Runde #011: Jochen glaubt nicht an Hexer (aka "Ich finde Ihren Mangel an Glauben beklagenswert) (Witcher 3) (Part 1)

[MrZwicky]

Welches Spiel hat denn ein gutes Story telling, Herr Gebauer??

[Nachtfischer]

DIe Frage ist, ob wirklich gutes Storytelling (im Sinne das klassischen linearen Erzählens einer fixen Handlung) und wirklich gutes Gameplay überhaupt zusammenkommen können. Ich habe da starke Zweifel.

Grundsätzlich haben Spiele als interaktive Systeme in all ihrer Dynamik relativ wenig gemein mit der vielmehr statischen Natur einer Geschichte. Letztere muss beispielsweise zwingend voranschreiten - und zwar stetig und in einem ihr angemessenen Tempo - und letztlich auch garantieren, abgeschlossen zu werden, um ihre Wirkung entfalten zu können. Ein Spiel jedoch, das dies garantiert, wirft jegliche Gameplay-Herausforderung gleich vorweg schon über Bord (siehe dazu auch diesen sehr schönen Vortrag von Jonathan Blow). Darüber hinaus kann der Spieler mit seinen Freiheiten dem Geschichtenerzähler nur allzuleicht das Leben schwer machen. In dem Maße, in dem spielerische Freiheit besteht, wird nicht selten das Handwerkszeug des Erzählers (Foreshadowing, Pacing usw.) eingeschränkt. Im schlimmsten Fall werden Charaktere bis hin zur kompletten Unglaubwürdigkeit (und gerne auf Blödheit) verbogen, nur um noch genug "Spiel" im Endprodukt zu haben (siehe Telltales The Walking Dead).

Natürlich gibt es am Ende auch leidlich gute Storyspiele. Ich sehe aber einfach zu viele Reibungspunkte, als dass aus dieser (nur) auf dem Papier spektakulär großartigen Verknüpfung zweier fundamental verschiedener Arten der Unterhaltung etwas wirklich Tolles, das größer ist als die Summe seiner Teile und bei dem sich beide Seiten gegenseitig fördern (statt miteinander zu ringen), entstehen könnte.

[Jochen]

Ich antworte mal im Duktus der Fragestellung: Portal.

[Dostoyesque]

Silent Hill 2 (wie immer), Half Life 2 und die Left 4 Dead Reihe. Letzteres ist vielleicht eine überraschende Wahl, aber das storytelling (nicht die story selbst!) ist unheimlich gut. Es gibt ein Haufen Details in den Levels und kleine Dialogzeilen, die Stück für Stück Lore vermitteln. Valve hat hier einen wahnsinnigen Riecher. Gibt viele Beispiele. System Shock 2 ist sehr dynamisch und variabel im storytelling, The Last of Us, Journey, Undertale sind auch gute Beispiele.

[Enlagom]

Grundsätzlich haben Spiele als interaktive Systeme in all ihrer Dynamik relativ wenig gemein mit der vielmehr statischen Natur einer Geschichte. Letztere muss beispielsweise zwingend voranschreiten - und zwar stetig und in einem ihr angemessenen Tempo - und letztlich auch garantieren, abgeschlossen zu werden, um ihre Wirkung entfalten zu können.

Weil mir dieser Punkt so heraussticht, dazu: Nö. Eine Geschichte muß nicht garantieren abgeschlossen zu werden, um zu wirken. Wenn dem so wäre, würde keine Kafka Geschichte Wirkung haben (das Brod-Ende von einigen der Romane zählt nicht). Oder die von irgend einem Postmodernisten.

Und zur eigentlichen Fragestellung: Ich hätte kein Beispiel, das ich ruhigen Gewissens nennen kann. Wenn, dann "für ein Spiel gut"...sowas wie The Last of Us, zuletzt auch Life is Strange.
Bei Portal, das ich damals gespielt habe, kann ich ich mich nicht mal an die Geschichte erinnern (das beweist entweder, daß ich ein schlechtes Gedächnis habe, oder, daß mir die Geschichte egal war..)

[Leonard Zelig]

Mir gefällt das Storytelling der Rockstar-Spiele sehr gut. Sprich, dass man während der langen Autofahrten oder Ausritten immer wieder interessanten und witzigen Dialogen lauschen kann. Oft erzählen die Charaktere sogar was anderes, wenn man eine Mission wiederholen muss.

[Darkcloud]

Um so mehr Folgen ich sehe, um so mehr komm ich zum Schluss dass ich glaube was Jochen als für sich optimales Storytelling in Spielen sehen würde bei mir eher mittelmäßig ankäme und zumindest die Spielerfahrung recht negativ beeinflussen würde.

Grade wenn Planescape Torment als Spiel mit toller Story genannt wird muss ich sagen find ich auch. Würde es auch als eines meiner absoluten Favoriten betitteln aber alles abseits der Story und des World Building ist bestenfalls ok. Arcanum ist da noch schlimmer. Denn das Gameplay dort ist absolut minimalistisch und die KI wirkt als wäre sie noch nicht mal im Beta Status angelangt. Kann ja kein Gegner was anderes als einfach nur Angreifen. Warum kritisiert das absolut keine Sau wenns um Arcanum geht? Absolut keiner.

[Dragondeal]

So nach Minute 20 kam genau das, was mir auch besonders schlecht an dem Spiel aufgestossen ist. Da hatte man zwei Teile Zeit, Beziehungen und Bindungen aufzubauen und dann kommt dieses "Das ist ... du magst/liebst sie.". Da ging es mir genauso wie den beiden, Ciri und Yennifer gingen mir echt am Allerwertesten vorbei, im Falle letzterer war es sogar so, dass mir die Grundeigenschaft "Zauberin" schon im Vorfeld einfach unsympathisch gemacht hat. Schließlich hatte ich zwei Teile lang Zeit, Zauberinnen als manipulatorisch, hinterhältig und machtgeil kennen zu lernen. Und Ciri nähere ich mich auch nicht dadurch an, dass ich den Charakter spiele (spielen muss), sondern erst viel später durch die Gespräche.

Und auch bei den Quests geb ich den beiden recht, da sind einige tolle Quests dabei. Andererseits sind da auch soviele dabei gewesen, wo ich dachte "DSA, SL 14 Jahre - der kriegt das besser hin.".