeindustrie gibt dass Medienkonsum uns beeinflusst.

Ansonsten möchte ich noch die Binsenweisheit zum besten geben dass uns beeinflusst und sogar prägt was wir tun und konsumieren.
In Kurzform etwa „Verhalte dich so, wie du sein willst, und bald wirst du so sein, wie du dich verhältst.“ (Leonhard Cohen) (nicht nur)
Ich kenne auch den Spruch in leicht anderer Form in etwa so: "Übe jetzt schon zu sein wie du im Alter sein willst".

Dr. Eckart von Hirschhausen erklärt in seinem Programm über Glück humorvoll wie man sich durch eigenes Verhalten ändern kann.

Eine gewisse Vera Birkenbihl erklärt hier auch sehr schön wie man sich selbst beeinflussen kann indem wir etwas tun.

Was ich sagen möchte ist dass man anscheinend durch eigene Verhaltensweisen seine Persönlichkeit prägt bzw durch geänderte Verhaltensweisen wohl auch verändern kann. Warum sollte man also annehmen dass regelmäßig konsumierte Computerspiele keinen Einfluss haben sollen?
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bluttrinker13
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Re: Feedback: Was wissen wir über die Gewalt

Beitrag von bluttrinker13 »

derFuchsi hat geschrieben:Der Hinweis dass bereits durch das Wissen dass es sich hier um Studien handelt die Probanden bereits beeinflusst werden fand ich interessant. Das erinnert mich an ähnliche Aussagen zur Quantenmechanik wo es ja laienhaft ausgedrückt auch heißt dass das Ergebnis durch die Messung beeinflusst wird.
Jup, genau. Das Problem reaktiver Messungen, etwas dem wir uns in der Psychologie, aber auch anderen Disziplinen, grundsätzlich gegenübersehen. Es gibt aber auch non-reaktive Messungen, bspw Blindbeobachtungen (Ethikprobleme möglich) oder Spurenanalyse (bspw Abgegriffenheit von Gegenständen auf Augenhöhe vs. Knöchelhöhe, Ausgetretenheit von Laufwegen etc:). :)
derFuchsi hat geschrieben: Was ich sagen möchte ist dass man anscheinend durch eigene Verhaltensweisen seine Persönlichkeit prägt bzw durch geänderte Verhaltensweisen wohl auch verändern kann. Warum sollte man also annehmen dass regelmäßig konsumierte Computerspiele keinen Einfluss haben sollen?
Ja, das ist sogar ein zentrales Prinzip der kognitiven Verhaltenstherapie. Kann man auch an sich selber ausprobieren, gelingt gut. Bei gewissen Philosophen natürlich schon lange bekannt. Die Schwierigkeit hierbei ist es, erst einmal ein konsistent neues Verhalten überhaupt aufzubauen bzw. zu habituieren. Das dauert seine Zeit und ist anstrengend, bestes Beispiel: Ernährung.

@kein Einfluss: Zustimmung. Ich glaube da wird dir auch keiner widersprechen, natürlich hat das einen Effekt. Wir würden sie ja ansonsten auch nicht spielen, wenn sie uns null affektieren würden (Spaß etc.). Deshalb muss man da auch immer präzise argumentieren: man nimmt halt an, und ich gehöre dazu, dass gewalthaltige Videospiele nicht diesen spezifischen Effekt haben - dass sie zu extremen Gewalttaten wie Amokläufen o.ä. stimulieren und anregen. Eine kurzfristige signifikante Erhöhung meines arousal wiederum wird meist mit dabei sein, dass habe ich aber eben auch beim Fußballspielen, Skatkloppen oder WM-Gucken.
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