Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

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Kane009
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Kane009 »

Ich hab kürzlich die Gamestar abbestellt (und meinen Obulus hier ein wenig aufgestockt). Besitze jede Ausgabe der Gamestar und jede Ausgabe der PC-Player. Aber das meiste interessiert mich einfach nicht mehr. Vielleicht werde ich jetzt mit Anfang 40 langsam erwachsen.
Zu den Tests: Ganz selten drängt es mich, ein Spiel zu spielen, wenn es noch ganz frisch ist (vielleicht der Witcher). Den Rest hole ich mir zu einem günstigeren Preis in einem Sale (wie jetzt Rise of the Tomb Raider). Im Prinzip weiß ich ja, was mich erwartet, ein Test interessiert mich da gar nicht. Nur wenn ich mal am stöbern bin, gegenchecke ich die Steam-Wertungen gerne mal, indem ich den jeweilgen Test bei der GS oder bei 4players google.
Ich weiß genau, was ich mag (und zu was ich mich überhaupt noch aufraffen kann), und da bin ich auch ohne zusätzliche Spieletests ganz gut informiert. Ein Daedalic Adventure z.B. kann ich blind kaufen. Gerade freue ich mich wieder sehr an Rufus' Sprüchen.
Ansonsten lasse ich mich gerne mal von euren Besprechungen inspirieren.
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TechniKadger
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von TechniKadger »

Mich wundert Jörgs Argumentation ein wenig. Einerseits prangert er den Seitenverlust vieler Hefte an. Andererseits erkennt er die schwindenden Werbeanzeigen an. Trotzdem führt er beide Aussagen nicht zusammen.
Seine Lösung ist ein Ruf nach der Seitenzahl von vergangen Jahren. Dass das jedoch verhältnismäßig viel mehr redaktionelle Inhalte bedeuten würde, nur um auf einen imaginären Wert von "Heftdicke" anstatt der Anzahl redaktioneller Inhalte (worauf es eigentlich ankommt) zu kommen, das scheint er komplett auszublenden.
Ein Heft muss heute nicht 150 Seiten lang sein. Wenn 30 Seiten Werbung wegfallen, dann sind 120 Seiten genauso gut aus Lesersicht. Gleich viel Inhalt, weniger nervige Ablenkung, mehr Papier gespart, weniger Gewicht in der Tasche.

Aber dann wiederrum, mir sind schnittige Magazine, die ich auch mal in eine Manteltasche stecken kann wenn ich keine Tasche dabei habe, sowieso lieber als wuchtige. Das scheint Jörg anders zu sehen.
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Leonard Zelig
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Leonard Zelig »

TechniKadger hat geschrieben: Aber dann wiederrum, mir sind schnittige Magazine, die ich auch mal in eine Manteltasche stecken kann wenn ich keine Tasche dabei habe, sowieso lieber als wuchtige. Das scheint Jörg anders zu sehen.
Nicht nur Jörg. Das schnittige Magazin wurde vom Smartphone abgelöst. Eine Nische wird es wohl nur für Hefte geben, die neben den inhaltlichen Qualitäten mit Haptik, Optik und Papierqualität begeistern können. Die 1-2€-Spielemagazine sind schon lange vom Markt verschwunden. Gab z.B. früher mal alle 14 Tage die Games and More für 3,90 DM.
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gnadenlos
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von gnadenlos »

Peter hat geschrieben:Ich vermisse es wirklich sehr, ein monatliches Spielemagazin zu lesen. Das ist etwas, das ich seit Mitte/Ende der 80er gemacht habe und das jetzt einfach nicht mehr möglich ist, da alle vorhandenen Alternativen in meinen Augen von unterirdischer Qualität sind. Und ich habe auch keine Hoffnung mehr, dass da jemals wieder etwas Vernünftiges erscheinen wird.
Kennst Du das WASD-Magazin? Die gehen zwar sehr abstrakt an die Themen heran und erscheinen auch nicht monatlich, sind aber neben der Retro-Gamer (UK + DE) die einzigen Magazine die ich noch lese.

c't habe ich zwar auch noch im Abo, lese die Artikel aber wenn dann gezielt im Online-Archiv, das man leider nicht ohne die Printausgabe abonnieren kann. Würde ich ansonsten sofort auf eine reine Online-Lösung umstellen.
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gnadenlos
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von gnadenlos »

Was im Podcast nicht angesprochen wurde, ist ein guter Ersatz für die Reviews von AAA-Spielen: Ein gut gefilterter Überblick über den Indie-Markt. Es gibt es zwar entsprechende Tests auch im Internet, aber keine mir bekannte Anlaufstelle, bei der man wirklich auf alle Perlen aufmerksam gemacht wird ohne sich durch 90% Schrott wühlen zu müssen.

Dazu dann gerne noch Spiele, die zwar nicht als Indie durchgehen, aber auch weit von AAA entfernt sind - z.B. Dragon Quest Builders und Shadow Tactics. Also die Spiele, die einem nicht auf Grund der Werbebudgets der Publisher schon zu den Ohren heraushängen und bei denen man als berufstätiger Erwachsener regelmäßig auf unbekannte Titel aufmerksam wird und sich daher emotional stärker an den guten Tippgeber (das Magazin) bindet. So wie man damals bei der "Video Games" tatsächlich jeden Monat auf unbekannte Titel aufmerksam gemacht wurde und man sich daher auf jede Ausgabe gefreut hat.

Und mit "aufmerksam gemacht werden" meine ich nicht eine kleine Newsmeldung, sondern eine echte Auseinandersetzung mit den Spielen in einem Umfang wie sie bisher nur AAA-Titel bekommen. Wenn z.B. der "Braid"-Entwickler mit "The Witness" einen neuen Titel in Entwicklung hat, dann kann man da auch mal ein ausführliches Preview bringen - sowas wären echte "exklusive" Inhalte. Oder im Fall von Gamers Global eine "Stunde der Kritiker", die nicht mit hunderten Youtubern in Konkurrenz steht.

