Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
Benutzeravatar
Leonard Zelig
Beiträge: 3480
Registriert: 5. Jan 2016, 19:56

Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Leonard Zelig »

Gibt auf Facebook gerade eine interessante Diskussion über die deutsche Spielebranche. Stephan Reichert sieht diese in Gefahr, einige stimmen ihm zu, andere widersprechen ihm.

Das Video von Stephan Reichert wurde auch auf YouTube hochgeladen:

https://www.youtube.com/watch?v=m5oKnWpmC1Q" onclick="window.open(this.href);return false;

Zwei Repliken hab ich mal aus einer Facebook-Gruppe kopiert:
Teut Weidemann hat geschrieben:Vergessen sind die Zeiten wo sich die selbst die Top Entwickler mit Werbe Spielen über Wasser hielten. Vergessen scheint auch als wir den Zug auf PC verpassten und noch fleissig Amiga Spiele herstellten. Vergessen scheint auch das wir den Mobile Trend verpassten und es nun zu spät scheint. Vergessen sind die Zeiten wo es die hälfte (!) der Studios in einem Jahr hingerafft hat. Gerne können diejenigen die dabei waren eine Liste machen. Wir leben trotzdem noch. Alle Jahre wieder dasselbe. Dramatisch sind die Zahlen noch lange nicht. Daedalic schrumpft sich gesund, paar Leute müssen gehen. Goodgame verplante sich total was jeder kommen sah und die Folgen waren zu spüren. Trotzdem haben wir mehr Top Studios derzeit als vorher. Sonst beleidigt man diejenigen die echt gute Arbeit leisten, sei es Yager, Innogames, Handygames, MiMiMi, Cipsoft oder die anderen. Was fehlt ist wie immer Förderung, Geld, Weltweiter Marktzugriff ohne seine Seele zu verkaufen. Und das war schon das Problem vor 25 Jahren. Nur ist es heute viel besser als damals, wenn auch Risikoreicher wegen der erhöhten Kosten.
Johannes Roth hat geschrieben:Die Kurzversion, für den Nachwuchs:
a) Hört auf permanent hier zu diskutieren und steckt eure Zeit lieber in eure Spiele. Gejammer über "Keine Chance in der Branche" ist lächerlich, wenn man kein einziges vernünftiges, fertiges Spiel vorzuweisen hat.
b) Es ist und bleibt immer schwierig, für jeden, auch über unsere Branche hinaus.
c) Man muss immer kämpfen, niemand bekommt etwas geschenkt.
d) Es geht auch heute noch, siehe Lost Ember, Fox n Forests usw. und nein, keins der Spiele hat genug Geld auf KS bekommen, um sorgenfrei daran arbeiten zu können. Trotzdem geht's weiter.

Die Kurzversion, für Stephan:
a) NEIN - NEIN - NEIN, wir haben KEIN Nachhilfeproblem in Deutschland! Wir haben ein reines Finanzierungsproblem.
b) Mir haben alle geholfen, von sau-alt bis blut-jung, von erfolgreich bis 10x-insolvent. Man muss nur auch mal fragen!
c) Man muss auch zuhören, das tun dann schon wieder die wenigsten. Was man letztlich aus dem Feedback macht, ist eine ganz andere Sache, aber oft kommt beim Coaching nur ein Schwall aus Rechtfertigungen zurück. Dabei soll man doch neue Eindrücke bekommen.
d) Ich betreue auch aktuell noch viele Studios, von Studentenausgründungen aus München bis ehemalige AAA-Leute in der Türkei und Kanada. Fazit: Viele Newcomer sind stinkefaul. Die meisten, denen ich geholfen habe, haben sich nie wieder gemeldet. Meine Hilfe bedeutet nämlich viel Arbeit und Stress, die wenigsten haben dann wirklich Bock darauf und ziehen durch. Deshalb helfe ich niemandem mehr proaktiv. Die, die mich anschreiben und dann auch was daraus machen, sind übrigens nicht auf FB sondern machen gerade richtig geile Produkte.

Und noch ein Disclaimer: Uns gehts auch nicht gut, wir haben die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefuttert. Aber man lässt uns nicht allein, sondern ich bekomme jede Menge Hilfe.

Aktuell steckt Daedalic in Schwierigkeiten, eine News aus dieser Woche:
Wie das Branchenmagazin Gamesmarkt berichtet, plant der Hamburger Publisher und Entwickler Daedalic Entertainment zwölf Stellen aus den Bereichen Entwicklung und Marketing zu streichen. Ziel dieses Schritts sei das Senken der Betriebskosten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Zusätzlich zur Streichung der zwölf Stellen soll eine nicht genannte Anzahl an befristeten Arbeitsverhältnissen nicht fortgesetzt werden. Was das konkret auf die Gesamtzahl an Mitarbeitern übertragen bedeutet, die laut Daedalic aktuell bei rund 150 liegt, ist nicht bekannt.
...
Ferner beschreibt Fichtelmann die aktuelle Geschäftsprognose ohne die geplanten Umstrukturierungsmaßnahmen "trotz herausragender Spiele [...] wie Deponia Doomsday, Silence oder [...] Shadow Tactics" als "bescheiden und düster" aufgrund gestiegener Kosten bei geringer werdenden Absatzzahlen.
http://www.gamersglobal.de/news/123333/ ... -duester-u" onclick="window.open(this.href);return false;

Wäre schon schade um Daedalic, auch wenn der Humor ihrer Adventures anders als jener der LucasArts/Revolution/Pendulo-Klassiker fast nie meinen Nerv getroffen hat. Silence, das aktuelle Spiel von Daeadalic, bekommt leider international viel zu wenig Aufmerksamkeit. Der Thread im NeoGaf hat gerade mal 11 Antworten. Wenig hilfreich ist auch, dass die Retail-Version für die PS4 kurzfristig auf den 5. Dezember verschoben wurde und für die Xbox One gleich ganz gecancelt wurde (obwohl bei Händlern wie Buecher.de noch bestellbar). Und auf den Xbox Marktplatz ist Silence auch noch nicht aufgeschlagen. Ich weiß nicht, was da im Einzelnen schief gelaufen ist, aber internationale Entwickler agieren bei Konsolenreleases professioneller. Das nächste große Projekt ist The Long Journey Home.

