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LePuedel
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Registriert: 12. Dez 2016, 14:01
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Re: Hörer-Wertschätzungen

Beitrag von LePuedel »

Ich hab mich an der ein oder anderen Stelle ja durchaus als Tomb Raider Fan geoutet und von daher, hier mal ein paar Zeilen zu dem Spiel, welches außer mir, die meisten wohl leider als den schlechtesten Teil der Serie abtun (womit sie vor allem Chronicles aber auch Underworld ignorieren und somit per se falsch liegen :P ). Und weil ich meine Gedanken eh schon immer mal verartikulieren wollte, hier eine Rezension zu Tomb Raider Angel of Darkness.

Mysteriöse und brutale Morde in Paris, eine getriebene Lara Croft auf der Flucht vor der Polizei, ein Fremder dem Lara immer mehr vertrauen muss und das ganze verpackt in einem Film Noir Setting. Ach, es hätte so gut werden können. Angel of Darkness wurde oft und größtenteils zurecht in der Luft zerrissen. Warum der Teil trotzdem nicht das schlechteste Hauptspiel der Serie ist, sollen folgende Zeilen klären. Also kurz nochmal das nächste kalte Bier bereit gestellt, ich hole aus.

Lara Croft hat die Geschehnisse in Ägypten überlebt und trifft sich mit dem geläuterten aber total verängstigten Werner von Croy in Paris. Während dieses Treffens wird von Croy bestialisch ermordet und Lara als Hauptverdächtige ausgemacht. Auf der Flucht versucht sie nun herauszubekommen wer hinter den Morden in Paris steckt und wird dadurch auf eine okkulte Sekte aufmerksam, deren Ziele alles andere als friedlich zu sein scheinen.

Nach dem vierten und bisher storielastigsten Teil der Serie war die Luft endgültig aus dem Tomb Raider Franchise raus. So sehr man die Engine auch nochmal mit dynamischen Licht- und Wassereffekten aufbohrte und Lara nochmals mit einem erweiterten Moveset ausstattete, sowohl vom Spielprinzip als auch von der Grafik war Tomb Raider gnadenlos überaltert. Konsequenterweise hatte man Lara also einen heroischen Tod am Ende des 4. Teils geschenkt und war eigentlich durch mit der Serie. Aber eine Cashcow schubst man nicht so einfach von der Wiese und so brauchte es halt eine Wiederauferstehung. Nach einem kurzen (und unheimlich schlechtem) Best Of Namens Chronicles sollte nun also Angel of Darkness das Franchise modernisieren und zu neuer Strahlkraft verhelfen. Mit im Gepäck: eine neue (sehr hübsche) Engine eine neue und zeitgemäße Tonalität der Serie sowie aktuelle Spielmechaniken. Zum ersten mal wollte man sich wirklich auf eine Story konzentrieren, denn wenn man mal ehrlich ist, war diese vorher nur Beiwerk um ein wenig erklären zu können, warum Lara jetzt unbedingt von A nach B muss. Aber sie war halt nie ein tragendes Element der Spiele. Und von allem was man so im nach hinein liest hätten die ganzen Pläne auch wunderbar funktioniert, wären nicht ein von seiner eigenen Technik überforderten Entwickler auf einen Publisher getroffen, der unbedingt einen jährlichen Veröffentlichungsrythmus halten wollte.

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Und wenn auf beiden Seiten schlechte Voraussetzungen herrschen, kann einfach kein gutes und rundes Endprodukt entstehen. Um es kurz vorweg zu nehmen und weil es selbst der größte Fanboy nicht leugnen kann: Tomb Raider Angel of Darkness ist ein reines Bugspektakel. Core Design hat die Kollisionsabfrage in ihrer neuen Engine nie wirklich hinbekommen, an einigen Stellen kam es immer wieder zu Abstürzen des Spieles, kurz die technische Qualität war nie auf einem akzeptablen Level, und erst Recht auf keinem, dass man von Tomb Raider bisher gewohnt war.

Und wenn schon nicht die Zeit nicht ausgereicht hat der neuen Engine die Kinderkrankheiten auszutreiben, dann gilt das für die Story leider ebenso. Ein Flickenteppich an guten Ideen, in der Eile der Zeit zusammengezimmert. Interessante Fragen, wie Lara überhaupt Ägypten überlebt hat werden überhaupt nicht mehr erörtert und von dem was man so liest, liegt das wohl daran, dass auch an der Story massiv gekürzt wurde.