Was wurde z.B. bei der Stunde der Kritiker zuletzt geliefert:

- Mafia 3
- Battlefield 1
- Titanfall 2
- Call of Duty Infinite Warfare
- Dishonored 2
- Watchdogs 2
- Final Fantasy 15

Alles AAA-Titel für die man kein Gamers Global Abo braucht um darauf aufmerksam zu werden oder Eindrücke zu bekommen. Ganz ehrlich war ich gerade während der SdK-Offensive der letzten Wochen so gelangweilt, dass ich mir trotz Premium-Account nur noch sehr wenige SdKs angeschaut habe. Eine wirkliche Überraschung wie die Titanfall 2 Kampagne geht dann natürlich an einem vorbei, da man in dieser Flut der langweiligen AAA-Inhalte nicht mehr gezielt darauf aufmerksam wird.

Das Problem scheinen auch die Redakteure selbst zu haben. So haben Heinrich bei Titanfall 2 und Benjamin bei Doom derartig gelangweilt und uninteressiert gewirkt, dass ihnen entgangen ist, dass diese zwei Titel echte Perlen in einer Flut von belanglosen Nachfolgern sind. Stattdessen wurden - wohl aus Gewohnheit - irgendwelche Kritikpunkte gesucht und die Spiele nach der Stunde als schlecht abgehandelt, obwohl diese beiden Titel gerade beim erwachsenen Zielpublikum, das mit Doom, Half-Life 2, usw. aufgewachsen ist, den richtigen Nerv treffen und daher echte, hervorstechende Empfehlungen verdient hätten. Bei Heinrich und Titanfall 2 hatte ich zudem das Gefühl, dass ihm das Genre gar nicht liegt - keine Ahnung warum er das Spiel dann überhaupt "getestet" hat - erweckte bei mir den Eindruck "Quantität vor Qualität" - Hauptsache den AAA-Titel zeitnah abhandeln, egal ob die Qualität stimmt und ob der Redakteur für das Genre/Spiel geeignet ist.

Wenn dann mal was anderes kommt ist es keine unbekannte Perle, sondern eine Spaß-Folge wie "Landwirtschafts Simulator" oder eine Retro-Folge wie "Diablo 1". Das kann man in dem Umfang zur Auflockerung sicher machen, aber warum werden aktuelle, kleinere Titel nahezu vollständig ignoriert? Sowohl bei den SdKs als auch bei den sonstigen Inhalten vermisse ich bei Gamers Global eine umfangreiche Information über Titel wie "The Witness", "Dragon Quest Builders", "Shadow Tactics", "Owlboy", "Undertale", "Shovel Knight", "Invisible Inc.". So würde man tatsächlich mal was Neues entdecken und nicht nur mal kurz schauen, was denn Gamers Global zum AAA-Titel XY schreibt. Der Wert des Abos erhöht sich für mich durch eine neu entdeckte Perle deutlich mehr als durch lustloses Abspulen von möglichst umfangreichen Inhalten zu AAA-Titeln. Ein weiterer Pluspunkt wäre, dass (hoffentlich) auch der Redakteur nicht so lustlos wirkt, wenn er mit neuen Ideen konfrontiert wird, statt einen Pflichttest abliefern zu müssen.

Es gibt zwar auch Youtube-Channel zu Indie- und unbekannteren Spielen, bei denen muss man sich die Reviews aber zwischen nervigen Top10-Listen und Lets-Plays heraussuchen, da solche Spiele eben nicht die tollen Clickbait- und SEO-Quellen sind und daher auf Youtube nicht wirklich optimal sind, wenn man mit seinem Channel Geld verdienen will/muss. Ein per Abo finanziertes Format kann solche Inhalte aber bringen und wäre daher die Nische in der man mit Bezahl-Content ein echtes Alleinstellungsmerkmal hat. Das ist IMO auch eines (wenn nicht das größte) der Erfolgsgeheimnisse von "Auf ein Bier", bei denen ich in wenigen Wochen schon auf mehr Perlen aufmerksam wurde als in mehreren Jahren meines Gamers Global Abos - dann gibt es halt auch mal $8 für einen Podcast, wohingegen ich mein Gamers Global Abo hauptsächlich deshalb aufrecht erhalte, weil ich die Idee einer kleinen unabhängigeren Website interessant und unterstützenswert finde.

Das führt dann natürlich auch dazu, dass Gamers Global die erste Sparmaßnahme wäre, wenn das Geld knapper wird oder Alternativen auf den Markt kommen (durch die Patreon-Welle nicht ganz auszuschließen). Ist also gar nicht soweit weg von der besprochenen Problematik von Print-Magazinen. Mit den oben beschriebenen Inhalten würde ich hingegen auch €10 für Gamers Global ausgeben, da es eben Inhalte wären, die ich an anderer Stelle nicht finde und für die es nicht hunderte Alternativen gibt.
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Desotho
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Desotho »

Das Problem ist, dass sowas nur eine relativ geringe Zielgruppe interessiert. Ich wette gamestar.de hat bei einer "Trevor's Penis in GTA5" Meldung zig mal mehr klicks, als bei einem Test eines guten Indiespiels.
Natürlich könnte es offline als Niesche dennoch wieder funktionieren.
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Peter
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Peter »

gnadenlos hat geschrieben:
Peter hat geschrieben:Ich vermisse es wirklich sehr, ein monatliches Spielemagazin zu lesen. Das ist etwas, das ich seit Mitte/Ende der 80er gemacht habe und das jetzt einfach nicht mehr möglich ist, da alle vorhandenen Alternativen in meinen Augen von unterirdischer Qualität sind. Und ich habe auch keine Hoffnung mehr, dass da jemals wieder etwas Vernünftiges erscheinen wird.
Kennst Du das WASD-Magazin? Die gehen zwar sehr abstrakt an die Themen heran und erscheinen auch nicht monatlich, sind aber neben der Retro-Gamer (UK + DE) die einzigen Magazine die ich noch lese.
Klar, aber das fällt weder in die Kategorie "monatlich", noch würde ich es als klassisches Spielemagazin bezeichnen.

