Runde #380: Machtfantasien

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
Benutzeravatar
Jochen Gebauer
Beiträge: 1364
Registriert: 1. Nov 2020, 17:41

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Jochen Gebauer »

Karsten hat geschrieben: 7. Aug 2022, 23:48Vielleicht ist das so. Vielleicht geht es mir bei dem Beispiel aber auch darum, dass es aus meiner Sicht nicht nur reicht, in einem Spiel wirkmächtig zu sein, sondern sich auch wirkmächtig zu fühlen
Ah! Guter Punkt! Aber wenn du dich in einem Spiel nicht wirkmächtig fühlst, heißt das doch nicht automatisch, dass sich andere darin nicht wirkmächtig fühlen können, oder? Gerade das Fühlen, das Emotionale, ist doch sehr persönlich und individuell. Ich fühle mich zum Beispiel in den von dir beschriebenen Situationen nicht wirkmächtig. Die gehen mir am Hintern vorbei. Ich fühle mich lieber schlau als stark. Dutzende Gegner wegschnetzeln gibt mir diesbezüglich nichts, dir schon. Wieso können wir uns nicht darauf einigen, dass meine Power-Fantasy und deine Power-Fantasy einfach verschiedene Ausprägungen annehmen?
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9734
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Andre Peschke »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 7. Aug 2022, 23:30 Hatten wir das nicht sogar im Podcast besprochen, dass viele typische Kinderspiele Machtfantasien sind? Von "ich hab mein eigenes Pferd und pflege und trainiere das zum besten Pferd der Welt" bis zu "ich bin der Cowboy, der sich von niemandem was sagen lassen muss, weil ich voll der Badass bin"? Weil gerade Kinder besonders wenig tatsächlichen Einfluss besitzen und das durch fiktiven, spielerischen Einfluss kompensieren?
Ja, ich dachte, da kam das mit dem Pferd, weil Seb die Tierarztspiele genannt hat, nachdem ich mit „Kinder spielen Mama und Papa und das ist eine Ermächtigung“ in die Diskussion geworfen hatte. So hab ich es jedenfalls im Sinn.

Andre
Karsten
Beiträge: 436
Registriert: 6. Aug 2018, 09:41
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Karsten »

Jochen Gebauer hat geschrieben: 8. Aug 2022, 00:05
Karsten hat geschrieben: 7. Aug 2022, 23:48Vielleicht ist das so. Vielleicht geht es mir bei dem Beispiel aber auch darum, dass es aus meiner Sicht nicht nur reicht, in einem Spiel wirkmächtig zu sein, sondern sich auch wirkmächtig zu fühlen
Wieso können wir uns nicht darauf einigen, dass meine Power-Fantasy und deine Power-Fantasy einfach verschiedene Ausprägungen annehmen?
Darauf können wir uns auf jeden Fall einigen. Wollte auch keine Allgemeingültigkeit aus meinen Gefühlen ziehen. Mich hatte es nur hier und da geschüttelt, was offenbar alles Machtfantasien bei Spielern auslösen kann. :D
Benutzeravatar
Jochen Gebauer
Beiträge: 1364
Registriert: 1. Nov 2020, 17:41

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Jochen Gebauer »

Karsten hat geschrieben: 8. Aug 2022, 00:08Darauf können wir uns auf jeden Fall einigen. Wollte auch keine Allgemeingültigkeit aus meinen Gefühlen ziehen. Mich hatte es nur hier und da geschüttelt, was offenbar alles Machtfantasien bei Spielern auslösen kann. :D
Alles gut. Wenn wir dich zum Schütteln gebracht haben, haben wir ja wenigstens erreicht, dass du dich mit dem Thema auseinandersetzt. Damit bin ich zufrieden :)
Benutzeravatar
Sebastian Solidwork
Beiträge: 1358
Registriert: 4. Aug 2016, 09:07
Wohnort: nördlich von München
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Andre Peschke hat geschrieben: 7. Aug 2022, 23:26
Andre
PS: Es ging in dem Podcast ja gerade darum, den Begriff der Machtfantasie mal nicht so eng zu denken, wie er gern (und meist despektierlich) gebraucht wird.
Hm … vielleicht war ich beim Hören beim Autofahren zu sehr abgelenkt und habe die Stelle verpasst in der ihr das bewusst ausspracht. Kam bei mir nicht an bzw. was der Nutzen davon sein soll.