Yager Development (Spec Ops- The Line) wurde Dead Island 2 aus den Händen gerissen, ein neues AAA-Spiel wurde noch nicht angekündigt.

Crytek hat seine Grafikengine an Amazon verkauft und konnte so das Aus nochmal abwenden. Das aktuelle Projekt Robinson - The Journey für PlayStation VR kommt recht gut an (Metacritic-Score: 64), mir persönlich verhagelt aber die Preisdifferenz zwischen USA und Europa (40$ vs. 70€) die Laune. Dafür bietet das Spiel einfach nicht genügend Umfang. Die Crysis-IP scheint derzeit auf Eis zu liegen und von einem Remaster von Crysis 3 für PS4/One ist auch nichts bekannt.

Deck 13 (Lords of the Fallen) hat derzeit The Surge in der Pipeline. Ein Sci-Fi-Action-RPG, das den Fokus auf Crafting und ein taktisches Kampfsystem setzt. Muss man mal abwarten, was daraus wird.

Piranha Bytes möchte nächstes Jahr Elex veröffentlichen. Wird sicher absolut großartig für Fans des Studios, aber es sieht in meinen Augen vom Design und Stil her recht veraltet aus. Wahrscheinlich hat mich The Witcher 3 einfach zu sehr verwöhnt.

Wie seht ihr den Zustand der deutschen Spielebranche? Und woher kann das Geld für die Indie-Entwickler kommen? Mehr Förderung vom Staat? Auch wenn das möglicherweise die Kreativität einschränkt. Mehr Geld für die Universitäten, damit diese vielleicht als Publisher für deutsche Indie-Projekte fungieren können? Für Investoren ist die Spieleentwicklung wenig verlockend. Das große Geld lockt nicht, dafür aber viele Risiken.
Steuervorteile wie in Kanada müssten EU-weit gelten, sonst grätscht Brüssel dazwischen. Da könnte es auch schwer mit der Akzeptanz in der Bevölkerung werden. Warum sollen Unterhaltungsprodukte subventioniert werden?

Mehr Zusammenarbeit unter den einzelnen deutschen Studios ist sicher nicht verkehrt. Dann klappt es hoffentlich auch mit Spielen, die international erfolgreich sind. Der im Video angesprochenen Marktsättigung könnte man damit begegnen, indem man versucht Nichtspieler anzusprechen. Da ist sicher noch viel Potential. Auch im Bereich Edutainment ist noch viel Luft nach oben, Virtual Reality und Augmented Reality sind gerade für Museen spannende Technologien.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

www.gamersglobal.de
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

"Charmant und originell". Ich höre schon die Relativierung: "Lief gar nicht schlecht - für ein deutsches Spiel". Was letzzltlich bedeutet, dass es irrelevant ist. So wie Deutschland auch in der Film- und Musikbranche irrelevant ist.

Und zumindest bei Film und Spiel ist das Problem ähnlich: a) will niemand Geld in die Hand nehmen und konsequent durchziehen, so dass das schon allein am Productionvalue scheitert. Gegen Assassins Creed und Battlefield siehst du halt automatisch alt aus, wenn du in Mülheim an der Ruhr mit 15 Leuten ein Einfamilienhaus zur Softwareschmiede umfunktionierst. Das KANN ja nicht mit den großen mithalten.

Und Problem b) Alles viel zu verkopft. Statt es einfach mal krachen zu lassen (siehe CryTek, dass hat ja auch direkt eingeschlagen) produzieren wir irgendwelche Nischentitel wie Wirtschaftsmanager oder Aufbaustrategie, die außerhalb Deutschlands keinen interessieren. Und hinzu kommt dann natürlich auch, dass entsprechend die Erfahrung fehlt, wie man einen AAA Titel polished auf die Konsole bringt, wenn man die letzten 25 Jahre nur "originelle und charmante" Nischentitel mit Minimalbudget produziert hat.

Und im Film ist es halt ähnlich: In den USA produziert man für Millionenbeträge mit etablierten Schauspielern Kracher wie Breaking Bad, während die Leute hier irgendwelche Familiendramen als Fernsehdreiteiler abdrehen - und natürlich aus finanziellen Gründen auch nur abdrehen können, weil der geistige Horizont und auch der Anspruch der Verantwortlichen in der deutschen Medienbranche bei "Bauer sucht Frau" und "Frauentausch" endet - hauptsache billig.

Es fehlt Deutschland den Kreativen zum einen der Mut, einfach mal profan Unterhaltung zu produzieren und zum anderen den Produzenten der Mut, dafür dann auch Geld in die Hand zu nehmen. Man versucht in Deutschland nicht mal, in Konkurrenz zu treten. Und natürlich fehlen dann durch jahrzehntelange Austrockung der Branche auch die erfahrenen Talente und Strukturen, die so was überhaupt bewerkstelligen könnten. Und wenn dann doch mal einer mit Talent auftaucht geht er natürlich in die USA, statt seine Fähigkeiten hier zu verschwenden.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

Die Frage ist, wie du Erfolg definierst: Ist es Erfolg, den Laden nicht nach ein paar Jahren zuzusperren, oder ist es Erfolg, 20-30 Millionen Einheiten von einem Titel abzusetzen, wie es Rockstar am anderen Ende des Spektrums tut? Nur weil wir in auch Deutschland Studios haben, die mit weitestgehend unbekannten Titeln über die Runden kommen heißt das nicht, dass sie relevant wären.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Rince81
Beiträge: 8757
Registriert: 21. Dez 2015, 04:30

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Rince81 »

