Hui, die Diskussion wurde ja intensiv weitergeführt, während ich abwesend war. Ich werde daher wohl leider nicht auf alle Punkte eingehen können, versuche aber, nachfolgend möglichst viele davon einzubeziehen.
Eprom hat geschrieben:Was ich im poststrukturalistischen akademischen Feminismus zu erkennen glaube, ist ein Diskur der sich zuweilen nicht mehr groß von rechten Identitären Diskursen unterscheidet. Es sind dann natürlich keine 'Ausländer Raus' oder wir 'müssen das Abendland und uns Europäre schützen' Diskurse, aber es geht um die Annerkennung fremder Kulturen und Personengruppen die man als schützenswert deklariert.
Den Versuch, möglichst allen Geschlechtern (sowie u.a. Ethnien und Kulturen) die gleichberechtigte Einbindung in unsere Gesellschaft und eine vielfältige mediale Repräsentation zu ermöglichen vergleichst du... mit den Diskursen der neuen Rechten? Das erschließt sich mir nicht. Inwiefern ist "die Annerkennung 'fremder' Kulturen und Personengruppen" auch nur annähernd gleichzusetzen mit der aktiven Ausgrenzung, die gerade die Identitären fordern? Wer wird in dem von Dir gezeichneten Szenario also von Feminist_innen ausgegrenzt?
Bei der Forderung nach dem Frauenwahlrecht ging es aber doch wohl zuerst darum, zu fordern was man auch allen anderen zugestand. Man dachte ganz banal erstmal an sich, und nicht an einen kulturellen Klimawandel.
Inwiefern widersprichst Du damit meinen Ausführungen? Klar steht hinter solchen Entwicklungen immer auch eine Eigenmotivation, aber viele Menschen setzen sich zugleich explizit für diesen kulturellen Wandel ein.
Das es in der Politik darum geht, seine Bedürfnisse zurückzustellen und Kompromisse einzugehen ist auch nicht unbedingt zwingend. Beispiel: Wenn vorher 2 Leute einen Kürbis haben und nun eine 3 Person dazukommt, können die Person den Kürbis unter sich aufteilen, was gleichmäßige Einschränkung aller Bedürfnisse bedeutet - oder man könnte sich kreativ überlegen, wo man mehr Kürbisse herbekommt.
Oder der eine möchte eine Halloweenmaske mit dem Kürbis basteln, der andere eine Kürbissuppe kochen. Wenn man die Bedürfnisse der verschiedenen Parteien kennt, muss niemand verzichten.
Wie würdest du dieses Beispiel auf die Spieleindustrie übertragen?
Bei Feministinnen und einigen Linken, habe ich aber das Gefühl das Politik als Nullsummenspiel gesehen wird, oder wo es nur um die gleichmäßige Verteilung der Armut geht, besonders wenn man nichts anderes mit seinen armseligen 'Privilegien' anfangen zu weiß, als diese wichtigtuerisch zu reflektieren.
Nun, gegen Deine Gefühle kann ich schlecht anargumentieren. Ebenso gegen Behauptungen wie letztere, die Deinen persönlichen Erfahrungen zu entspringen scheinen.
Und hier tut sich die Konfliktlinie bezüglich Meinungsfreiheit auf.
Ich frage mal provokant im Kontext unseres Themas: Ist es für Dich im Rahmen der Meinungsfreiheit essentiell, jemanden in einem Onlinespiel als "hässliche Fotze" bezeichnen zu können?
Und hier noch eine Ausführung, da ich obige Frage natürlich so nicht stehen lassen möchte: Es scheint eine sehr geläufige Missinterpretation des Wortes "Meinungsfreiheit" zu bestehen. Die nämlich bedeutet in erster Linie, dass Du die grundsätzliche Möglichkeit hast, Deine Meinung offen und uneingeschränkt zu äußern. Sie bedeutet
nicht, dass Du jederzeit
überall sagen kannst, was immer Du möchtest. Wenn also zum Beispiel eine Spielefirma beschließt, die Kommunikation in ihrer Software zu reglementieren bzw. zu moderieren, ist das keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, weil Du immer noch eine unüberschaubare Masse von Möglichkeiten hast, Deine Meinungen/polarisierenden Ansichten/expliziten Beleidigungen an anderer Stelle zu äußern.
