@Axel
Du vermischt da wieder mehrere Dinge, die teilweise auf Unwissenheit schließen lassen. Ich versuche das mal auseinander zu nehmen
Axel hat geschrieben:
Es kriegt auch jeder andere Hersteller hin, auf Nintendokonsolen fertige Spiele zu veröffentlichen. Könnte natürlich sein, dass das direkt eine Vorgabe von Nintendo ist um überhaupt auf deren System veröffentlichen zu dürfen.
Könnte nicht nur sein, das ist auch so. Nintendo hat afaik eins der härtesten Zulassungsverfahren, was teilweise noch auf das Nintendo Seal of Quality zurückzuführen ist. Wenn da ein paar Fehler gefunden werden, wir der Prozess abgebrochen und du darfst neu anfangen im Prozess. Die Konsequenz: Fehlerfreie Spiele aber sehr hohe Kosten. Mittlerweile sind die Jungs auch etwas lockerer geworden, Day One Patches gibts hier auch. Das ist auch ok, wie ich weiter unten erläutern werde. Nintendos eigene Produkte können sich wie gesagt ja mehr als genug Zeit lassen, die haben diesen Schmerz nicht.
Da ist es auf einmal möglich, dass große Hersteller wie Sega bis hin zu kleinen Indieentwicklern fertige Spiele veröffentlichen. Selbst eShop Veröffentlichungen brauchen kaum Patches. Also halte ich das Argument "moderner, agiler Softwareentwicklungsprozess" schlicht für eine dumme Ausrede.
Vorsicht. Ich habe gesagt der Day-One Patch ist teil des modernen Prozesses. Das hat absolut nichts mit unfertigem Spiel zu tun. Das passiert nämlich genau dann, wenn der Prozess versagt. Warum nun Day One Patch?
Irgendwann in der Entwicklung kommt der Gold Status, also die Deadline, ab der das Produkt ins Presswerk muss, damit es rechtzeitig zum Release in den Läden steht. Das sind unter Umständen mehrere Monate vor Release. Früher war man nun gezwungen, dass Spiel bis zu diesem Tag inlusive Debugging fertig zu habe, danach konnte man nichts mehr verändern. Danach war das Spiel abharkt und man hatte erstmal Leerlauf. Das geht aber genau solange gut, wie die Deadlines passen. Verzögerungen killen dir unter Umständen den kompletten Release. Ziemlich doof, das kostet nämlich richtig Asche und je komplexer der Code, desto schwieriger ist das ganze.
Nun gibt es ja das schöne Agile Development, was nicht nur ein nettes Buzzword ist, sondern ein echt sinnvoller Prozess. Hierbei wechseln sich grob gesagt Ideen, Design, Implementierung und Tests immer wieder in dieser Reihenfolge ab. Das hilft schwere Design und Programmierfehler abzufangen und steigert die Qualität der Software immens im Vergleich zu traditionellen linearen Modellen, weswegen so ziemlich jeder große Softwarekonzern das Modell mittlerweile nutzt. Je nach Spiel kann es mehrere Build pro Tag geben! Im Idealfall hat man am Release Tag also auch exakt die stabile Version, die auch die Entwickler haben. Jetzt kommt aber dieses doofe Distributionsmodell einem in die Quere. Ich muss ja mehrere Wochen vorher schon fertig sein und danach hab ich eventuell 50 Leute rumsitzen, die nix zu tun haben. Die kosten mich dazu noch eine gute Stange Geld und dazu bin ich noch super anfällig gegenüber Verzögerungen. Jetzt haben wir Gott sei Dank die Möglichkeit Patches einzuspielen. Das bedeutet, ich kann dieses Prozess bis ganz kurz vor Release weiterlaufen lassen, einen Patch einreichen bzw veröffentlichen und hab viel weniger Schwierigkeiten mit der Gold Deadline und ich kann v.a Fehler finden und beheben, die ich erst nach der Gold Deadline gefunden habe! Das ist einfach der Grund für Day One Patches. In der digitalen Version hat man die ja gar nicht, weil man ja direkt den aktuellen Build bekommt. Auf der Disk ist aber ein Build, der schon mehrere Monate alt ist.