Vinter hat geschrieben: Und im Film ist es halt ähnlich: In den USA produziert man für Millionenbeträge mit etablierten Schauspielern Kracher wie Breaking Bad, während die Leute hier irgendwelche Familiendramen als Fernsehdreiteiler abdrehen - und natürlich aus finanziellen Gründen auch nur abdrehen können, weil der geistige Horizont und auch der Anspruch der Verantwortlichen in der deutschen Medienbranche bei "Bauer sucht Frau" und "Frauentausch" endet - hauptsache billig.
Als Kinomensch mal energisches ähm nö. Man muss keine internationalen Kracher machen. Es gibt grandiose, kreative und innovative Filme und Serien aus Deutschland. Natürlich bekommt man aus Deutschland kein Breaking Bad hin, muss aber auch nicht.
Ein Deutschland 83 reicht völlig um mal eben nebenbei einen INTERNATIONAL EMMY als beste internationale Dramaserie abzuräumen. Das Problem dieser Serie ist nicht der geistige Anspruch der Macher, sondern wir verblödeten Zuschauer, die das bei RTL nicht honoriert haben. Die Serie hatte in Deutschland miserable Quoten, jetzt hilft Amazon bei der zweiten Staffel um ihren Videodienst zu promoten.... :pray:
Bei der Gelegenheit ging der International Emmy für die beste Doku mit "krieg der Lügen" an die Abschlussarbeit eines deutschen Filmstudenten.
Und auch im Kino tummelt sich engagiertes deutsches Kino. Letztes Jahr lief mit "Victoria" der imho beste deutsche Film der letzten Jahre an. Wie sagt der Hollywood Reporter:
http://www.hollywoodreporter.com/review ... iew-770825" onclick="window.open(this.href);return false;
But even if Schipper's single-shot thriller is essentially one long technical stunt, it is still a bravura experiment and a kinetic, frenetic, sense-swamping rollercoaster ride.
Und Victoria ist nicht allein. Wenn Dir nur Frauentausch und Bauer sucht Frau einfällt, dann ist das eher dein Problem, es gibt Alternativen. Und aus den USA kommt eben nicht nur Breaking Bad, sondern auch ganz viel Mist - den bekommen wir aber zum Glück nicht mit weil den natürlich niemand international einkauft...
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

Das spielt doch keine Rolle. NATÜRLICH findet auch ein blindes Huhn mal ein Korn. Aber nur weil alle 5 Jahre mal eine deutsche Produktion international Aufsehen erregt, sagt dass noch lange nicht, dass der Zustand der Medienbranche hier auch nur konkurrenzfähig wäre. Genausowenig wie CryTek plötzlich Deutschland zum Mekka der Spieleproduktion gewandelt hat. Oder BlueByte, oder Deck13, oder Daedalic, oder Ascaron, oder Piranha Bytes.

Wir haben trotzdem keine konkurrenzfähige Strukturen, die uns dazu befähigen, über ein paar Glückstreffer hinaus REGELMÄSSIG ganz oben mitzuspielen. Und das ist doch der Kern des Problems. Und nicht irgendwelche anekdotischen Erfolge.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9847
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Andre Peschke »

Leonard Zelig hat geschrieben:Crytek hat seine Grafikengine an Amazon verkauft und konnte so das Aus nochmal abwenden. Das aktuelle Projekt Robinson - The Journey für PlayStation VR kommt recht gut an (Metacritic-Score: 64), mir persönlich verhagelt aber die Preisdifferenz zwischen USA und Europa (40$ vs. 70€) die Laune.
Was Crytek angeht, gibt es aktuell wieder eine Menge unschöner Gerüchte in der Branche. Angeblich wieder ausbleibende Lohnzahlungen etc. Hab das aber bislang nicht ernsthaft verfolgt. Kann Quatsch sein.

Andre
Benutzeravatar
Heretic
Beiträge: 4998
Registriert: 20. Mai 2016, 13:30

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Heretic »

@Vinter:
Das klingt alles ganz schön herablassend, was du hier so erzählst. Internationaler Erfolg bedeutet nicht automatisch Relevanz. Oder gar gehobene Qualität. Qualitativ gute Nischenprodukte werden nicht dadurch irrelevant, dass sie in Amerika keiner spielen/hören/sehen will.
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9847
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Andre Peschke »

Rince81 hat geschrieben:Das Problem dieser Serie ist nicht der geistige Anspruch der Macher, sondern wir verblödeten Zuschauer, die das bei RTL nicht honoriert haben.
Zum einer Verteidigung: Woher sollte ich ahnen, das auf RTL eine gute Serie läuft? ;)

Ich hab das wirklich ewig nicht geschaut, weil ich einige der früheren RTL-"Blockbuster"-Mehrteiler eher "meh" fand. "Deutschland 83" war aber dann tatsächlich nett. Bisschen konstruiert zuweilen, aber echt nett. Sorry, RTL. Nächstes Mal...ach, was sag ich. Nächstes mal denke ich wieder zwei Jahre, du produzierst nur Schrott. Ich hätte nie eine Folge "Cobra 11" sehen sollen...

Andre
Rince81
Beiträge: 8757
Registriert: 21. Dez 2015, 04:30

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Rince81 »

Vinter hat geschrieben:Das spielt doch keine Rolle. NATÜRLICH findet auch ein blindes Huhn mal ein Korn. Aber nur weil alle 5 Jahre mal eine deutsche Produktion international Aufsehen erregt, sagt dass noch lange nicht, dass der Zustand der Medienbranche hier auch nur konkurrenzfähig wäre. Genausowenig wie CryTek plötzlich Deutschland zum Mekka der Spieleproduktion gewandelt hat. Oder BlueByte, oder Deck13, oder Daedalic, oder Ascaron, oder Piranha Bytes.