Die Retro Gamer habe ich auch gelesen, aber das war zum einen thematisch zu weit von meiner reinen C64-Vergangenheit entfernt, zum anderen waren die Übertragungen ins Deutsche einfach nicht gut genug.
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Heretic
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Heretic »

@gnadenlos:

Das soll jetzt nicht wie eine Gamestar-Werbeanzeige wirken (ist halt das einzige Magazin, das ich noch lese), aber über die meisten der von dir genannten Spiele wurde berichtet. Zumindest sagen mir fast alle Titel etwas, obwohl ich nicht gerade in den Tiefen des Internets nach spielerischen Indie-Perlen tauche. Ich erinnere mich z. B. an ein langes Video zu "Shadow Tactics" (mit einem Entwickler und einem gewissen Herrn Stange, wenn ich mich recht erinnere), in dem die Gamescom-Demo durchgenommen wurde. Klar, der Umfang im Heft ist begrenzt, aber er wird momentan meiner Meinung nach gut genutzt.
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W8JcyyU
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von W8JcyyU »

Wäre zu diesem Thema ein "spartenübergreifender" Podcast möglich? Gunnar Lott wunderte sich mal in einem früheren StayForever Podcast warum es kein 11Freunde Magazin für Videospiele gibt. Wenn ich mir jetzt die im Podcast angeführten Vorschläge, unter anderem zur Wertigkeit, angucke, dazu die IVW-Verkaufszahlen der 11Freunde heranziehe (laut Wikipedia >70 Tsd.): Wie gehen Magazine aus anderen Bereichen mit der Konkurrenz "Internet" um?
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Heretic
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Heretic »

Im Musikbereich halte ich die Zeitschrift "Deaf Forever" für ein interessantes Phänomen. Sie wurde im August 2014 von diversen Ex-Mitarbeitern der Zeitschrift "Rock Hard" gegründet und in Eigenregie in die Tat umgesetzt - zu einer Zeit also, als viele Printmedien bereits verschwunden oder zumindest weitgehend für tot erklärt wurden. Das "Deaf Forever" widmet sich hauptsächlich den klassischen bis heftigen Metal-Stilrichtungen (also eher nischig als spartenübergreifend), erscheint alle zwei Monate und setzt nur auf eine eher spartanische Internetpräsenz, deren Herzstück das recht gut besuchte Forum darstellt:
http://www.deaf-forever.de/" onclick="window.open(this.href);return false;

Man sieht also, dass man auch heutzutage im Printbereich noch was reißen kann. Allerdings glaube ich kaum, dass unbekannte Newcomer das hingekriegt hätten (Götz Kühnemund und Frank Albrecht sind Szene-Urgesteine und haben garantiert große Teile der "Rock Hard"-Leserschaft mitgenommen). Doch selbst für alte Hasen war das wohl ein gewaltiges Wagnis, der Erfolg keineswegs vorhersehbar. Gewisse Parallelen zu einem gewissen Podcast-Projekt sind also durchaus nicht zu übersehen. ;)
vicsbier
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von vicsbier »

gnadenlos hat geschrieben:Was im Podcast nicht angesprochen wurde, ist ein guter Ersatz für die Reviews von AAA-Spielen: Ein gut gefilterter Überblick über den Indie-Markt. ...
Ich kann deinen Beitrag nur vollumfänglich beipflichten: Die Aufgabe des Journalismus sollte es sein, mit einen Überblick zu geben und einzuordnen, stattdessen berichten alle über die gleichen Spiele und GG vergleicht dann die Wertungen und Zeichenanzahl. Ich habe das Gefühl, dass dabei viele gute Spiele an mir vorüberziehen.

Die SdK geht übrigens gar nicht: Heinrich und Jörg spielen oft gelangweilt und hilflos. Die Emotionen die ich sehen möchte, bieten mir da YTler: Analysen, Emotionen, Vergleiche und Montagen, Berichte über Mods und Glitches.
Ich empfehle zum Thema Printjournalismus die Folge 78 von AeB mit den sehr hörenswerten Gedanken von Fabian Sigismund.

PS:Alte Chefredakteure erklären wie es besser geht... sehr witzig - warum nicht auch gemacht?
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HerrZwoelf
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von HerrZwoelf »

vicsbier hat geschrieben: PS:Alte Chefredakteure erklären wie es besser geht... sehr witzig - warum nicht auch gemacht?
Das wurde im Podcast ja sogar thematisiert. Man hat in einem Verlagsumfeld einfach nicht immer die Möglichkeiten alles so zu machen, wie man es für richtig hält. Sei es finanziell oder weil andere Entscheider anderer Meinung sind. Außerdem muss man auf Interessen anderer Zweige der selben Publikation Rücksicht nehmen (Online vs. Print, etc.). Und als Jörg aus dem monatlichen Printgeschäft raus ist, waren die Zeiten ja noch ganz anders. Damals wäre ein Heft, wie das, das er im Podcast skizziert hat weder sinnvoll noch rentabel gewesen.
„Die Philosophen haben das Geld nur verschieden interpretiert. Es kommt aber darauf an, es zu verplempern.“
Peninsula
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Peninsula »