Vor diesem Hintergrund finde deine "Degradierung" von CoD noch komischer.
Der CoD-Übersoldat ist keine Machtfanatsie, weil er "nur" Befehle empfängt? Seine unrealistische physische Überlegenheit zählt weniger?
Aber Vater-Mutter-Kind soll es sein?
Kommt mir inkonsistent vor (oder mein Gedächtnis ließ mich wichtige Details vergessen).

Zwar schlüpfen Kinder im Spiel oft in Rollen, die sie real noch nicht ausführen können.
Um pure Macht (wie in CoD, Civ etc.) geht es meiner Meinung nach eher selten.
Mutter-Vater-Kind ist auch viel Üben dieser Rolle für die Zukunft. Man übt eine Macht die man später einmal tatsächlich bekommen könnte.
„Schönheit ist auch immer ethisches Empfinden.“

Umweltschutz beginnt im Geldsystem.
Fix the system!

Der Sinn des Lebens ist, dass Menschen voller Sinn das niemals wissen müssen. - Gunter Dueck in Omnisophie
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9734
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Andre Peschke »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 8. Aug 2022, 00:16 Vor diesem Hintergrund finde deine "Degradierung" von CoD noch komischer.
Der CoD-Übersoldat ist keine Machtfanatsie
Kann mich nicht erinnern, bezweifle aber, das ich das so gesagt habe, weil ich natürlich nicht denke, es sei gar keine. Vermute es ging eher darum, das es zwar gern genannt wird, mich aber zum Rädchen im Getriebe „degradiert“. Das ist dann weniger Machtfantasie im Vergleich zu anderen Titeln, denen dieses Etikett nicht angeheftet wird

Andre
Otis
Beiträge: 1295
Registriert: 23. Mai 2021, 19:30

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Otis »

Den Gedanken, dass Macht auch andere Gesichter haben kann und dass strukturell eigentlich jede Art von Spiel eine Art Machtfantasie ist, eben weil schon jegliche möglichen negativen Konsequenzen von Handlungen fiktiv bleiben, wenn sie überhaupt eintreten bz. eintreten können, und einem Dinge ermöglicht oder vereinfacht werden, die einem real so nicht möglich sind, finde ich theoretisch auch sehr wertvoll, gerade weil man bei "Power-Fantasy" erstmal an "Lauch vorm Bildschirm plättet virtuell die Tausendschaften per Knopfdruck" denken mag. Das Beispiel mit dem Pferde-Game ist super.

Nur wie gesagt, praktisch stellt sich so die Frage, was denn dann bitte keine Power Fantasy ist.
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9734
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Andre Peschke »

Otis hat geschrieben: 8. Aug 2022, 09:25 Nur wie gesagt, praktisch stellt sich so die Frage, was denn dann bitte keine Power Fantasy ist.
Ich hätte jetzt gesagt: "Tetris", aber ich glaube, da hatte Jochen sogar auch schon einen Case für gemacht. :D

Letztlich kann auch rauskommen, dass einfach alle Spiele eine Machtfantasie sind. Das ist vielleicht einfach inhärent, wenn ein Medium darauf aus ist, dich Dinge jenseits des Alltags erleben zu lassen.

Die Idee zu dem Podcast hatte ich ja vor allem deswegen, weil "Power Fantasy" in verschiedenen Publikationen als abwertender Begriff für Shooter etc gebraucht wurde, als sei das eine Art von primitiver Unterhaltung. Und das mag zwar immer noch zutreffen, aber eben nicht, weil dort irgendeine Art von Machtfantasie ausgelebt wird. Entsprechend war es vor allem interessant das mal zu dekonstruieren und darauf hinzuweisen, dass wir uns alle in Positionen träumen, die jenseits unserer alltäglichen Möglichkeiten und unseres tatsächlichen Status in der Welt liegen und man da differenzierter denken muss, weil eine Machtfantasie nicht grundsätzlich schlecht ist.