Wir haben trotzdem keine konkurrenzfähige Strukturen, die uns dazu befähigen, über ein paar Glückstreffer hinaus REGELMÄSSIG ganz oben mitzuspielen. Und das ist doch der Kern des Problems. Und nicht irgendwelche anekdotischen Erfolge.
Also wenn internationaler Erfolg, gerade Overseas jetzt das Erfolgsbarometer ist, dann können wir den Laden zuschließen und den Schlüssel wegwerfen und mit uns alle anderen in Europa. Kommerzielle Blockbuster aus dem Ausland gibt es in den USA nicht - das wird erstmal mit US Schauspielern nachgedreht wenn es potenzial verspricht. Und ganz oben Mitspielen ist also Disney, Warner, Sony, Fox und Universal und von denen auch nur die Blockbuster?
Das kann es ja nicht sein, dann könnten auch alle Entwickler ihren Laden zuschließen, weil Call of Duty XYZ sich besser verkauft als z.B. Life of Strange. Die französichen Luschen von Dontnod sind eben einfach nicht konkurrenzfähig... :whistle:

Und wir haben einen bedeutenden Ausstoß an kleineren relavanten Filmen, teils auch mit internationalem Erfolg. Oh Boy, Kriegerin, Fack Yu Goethe, um nur mal ein paar Titel von Arthouse bis Multiplex reinzuwerfen. Dieses Jahr erst hat "Toni Erdmann" diverse Preise bei internationalen Filmfestivals eingesackt und war in Cannes am Start - klar nichts davon kommt an einen Avengers ran.
Andre Peschke hat geschrieben:
Rince81 hat geschrieben:Das Problem dieser Serie ist nicht der geistige Anspruch der Macher, sondern wir verblödeten Zuschauer, die das bei RTL nicht honoriert haben.
Zum einer Verteidigung: Woher sollte ich ahnen, das auf RTL eine gute Serie läuft? ;)

Ich hab das wirklich ewig nicht geschaut, weil ich einige der früheren RTL-"Blockbuster"-Mehrteiler eher "meh" fand. "Deutschland 83" war aber dann tatsächlich nett. Bisschen konstruiert zuweilen, aber echt nett. Sorry, RTL. Nächstes Mal...ach, was sag ich. Nächstes mal denke ich wieder zwei Jahre, du produzierst nur Schrott. Ich hätte nie eine Folge "Cobra 11" sehen sollen...

Andre
Ich schrieb ja wir Zuschauer. Das da gerade bei RTL was sehenswertes schlummert hatte ich auch nicht erwartet und den Sender nicht einmal einprogrammiert...
Zuletzt geändert von Rince81 am 26. Nov 2016, 13:42, insgesamt 1-mal geändert.
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

Heretic hat geschrieben:@Vinter:
Das klingt alles ganz schön herablassend, was du hier so erzählst. Internationaler Erfolg bedeutet nicht automatisch Relevanz. Oder gar gehobene Qualität. Qualitativ gute Nischenprodukte werden nicht dadurch irrelevant, dass sie in Amerika keiner spielen/hören/sehen will.
Nein, aber es geht natürlich niemand mit 200 Millionen Dollar nach Deutschland um hier einen deutschen Film zu produzieren, wenn er sich an einer Hand ausrechnen kann, dass das Ergebnis nicht seinen finanziellen (!) Erwartungen entspricht. Eine finanziel relevante deutsche Medienbranche ist ja schon mal Grundvoraussetzung dafür, dass hier überhaupt in vorhersehbarer Dichte auch Qualität entstehen kann. Das in den USA natürlich TROTZDEM 90% anspruchsloser Scheiß ist (Comicverfilmungen....) ist ja unzweifelhaft. Aber diese Sachen bilden halt das Fundament dafür, dass abseits dessen Qualität überhaupt entstehen kann. Weil diese die Strukturen finanzieren für Nachwuchsförderung, Studios und überhaupt einer möglichen Karriere in der Branche.

Und nur mal so: Das war auch mal anders. In der Frühzeit des Films war Kino deutsch. Nur haben wir mit den Weltkriegen und dem Brain Drain den Anschluss verloren.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
Malvitus
Beiträge: 130
Registriert: 4. Feb 2016, 00:55

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Malvitus »

Leonard Zelig hat geschrieben:Mehr Geld für die Universitäten, damit diese vielleicht als Publisher für deutsche Indie-Projekte fungieren können?
Halte ich für keine gute Idee. Universitäten sollten nicht marktwirtschaftlich agieren (was sie als Publisher ja müssten), sondern forschen. Wir haben auch genügend deutsche Publisher und gerade im Zeitalter von Steam und Co. benötigt man ja nicht mehr zwingend einen Publisher. Was man jedoch verstärken sollte, ist die Unterstützung von Universitären Ausgründungen. Im Bereich der Anweundungssoftware klappt das mittlerweile an einigen Standorte hervorragend. Der Technologietransfer muss einfach unterstützt werden. Es wird kein Game Design Prof geben, der ein Spiel macht. Diese ganzen Studentenprojekte versinken in der Bedeutungslosigkeit, weil sie nach der Vorlesung einfach nicht mehr unterstützt werden. Da werden die Studenten dann alleine gelassen. Aber genau da muss man anpacken, Unterstützung geben und dem startup, was daraus eventuell entsteht, Zugang zu Mitteln ermöglichen.