gnadenlos hat geschrieben:Was im Podcast nicht angesprochen wurde, ist ein guter Ersatz für die Reviews von AAA-Spielen: Ein gut gefilterter Überblick über den Indie-Markt. Es gibt es zwar entsprechende Tests auch im Internet, aber keine mir bekannte Anlaufstelle, bei der man wirklich auf alle Perlen aufmerksam gemacht wird ohne sich durch 90% Schrott wühlen zu müssen.
Hmm.. Der Wunsch nach einem Überblick über "Indie-Perlen" ist für mich auf den ersten Blick nachvollziehbar, entpuppt sich dann mMn aber sehr schnell als hochproblematisch. Das fußt doch (trotz damit einhergehender "Anti-Mainstream-Haltung") auf einer sehr "Mainstream"-haften Vorstellung vom Medium Spiel, weil man davon ausgeht, dass diese "unentdeckten Perlen" für viele (oder gar alle) als solche zu gelten haben. Dabei zeichnet doch gerade die Vielfalt und Nischigkeit den Indiemarkt in vielerlei Hinsicht aus und da gefallen nunmal unterschiedlichen Leuten unterschiedliche Dinge und es ist utopisch auf alles aufmerksam gemacht zu werden, das irgendwie "gut" ist, es sei denn, man erwartet ernsthaft ein Magazin oder Online-Angebot, das nur für einen selbst schreibt.
Die wenigen Indie-Spiele, die auch nach den Maßstäben "klassischer Spieletester" hohe 80er oder gar 90er Wertungen verdient hätten, dürften sich durchaus rumsprechen, wenn es sie denn überhaupt gibt.
Dann ist da natürlich auch noch der Faktor Machbarkeit. Um "alle" Indie-Perlen zu identifizieren muss ja auch "alles" gespielt werden (auch die 90% Schrott!) und man muss für die verschiedensten Genres geeignete Redakteure haben. Und habt ihr mal auf der Patreonseite von Superlevel vorbeigeschaut? Die Spendenbereitschaft dort spricht eher nicht dafür, dass die Nachfrage nach Indiespiele-Berichterstattung höher ist als das Interesse an AAA.
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gnadenlos
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von gnadenlos »

Die wenigen Indie-Spiele, die auch nach den Maßstäben "klassischer Spieletester" hohe 80er oder gar 90er Wertungen verdient hätten, dürften sich durchaus rumsprechen, wenn es sie denn überhaupt gibt.
Klassische Maßstäbe sind IMO für den Indie-Bereich nicht geeignet. Zumindest nicht, wenn man wie viele Magazine nur dann 80+ zieht, wenn die Zielgruppe groß genug ist.

Ich brauche auch keine Bewertung im 100er System. Wenn man die Spiele vorstellt und herausstellt, welche Punkte besonders gut und welche eher schlecht gelungen sind, reicht mir das um zu wissen, ob ich mir das Spiel genauer ansehen möchte. Ich brauche keinen Redakteur der mir im 100er System quasi eine Einkaufs-Top 100 zusammenstellt, die ich dann von oben nach unten abarbeite, sondern nur einen groben Überblick über Stärken und Schwächen eines Spiels und das grundsätzliche Gameplay.
Dann ist da natürlich auch noch der Faktor Machbarkeit. Um "alle" Indie-Perlen zu identifizieren muss ja auch "alles" gespielt werden (auch die 90% Schrott!)
Muss IMO nicht sein. Keiner erwartet, dass ein Magazin mit Indie-Schwerpunkt jeden erschienen Steam-Titel selbst spielt. Da ist es deutlich effizienter, wenn die Redakteure die Informationen aus anderen Quellen zusammentragen (z.B. diverse kleinere Youtube-Channel, Twitter-Accounts von positiv aufgefallenen Entwicklern, usw.). Das reicht schon aus um den durchschnittlichen Leser, der eben nicht mehrere Stunden pro Woche für solche Recherchen aufwenden kann, zu informieren.

Obwohl ich mich durchaus über den Indie-Bereich informiere habe ich z.B. bei AeB schon ein paar neue Titel kennengelernt. Nicht alle unbekannten Titel haben mich genug angesprochen um sie auf meine Wunschliste zusetzen, trotzdem war es interessant sie vorgestellt zu bekommen und zwei Spiele habe ich dann auch tatsächlich gekauft. Von "Salt&Sanctuary" hatte ich zwar vorher schon gehört, aber erst die ausführliche Beschreibung im Podcast hat mir den Anstoß zum Kauf gegeben. "Town of Salem" war mir vollkommen unbekannt - auch die Hintergründe (Kartenspiele) kann ich nicht. "Lisa" wäre auch noch interessant gewesen, das habe ich aber zufällig schon vorher, bei eigenen Recherchen entdeckt.
und man muss für die verschiedensten Genres geeignete Redakteure haben
Ja, das wäre sehr sinnvoll. Nicht nur im Indie-Bereich, sondern auch im AAA-Bereich. Da muss man sich halt entsprechende freie Mitarbeiter anwerben, die Genres abdecken, die vom Stamm-Team nicht ausreichend eingeschätzt werden können.

Womit wir wieder bei Gamers Global wären, wo man einen Heinrich Lenhardt die Stunde der Kritiker zu Titanfall 2 machen lässt und dieser schon an den einfachsten Wallruns scheitert oder einen Benjamin Braun die SdK von Doom spielen lässt, der das Spiel dann allen ernstes mit seiner persönlichen Referenz "Call of Duty" vergleicht und schon im ersten Level gelangweilt ist. Genau so macht man es natürlich nicht - und das nicht nur im Indie-Bereich sondern generell.

Für einen Bullethell-Shooter oder einen 2D-Prügler braucht man z.B. unbedingt Leute die diese Genres seit Jahren privat zu ihren Favoriten zählen. Ansonsten ist eine Bewertung nicht sinnvoll möglich, wie fast alle großen Magazine regelmäßig durch Ignorieren oder Fehlbewertungen zeigen. Aber generell sollte jedes Spiel von jemandem getestet werden, der mit dem Subgenre 100%ig vertraut ist und eine entsprechende Einordnung vornehmen kann.
Und habt ihr mal auf der Patreonseite von Superlevel vorbeigeschaut? Die Spendenbereitschaft dort spricht eher nicht dafür, dass die Nachfrage nach Indiespiele-Berichterstattung höher ist als das Interesse an AAA.
Die Website von Superlevel bietet leider nicht das was ich mir vorstelle. Es werden nur selten Indie-Perlen vorgestellt, sondern meist eher Indie-Kuriositäten - interessant ist da vielleicht ein Spiel im Monat, für das man sich dann durch den ganzen Rest quälen muss.

