Junge Menschen haben große Träume: Autorennfahrer, Elitesoldat, Lokführer, Hexenmeister, Klempner……usw.
Für jeden dieser Träume hatte die Games-Industrie in den letzen Jahren Möglichkeiten geboten, diese zumindest virtuell Realität werden zu lassen.
Bloß der zukünftige Gefängnisdirektor hatte bis 2012 (da erschien die Alpha) bzw. Okt. 2015 (fertiges Spiel) das Nachsehen.
Davor gab es keine Möglichkeit, die Folgen von grundlosem Nahrungsmittelentzug zu studieren, es gab davor keine Versuchsfelder für virtuelle Sadisten, in dem sie erproben könnten, inwieweit man die grundlegenden Bedürfnisse von Menschen zurückschrauben kann, ohne dass Aufstände und andere Repressalien drohen.
Vor diesem Hintergrund ist sind das alles Dinge, die auch einem politischen Führer von heute helfen können.
Für all diese Frohgeister hat Introversion das (fast) perfekte Produkt entwickelt.
Prison Architect
Für reguläre 27,99€ (ist aber so gut wie immer im Sale) kann man sich die ca. 350 MB auf die Festplatte schaufeln und es kann losgehen.
Und gleich nach dem Spielstart wirft einen das Spiel in einen Startscreen der an Trostlosigkeit und Drögheit Gefängnissen um nichts nachsteht….ein geniales Design
Erst als nach wenigen Sekunden die ersten Baumaterialien und und Figuren auftauchen, merkt man, dass das Spiel schon begonnen hat.
Nach einem Druck auf die Esc-Taste gelangt man ins Menü. Hier sieht man auch, dass das Spiel eine Kampagne bietet, aber kein Tutorial.
Aber weil ja bei jedem ordentlichen modernen Spiel das Tutorial in die Kampagne eingewoben ist, sollte das kein Problem darstellen also Start:
1.Mission: In einem voll aufgebauten Gefängnis soll man einen Todestrakt aufbauen. „Aja, „
Man lernt zwar die grundlegenden Baumechaniken (Wände hochziehen, Fundamente legen usw.) aber Grundlegende Zusammenhänge sucht man
vergeblich.
Da ich bei diesem Spiel eigentlich nicht mit Todeszellen beginnen wollte, hab ichs mal abgebrochen, denn ein wahrer Kerkermeister möchte
ohnehin seine eigenen Unterdrückungszentren realisieren und nicht etwas vorgefertigtes ausbauen.
Also ab ins Freie Spiel:
Nach Auswahl der Kartengröße und eines Direktors (mit bestimmten Boni und Mali) befinden wir uns wieder auf dem drögen Startbildschirm…..“ahaa, das ist ja der Freies Bauen „Modus“
Und hier hat man mal anfangs überhaupt nix, was auch nur ansatzweise mit Spielerführung zu tun hat.
Hier muss der Gamer seine geliebte TL:DR-Attitüde ablegen und den Brief des Geschäftsführers wirklich lesen, denn dieser enthält doch tatsächlich Informationen, was zu tun sei.
Gesagt, getan:
Wie vom Geschäftsführer empfohlen, machen wir uns sogleich daran, staatliche Zuschüsse für den Gefängnisbau zu lukrieren. Dies sind Finanzspritzen die man einerseits im Voraus, andererseits für das erfüllen bestimmter Voraussetzungen erhält.
Diese umfassen neben dem Aufbau von Grundlegenden Haft und Verwaltungseinheiten auch den Aufbau deiner Krankenstation oder Werkstätte, oder der Durchführung bestimmter Programme.+
Diese Bedingungen (Baue xx Zellen, stelle xx Wachen ein, stelle einen Direktor ein, baue einen Dusche usw.) dienen gleichzeitig als Spielerführung und das funktioniert nach anfänglicher Skepsis sehr gut, sodass man auch ohne Youtube oder Wikis erste Erfolge erzielen kann.
Und so fummelt und sucht man sich durch die etwas unordentlichen Menüs und vergrößert und verbessert sukzessive seine Strafanstalt.
Dies geht so vonstatten:
Jeder Raum, ob Küche, Zelle oder Gemeinschaftsraum hat bestimmte Anforderungen was Größe und Einrichtung anbetrifft.
