Heretic hat geschrieben:Jeder setzt andere Prioritäten. Genauso macht es wenig Sinn, ein "XCom" mit einem "Gone Home" zu vergleichen - völlig verschiedene Baustellen, aber beides Spiele.
[...]
Vorsicht, nochmal Musik:
"Death Metal? Dieses Gegrunze und Gebolze ist doch keine Musik!"
Widerspruch, auf mehreren Ebenen.
(1) Natürlich ergibt es Sinn ein "X-Com" mit einem "Gone Home" zu vergleichen. Diese deutsche Redewendung, man könne Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, ist unwahr: Natürlich kann man Äpfel und Birnen vergleichen - es hängt alleine vom Vergleichsmaßstab ab, d.h. du musst eine vergleichbare Grundlage finden, und die gibt es zwischen X-Com und Gone Home ebenso wie zwischen Äpfel und Birnen. Du kannst die Installationsgröße vergleichen, das technische Grundgerüst, die Interaktionen, die Perspektive, die Narration, den Aufbau von Atmosphäre, die musikalische Untermalung, etc. pp. Weshalb sollte man das nicht vergleichen können - nur weil es verschieden ist? Gerade weil es verschiedenartig ist, sollte man es doch vergleichen. Anders gesagt: der Erkenntnisgewinn ist ziemlich gering, wenn ich nur Äpfel mit Äpfeln vergleiche.
(2) Du sprichst hier von Werturteilen. Wenn man sagt, dass "What Remains of Edith Finch" kein Gameplay aufweist - dabei müsste man natürlich Gameplay definieren - so ist das kein gleichbedeutend mit schlecht. Ebenso ist es keine Abwertung sollte man argumentieren, dass es gar kein Spiel sei oder dass das Spiel keine Herausforderungen bietet. Das sind erst einmal nur Sachaussagen - Behauptungen, keine Wertungen! Wenn ich sage, dass es beim Deathmetal keinen Sopran gibt, so ist das auch erst einmal nur eine Sachaussage: der gehört tatsächlich nicht zum Genre. Diese Sachaussagen sind wahr oder unwahr, auf jeden Fall lassen sie sich verargumentieren und so auch beweisen. Wenn also jemand die Behauptung aufmacht, "What Remains of Edith Finch" würde keine Herausforderungen bieten, aber dies sei wiederum notwendig, um Interaktivität als Gameplay bezeichnen zu können, so kann man das sachlich abklären: Gibt es Edith Finch irgendwelche Herausforderungen - z.B. motorische oder intellektuelle, d.h. kann man an diesem Spiel scheitern? ich würde sagen: nein. Das ist aber kein Werturteil.
Wenn insofern jemand sagt, dass Deathmetal keine Musik sei, so ist das erkennbar keine Sachaussage. Es ist de facto Musik. Es ist lediglich keine Musik, die so jemand mag. Es ist damit eben ein Werturteil - oder ein Geschmacksurteil. Wenn jemand aber sagt, dass Gone Home oder Edith Finch keine Spiele seien, so ist das zumindest hier im Forum wohl nicht als plumpes Werturteil oder Abwertung gemeint, sondern in derart, dass diese Spiele die Kernelement dessen nicht aufweisen, was gemeinhin ein Spiel definiert. Wenn die Oberkategorie "Interaktives Medium" ist, so wäre "Spiel" nur noch eine Unterkategorie - aber inwiefern Gone Home, Dear Esther, Edith Finch und Co sich da noch einordnen lassen, genau das wäre eben die Frage.
muh_haha hat geschrieben:Interaktion ist aber auch immer im Gameplay verankert ! Rumlaufen in einem Spiel ist erst einmal Gameplay. "Nur" herumzulaufen ist eben NICHT zu wenig, sondern reicht schon aus es als Spiel anzusehen. Du läufst in dem Spiel eben nicht nur rum, sondern hast andere kleine Gameplayhäppchen die sehr fein sind.
Interaktion gehört immer zum Gameplay. Das bedeutet aber nicht, dass Interaktion alleine bereits Gameplay ausmacht. Mein Fernseher ist ebenfalls interaktiv, aber ich würde die Menüsteuerung von Netflix nun nicht als Gameplay bezeichnen, obwohl ich dort einen Cursor von A nach B bewege. Insofern würde ich widersprechen: Interaktivität ist eine notwendige Grundlage von Gameplay, reicht alleine aber nicht. Gameplay würde ich da sprachlich aufdröseln: im Mittelpunkt steht "game" aka "Spiel". Ein Spiel ist definiert über seine Regeln und diese sind i.d.R. auf Wettkampf ausgelegt, d.h. in fast allen Spielen kann man gewinnen und daher auch verlieren. In einem Mario oder anderen Jump'n'Run ist die Bewegung der Figur erkennbar Gameplay, da ich die Bewegung derselben bereits die eigentliche Herausforderung ist - Abgründe überwinden, etc. pp. In Gone Home, Dear Esther, Edich Finch und Co gibt es allerdings keinerlei spielerische Herausforderung in der Bewegung. Die Bewegung der Spielfigur würde ich insofern ebenso wenig als Gameplay bezeichnen, wie die Menüsteuerung von Netflix oder das Anheben und Absetzen von Figuren beim Schach.
Wenn man Gameplay daher definiert als "Was tut der Spieler?" müsste man sagen, dass Schach ein Spiel ist, in dem zwei Spieler abwechselnd jeweils eine Figur hochheben und wieder absetzen. Mit dieser oberflächlichen Außenbetrachtung hätte man aber wohl kaum das Wesen des Spiels erfasst. Das Gameplay ist nämlich eigentlich die Abwägung, wo man die Figur absetzt, es ist eben eine taktische Abwägung mit dem Ziel, das Spiel zu gewinnen. Derartige Abwägungen gibt es bei Walking Simulatoren i.d.R. allerdings nicht, weil es keine Siegbedingungen gibt, o.Ä., daher würde ich im reinen Laufen auch kein Gameplay sehen.