Passend dazu sehen die Texte häufig wie folgt aus:

"Die Architektur eines Hauses ist der des menschlichen Körpers nicht unähnlich: Die Treppe ist die Wirbelsäule, Flure sind die durchblutenden Adern, Küche und Bad sind der Verdauungstrakt und der Keller ist das Unterbewusstsein, voller verdrängter Erinnerungen. Natürlich dreht sich die Metapher während der Erkundung des leeren, dunklen, mutmaßlich umspukten Hauses in ANATOMY im Kreis und es geht letztendlich doch um den Horror des eigenen Körpers und das Misstrauen der eigenen Sinne.

Nach einer Stunde beendete ich ANATOMY zum zweiten mal, schaute auf meinen leeren Desktophintergrund und hatte das Gefühl, mein Bildschirm würde noch immer wie der kaputte Fernseher aus dem Spiel flimmern. Es brauchte erst einen kurzen, beruhigenden Spaziergang durch die hell beleuchteten Straßen Berlins, bevor ich in die Dunkelheit meiner Wohnung zurückkehren konnte, ohne paranoid vor jedem Geräusch zusammenzuzucken. Nicht, weil ich glaubte, dass da ein Monster sein könnte, sondern weil ich mir unmöglich sicher sein könnte, dass da keines wäre."

Quelle: https://superlevel.de/spiele/5-aus-16-daniel/" onclick="window.open(this.href);return false;

Was habe ich jetzt in diesen zwei Absätzen (die den vollständigen Text zu diesem Spiel darstellen) über das Gameplay, die Stärken und Schwächen des Spiels erfahren? Leider nichts - dem Author war es wichtiger seinen Intellekt zur Schau zu stellen, als den Leser über das Spiel zu informieren. Und diesen Text habe ich jetzt nicht lange herausgesucht, sondern den ersten Beitrag auf der Website angeklickt - mit etwas Aufwand findet man noch viel schlimmere Beispiele.

Auch den Podcast mit den Reviews im Stil eines Hörspiels finde ich furchtbar anstrengend. Gut finde ich nur das Doomian-Podcast-Format.

Und es geht auch nicht darum, dass das generelle Interesse höher als an AAA-Titeln ist, sondern darum, dass das eine Nische ist die groß genug wäre um ein Magazin oder eine Website im kleineren Stil zu tragen, statt sich mit tausenden anderen Informationsquellen um den AAA-Markt zu schlagen. Die Nische in der Nische (Superlevel) funktioniert dann aber halt irgendwann nicht mehr.
Kane009
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Kane009 »

gnadenlos hat geschrieben: Passend dazu sehen die Texte häufig wie folgt aus:

"Die Architektur eines Hauses ist der des menschlichen Körpers nicht unähnlich: Die Treppe ist die Wirbelsäule, Flure sind die durchblutenden Adern, Küche und Bad sind der Verdauungstrakt und der Keller ist das Unterbewusstsein, voller verdrängter Erinnerungen. Natürlich dreht sich die Metapher während der Erkundung des leeren, dunklen, mutmaßlich umspukten Hauses in ANATOMY im Kreis und es geht letztendlich doch um den Horror des eigenen Körpers und das Misstrauen der eigenen Sinne.

Nach einer Stunde beendete ich ANATOMY zum zweiten mal, schaute auf meinen leeren Desktophintergrund und hatte das Gefühl, mein Bildschirm würde noch immer wie der kaputte Fernseher aus dem Spiel flimmern. Es brauchte erst einen kurzen, beruhigenden Spaziergang durch die hell beleuchteten Straßen Berlins, bevor ich in die Dunkelheit meiner Wohnung zurückkehren konnte, ohne paranoid vor jedem Geräusch zusammenzuzucken. Nicht, weil ich glaubte, dass da ein Monster sein könnte, sondern weil ich mir unmöglich sicher sein könnte, dass da keines wäre."

Quelle: https://superlevel.de/spiele/5-aus-16-daniel/" onclick="window.open(this.href);return false;

Was habe ich jetzt in diesen zwei Absätzen (die den vollständigen Text zu diesem Spiel darstellen) über das Gameplay, die Stärken und Schwächen des Spiels erfahren? Leider nichts - dem Author war es wichtiger seinen Intellekt zur Schau zu stellen, als den Leser über das Spiel zu informieren. Und diesen Text habe ich jetzt nicht lange herausgesucht, sondern den ersten Beitrag auf der Website angeklickt - mit etwas Aufwand findet man noch viel schlimmere Beispiele.
Also ich finde das recht gelungen. Und voller Facts:

- Haus ist leer, dunkel
- es soll in dem Haus ANGEBLICH spuken (Hinweis auf die dichte Atmosphäre, die einen paranoid werden lässt?)
- Spiel soll eine Metapher sein. Es geht um den eigenen Körper, und wie einen die eigenen Sinne täuschen können (hochinteressant!)
- Das Spiel entfaltet solch einen Sog, solch eine Immersion, dass es noch nachwirkt, nachdem es längst beendet ist, und man mühsam in die Realität (?) zurückfinden muss.
Peninsula
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Peninsula »

