Malvitus hat geschrieben:
Das Problem ist, dass wir ja nichteinmal auf die vereinfachte Version mit allen bekannten Parametern eine definitive Antwort haben. Wie zum Teufel willst du dann den sehr viel komplexeren Fall lösen? Deswegen diskutiert man sowas in Gedankenexperimenten mit klar festgelegtem Rahmen, oder nagelt gewisse Parameter fest.
Die primäre Frage ist 3). Anhand deiner Begründung für 3) kann man 2) diskutieren. Die Frage nach dem "Sollte man.." ist dabei natürlich nicht nur für KI-Programmierung interessant sondern ermöglicht dann die Diskussion über 1) "Darf man". Das ist zumindest der Idealfall. Mich würde wirklich deine Antwort in dem Gedankenexperiment interessieren, wenn du sie geben willst.
Also gut. Wenn man sich auf diese Gedankenexperimente einlässt geht es ja grundsätzlich darum ob man einen Einzelnen oder wenige Menschen zu opfern bereit ist um eine größere anzahl Menschen zu retten. Flugzeug oder Zug ist dabei ja egal.
Spontan und aus dem warmen bequemen Stuhl des externen Beobachters heraus ist die einzig richtige Lösung dieses Falles meiner Ansicht nach logisch, nämlich die Version mit den wenigsten Toten.
Das wäre die bequemste Antwort.
Hier ist aber der unberechenbare menschliche Faktor im Spiel der hier wohl ausgelotet werden soll. Ob man wirklich fähig ist aktiv Schuld auf sich zu laden indem man mit den eigenen Händen jemanden tötet, indem man den Abzug / Hebel was auch immer betätigt, ist echt schwierig zu beantworten. Nur weil es logisch richtig ist muss es ja nicht sein dass ich das auch im Ernstfall fertig bringe. Das Bewusstsein gerade persönlich X Menschen getötet zu haben (auch wenn man damit andere gerettet hat) kann einen fertig machen denke ich und wird kaum ohne Spuren an einem selbst bleiben.
Im Falle der Untätigkeit kann einem höchstens unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen werden. In dem Fall der Flugzeugentführung z.B. kann dem Jet-Piloten im Ernstfall doch niemand ernsthaft vorwerfen dass er ein Flugzeug mit 164 Menschen an Bord NICHT abgeschossen hat. Nichts tun ist also die bequemere Art aus der Sache herauszukommen. Man hat ja keine Schuld am Unglück weil man es ja nicht selbst verursacht hat.
Am Ende läuft es auf eine Abwägung hinaus was ich vor mir selbst mehr verantworten kann - MIT Schuld am Tod vieler Menschen zu sein (Aber kein Blut an den Händen zu haben) oder AKTIV Schuld am Tod weniger Menschen zu sein (in der Gewissheit viele gerettet zu haben).
Ich tendiere als logisch denkender Mensch (wie ich glaube) noch immer zur logischen Lösung.
Ob ich das im Ernstfall dann wirklich fertig bringen würde kann ich aber nicht hundertprozentig sagen.
Das ist ja so ähnlich wie bei Menschen die eine Waffe mit der Absicht zur Selbstverteidigung (Oder eher zur Selbstberuhigung) mit sich herumtragen. Wenn man nicht bereit ist diese im Ernstfall einzusetzen ist diese Waffe ist völlig nutzlos, ja sogar gefährlich für einen selber.
Wenn mich jemand bedroht kann ich ihn mit der Waffe abschrecken und im Ernstfall sogar damit verletzen. Das ist der logische Einsatzzweck. Wenn derjenige sich aber nicht schrecken lässt und man es selbst nicht fertig bringt die Waffe wirklich zu benutzen gibt man ihm im Ernstfall sogar noch eine Waffe in die Hand und hat das Gegenteil erreicht.
Der Mensch ist halt kein Computer und handelt ständig logisch.
Logisch ist auch nicht gleich Menschlich. Ich glaube in einer streng logischen Welt möchte keiner wirklich leben. Gibt ja genug dystopische Filme oder Literatur die solche Szenarien ausmalen.
Jochen hat geschrieben:Und wenn "ich" zum Beispiel entscheide, dass "ich" gar nicht die notwendige moralische Befugnis habe, das zu entscheiden, dann ist das eine inhärent egoistische Position: Meine Moral (oder: mein Seelenfrieden) ist mir wichtiger als andere Menschenleben.
Ohne diesen Egoismus wären wir dann wohl Computer. Siehe mein voriger Absatz.
Ist das was den Menschen ausmacht am ende der Egoismus?