Mir geht diese Neiddebatte so unendlich auf die Nüsse. "Wa wa der Film wird gefördert wä wä mir steht das auch zu". Ja stimmt. Du bekommst aber trotzdem im Moment keine Förderung. Da hilft kein jammern und kein Flehen. Dann muss man einfach andere Möglichkeiten der Finanzierungen ran holen. Wenn ich warte, bis die Politiker sich endlich dazu bequemen Mittel frei zu geben, hat ein anderer meine Spieleidee schon längst verwirktlicht. Das ist bei meiner Uni ähnlich. Während die Informatik sich Drittmittel noch und nöcher besorgt, sitzen andere Fachbereiche da, veröffentlichen alle Jubel Jahre mal ein Paper und erwarten, dass man ihnen monatlich ihr Geld überweist. Steht ihnen ja zu, sie haben ja schließlich Stundenten zu betreuen. Jetzt ratet mal, wer die neuen sauberen Gebäude hat und wer aus dem letzten Loch pfeift. Das sagt auch mittlerweile der Uni Prof mehr oder weniger deutlich.
Und wenn Du sagst, dass Deutschland im Musikbereich irrelevant ist, dann hast Du vermutlich keine Ahnung, sicher auch weil Du die verschiedenen Genres nicht im Blick hast. Wir haben hier in Deutschland tatsächlich die größten europäischen Musikfestivals in den Bereichen Jazz, Klassik, Folk, etc. ansässig. Besonders auch in der klassischen Musik sind deutsche Musiker auf der ganzen Welt unterwegs und international sehr erfolgreich. Ähnlich sieht es im Jazz aus. Auch deutsche Metalbands haben den Engländern schon lange den Rang abgelaufen was internationale Vermarktbarkeit betrifft
Ich gönne den deutschen Musikern in ihren Segmenten ja auch ihren Erfolg. Aber wie sieht's mit der Relevanz der deutschen in den Musik Segmenten aus, wo die dicke Kohle ist? Relevanz ins Spezialgebieten lässt sich nicht in allgemeine Relevanz ümmünzen. Wir haben keine großen Pop Künstler und keine großen Rock Künstler, die international irgendwie relevant wären. Kein Wunder, die Lieder sind ja auch alle auf deutsch. Es besteht also gar keine Ambition, international erfolgreich zu sein.

Diese Mentalität findet sich auch in der Spielebranche. Man macht seine SImulationen und Adventures und fristet in seiner Nische da sein Dasein, bis der ohnehin kleine Nischenmarkt dann wegbricht. Und dann steht man da und wundert sich. Und wehe es wagt sich einer mal in den bereich der AAA Spiele. Wie kann ein deutscher Spielehersteller es wagen mit den großen konkurrieren zu wollen? Wir machen KUNST und NISCHENPRODUKTE, wir sind Dichter und Denker! Das kann also nur in die Hose gehen, das kaufe ich nicht.

Ich überspitze und übertreibe natürlich, aber genau die gleiche Attitüde herrscht ja auch gegenüber deutschen Filmen. Viele deutsche gehe nicht in deutsche Filme, weil da ja deutsche Schauspieler deutsche Themen auf deutsche Weise schauspielern. Man hat also gar nicth die Chance. Mara und der Feuerbringer wurde ja bereits erwähnt.

Dabei klappt es doch auch im AAA Segment. Man muss nur mal durchziehen. Crytek hat das doch wunderbar gemacht, bis sie dann plötzlich anfingen komisch zu werden. Das fing schon mit Crysis 2 an, als sie dann plötzlich eine ganz andere Story erzählten als zu vor. Dann machen sie ein "realistisches" Römer Spiel (KUNST) und jetzt ein VR Kletterspiel (Doppel KUNST). Wo ist Crysis VR?!

Wenn ich der deutschen Spieleindustrie einen Tipp geben müsste, würde ich ihnen raten zu kopieren, innovieren und kooperieren. Adapt, Engage, Survive, wie Crysis das so schön gesagt hat. Wir brauchen Spielestudios, die einfach mal die bestehenden Konzepte nehmen, kopieren, Kohle mit machen und danach kann man immernoch Kunstprojekte machen. Es liegen so viele Genres Brach, wieso nicht einfach mal ein AAA Spiel von damals kopieren und neu machen? Daedalic könnte doch mal Bioware ans Bein pinkeln, indem man mit anderen deutschen Studios kooperiert und das deutsche Dragon Age: Origins mit der DSA Lizenz macht. Warum kooperieren Crytek und Yager nicht mal und machen Spec Ops: The Line 2? Oder Deck 13 und Piranha Bytes? Es gibt doch genügend Möglichkeiten heutzutage. Eine der größten Spielemessen der Welt findet jedes Jahr hier statt. Es wird einfach nicht genutzt. Deutsche Spielefirmen müssten eigentlich Kontakte zu jedem großen Publisher und Entwicklerstudio der Welt haben. Stattdessen sitzen sie da in Halle XY in ihrer Ecke und freuen sich, dass 4 Spieler kommen, die ihren Simulator spielen wollen. Und dann rumweinen, weil der Film gefördert wird und man selbst nicht...
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

Malvitus hat geschrieben: Wenn ich der deutschen Spieleindustrie einen Tipp geben müsste, würde ich ihnen raten zu kopieren, innovieren und kooperieren. Adapt, Engage, Survive, wie Crysis das so schön gesagt hat. Wir brauchen Spielestudios, die einfach mal die bestehenden Konzepte nehmen, kopieren, Kohle mit machen und danach kann man immernoch Kunstprojekte machen.
Danke. Genau meine Rede. Wie auch der Rest des Beitrags.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
Heretic
Beiträge: 4998
Registriert: 20. Mai 2016, 13:30

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Heretic »

