Nachtfischer hat geschrieben:
Aber aus gutem Grund? Das ist ja dann eine der weiterführenden Fragen. Das ist jetzt historisch so gewachsen, aus technologischen Gründen, ehemalige Gameplay-Engines werden nun zum Erzählen benutzt und so weiter.
Aber ist der durchschnittliche Fan klassischer Spiele wirklich näher dran als der Filmfan oder Leser? Das bisschen Interaktion kriegt doch jeder hin. In Sachen Gameplay werde ich aber nicht glücklich, sondern primär durch die Geschichte.
Gameengines wurden praktisch seit Beginn ihrer Existenz auch zum Erzählen genutzt. Allein die Möglichkeit, dass die Erzählung alleine ein Spiel tragen kann, ist mit der technischen Evolution des Mediums zu erklären. Dass Spiele auch anhand ihrer erzählerischen Qualität beurteilt werden, ist keine Entwicklung die erst mit den Walking-Simulatoren Einzug gehalten hat. Ob nun frühe Point&Click Adventures oder japanische Rollenspiele. Die Erzählung hat immer schon einen gravierenden Einfluss auf die Rezeption gehabt.
Zwischen Film und Walking-Simulator ist eine klare Grenzziehung einfach. Wenn der Spieler durch Interaktion auch nur gerige Teile der Handlung beeinflussen kann und sei es nur die Geschwindigkeit ihrer Fortlaufs, besteht ein interaktives Element und somit ein leicht zu erfassender Unterschied.
Bei der Frage Spiel/Walking Simulator gibt es wesentlich stärkere Grauzonen. Die Telltale-Spiele haben ja durchaus noch schwach ausgeprägte Gameplay-Elemente, die dem klassischen Adventure entliehen sind. Vom Spielgefühl sind sie trotzdem näher am Walking Simulator.
Ein Her Story arbeitet sogar mit dem Medium Film und war für mich trotzdem vom Spielgefühl her näher an einem klassischen Adventure, weil der Spieler durch das Nutzen der Suchmaske durchaus mitdenken muss um die Geschichte nachvollziehen zu können.
Her Story ist insofern ein gutes Beispiel dafür, wie problematisch eine Definition anhand der Möglichkeit des Scheiters ist. Hätte das Spiel ein Zeitlimit wäre diese Möglichkeit gegeben. Nur weils das Spiel auf ein solches Limit verzichtet um es jedem Spieler zu erlauben die Geschichte selbst zu entwirren, soll es kein Spiel mehr sein? Mich überzeugt das nicht.
[ Und ist der durchschnittliche Spielekritiker wirklich am "nächsten dran" und der richtige dazu, in dieses neue Medium einzusteigen? Viele Werkzeuge der Spieleanalyse lassen sich ja nicht gerade anwenden, wie wir auf vorherigen Seiten dieses Threads festgestellt haben. Der Podcast klang über weiter Strecken dementsprechend eher wie eine Filmrezension und Romaninterpretation (das ist keine Kritik, denn genau das entspricht ja dem neuen Medium).
Die Frage ist für mich hier was die Werkzeuge der Spielanalyse letztlich sind. Für mich sind Spieletests letzlich auch Rezensionen oder sollten es zumindestens sein. Eine Spielanalyse, die sich lediglich auf die Funktionalität der Gameplaymechanismen beschränkt, würde bei vielen Spielen an der Anforderung sich ganzheitlich mit dem Produkt auseinanderzusetzen scheitern. Man nehme nur mal ein Produkt wie Bioshock Infinite, dass seine Faszination (die ich übrigens nicht teile) sehr stark auf der erzählerischen Ebene erreicht. Es ist durchaus kein Spezifikum dieser Wertschätzung, dass sie mehr einer Filmrezension als einer Analyse von Spielsystemen ähnelt. Auch die Bioshock-Folge ist primär eine solche...
Das Computerspiel hat sich nunmal in spezifischer Art und Weise entwickelt und die erzählerische Ebene ist bei einem Großteil seiner Vertreter ein wichtiger Bestandteil. Deshalb muss ein fähiger Spieletester auch in der Lage sein sowohl die erzählerische Ebene als auch die spielerische Ebene zu beurteilen. Ansonsten würde er weder seinem Publikum noch dem Medium gerecht.
Dabei sollte er durchaus die Fähigkeit haben sowohl Spiele zu beurteilen, die die erzählerische Ebene kaum bedienen als auch solche, die sie sehr stark überbetonen.
Klassische Methoden der Filmanalyse lassen sie auf Walking Simulatoren jedenfalls auch nicht ohne weiteres anwenden. Alleine schon deshalb, weil dem Spieler die Steuerung der Kamera obliegt, die ein zentrales Element des Films darstellt.