gnadenlos hat geschrieben: Klassische Maßstäbe sind IMO für den Indie-Bereich nicht geeignet.[...]
Ich brauche auch keine Bewertung im 100er System.
In dem Punkt sind wir uns einig, ich bin auch nicht "für" die 100er-Wertung, habe nur darauf verwiesen, weil sie für die "klassischen Maßstäbe" in der Spielekritik steht.
gnadenlos hat geschrieben:Wenn man die Spiele vorstellt und herausstellt, welche Punkte besonders gut und welche eher schlecht gelungen sind.
Und genau da sehe ich den Widerspruch, weil das für mich sehr nach der guten alten "SpieleTESTER"-Denke mit Pro/Contralisten usw. klingt und somit genau die "klassischen Maßstäbe" hervorkramt, die wir doch eigentlich nicht angewandt sehen wollen (s.o.). Und woran soll man dann festmachen, was an einem Spiel "gelungen" ist und was nicht?
Keiner erwartet, dass ein Magazin mit Indie-Schwerpunkt jeden erschienen Steam-Titel selbst spielt. Da ist es deutlich effizienter, wenn die Redakteure die Informationen aus anderen Quellen zusammentragen (z.B. diverse kleinere Youtube-Channel, Twitter-Accounts von positiv aufgefallenen Entwicklern, usw.). Das reicht schon aus um den durchschnittlichen Leser, der eben nicht mehrere Stunden pro Woche für solche Recherchen aufwenden kann, zu informieren.
Auch hier wären wir dann eher im Bereich der kaufberatenden "Produktinformation" als in einem auf Rezensionen fokussierten Journalismus, wie er bpsw. mir für Spiele und insbesondere den Indiebereich vorschweben würde.
Womit wir wieder bei Gamers Global wären, wo man einen Heinrich Lenhardt die Stunde der Kritiker zu Titanfall 2 machen lässt und dieser schon an den einfachsten Wallruns scheitert oder einen Benjamin Braun die SdK von Doom spielen lässt, der das Spiel dann allen ernstes mit seiner persönlichen Referenz "Call of Duty" vergleicht und schon im ersten Level gelangweilt ist. Genau so macht man es natürlich nicht - und das nicht nur im Indie-Bereich sondern generell.
Sehe ich anders. Gerade bei der SdK kann man ja, wie du schon schreibst, den Kritikern auch noch beim spielen zusehen. Und da sieht der Shooterfan eben, dass Heinrich Lenhardt möglicherweise nicht unbedingt die derbsten Skills für das Genre mitbringt und kann das dann auch entsprechend einordnen. Ein allgemein an Spielen interessierter Zuschauer, der aber nun nicht unbedingt ein Spezialist fürs Genre ist, fühlt sich womöglich durch Heinrich gut repräsentiert. IMO kommt man als Medienkonsument nicht umhin sich ein bisschen damit auseinanderzusetzen WER da spricht/schreibt/vor der Kamera sitzt und die jeweilige Kritik dann entsprechend einzuordnen. Und so sucht man sich dann mit der Zeit die Journalisten, deren Kritiken einem etwas "geben". Das muss übrigens nicht heißen, dass das immer die sind, die einen ähnlichen Geschmack haben, wie man selbst. Nur eben die, deren Argumentation man in irgendeiner Weise lehr- hilfreich oder sonstwie interessant findet und die man für sich selbst einordnen kann.
Die Website von Superlevel bietet leider nicht das was ich mir vorstelle. Es werden nur selten Indie-Perlen vorgestellt, sondern meist eher Indie-Kuriositäten - interessant ist da vielleicht ein Spiel im Monat, für das man sich dann durch den ganzen Rest quälen muss.
Ich nehme an, aus deren Sicht, sind das die "Perlen", zeigt IMO nur wieder, dass es angesichts der Vielzahl an Veröffentlichungen im Indiebereich unmöglich ist, einen Konsens hinsichtlich der "Berichtenswertigkeit" bestimmter Spiele zu finden.

Der von dir als Negativbeispiel zitierte Text gefällt mir recht gut. Ich kenne das Spiel nicht, kann aber für mich ganz gut einordnen, was der Autor sagen will und fühle mich durchaus über das Spiel informiert. Siehe auch Kane009s Beitrag.
Wenn ich etwas über Film-/Buch- oder Musikveröffentlichungen wissen möchte - lese ich übrigens lieber genau solche Rezensionen, in denen der Kritiker "seinen Intellekt zur Schau stellt" und mir einen Eindruck seiner "Seh-/Lese-/Hörerfahrung" vermittelt, als eine Auflistung von "Informationen" zum "Produkt".
Und wenn ich schon dabei bin über den Tellerrand des Mediums Spiel zu schauen: Es ist glaube ich völlig normal, dass man sich in "Indie"-Bereichen recht mühsam selbst informieren muss und "Indie" alleine eine viel zu große Kategorie ist. Es sind mir für Filme, Musik oder Literatur keine Portale bekannt, die auch nur den Anspruch hätten, einen Überblick über "alle" (oder meinetwegen nur die meisten) "guten" Veröffentlichungen abseits des Mainstreams zu bieten.
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Heretic
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Heretic »

gnadenlos hat geschrieben:Womit wir wieder bei Gamers Global wären, wo man einen Heinrich Lenhardt die Stunde der Kritiker zu Titanfall 2 machen lässt und dieser schon an den einfachsten Wallruns scheitert oder einen Benjamin Braun die SdK von Doom spielen lässt, der das Spiel dann allen ernstes mit seiner persönlichen Referenz "Call of Duty" vergleicht und schon im ersten Level gelangweilt ist. Genau so macht man es natürlich nicht - und das nicht nur im Indie-Bereich sondern generell.
Die Stunde der Kritiker ist weder Testvideo noch Let's Play. Sie dient hauptsächlich der Unterhaltung. Jörg und Heinrich gehen unvorbereitet an das Spiel heran, spielen drauflos, schildern völlig subjektiv ihre Eindrücke, rufen gelegentlich nach Mutti und überlegen am Ende, ob sie das Spiel privat weiterspielen würden. Die GG-Testvideos sehen da schon anders aus.

Ich freu' ich schon auf den hoffentlich stattfindenden SDK-Auftritt vom AeB-Team. Insbesondere auf Jochens Kommentare. :mrgreen:
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gnadenlos
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von gnadenlos »

Peninsula hat geschrieben:Und genau da sehe ich den Widerspruch, weil das für mich sehr nach der guten alten "SpieleTESTER"-Denke mit Pro/Contralisten usw. klingt und somit genau die "klassischen Maßstäbe" hervorkramt, die wir doch eigentlich nicht angewandt sehen wollen (s.o.). Und woran soll man dann festmachen, was an einem Spiel "gelungen" ist und was nicht?

Auch hier wären wir dann eher im Bereich der kaufberatenden "Produktinformation" als in einem auf Rezensionen fokussierten Journalismus, wie er bpsw. mir für Spiele und insbesondere den Indiebereich vorschweben würde.
Ja, ich denke schon, dass man auch Indie-Spiele nach klassischen Maßstäben beurteilen kann - nur halt nicht nach dem Schema, dass eine große Zielgruppe zu einer höheren Wertung führt und Subgenres mit kleiner Zielgruppe nie eine uneingeschränkte Kaufempfehlung bekommen können, da man dem Leser nicht zutraut, selbst zu erkennen, ob ihm das Subgenre zusagt.