Malvitus hat geschrieben:Ich gönne den deutschen Musikern in ihren Segmenten ja auch ihren Erfolg. Aber wie sieht's mit der Relevanz der deutschen in den Musik Segmenten aus, wo die dicke Kohle ist? Relevanz ins Spezialgebieten lässt sich nicht in allgemeine Relevanz ümmünzen. Wir haben keine großen Pop Künstler und keine großen Rock Künstler, die international irgendwie relevant wären. Kein Wunder, die Lieder sind ja auch alle auf deutsch. Es besteht also gar keine Ambition, international erfolgreich zu sein.
Was ist mit Rammstein? Den Scorpions? Kraftwerk? Nena und Falco, die immerhin jeweils einen Hit in Amiland landen konnten? Hey, sogar ein Tobias Sammet aus Fulda macht mit Avantasia in Südamerika die Stadien voll. In Hollywood hätten wir dann noch Hans Zimmer oder Reinhold Heil als Filmmusikkomponisten. Und das ist nur der musikalische Teilbereich, in dem ich mich halbwegs auskenne. Die mögen jetzt alle nicht (mehr) in Beyoncé oder Lady Gaga-Sphären unterwegs sein, aber so ganz ohne Einfluss sind die Krauts in der Musikwelt nicht. Krautrock anyone..? ;)
Malvitus hat geschrieben:Ich überspitze und übertreibe natürlich, aber genau die gleiche Attitüde herrscht ja auch gegenüber deutschen Filmen. Viele deutsche gehe nicht in deutsche Filme, weil da ja deutsche Schauspieler deutsche Themen auf deutsche Weise schauspielern. Man hat also gar nicth die Chance. Mara und der Feuerbringer wurde ja bereits erwähnt.
Das ist aber eher ein Problem der Zuschauer, nicht der Macher. Bleiben wir bei "Mara und der Feuerbringer": Meiner Meinung nach ein sehr guter Fantasyfilm, der trotz familienfreundlicher Ausrichtung auch ältere Semester gut unterhalten kann. Er bietet gelungene Gags für alle Altersklassen, ein interessantes Setting (Gegenwart, Sagenwelt) und lebensnahe, authentisch Dialoge, dargeboten von guten Darstellern. Aber der deutsche Kinogänger schaut ihn sich nicht an, weil ein Fantasyfilm aus Deutschland ja grundsätzlich nix taugen kann. Und warum? Weil die Tricks garantiert scheiße sind. Weil die Schauspieler nix können und gestelzte Dialoge von sich geben. Weil in einem erfolgreichen deutschen Film Til Schweiger mitspielen muss. Ok, reicht... :mrgreen:

Was also tun als Musiker/Entwickler/Filmemacher? Erfolgreiche Blockbuster kopieren kann's ja wohl auch nicht sein. Oder man macht's wie Michael Haneke: Man dreht eine exakte Kopie seines eigenen Films, nur diesmal mit Hollywood-Schauspielern und einem "US" hinten am Titel, um ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu erhaschen. Hmm... :roll:
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

Ich weiß, es ist ja immer beliebt, sich möglichst unbekannte Titel auszusuchen, um sich besonders zu fühlen. Der Indie ist immer der Underdog und allein deswegen sympathisch. Call of Duty? Spielt ja jeder, muss schlecht sein. Schau mal, ich hab hier dieses Indiespiel in 4 Bit Monochrom Optik.....

Und auch wenn das hier so klingen mag: Nein, weder höre ich die Charts, noch schaue ich Avengers, noch mag ich Call of Duty besonders. Aber man muss doch mal über seinen eigenen Horizont hinaus blicken und realistisch einschätzen können, ob die obskure Nische, die man zur Ausschmückung seiner Persönlichkeit nutzt, darüber hinaus auch wirklich relevant ist, oder ob man nur in seiner Echokammer hockt und sich gegenseitig bestätigt, welch künstlerischen Anspruch man selber hat, im Gegensatz zu dem geschmacklosen Gesindel, dass immer noch Radio hört. Oder US-Filme guckt. Oder AAA-Titel spielt.

Und wir können uns da nun lange drüber streiten und die US-Filmbranche auf Avengers und MTV-Reality-Soaps reduzieren, die Realität ist aber: "12 years a slave" ist kein deutscher Film. "Schindlers Liste" ist kein deutscher Film. Und "Die Verurteilten", "Goodfellas", "Der Pate", "Inception", "Einer flog übers Kuckucksnest", "Full Metal Jacket", "2001" oder "Clockwork Orange" sind auch keine deutschen Filme. Wir klopfen uns hier auf die Schulter für "Schuh des Manitu", oder dafür, dass alle Jubeljahre mal ein deutschsprachiger Schauspieler einen Oscar für eine Nebenrolle einsammelt. (Und wenn "wir" verlieren, obwohl wir uns doch so große Chancen versprochen hatten, sprechen wir am nächsten morgen quer durch alle Zeitungen und Internetforen dem Oscar kollektiv die Relevanz ab, wie das so richtig schön schlechte Verlierer nun mal tun.)

Und auch in der Musikindustrie ist das nicht viel anders. Wir haben Rammstein als "große" deutschsprachige Band, die auch mal jemand kennt. Und wir haben ein paar englischsprachige deutsche Bands, die in ihrer Nische erfolgreich sind. Blind Guardian spielen auf allen fünf Kontinenten, machen seit 30 Jahre erfolgreich Musik und haben 10 Alben veröffentlicht. Und Blind Guardian ist sicher in dem Bereich mit das größte, was wir haben. Aber wenn du meinen Vater fragst, ob der Blind Guardian kennt, dann zuckt der mit den Schultern. Aber Metallica kennt er.

Wir haben in Deutschland aktuell keine erwähnenswerte Popkultur. Damit ist nicht gesagt, dass das qualitativ schlecht wäre, aber es findet eben keine Resonanz, außerhalb ihrer Nische. Und das ist nicht der Fehler der USA, die den Markt mit "anspruchslosem, massenmarktkompatiblem Zeug" überschwemmen, sondern unserer, die a) das Zeug ja schließlich kaufen und b) nicht in der Lage zu sein scheinen, ein entsprechendes Gegenangebot mit der nötigen Konsequenz zu produzieren und auch zu bewerben.

Die USA haben nun mal im Bereich der Popkultur einen wesentlich offeneren Umgang. Und es ist klar, dass Videospiele groß werden in einem Land, dass auch schon seine Film- und Musikbranche groß gemacht hat. Weil dort die entsprechenden, erfahrenen Leute sitzen, die die Chancen sehen. Währenddessen halten wir uns weiter, wie Malvitus so schön treffend sagt, für "Dichter und Denker" und machen irgendwann in den 2000ern mal zögerlich einen ersten Studiengang für Gamedesign auf und wundern uns dann, dass wir keine Rolle spielen.