Andre
Karsten
Beiträge: 436
Registriert: 6. Aug 2018, 09:41
Wohnort: Leipzig
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Karsten »

Andre Peschke hat geschrieben: 8. Aug 2022, 11:40
Otis hat geschrieben: 8. Aug 2022, 09:25 Nur wie gesagt, praktisch stellt sich so die Frage, was denn dann bitte keine Power Fantasy ist.
Letztlich kann auch rauskommen, dass einfach alle Spiele eine Machtfantasie sind. Das ist vielleicht einfach inhärent, wenn ein Medium darauf aus ist, dich Dinge jenseits des Alltags erleben zu lassen.
Auch wenn sicherlich jeder Spieler subjektiv ein anderes Empfinden davon haben wird, was für ihn selbst eine Machtfantasie darstellt (siehe meine Diskussion oben mit Jochen) und damit theoretisch so gut wie jedes Spiel potenziell erst einmal eine Machtfantasie darstellen kann, glaube ich schon, dass man durchaus noch einige Parameter anlegen kann, um herauszufinden, ob der Begriff der Power-Fantasy tatsächlich greift, und da geht es mir nicht nur um den Begriff Macht, sondern auch um den Begriff Fantasie, der bisher ein wenig zu kurz kommt.

Einen möglichen Parameter hab ich weiter oben schon genannt: Das Spiel sollte es aus meiner Sicht auch schaffen, dieses Gefühl von Machtausübung auf den Spieler zu transportieren. Ich mag es beispielsweise in Rollenspielen durchaus auch ab und an (wenn es zu meinem Charakter passt oder wenn das Kampfsystem nicht wirklich Spaß macht), Konflikte oder Herausforderungen gewaltfrei zu lösen. Wenn ich das jedoch schaffe, indem ich einfach nur eine Dialogoption auswähle, die mir nur deswegen zur Verfügung steht, weil ich einen entsprechenden Perk gewählt oder ein Attribut auf einen bestimmten Wert gelevelt habe, dann fühle ich mich dadurch nicht mächtig. Ganz anders sieht das aus, wenn ich in einem Spiel zum Beispiel mit dem eigenen Hirnschmalz ein Rätsel lösen kann.

Ein zweiter Parameter könnte es aus meiner Ansicht aber auch sein, zu fragen, wie man die jeweiligen Herausforderungen meistert. Wenn ich stundenlang an so einem Rätsel festhänge und dann irgendwann auf die Lösung komme, vielleicht sogar durch Zufall, Ausprobieren oder Glück, dann fühle ich mich danach nicht wirklich mächtig. Ganz anders sieht es aus, wenn ich ganze Rätselketten in Windeseile löse, weil ich die Systeme hinter den Rätseln sofort durchschaue. Dieser Dominanzgedanke spielt auch in meinem ersten Beispiel mit der Levelphase in Lost Ark eine Rolle. Ich dominiere jedes einzelne Gefecht, meine Gegner sind chancenlos. Das ist der Stoff, aus dem Fantasien gestrickt werden!

Deswegen wäre zum Beispiel ein From-Software-Spiel für mich persönlich keine funktionierende Power-Fantasy. Dort bekomme ich in den Kämpfen immer mal wieder aufs Fressbrett, stecke Niederlagen ein, erkämpfe mir jeden Sieg hart. Klar, die Siege fühlen sich dann toll an, doch fühle ich mich nach einem Wipefest mit zig Toden trotz des Sieges nicht wirklich mächtig.

Ich würde den Begriff Fantasie im Kontext der Machtfantasien in Spielen auch nicht nur nutzen, um die Taten in Spielen, durch die wir uns wirkmächtig fühlen, von denen in der Realität abzugrenzen, sondern auch, um gezielt herauszuheben, dass man in einem Spiel mit funktionierender Power-Fantasy Dinge auf eine Art meistert, wie es in anderen Spielen normalerweise nicht der Fall ist, eben weil man in diesem Bereich dominiert und sich tatsächlich nicht nur mächtig, sondern regelrecht übermächtig fühlt.

Wegen all diesen Punkten ist Lost Ark für mich eine Spiel gewordene Power-Fantasy, viele andere Action-RPGs jedoch nicht. Aufgrund dieser Punkte spüre ich bei einem Walking-Simulator mit Spaziergang- und Erkundungs-Gameplay 0,0 Power-Fantasy, wenn ich mich jedoch als Spidey durch die Häuserschluchten schwinge, geht mir einer ab (metaphorisch).