Eine Ausnahme stellen Walking Simulatoren und sehr experimentelle Titel dar, die kein Gameplay im herkömmlichen Sinn haben. Das ist dann aber tatsächlich der Bereich den ich weniger interessant finde und der für mich recht kurz gehalten werden könnte - zumindest aber nicht den überwiegenden Teil eines Indie-Formats ausmachen sollte.

Wenn ein solches Spiel atmosphärisch und/oder grafisch beeindruckt wie Firewatch oder Abzu kann man das gerne vorstellen. Auch Virginia geht durch die frische Erfahrung und sehr gute Story (laut Reviews, habe es noch nicht gespielt) in Ordnung. Aber diese Qualitätsstufe wäre für mich die Trennlinie die ich für solche Spiele ohne klassisches Gameplay ziehen würde - außer man findet längere Zeit nichts aus dieser Kategorie, dann kann man die Ansprüche nochmal ein wenig absenken um Freunde dieser Art von Spielen nicht auszuschließen.

Und das ist halt das was Superlevel für mich weniger interessant macht. Dort habe ich das Gefühl, dass man sich eher auf diese Art von Spielen konzentriert, weil man diese besonders leicht im Stil des gebrachten Beispiels vorstellen kann. Das ist aber nur ein sehr spezieller Bereich des Indie-Marktes.

Abgesehen von diesem Subgenre der storylastigen oder experimentellen Spiele bieten Indie-Titel in der Regel schon klassisches Gameplay, das mit frischen Ideen angereichert wurde oder Genres bedient, die vom AAA-Markt durch ihre kleine Zielgruppe schon sehr lange ignoriert werden oder bei denen das Gameplay wieder auf das Wesentliche reduziert wurde um ein Gegengewicht dazu zu bekommen, dass AAA viel zu oft Genres unnötig aufbläst und "alles" zu Open Word und Genre-Mixes (RPG-Elemente in vielen Spielen) macht, um Spielzeit und Zielgruppe zu erweitern.
Sehe ich anders. Gerade bei der SdK kann man ja, wie du schon schreibst, den Kritikern auch noch beim spielen zusehen. Und da sieht der Shooterfan eben, dass Heinrich Lenhardt möglicherweise nicht unbedingt die derbsten Skills für das Genre mitbringt und kann das dann auch entsprechend einordnen. Ein allgemein an Spielen interessierter Zuschauer, der aber nun nicht unbedingt ein Spezialist fürs Genre ist, fühlt sich womöglich durch Heinrich gut repräsentiert. IMO kommt man als Medienkonsument nicht umhin sich ein bisschen damit auseinanderzusetzen WER da spricht/schreibt/vor der Kamera sitzt und die jeweilige Kritik dann entsprechend einzuordnen. Und so sucht man sich dann mit der Zeit die Journalisten, deren Kritiken einem etwas "geben". Das muss übrigens nicht heißen, dass das immer die sind, die einen ähnlichen Geschmack haben, wie man selbst. Nur eben die, deren Argumentation man in irgendeiner Weise lehr- hilfreich oder sonstwie interessant findet und die man für sich selbst einordnen kann
Den Part bedient aber schon Jörg Langer, der zwar kein Egoshooter-Profi ist, sich aber zumindest wie ein durchschnittlicher Gelegenheitsspieler anstellt. Heinricht Lenhardt spielt das Spiel hingegen wie jemand den man zum ersten Mal (oder zum ersten Mal seit 5 Jahren) vor einen Egoshooter gesetzt hat. Benjamin Braun scheint Egoshooter halbwegs zu beherrschen, aber wenn sich GG im Untertitel "für Erwachsene" auf die Fahne schreibt, finde ich die Ignoranz mit der er an das klassische Doom Gameplay herangeht fehl am Platz.

Die Stunde der Kritiker mag jetzt kein echtes Review sein, sondern eher der Unterhaltung und einem ersten Eindruck dienen, aber ich sehe keine Unterhaltung, wenn jemand nach 5 Minuten nur noch meckert und das Spiel nicht zu schätzen weiß - nicht weil es schlecht ist, sondern weil ihm das Subgenre nicht liegt. Dann kann man gleich eine 60jährige Dorfbewohnerin von der Straße holen und hätte Unterhaltung auf TV-Total Niveau. Wenn man eine halbwegs wortgewandte findet, evtl. sogar in Richtung Clueless Gamer mit Conan.

Das betrifft auch nicht nur Spiele die ich selbst gut finde, ich würde es genauso unpassend finden, wenn man Call of Duty von einen Redakteur spielen lässt, der dieser Serie schon vor Jahren abgeschworen hat und es für Kommerz-Rotz hält und deshalb jedes Detail kritisiert, das diesem Vorurteil entspricht. Wobei das richtig vorgetragen sogar noch witzig sein könnte - bei den von mir gebrachten Beispielen sind es aber keine zynischen Bemerkungen eines charismatischen Spielers, sondern einfach nur zur Schau gestellte Langeweile und Unlust.

Wenn man kein Comedy-Format daraus machen will, sollte jeder Redakteur der sich an der SdK beteiligt zumindest privates Interesse am Subgenre und durchschnittliche Skills (was sich aus dem Interesse fast zwangsläufig ergibt) haben. Daher kann ich auch sicher sagen, dass Heinrich Lenhardt eben keinerlei privates Interesse an Egoshootern hat und daher ungeeignet für diese Stunde der Kritiker war.

Will man das Format etwas unterhaltsamer gestalten, dann braucht man dafür charismatische, wortgewandte Leute die richtig böse zynische Kommentare in einer Art vortragen können, das man sich davon unterhalten fühlt. Gähnen, Langeweile und eine monotone Stimme sind für diese unterhaltsamere Variante nicht geeignet. Also nicht Unterhaltung durch unfähige Spieler, sondern durch überkritische Spieler die das witzig und unterhaltsam verkaufen können. Dafür ist die Stammbesetzung von GG aber nicht geeignet.