Wenn sich nun Frauen abgestoßen von Sexismus fühlen, muss man für einen Ausgleich sorgen und den Sexismus reduzieren. Das kann durch Zensurforderungen geschehen, muss aber nicht. Jedenfalls bedeutet Egalitarismus erstmal Sexismen zu reduzieren, damit Frauen am Diskurs teilnehmen können. Das würde aber unter Umständen eine Einschräkung des Sagbaren darstellen, was mit einem Ausgleich der Machtverhältnisse begründet wird.
Zensur ist ein Verfahren zur Informationskontrolle, das in erster Linie von staatlicher Seite verordnet wird. Gerade im Spielekontext ist dieser Begriff also in 99% aller Fälle vollkommen deplatziert.
Um das zu gewährleisten braucht es den kontinuierlichen Austausch mit anderen Menschen. So überhaupt funktioniert eine Demokratie und wird Macht verteilt. Diskurseinschränkungen behindern diesen Prozess und sind undemokratisch bzw. antiaufklärerisch. Die Leute sollen ja lernen, selber zu denken.
Offene Diskurse sind extrem wichtig, da sind wir uns einig. Wo siehst Du sie denn - und kommen wir hier am besten wieder auf unser eigentliches Thema, nämlich Sexismus in der Spieleindustrie - als eingeschränkt an?
Wenn sie ein ganzes Medium für sich beanspruchen und auch die überwiegende Mehrheit der Nutzer sind...stellen sie doch dort die Mehrheit?
Auf diesen Punkt ist ja bereits jemand anders eingegangen.
JayTheKay hat geschrieben:Weil es mir vor Kurzem zufällig begegnet ist:
Solange mit
solcher Werbung für Computerspiele geworben wird ist wohl ziemlich offensichtlich, dass wir noch lange nicht bei einem normalen Frauenbild angekommen sind. An sowas nervt mich dann übrigens nicht nur die reine Objektifizierung sondern auch, dass man mich als Spieler anscheinend für so primitiv hält, auf diese "Werbung" einzusteigen.
Oh je, den Spot kannte ich noch gar nicht. Danke!
echtschlecht165 hat geschrieben:2 Anmerkungen noch.
Irgendwelche Quoten einzuführen halte ich in zweifacher Hinsicht für schlecht.
1. Das nonanet Argument: finde ich dass, selbst wenn in einer Branche 100% männeranteil herrscht, nicht eine einzige Frau eingestellt werden sollte, wenn sie nicht die gleichen Qualifikationen besitzt, wie der männliche Mitbewerber,bloss um irgendwelche Quoten zu erfüllen. Da gibt es natürlich noch Meta- Gründe wie Betriebsklima, neue Ideen o.ä. Das soll der Personalverantwortliche entscheiden.
2. Wenn Frauen nur aufgrund von Quotenregelungen Jobs bekommen, werden sie am Arbeitsplatz erst recht wieder angefeindet a la : "die hat ja den Job nur aufgrund von Quote xy. Und ich musste durch diese und jene Mühle gehen."
Wollt ihr das wirklich?
Du scheinst das grundlegende Prinzip von Quoten misszuverstehen: Es geht nicht darum, minderqualifizierte Frauen anzuheuern, weil sie Frauen sind, sondern weibliche Arbeitskräfte mit gleicher oder ähnlicher Qualifikation in einem gewissen Rahmen (also bis die Quote erfüllt ist) bevorzugt einzustellen.