Wo man aber wirklich daneben gegriffen hatte war dann leider das Gameplay, bzw. vor allem das Moveset. Mit der ernsten Tonalität des Spieles wollte man auch eine sich realistisch bewegende Lara haben. Vorbei die Zeiten der 10 Meter Sprünge aus vollem Anlauf, etc. Aber man hat es gnadenlos übertrieben. Die werte Miss Croft bewegt sich träge wie ein Sack Kartoffeln und mehr als nur einmal flucht man über die weiterhin unpräzise Steuerung. Das künstlich aufgesetzte Progressionssystem macht es auch nicht besser. Sprungkraft, Ausdauer, etc. können zwar gesteigert werden, aber eben nur dann, wenn das Spiel es braucht. Als Spieler hat man also keinerlei Einfluss auf die Progression. Oder anders ausgedrückt: ein Progressionssystem über Charakterwerte wird in diesem Spiel nur simuliert und das auch offensichtlich nur um sich einerseits dem damaligen Zeitgeist anzubiedern und andererseits um künstliche Levelschranken zu setzen.

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Leider ohne Hirn, Laras Kopf von innen.

Und trotz aller berechtigter Kritik, gibt es doch eine Sache, die Angel of Darkness vor allem im ersten Akt so gut hinbekommt wie kein zweiter Teil der Reihe. Und das ist unsere allseits beliebte Immersion:
Müsste ich eine Szene aus allen Hauptspielen der Serie nennen, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist, so ist das sicherlich Laras Flucht durch das Wohnhaus und über die Dächer der Häuser von Paris. Man was hab ich damals mitgezittert mit Frau Croft, wie erleichtert war ich, als ich den Häschern, OK der Polizei, endlich entkam. Hier schafft das Spiel mich voll und ganz mitzunehmen und mir nicht nur eine spielerische Herausforderung zu stellen, sondern mich auch emotional mitzunehmen. Als Gegenthese könnte man zum Beispiel die Besteigung des Sendemastes aus dem 2013er Reboot nehmen, die zwar cineastisch zelebriert wurde, von mir als Spieler allerdings nur verlangte eine einzige Bewegungstaste bis zum Schluss gedrückt zu halten, wodurch die Immersion komplett verpuffte. Wenn man wissen möchte wie man dramatische und oder emotionale Szenen in ein Spiel verpackt und den Spieler dabei auch vom Gameplay her mitnimmt, so sollte man Angel of Darkness eine Chance geben, trotz seiner vielen Fehler.

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Und das bereitet mir dann auch Schwierigkeiten das Spiel komplett zu bewerten: würde man sich nur auf das Funktionieren der einzelnen technischen Komponenten stützen, so wäre Angel of Darkness irgendwo bei einer 50. Denn auch das muss man dem Titel zu Gute halten. Denn wir sprechen hier durchaus von einer technischen Vollkatastrophe mit einer riesengroßen Einschränkung: optisch sah der Titel damals hervorragend aus und er ist auch im Gegensatz zu seinen Vorgängern auch erstaunlich gut gealtert.
Und auch die Geschichte ist, als Ganzes betrachtet, leider nicht wirklich überragend. Und doch feiert gerade dieser Titel einige der größten und denkwürdigsten Höhepunkte des Tomb Raider Franchises ab, an die zumindest ich mich immer wieder gerne erinnere.
Angel of Darkness wollte ernster und erwachsener als seine Vorgänger sein, und das schafft es auch ohne irgendwie albern oder zu aufgesetzt zu wirken.

Und so kann ich unter Einschränkungen den Titel auch empfehlen. Wen eine träge Steuerung nicht zur Weißglut treibt und wer mit dem ein oder anderen Bug, gerade in der Kollisionsabfrage, leben kann, der bekommt hier das erwachsenste Tomb Raider serviert, garniert mit einigen Highlights der Serie.

Und so gebe ich Tomb Raider Angel of Darkness eine niedrige 70 in dem Wissen, dass er eine 90er Wertung hätte erreichen können und das es Core Design noch heute geben würde, hätte man dem Titel etwas mehr Zeit gegeben.
"Aus'm Bauch heraus würde ich sagen, dass es ganz ohne Werbung, und nur userfinanziert, glaub' ich, nicht funktioniert."
Jochen Gebauer - Auf ein Bier Podcast | 29 Mai 2016
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