Oder gibt es hier jemanden, der in einem Dear Esther oder Vanishing of Ethan Carter beim Spielen Power-Fantasy-Vibes verspürt?
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9734
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Andre Peschke »

Karsten hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:27 Einen möglichen Parameter hab ich weiter oben schon genannt: Das Spiel sollte es aus meiner Sicht auch schaffen, dieses Gefühl von Machtausübung auf den Spieler zu transportieren.
Da hat dir aber Jochen IMO schon korrekt geantwortet, dass das sehr individuell ist. Die Leute, die sich bei Crusader Kings in das Emergent Storytelling reindenken, erleben sich als König, während andere nur eine Excel-Tabelle sehen. Das ist unauflösbar.
Karsten hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:27 Oder gibt es hier jemanden, der in einem Dear Esther oder Vanishing of Ethan Carter beim Spielen Power-Fantasy-Vibes verspürt?
Ich denke schon, dass es ja nach Auslegung Spiele geben wird, die nicht unter "Power Fantasy" fallen, wie die von dir genannten. Es ging aber eben darum, dass der Begriff eigentlich viel weiter ausgelegt werden muss, als "toxisch männliche Zerstörungs-/Mordorgie".

Andre
Benutzeravatar
Colonel-Mortimer
Beiträge: 49
Registriert: 13. Feb 2022, 20:51

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Colonel-Mortimer »

Erstmal Danke für die sehr spannende Folge - man siehts an der Diskussion, dass ihr damit ein interessantes Thema getroffen habt (zwei Seiten Kalauer mal außen vor gelassen ;) ).

Für mich ist die größte Machtfantasie in Computerspielen etwas, dass man wahrscheinlich kaum oder nicht immer bewusst wahrnimmt. Im Gegensatz zum "echten" Leben gibt es klare Regeln und Muster, die man verstehen und erlernen kann, da sie immer gleich sind - und in dem Moment, wo ich diese Regeln verstanden bzw. durchschaut habe, kann ich das gesamte Spiel lenken und steuern wie ich will.
Ganz besonders deutlich wird das bei 4X Spielen wie etwa Civ & Co. Für Leute, die die Regeln (gemeint sind damit die Entscheidungsbäume, Muster und Zusammenhänge im Spiel, nicht nur die Regeln die man in der Anleitung findet) wirklich verstanden haben, wird das Spiel trivial einfach - dann ist auch eine Partie auf Gottheit mit Hausregeln überhaupt kein Problem.

Grundsätzlich gilt das aber auch für andere Computerspiele - Computerspiele unterliegen (zwangsweise) immer klaren und eindeutigen Regeln & Mustern, die man durchschauen kann, egal ob Strategiespiel oder Shooter.

Ich glaube das gibt einem beim Spielen ganz allgemein ein "Machtgefühl" - man hat die "Kontrolle" in einer Situation und kann sie damit lenken. Das ist ein Machtgefühl, dass wie bereits im Thread mehrmals angesprochen nicht aus physischer sondern "intellektueller" Macht kommt. Auch in der Literatur bzw. Film und Fernsehen werden meistens die als besonders mächtig dargestellt oder wahrgenommen, die im "Hintergrund die Fäden ziehen". Der physisch Starke/Stärkste ist in der Regel die Nummer 2 (die alten James Bond Filme sind da ein plakatives Beispiel).
Das bedient gleich zwei "Bedürfnisse" - einerseits habe ich selbst etwas geleistet (ich habe die Regeln verstanden und nicht nur -wie im Beispiel von Karsten - eine Dialogoption dank passendem Perk geklickt) und ich kann etwas ausleben, dass niemand von uns im echten Leben hat: man hat die Regeln verstanden und kann damit das "Leben" und andere(!) steuern wie man will, da man ja weiß wie Personen und Ereignisse reagieren (alle jene die das IRL auch geschafft haben, mein Neid sei euch gewiss!)