Dafür braucht man Leute wie Jim Sterling: https://www.youtube.com/watch?v=d-ELscUeY-Y
Der von dir als Negativbeispiel zitierte Text gefällt mir recht gut. Ich kenne das Spiel nicht, kann aber für mich ganz gut einordnen, was der Autor sagen will und fühle mich durchaus über das Spiel informiert. Siehe auch Kane009s Beitrag.
Du kannst auf Basis dieses Textes also einschätzen, ob Du das Spiel kaufen willst? Du weißt doch nicht nicht einmal ob es ein Spiel in Egoperspektive, Third Person oder ein 2D Sidescroller ist. Das ist für mich kein Review und entspricht daher nicht meiner Idee AAA-Reviews durch Indie-Reviews und A/AA-Reviews zu ersetzen.
Wenn ich etwas über Film-/Buch- oder Musikveröffentlichungen wissen möchte - lese ich übrigens lieber genau solche Rezensionen, in denen der Kritiker "seinen Intellekt zur Schau stellt" und mir einen Eindruck seiner "Seh-/Lese-/Hörerfahrung" vermittelt, als eine Auflistung von "Informationen" zum "Produkt".
Ein Film oder ein Buch hat auch kein Gameplay das Spaß machen muss um für mehr als 2 Stunden zu unterhalten. Diese Art der Beurteilung funktioniert für storylastige Walking-Simulatoren, nicht für richtige Spiele mit Gameplay.
Es ist glaube ich völlig normal, dass man sich in "Indie"-Bereichen recht mühsam selbst informieren muss und "Indie" alleine eine viel zu große Kategorie ist. Es sind mir für Filme, Musik oder Literatur keine Portale bekannt, die auch nur den Anspruch hätten, einen Überblick über "alle" (oder meinetwegen nur die meisten) "guten" Veröffentlichungen abseits des Mainstreams zu bieten.
Daher ist es IMO eine Nische und Marktlücke. Aber halt nicht dieser abstrakte und übertrieben intellektuelle Ansatz von Superlevel, sondern in einem eher gewohnten Format, bei dem klassische Indie-Titel ("klassisch" in Bezug auf die (Retro-)Grafik, auf das Gameplay oder auf "ausgestorbene" Genres) vorgestellt werden. Da sich so ein Format an Leser mit langjähriger Erfahrung richtet, gerne ohne 100er-Wertung, aber mit genug Informationen um einem erfahrenen Spieler alle Fakten für eine Kaufentscheidung klar und deutlich zu vermitteln. Das hätte IMO eine größere Zielgruppe als die Nische die sich Superlevel gesucht hat und damit ja, wie von Dir beschrieben, auf Patreon eher erfolglos ist.

Der Unüberschaubarkeit des Indie-Marktes kann man dabei durch eine Reduktion auf die wesentlichen Spiele begegnen. Indem man nicht jedes bei Steam erschienene Spiel testet, nicht jedes Experiment mit einer netten Grundidee aber mangelhafter Umsetzung und nicht jeden Walking-Simulator mit ungewöhnlicher Grafik testet.

Ich würde hierzu pro Woche ca. 8 Stunden Rechereche ansetzen, bei der sich ein Redakteur aus den ganzen unsortierten Quellen die Spiele zusammensucht die interessant erscheinen. Dieses Ergebnis kann man dann durch weitere Recherche (Youtube-Videos, etc.) noch weiter ausdünnen ohne direkt selbst Hand anlegen zu müssen. Nur was dann noch übrig bleibt wird getestet und in das Magazin oder auf die Website übernommen. Die Highlights dabei gerne in Form von ausführlichen Reviews mit Hintergrundberichten oder Videos mit einem dem Genre entsprechenden Umfang (10-45 Minuten).

Die Filterung sollte auch berücksichtigen, dass man einen möglichst ausgewogenen (Sub)genre-Mix vorstellen kann. Wenn also Metroidvania-Titel deutlich seltener als Walking Simulatoren erscheinen, dann kann man hier die Qualitätsansprüche entsprechend verschieben, um am Ende Fans aller (Sub)genres über die Neuheiten aus ihrem bevorzugten Bereich zu informieren. Das unterliegt auch gewissen Schwankungen, da im Indie-Markt erfolgreiche Konzepte gerne kopiert werden und daher bestimmte Subgenres Hype-Phasen erleben, in denen man dann etwas strenger filtern muss.

Dabei verpasst man zwar vielleicht vollkommen unbekannte Titel, bei denen es den Machern nicht gelungen ist, das Spiel wenigstens 2-3 Informationsquellen schmackhaft zu machen - damit kann man dann aber denke ich ganz gut leben und wäre trotzdem dem Ziel einer umfassenden Information deutlich näher als wenn man die Indie-Titel nur dann aufgreift, wenn sie zufällig von einer Youtube-Größe vorgestellt wurden (evtl. sogar gegen Bezahlung) und deshalb einen so großen Hype ausgelöst haben, dass sie den meisten interessierten Usern schon bekannt sind.
Darth_Mueller

Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Darth_Mueller »

Der Wertverfall bei den Magazinen ist schon irgendwie erschreckend, früher bin ich zum Bahnhof geradelt und habe mir für 12 euro die edge vom letzten Monat gekauft.
Heute habe ich ein readly Abo und kann für 9€ die edge, Empire, GS+GP und zig Magazine lesen, von denen ich gar nicht wusste dass es die gibt und bekomme auch einen zweiten User für meine Freundin dazu.

Ich kann mir absolut nicht vorstellen, wie sich das für die Verlage rechnen soll.
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Dr. Zoidberg [np]
Cronjob of Justice
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Re: Besserwisser: Wir retten deutsche Print-Spielemagazine (ft. Jörg Langer)

Beitrag von Dr. Zoidberg [np] »

Darth_Mueller hat geschrieben:readly
Oh cool, das kannte ich noch gar nicht
"I'm still tired from all the crossfit this morning" - "It's pronounced croissant and you ate 4 of them"
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