Und nur mal zur Erdung: Ich hock hier auch bei GamesPodcast.de, einem völlig obskuren Indieprojekt mit der völlig irrsinnigen Geschäftsidee, a) im deutschsprachigen(!) Spielejournalismus noch Geld mit Verkauf zu verdienen und b) noch dazu als Audioformat. Und für Jochen und Andre mag sich das sicher auch rentieren, zumal es ja für einen selber durchaus noch andere Erfolgsebenen gibt, als nur die Kohle: Journalistische Integrität und die eigene Befriedigung an der Arbeit z.B. Aber deswegen muss ich mir nicht einbilden, dass hier würde mal irgendwann so groß und so relevant wie die New York Times.
Zuletzt geändert von Vinter am 26. Nov 2016, 16:55, insgesamt 2-mal geändert.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Kravion
Beiträge: 14
Registriert: 17. Nov 2016, 22:15

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Kravion »

Das Problem liegt nicht nur bei den Entwicklern oder Publishern. Jeder Einzelne von uns ist mitverantwortlich. So fünktioniert der Markt. Der Gesetzgeber kann sonst noch so viele Subventionen und Steuererleichterungen beschließen, es wird wenig ändern, wenn nicht auch bei den Kunden ein umdenken erfolgt. Versteht mich nicht falsch auch ich bin für bessere Förderung der Branche. Passend zum Thema habe ich heute auf gamestar.de eine "Klartext" Folge vom Herrn Schwerdtel geshen. Hier wird zwar zu recht diese übertriebene Anforderungen kritisiert, aber den Grundgedanken finde ich richtig. Deutschland und auch Europa hat doch kulturell viel zu bieten, wieso muss denn alles an den us-amerikanischen Markt angepasst werden? Wir haben in Deutschland viel Potenzial und auch sehr viele fähige Köpfe. Dieses Potenzial sollten wir nutzen um auch was neues und eigenses zu erschaffen. Das hat doch auch die letzten Jahrhunderte funktioniert.

Schaut euch doch mal die Jungs und Mädels von CDProjekt an, sie haben es auch geschafft ohne irgendwelche Konzepte zu kopieren. Sie haben sich auf ihre Stärken verlassen und ihr Ding mit Leidenschaft durchgezogen. Auch in deren Vergangenheit gab es sehr viele Hürden und große Herausforderungen. Am Ende setzt sich Qualität und Leidenschaft durch. The Witcher 3 hat gezeigt, dass auch Settings abseits vom AAA Klischeemassenmarkt eine Chance haben.

Wäre ein deutsches CoD oder FIFA etwa die Lösung? Der Markt ist übersättigt mit solchen Produktionen. Neues muss her und der Kunde sollte auch offen dafür sein.
Benutzeravatar
Malvitus
Beiträge: 130
Registriert: 4. Feb 2016, 00:55

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Malvitus »

Axel hat geschrieben:
Soll ich jetzt mal aufzählen, welche Bands zuletzt auf Tour in Südamerika, Asien und Osteuropa waren? Das sind allein aus meiner Filterbubble etliche! Angefangen bei Haggard & Co. Gerade deutsche Sprache läuft in diesen Ländern ganz wundervoll, glaubste garnicht. Vielleicht sollte man mal aufhören zu meinen, dass man nur "relevant" wäre wenn man in den USA erfolgreich ist. Wie schon jemand gesagt: Die USA kopieren lieber als zu adaptieren.

Daher geht mir auch der Fokus auf den Sack, dass man doch nur "relevant" sei, wenn man dort Erfolg hätte. Auch andere Länder haben spannende Märkte.
Dann hau mal Zahlen raus. Wieviel Alben hat den Haggard verkauft?

Die Bands sind in ihrem Spezialgebiet relevant, da geb ich dir Recht. Aber sie sind nicht im Allgemeinen relevant. Darum geht es ja. Die deutsche Spieleindustrie wünscht sich im Allgemeinen relevant zu sein, erwartet aber irgendwie dass man es ihr zuträgt. Wer so relevant sein will wie bspw. Bioware, der muss auch demenstprechend agieren.
Axel hat geschrieben:
Vinter hat geschrieben: Die Frage ist, wie du Erfolg definierst: Ist es Erfolg, den Laden nicht nach ein paar Jahren zuzusperren, oder ist es Erfolg, 20-30 Millionen Einheiten von einem Titel abzusetzen, wie es Rockstar am anderen Ende des Spektrums tut? Nur weil wir in auch Deutschland Studios haben, die mit weitestgehend unbekannten Titeln über die Runden kommen heißt das nicht, dass sie relevant wären.
Wenn man bedenkt, dass andere Studios wie Daedalic finanzielle Probleme haben, dann ist das durchaus ein Erfolg über 15 Jahre lang kontinuierlich im Business zu sein. Und wieso willst Du eigentlich bestimmen was relevant ist oder nicht? Nur weil DU die Spiele nicht kennst, heißt das nicht, dass die niemand kennt. Diese herablassende Art ist wirklich unangenehm.
Nichts desto trotz sind die Daedelic spiele schon stark auf den deutsche Markt zugeschnitten, weswegen sie international nicht so relevant sind wie beispielsweise Telltale. Die drei Deponia Teile haben zusammen 2,2 Millionen Einheiten verkauft, beide Seasons von Walking Dead 28 Millionen. Wer ist nun relevanter?