Die von dir beschriebenen Vorurteile und Anfeindungen am Arbeitsplatz gibt es leider trotzdem, aber sie entbehren im allgemeinen jeglicher Argumente - zumal die Quotenregelung, wie bereits jemand anders angemerkt hat, in Deutschland aktuell nur eine handvoll Unternehmen überhaupt betrifft.
Zum letzten Punkt mit der vermeintlichen Beleidigung:
Ich wollte auf keinen Fall beleidigend sein, aber meine Meinung zu dem Thema kennst du jetzt und ein einfaches ^Entschuldige bitte^ wird diese Meinung auch nicht ändern.
Auch hier ein Beispiel aus meiner Berufslaufbahn als Antwort:
Dass Du solche Aussagen triffst, obwohl Du selbst in Deiner Berufslaufbahn mit Vorurteilen konfrontiert wurdest, finde ich besonders kurios. In meinem Fall, und das weißt Du vermutlich nicht, hat diese Kritik aber eine weitere Dimension: Gerade Menschen, die sich in irgendeiner Form für Geschlechtergleichheit und Frauenrechte einsetzen, schlägt diese Aussage, es gäbe doch wirklich Wichtigeres auf der Welt, besonders häufig entgegen. Im feministischen Diskurs steht dahinter oft der Versuch, ihm seine gesamte Legitimation abzusprechen. Das ist alles andere als konstruktiv und für Menschen wie mich ungemein frustrierend - gerade in einem Rahmen, wo man sich unentgeldlich/in seiner Freizeit engagiert.
Axel hat geschrieben:Mittlerweile schon. Medial wird auch den Männern ein Körperkult suggeriert, dass es einfach nur widerlich ist. Zwar noch nicht gleichermaßen wie bei Frauen, aber man ist auf dme guten Weg. Beispiel: Körperbehaarung. War das vor noch 20 Jahren absolut normal, dass man sich nicht den ganzen Körper rasiert hat, wird das heute von einer großen Mehrheit von Frauen und Männern regelrecht als ekelhaft empfunden, wenn Mann Körperbehaarung hat. Das ist durchaus ein Indikator wie krass die Leute sich von medialen Bildern leiten lassen.
Stimmt, das ist mir auch schon ausgefallen. Zugleich existiert allerdings - unter anderem - das ästhetische Ideal des "bärigen", vollbärtigen Mannes, das gerade in hipperen Kreisen sehr präsent ist.
Aber solche Reduzierungen auf Äußerlichkeiten gibt es seit eh und je. Etwa wenn man etwas mobbelig ist. Dann gilt man bei vielen Leuten als faul und ungesund, man wird entweder gemieden im besten Falle oder im schlimmsten Fall noch ziemlich heftig gemobbt. Ein Verhalten was auch im Erwachsenenalter weit verbreitet ist. Und auch das trifft Männer UND Frauen.
Was mir dabei aber auffällt: Zumindest in den Medien gibt es das Bild des übergewichtigen und/oder mäßig attraktiven Mannes, der in den meisten Fällen von vornherein oder nach einer Weile eine signifikant attraktivere Frau an seiner Seite hat. Beispiele dafür sind Serien wie "The Big Bang Theory", "The King of Queens" oder auch "Die Simpsons", wenngleich Homer in besonderem Maße als Nichtsnutz dargestellt wird. Gemein haben diese und andere Formate, dass die unattraktiven Männer trotzdem Helden und Identifikationsfiguren sein können. Weibliche Entsprechungen dieses Typus sucht man meist vergeblich.
Ähnlich verhält es sich bei echten Personen und vor allem in der Politik. "Fat-shaming" und ähnliches gibt es leider auch bei männlichen Politikern, aber tendenziell sind es vor allem die Frauen, deren Erscheinungsbild weit nach vorne gerückt wird.
Mir ist auch aufgefallen, dass auch bei Männern untereinander ein stärkerer Körperkult gepflegt wird. Das hat teilweise durchaus die Ausmaße wie bei unsicheren Frauen, die sich von GNTM oder irgendwelchen vermeitlichen YouTube-Beauty-Tussis beeinflussen lassen, wie sie aussehen zu haben.