Jetzt könnte man ja einwerfen "Warum machen die das nit fertig bis zur Gold mit dem Prozess?". Wie schon erwähnt. Zum einen Sitzen dann Leute vom Gold Status bis zum Release rum und drehen Däumchen und zweitens ist dieser Prozess zum einen sehr präzise, d.h ich kann sehr gut sagen "Okay das ist soweit fertig, die und die Bugs kennen wir und können wir bist zum Release fixen" und sehr schnelllebig, d.h mehrere Monate Zeit sind quasi Jahre.
Vielmehr ist es doch so, dass auf anderen Plattformen sich selbst unfertige Spiele wie blöd verkaufen, es in Reviews nicht mehr negativ bewertet wird wenn ein Spiel durch Bugs abstürzt, usw.
Das letzte unfertige Spiel war Batman und das hat sich auf dem PC gar nicht gut verkauft. Das ein Spiel durch einen Bug auf dem PC abstürzt ist heute sehr selten und oft genug der Fragmentierung der PC-Hardware und Treiber geschuldet. Auf den Konsolen passiert das glaube ich mittlerweile nur noch einmal im Jahrhundert.
Vergleicht man das mal mit dem Gothic 3 Debakel damals, haben sich die Ansprüche der Gamer schon stark nach unten verändert.
Sowas wie Gothic 3 passiert heute nicht mehr. Falls doch kannst du mir ja bestimmt ein Spiel aus 2016 zeigen, dass ähnlich verbuggt wie Gothic 3 ist.
Mittlerweile ist es ja sogar so, dass Hersteller Alpha-Versionen (oder euphemistisch: early access)
Anscheinend hast du Early-Access nicht verstanden. Das steht da nicht nur explizit dran dass die Dinger unfertig sind, dass ist doch auch die Idee. So kann man sein Spiel während der Entwicklung finanzieren und musst nicht alles auf Pump im Vorraus bezahlen. Das machen meistens auch nur kleine Studios, die so überhaupt eine Chance haben, ihr Spiel zu verwirklichen. Klar gibt's da auch Leute die das Ausnutzen, das ist aber ein ganz anderes Thema und hat nichts mit unfertig releasten Spielen zu tun. Die sind ja nicht releast!
veröffentlichen können und Gamer auch noch dumm genug sind (sorry, ein anderer Begriff fällt mir nicht ein) für das Beta-Testing auch noch Geld zu bezahlen.
Diese großen Beta Tests sind einfach unglaublich sinnvoll. Sie bringen dir nicht nur Publicity, du kannst auch deine Hardware Stress testen (Das geht auch nur so) und Feedback von der Community sammeln, was du Dank des oben erwähnten Agilen Prozessen gleich mit einbauen kannst. Eigentlich ein Win für alle. Grad auf dem PC wichtig, wegen der ganzen unterschiedlichen Hardware. Da mit dem Bezahlen ist natürlich nur ein offensichtlicher Trick, um Vorbestellungen zu bekommen.
Beta-Tester, das war früher mal ein eigener Berufszweig in der Spielebranche. Ja, damit konnte man Geld verdienen!
Ist es übrigens heute auch noch und man kann echt viel Geld mit verdienen. Heißt nur QA bzw. Software Tester und hat nix mehr mit den Leuten zu tun, die früher einfach das Spiel durchgedaddelt haben und aufgeschrieben was ihnen auffällt. Das ist übrigens nicht nur in der Spielebranche so, dass ist auch in der Software Branche so. Es gab mal vor ein paar Jahren das ca. 50% des Budgets in QA geht.
Wenn ich ein Spiel kaufe, erwarte ich, dass das Spiel fertig ist. Auch wenn ich die technische Möglichkeit für große Patches habe, geht es mir auch ums Prinzip. Da bin ich mittlerweile aber in der Minderheit und nur deswegen können die Hersteller so agieren. Aber mit einem "modernen Entwicklungsprozess" hat das nichts zu tun.
Du, die Hersteller liefern dir das bestimmt auch gern so wie du willst, wenn du die Mehrkosten bezahlst, die dadurch enstehend. Dann kostet dein Spiel halt 80-90€.
Früher ist vorbei. Heutige Spiele sind so viel komplexer, das wir froh sein können, dass es solche modernen Entwicklungsprozesse gibt. Ein Pong kannst du easy alleine entwickeln. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für ein Aufwand betrieben werden muss, bis so ein Battlefield 1 fertig ist und was für ein Schweine Geld das alles kostet. Es tut sich da ja auch mittlerweile Recht viel was QA angeht. Allerdings kann man halt auch nicht alles haben. Gut, günstig und ohne Day One Patch geht nicht mehr einfach so.