Dementsprechend plant man seine Wände und Gänge und gibt sie in Auftrag und die Verfügbaren Arbeiter (die man einstellen und entlassen kann nach Bedarf) führen die Arbeiten automatisch aus. Einflussnahme hat man hier eigentlich nur auf die Priorität der Reihenfolge. Wie bei jedem dieser Spiele mit indirekter Steuerung (vgl. Siedler, Rimworld) ist die Planung und Optimierung der Laufwege das Um und Auf für das reibungslose funktionieren. Das zu bewerkstelligen ist durchaus motivierend und fordernd.
Dem Wachpersonal, dass ebenfalls mehr oder weniger automatisch agiert, kann man zumindest Routen zuweisen. Bzw. teilt man den Routen je nach Bedarf normale Wächter, Hundeführer, oder bewaffnete Einheiten zu)
Auch die Insassen folgen einem Automatischen Tagesablauf, der sich auch anpassen lässt. Dieser besteht im wesentlichen aus den Teilen Essen, Schlafen und Arbeit/Freizeit.
Die Gefangenen sind in 3 Risikokategorien unterteilt, welche sich hauptsächlich unterscheiden am Freiheitsstreben bzw. der Ausbruchsgefahr und der Gewaltbereitschaft bzw. er Häufigkeit und Heftigkeit von Aufständen.
Ausbruchsversuche dürfen in einer Gefängnissimulation nicht fehlen, und passieren natürlich auch bei Prison Architect. Allerdings sind die virtuellen Häftlinge hier bei weitenm nicht so kreativ wie ihre Kollegen in der Realität, denn meistens läuft es darauf hinaus dass sich die Häftlinge ausgehend vom Klo oder der Dusche mit Löffeln einen Weg in die Freiheit buddeln. Dies lässt sich verhindern einerseits durch Regelmäßige Razzien andererseits durch das aufstellen von Metalldetektoren, an allen Stellen von wo die Gefangenen gefährliche Gegenstände schmuggeln könnten, sprich den Ausgängen von Kantinen, Werkstätten usw.
Das klingt alles sehr logisch und nachvollziehbar und diese Mechanik scheint auch ganz gut zu funktionieren aber das ist bei PA leider nicht immer so:
Man kann in seinem Gefängnis Sozial- und Ausbildungsprogramme, zu denen sich interessierte Gefangene einschreiben können.
Nur habe ich in meinen 25h Spiel keine Möglichkeit gefunden dieses Interesse zu beeinflussen bzw. fördern und zwingen kann man seine Insassen auch nicht dazu.
Deshalb verwaisten diese Kurse größtenteils und ich wusste bis zum Schluss nicht wieso. Das wirklich ärgerliche daran ist, dass es für gewisse staatliche Zuschüsse notwendig ist, dass eine bestimmte Anzahl von Gefangenen diese Kurse absolvieren.
Hier würde ich mir mehr Feedback vom Spiel wünschen.
Das zweite große Ärgernis betrifft wieder das Gefangenenverhalten und deren Wegfindung, denn oft es nicht ersichtlich, woran genau es gerade krankt. Es besitzt zwar jeder einzelne Gefangene ein Vorstrafenregister und eine Biografie, aber wirkliche Spielrelevanz konnte ich darin nicht erkennen. So muss man oft nur auf gut Glück bestimmte Änderungen vornehmen.
Der dritte große Minuspunkt ist die fummelige Steuerung. Um Räume zu bauen muss man wirklich jeden einzelnen Stuhl, jede Tür, jeden Tisch separat setzen, was mich nach küurzer Zeit schon genervt hat. Dazu kommt noch das chaotische Baumenü, bei dem man mir die Systematik erst erklären muss. Die Krönung des ganzen ist, dass es neben einem Button fürs „Möbel abreißen“ auch noch je einen Button für „Wände abreißen“ und für „Innenraum ausräumen“ gibt
Nach ca. 10h Fummelei hat man sich zwar dran gewöhnt und irgendwann entdeckt man sogar das Klon-Werkzeug mit dem die Fummeligkeit etwas weniger wird, aber man ist auch an dem Punkt angelangt, andem man alles gebaut hat, den Forschungsbaum fertig hat und nur noch mit den erwähnten Problemen der Insassen zu kämpfen hat. Man kann nun sein Gefängnis verkaufen, und mit seinem neugewonnen Reichtum das „Gleiche in Schön“ neubeginnen. Mangels optionaler Gegenstände die nur zur Verbesserung der Optik dienen, hält sich diese Motivation allerdings in Grenzen. Hier mögen Mods Abhilfe schaffen, aber meine Wertschätzung bezieht sich nur auf Vanilla.