Andre Peschke hat geschrieben: 8. Aug 2022, 13:38 Da hat dir aber Jochen IMO schon korrekt geantwortet, dass das sehr individuell ist. Die Leute, die sich bei Crusader Kings in das Emergent Storytelling reindenken, erleben sich als König, während andere nur eine Excel-Tabelle sehen. Das ist unauflösbar.
Dem ist nichts hinzuzufügen - wie man es selber erlebt und man es überhaupt als Power Fantasy wahrnimmt, ist extrem subjektiv.


PS: Erster Beitrag, seit Monaten The-Pod Hörer nachdem ich mit dem Abgang der alten Redaktion von 4players meine alte Anlaufstelle für Computerspiele verloren habe. Hab dort nicht einmal etwas im Forum gepostet und war jetzt extrem (positiv) über die Gesprächskultur hier überrascht. Also erstmal Hallo in die Runde :)
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9734
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Andre Peschke »

Colonel-Mortimer hat geschrieben: 8. Aug 2022, 17:16 Also erstmal Hallo in die Runde :)
Herzlich Willkommen!

Und ja, das Kompetenz- und Kontrollgefühl via klare Regeln köööönnte man bestimmt auch da reinsubsummieren. Die Freunde eines engeren/trennschärferen Machtbegriffs ringen aber vermutlich nach Atem. :D Plus: debattierbar, ob es eine Fantasie ist, oder nicht entweder eine Illusion oder Realität, je nach Spiel.Illusion, weil zB Aimassist dir ja Kompetenz vorgaukelt, die in dem Maße nicht vorhanden ist. Realität, weil: Die Kompetenz das Spiel zu bedienen und zu gewinnen hast du ja tatsächlich. Vs eine Machtfantasie, die dich ja tatsächlich in eine Rolle von großer Macht versetzt, die du nur Im wahren Leben nicht hast.

Da hätten wir vermutlich tatsächlich noch zwischen intrinsischen und extrinsischen Fantasien unterscheiden können. Durchaus interessanter Gedanke!

Andre
Avantenor
Beiträge: 43
Registriert: 3. Aug 2022, 08:28

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Avantenor »

Andre Peschke hat geschrieben: 8. Aug 2022, 11:40 Ich hätte jetzt gesagt: "Tetris", aber ich glaube, da hatte Jochen sogar auch schon einen Case für gemacht. :D

Letztlich kann auch rauskommen, dass einfach alle Spiele eine Machtfantasie sind. Das ist vielleicht einfach inhärent, wenn ein Medium darauf aus ist, dich Dinge jenseits des Alltags erleben zu lassen.

Die Idee zu dem Podcast hatte ich ja vor allem deswegen, weil "Power Fantasy" in verschiedenen Publikationen als abwertender Begriff für Shooter etc gebraucht wurde, als sei das eine Art von primitiver Unterhaltung. Und das mag zwar immer noch zutreffen, aber eben nicht, weil dort irgendeine Art von Machtfantasie ausgelebt wird. Entsprechend war es vor allem interessant das mal zu dekonstruieren und darauf hinzuweisen, dass wir uns alle in Positionen träumen, die jenseits unserer alltäglichen Möglichkeiten und unseres tatsächlichen Status in der Welt liegen und man da differenzierter denken muss, weil eine Machtfantasie nicht grundsätzlich schlecht ist.

Andre
Bei Tetris als Power Fantasy wurde es für mich zunehmend abstruser. Wie ich auch an anderer Stelle schrieb: Irgendwann wurde aus meiner Sicht "Handlungsmächtigkeit" mit "Power Fantasy" gleichgesetzt. Ersteres ist imho ein Merkmal jeden Spiels, dass Du kein "ohnmächtiger" Beobachter (aka Opfer) bist, sondern durch Interaktion einen entscheidenden Einfluss auf das Bildschirmgeschehen hast – und sei es nur durch Tastendruck an den vorgesehenen Stellen. Und dass man durch etwas Training in manchen Spielen bessere Ergebnisse hinlegen kann. Durch diese Vermischung der Begrifflichkeiten wurde plötzlich aus jedem Spiel eine Power Fantasy, u. a. Tetris. Der abschätzige Begriff bezieht sich meines Erachtens eher indirekt auf das Gameplay, als vielmehr auf den Eindruck der sozialen Rolle des Avatars in der Spielwelt und in Analogie zur Realwelt. Dinge, die eher animalische Triebe ansprechen und wenig sophisticated gelten. Also in uns den sprichwörtlichen Gorilla ansprechen, der eine Schneise der Verwüstung hinterlässt und sich dabei unter lautem Geschrei mit beiden Armen auf die Brust trommelt. Bzw. die platte, negative Antwort auf die Superman-Gretchenfrage, was ich mit großer Macht anstelle.