Gibt es denn zum Beispiel auch vergleichbare YouTube-Kanäle mit "Pflegeempfehlungen" für Männer? In diesem Bereich bin ich tatsächlich schlecht informiert.
Und spätestens wenn wir bei Rollenbildern sind, trifft die Sexismusproblematik die Männer genauso hart wie Frauen. Es existieren absurde Vorstellungen, wie ein Mann "zu sein hat":
- Gefühle sollte ein Mann nicht zeigen. Vor allem keine negativen Gefühle wie beispielsweise weinen. Das wird auch heute absurderweise immer noch den Jungs im Kindergartenalter angebläut: "Du bist doch ein starker Junge, da gehört es sich nicht zu weinen." - Das ist immer noch sehr weit verbreitet. Folge: Weine mal als erwachsener Mann. Ein absoluter Großteil der Menschen kann damit nicht umgehen.
- Versorgerrolle wird auch immer noch den Mann zugeschrieben. Nicht umsonst wählen viele Frauen ihre Partner tatsächlich nach dem sozialen Status aus.
Und viele Menschen scheinen noch nicht verstanden zu haben, dass der Feminismus auch genau dort ansetzt: Frauen* und Männer* (*bzw. alle, unabhängig von ihrer Geschlechteridentität) sollten die Möglichkeit haben, sich zu entfalten und auszudrücken, wie es zu ihnen passt. Das ist nicht nur eine Lifestyle-Entscheidung, sondern kann weitreichende Konsequenzen haben, denn es wird zunehmend nahegelegt, dass die mangelnde Akzeptanz bei Männern, Gefühle offen zu zeigen, zu Krankheit bzw. verfühtem Tod und erhöhter Aggressionsbereitschaft führen kann. Diese Probleme sind nicht zu unterschätzen.
Ich könnte die Liste noch lange weiterführen. Du wärst überrascht, wie vielen Rollenklischees gleichermaßen für Männer immer noch gelten und wenn man aus denen ausbricht, dann ist man sehr oft ein krasser Außenseiter. Das mag vielleicht nicht unbedingt in Metropolen wie Berlin, Hamburg oder Köln so sein. Aber kleineren Städten und erst recht in ländlichen Gegenden gibt es immer noch strenge Geschlechtererwartungen.
Nein, das wiederum überrascht mich gar nicht. Wie bereits angedeutet, setze ich mich mit Rollenklischees im allgemeinen auseinander und nicht nur mit jenen, die Frauen betreffen. Es fällt mir nur schwerer, die Perspektive männlicher Betroffener einzunehmen, weswegen ich gerne um Meinungen von außen bitte.
Eprom hat geschrieben:Mir persönlich geht es auf den Geist, wie Feminist*innen ihre eigenen autoritären Wünsche und ihre Sexfeindlichkeit, hinter floskeln wie 'Objektifizierung' verstecken wollen.
Diese Aussage lässt mich vermuten, dass Du Dich doch nicht so umfassend mit Feminist_innen auseinandergesetzt hast, denn "Sexfeindlichkeit" ist etwas, das sich im modernen Feminimus definitiv nicht (mehr) weitreichend verorten lässt. Ganz im Gegenteil spricht man sich offen für Sexpositivität und demnach dafür aus, dass Männer und Frauen ihre Sexualität entsprechend ihren Wünschen ausleben können.
Sex und Objektifizierung haben praktisch nichts miteinander zu tun. Das eine ist ein einvernehmlicher Akt, an dem Menschen bewusst und aktiv teilnehmen; das andere ist die Entscheidung, eine andere Person nicht als Mensch mit einer Persönlichkeit und individuellen Wünschen, sondern als bloße Form bzw. Summe ihrer Körperteile wahrzunehmen. Wenn man also Kritik an Objektifizierung übt, lehnt man damit nicht Sex ab.