In meinem 2. Versuch habe ich dann versucht, die offensichtlichen Mängel und Fehler aus dem Erstversuch auszubügeln, was hauptsächlich aus Optimierung der Laufwege und Raumgrößen bestand. Aber selbst dasnn kamen wieder dieselben Probleme mit der Nachvollziehbarkeit des Gefangenenverhaltens zu Tage und an diesem Punkt sank meine Motivation weiterzuspielen rapide, was aber auch sicher damit zu hat, dass ich mit der Gefängnisthematik eigentlich garnix anfangen kann. Ich denke mit einem gewissen Grundinteresse wird sich leichter die Motivation finden, das Insassenverhalten näher zu ergründen.
Aber natürlich hat das Spiel auch ausgesprochen Positive Seiten:
Zuallererst muss hier der sogenannte „Wuselfaktor“ genannt werden, wobei ich hier nicht weiss ob „Wusel“ der richtige Ausdruck ist, denn „wuseln“ verbinde ich eher mit positiven Aspekten. Wenn ich hier Zig Gefangene dabei beobachten kann, wie sie in einer Schlange von der Kantine zum Hof „wuseln“ und dabei 2 Metalldetektoren passieren und das Spiel dazu Schließgeräusche von Metallriegeln und Ächzgeräusche von Menschen abspielt, hebe ich keine positiven Gefühle.
Vielleicht spricht man hier eher vom Krabbelfaktor, da man unweigerlich an Insektenleben erinnert wird. Die Comichafte Grafik (erinnert evtl. leicht an Southpark in Ihrer Schlichtheit) ist dazu sehr stimmig und auch sehr gut lesbar. So ist immer klar erkennbar um welche Art von Personen oder Gegenständen es sich handelt. Ob der Stil gefällt, ist Geschmacksache. Mir gefällt es.
Auf Musik verzichtet das Spiel komplett, dafür gibt es eine Soundkulisse aus Türgeräuschen, Besteckklimpern, Tellerklirren, Baugeräusche und menschlichen Lauten aller Arrt. Diese sind aber immer in einem bedrückenden Style gesampelt und mit Hall unterlegt und hören sich fantastisch an. Sie passen zwar super zum Spiel, aber mich als Spieler versetzen sie in eine depressive Stimmung.
Alles in Allem bietet PA dem Möchtegern-Gefängnischef einen umfangreichen Baukasten, um seine Träume zu realisieren. Es müssen durchaus einige Dinge und Zusammenhänge beachtet werden, und da kann man schon einige Stunden ohne Langeweile damit beschäftigt sein. Wünschen würde ich mir lediglich mehr kreative Baumöglichkeiten und Gegenstände zur Individualisierung wünschen. Aber auch im gegebenen Zustand bietet es fürs Geld einen ordentlichen Umfang, zumal es ja auch noch den von mir kaum angespielten Storymode und noch den nichtmal ausprobierten Escape-Mode gibt. (Ich möchte mich an dieser Stelle dafür entschuldigen, dass ich diesen Teil nicht mehr untergebracht habe).
Wertung:
Persönlich würde ich eine
75/100 geben, da das Spiel trotz seiner Stärken einige Probleme hat, die teilweise essentiell den Spielspass trüben.
Für Fans dieser Thematik, also Leuten, die begeistert Prison Break, Oz oder Dokus über Gefängnisse schauen, kann man locker nochmals 10 Punkte draufpacken.
PS: Aja, noch ein wenig Eigenwerbung
Auf meinem Twitch Kanal kann man noch ein paar Tage den Mitschnitt meines Kampfes gegen die Menüs ansehen, wens interessiert. Ich glaube Twitch speichert 2 Wochen lang.
Twitch.-Username: echtschlecht165