Würde es ein spielerisches Pendant zu Game of Thrones geben, wäre sicher auch die Littlefinger-Variation noch möglich, nur ist mir dazu bislang noch kein so detailreiches Spiel begegnet und Civilization ist da imho bei weitem zu abstrakt. Das funktioniert maximal im Kopf des Spielers. Und da tu ich mich schwer, dass dem Spiel ans Revert zu heften, denn in der eigenen Fantasie kann alles super toll und mächtig wirken. Ich kann mir auch einbilden, *beliebiger Promi* steht auf mich, weil er/sie mich bei einer zufälligen Begegnung angelächelt hat – dürfte an den faktisch messbaren Gegebenheit aber weit vorbeigehen.

Worauf Spiele meines Erachtens mehr einzahlen, ist dieses häufige "hätte, wenn, aber": Würde ich genauso viel trainieren wie Cristiano Ronaldo, könnte ich vielleicht ein ähnlich guter Fußballer sein. Wenn ich mich mal damit auseinandersetzen würde, dann könnte ich sicherlich auch ein guter Stadtplaner sein. Würde mir jemand den Ring der Macht geben, ich würde den ähnlich zuverlässig wie Frodo nach Mordor tragen. Sie spiegeln uns vor, dass mit etwas Übung und Initiative wir quasi alles erreichen können, ähnlich dem American Dream. Es gaukelt uns vor, dass wir uns abheben können vom Rest der Welt (=Indiviudalität, Erfolg und Selbstbestimmtheit). Das ist meinem Verständnis nach aber noch keine Power Fantasy (=Dominanz).
Frodo Brömmelkamp
Beiträge: 6
Registriert: 27. Jan 2023, 09:49

Re: Runde #380: Machtfantasien

Beitrag von Frodo Brömmelkamp »

Ein (sehr später) Senf zur Folge:

Es hat mir das Herz gebrochen, dass Die Unendliche Geschichte erst erwähnt und dann doch wieder abgetan wurde. Es ist für mich tatsächlich eins der Bücher, welches das Thema behandelt und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Dass es dann mit einem "Ach stimmt, er liest ja nur davon, was Atreju macht" abgetan wurde zeigt, dass die Herren entweder nur den Film gesehen haben oder das Buch dringend nochmal zur Hand nehmen sollten (liest sich tatsächlich ganz gut weg):
  • Das Buch beginnt tatsächlich damit, dass Bastian Balthasar Bux von Atreju liest. Atreju ist nun bei weitem nicht unheimlich mächtig, aber im Kontrast zu Bastian doch weit stärker, schneller, kompetenter.
    Erster Blickwinkel: Bastian als jemand ohne Macht, welcher die Abenteuer einer sehr viel mächtigeren Person "miterlebt."
  • Dann wird Bastian aber selbst enorm mächtig. So mächtig, dass es fast schon an Allmacht grenzt. Er schafft Welten, wird verehrt, hat eine Armee.
    Zweiter Blickwinkel: Bastian als jemand, der von "ohne Macht" zu "schier endlose Macht" gewechselt ist.
  • Und dann fällt das ganze Kartenhaus natürlich in sich zusammen und Bastian verliert alles, irrt durch Phantásien.
    Dritter Blickwinkel: Bastian als jemand, der alle Macht eingebüßt hat und sich nun damit auseinandersetzen muss, wieder "normal" zu sein und sich auf das zu besinnen, was ihm eigentlich wichtig war.
Der Film endet direkt nach dem ersten Blickwinkel, was natürlich sehr schade ist. Das Buch wäre in diesem Kontext so eine dankbare Quelle für das Thema gewesen!

(Wenn sie später nochmal darauf zurückkommen, tut mir das leid - es wirkte aber nicht so, darum die Todsünde des "Kommentieren, ehe der Podcast zuendegehört ist")
Antworten