Wie gesagt. Es ist ja okay, wenn man mit seiner Firma in seiner Nische bleiben will, weil es einem reicht. Aber dann bitte nicht jammern, wenn man oben nicht mitspielen kann oder wenn einem der "eisige Wind des Marktes" ins Gesicht bläßt.
The Witcher 3 hat gezeigt, dass auch Settings abseits vom AAA Klischeemassenmarkt eine Chance haben
Und wie genau haben sie das geschafft? Wieso war weder Witcher 1 noch Witcher 2 der total instant Durchbruch? Weil sie The Witcher stetig angepasst haben und zwar nicht an ihre Nische, sondern sie sind in Richtung Massenmarkt gegangen und haben das Spielprinzip zugänglicher gemacht. Die sind nicht hingegangen und haben bei der polnischen Regierung verlangt, dass man sie doch bezuschussen möge, damit ihr Spiel sich trotz der eigenartigen Steuerung durchsetzt.
Benutzeravatar
Vinter
Foul Tarnished
Beiträge: 5061
Registriert: 25. Jan 2016, 02:50

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Vinter »

Axel hat geschrieben: Deswegen ist das Geschimpfe von Vinter auf Nischenprodukte so seltsam.
Du verstehst mich falsch. Ich schimpfe nicht auf Nische und Indie. Ich spiele gerne (herausragende) Indies und Nischentitel. Aber ich erhöhe sie nicht künstlich und pauschal zur ultimativen Erfahrung für den Videospiel-Connoisseur. Genau wie im AAA-Bereich ist der Großteil der Indiespiele für mich persönlich uninterssant und die Perlen muß man suchen. Vielleicht sogar noch mehr, weil der Indiebereich im Prinzip nach unten offen ist, während es im AAA-Bereich im Grunde nichts mehr produziert wird, was nicht zumindest für "Hirn aus und nen paar Stündchen Grafik gucken" genügen würde. Gerade mit den ganzen Sales kann man da im. Grunde schon gar keinen echten Fehlkauf mehr machen. Aber z.B. The Swapper, Salt&Sanctuary, Amnesia waren fantastisch. Und wenn ich mir Ghost of a tale und Below ansehe kann ich es kaum erwarten, bis sie fertig sind. Oder z.B. auch Everspace, übrigens tatsächlich ein deutsches Spiel.

Ich sage nur, dass eine gut geölte, finanziell erfolgreiche Medienproduktion notwendig ist, um zuverlässig auch Kleinode produzieren zu können. Und "Kleinod" heißt nicht notwendigerweise "geringes Budget". Aber es muss eben ein Umfeld existieren, in dem Leute gewillt sind, ihr Kapital zu investieren. Und das fehlt uns halt in Deutschland im großen und ganzen. Einzelne Zufallstreffer natürlich immer mit berücksichtigt. CryTek habens eine Zeit lang gut gemacht, bis die anfingen, seltsame F2P-Titel zu entwickeln die dann nie erschienen. Guido Henkel hat Planescape: Torment produziert. Dann Scorpions, Rammstein, das Leben der anderen: Natürlich gibt es das alles. Aber das ist halt nur vergleichsweise vereinzelt. Übrigens: The Witcher 3. Zum einen ist das ja nun auch nicht gerade Indie und zum anderen: Welches andere polnische Studio gibt es denn auf dem selben Niveau? Das ist da auch nicht alltäglich.
Zuletzt geändert von Vinter am 26. Nov 2016, 19:04, insgesamt 2-mal geändert.
Spieleankündigungen und - updates 2024

Alle Spiele
Alle Streams
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von Nachtfischer »

Beim Mitlesen fällt mir hier vor allem auf, dass der Relevanz-Begriff sehr unterschiedlich ausgelegt wird. Einige argumentieren mit Reichweiten- bzw. finanzieller Relevanz, Axel hingegen mit künstlerischer. Recht haben isoliert betrachtet beide Seiten.
Zuletzt geändert von Nachtfischer am 26. Nov 2016, 19:22, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
lolaldanee
Beiträge: 2106
Registriert: 2. Jun 2016, 14:05

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von lolaldanee »

Der hier angestellte Vergleich Call of Duty = Lady Gaga stimmt so nicht wirklich oder?
es ist doch eher so:
Pokemon Go => Lady Gaga
Call of Duty => Meat Loaf

und in dem ganzen Free to Play, Handyspielchen, Browsergames etc Markt ist Deutschland doch saogar extrem gut aufgestellt (gewesen?) oder?
Alles was wir hier als große Produktion wahrnehmen ist doch eigentilch schon ziemlich die Niesche, im Vergleich zu Candy Crush ist in meinem Gefühl sogar Dragon Age etc. eine kleine Marke - von allerextremsten Beispielen wie GTA vlt mal abgesehen

Ich persönlich finde der Weg in die Niesche ist genau das richtige, solange man davon leben kann, der ganze kulturell oft wertlose Mainstream Quatsch, wenn der hier weniger produziert wird, das ist nun wirklich kein Verlust.
Das Problem ist doch eher das Gegenteil: Hier in Deutschland regiert eben NICHT das kleine Indie Studio das grade so überlebt, sonder die FTP Entwickler
Was Deutschland großteils fehlt, wie fast überall auf der Welt, ist der Spiele Mittelstand - wie eben Daedelic, genau DIE gibt es viel zu selten hier

Staatliche Förderung finde ich generell scheiße, ich finde der Staat hat aus der Kultur zum größten Teil seine Finger draußen zu halten. Und das sage ich als jemand der selbst grade ein Indiespiel entwickelt.
Benutzeravatar
lolaldanee
Beiträge: 2106
Registriert: 2. Jun 2016, 14:05

Re: Der Zustand der Deutschen Spielebranche

Beitrag von lolaldanee »

Noch eine Anmerkung: Das alles in allem relevanteste Spiel der letzen 10 Jahre überhaupt ist ohne Zweifel Minecraft, eine kleine Indieperle aus Schweden (das liegt in Europa, möchte ich da mal anmerken) - der Mainstream bringt fast nie die Technologie von Morgen, mit der in der Zukunft viel Geld verdient werden wird, würde ich mal behaupten, die kommt immer aus der Nische - der Mainstream kann manchmal diese Technologie adaptieren, aber oft genug geht er dann auch einfach unter, oder wird selbst zur Niesche
Antworten