Mikrokosmen - Alternative zur klassischen Openworld?

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Stew_TM
Beiträge: 619
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Re: Mikrokosmen - Alternative zur klassischen Openworld?

Beitrag von Stew_TM »

So gut wie jedes Metroidvania ist rein aufgrund seiner Struktur für mich ein Mikrokosmos und das ist auch ein Grund, warum ich aktuell meine Liebe für das Genre entdecke. Ich habe vor kurzem Ori and the Blind Forest gezockt und bin gerade mitten in Hollow Knight.

Für mich ist dabei aber sehr wichtig, dass sich mit fortschreitendem Spielverlauf auch etwas verändert. Wenn ich mich nach 15 Spielstunden immer noch in derselben Art und Weise durch die Räume fortbewegen muss wie zu Beginn des Spiels, ist mir das zu langweilig. Das Spiel muss mir zum einen die Gelegenheit geben, die Steuerung so zu meistern, dass ich mit nun geschulten Augen und Fingern von selbst neue Möglichkeiten entdecke, und zum anderen sollte mein Charakter im Laufe des Spiels weitere Fähigkeiten bekommen, die mir neue Wege eröffnen. Die Symbiose aus beidem ist dabei für mich die "Masterclass". Ori hat das meiner Ansicht nach ganz fantastisch gemacht. Zum Ende des Spiels bin ich quasi durch die Welt von Nibel geflogen, auf der Suche nach neuen Wegen und Collectibles in bereits bekannten Gebiete noch ganz ohne Druck - aber es war gut, dort geübt zu haben, denn man musste Oris Bewegungen auch zu einen gewissen Grad meistern, um die knallharten Endgebiete überhaupt durchqueren zu können. Das war eine nahezu perfektes Zusammenspiel aus neuen Bewegungsmöglichkeiten und meinen eigenen gestiegenen Fähigkeiten. An sich schon großartig umgesetzt, aber das Spiel hat da ja nichtmal aufgehört. Nibel hat sich nach bestimmten Ereignissen im Ablauf der Geschichte sogar noch verändert. Besonders der Wind & Kuros Feder haben der Steuerung nochmal ein ganz anderes Level gegeben.

Hollow Knight setzt das nicht ganz so perfekt um. Das liegt auch daran, dass der Fokus dort mehr auf den Kämpfen liegt. In Ori and the Blind Forest steht das Platforming im Vordergrund, unterstützt durch große und offene Level. In Hollow Knight sind die Wege viel enger, die Gebiete schlauchiger. Oft gibt es nur einen oder zwei Pfade, die von unten nach oben oder von links nach rechts führen. Dazu durchquert man die Gebiete auch noch häufiger als bei Ori, da Hollow Knight ein gutes Stück weniger linear ist und es kein freies Speichern innerhalb der Welt erlaubt. In Verbindung mit dem Schwierigkeitsgrad führt das dazu, dass man oft weite Wege bis zum Ort des letzten Ablebens zurücklegen muss (denn wie aus den Soulsborne-Spielen bekannt, hat man die Möglichkeit, seinen verlorenen Fortschritt zurück zu erlangen). Alles in allem ist bei mir aber bisher trotzdem noch kein Frust aufgekommen (und das, obwohl ich insgesamt schon über 2.000 Geos verloren habe :cry: ).

Für die Identifikation, die man in solchen Spielen mit seinem Mikrokosmos erlebt, bin ich sehr anfällig. Spiele wie Hollow Knight, Ori and the Blind Forest und auch Hyper Light Drifter (welches sich auch einiger Metroidvania-Prinzipien bedient) nehme ich insofern als ähnlich war, dass es für sich stehende, individuelle Gesamtkunstwerke sind. Es sind stringente, fokussierte Spielerfahrungen in einer Welt, die mir etwas bedeutet. Ori erzählt dabei eine Geschichte in der Welt von Nibel, aber Hallowsnest aus Hollow Knight und die Welt von Hyper Light Drifter schaffen das mitunter sogar komplett ohne Worte. In diesen Spielen wird großer Wert auf eine audiovisuelle Ästhetik gelegt, die dem Streben nach Fotorealismus der großen Open World-Spiele nicht ferner sein könnte, aber genau deswegen so wunderschön sind. Alle diese drei Spiele, die ich in relativ kurzer Abfolge gespielt habe, sind für mich sozusagen das Salz in der Suppe, der Grund, warum ich Videospiele so liebe.

Letztendlich heißt das alles nicht, dass ich keinen Spaß an großen offenen Welten haben kann - manchmal steht mir auch der Sinn nach einer riesigen Spielwiese wie in GTA. Andre erwähnte ja in mal in einer Sonntagsfolge, dass die Größe einer Spielwelt, die Entfernungen, das Gefühl der Weite, auch schon für sich allein eine Faszination ausüben können. Früher war diese Faszination noch sehr groß (ich höre gerade den Sonntagspodcast zum Thema "Warum spielen wir" und kann die "In Videospielen ist ALLES möglich"-Faszination von Sebastian aus meinen eigenen Jugendjahren sehr gut nachvollziehen).

Allerdings ist es bei mir mittlerweile so, dass mein Verlangen nach einer solchen Erfahrung relativ schnell befriedigt ist - es kann für mich kein ganzes Spiel mehr tragen. Im Gegensatz dazu werde ich des Konzeptes des Mikrokosmos nicht so schnell überdrüssig - alleine schon deswegen, weil Spiele mit kleineren Welten ganz logischerweise nicht so lange dauern (zumindest in der Regel). Und dann wartet ja schon wieder der nächste eigenständige und komplett andersartige Mikrokosmos, in den man eintauchen kann. Zumindest aktuell ziehe ich daher den Mikrokosmos der riesigen Open World vor. (Was übrigens auch ganz praktische Gründe hat: Spiele wie Ori oder Hollow Knight laufen auf meinem Rechner, für moderne Open Word-Spiele müsste ich upgraden. :D )
Zuletzt geändert von Stew_TM am 20. Nov 2017, 23:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Terranigma
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Re: Mikrokosmen - Alternative zur klassischen Openworld?

Beitrag von Terranigma »

Stew_TM hat geschrieben:Ich habe vor kurzem Ori and the Blind Forest gezockt und bin gerade mitten in Hollow Knight.
Die Metroidvanias sind sehr schöne Beispiele, und Ori noch ein schöneres Spiel. Ich zähle jetzt schon die Tage, bis endlich der Nachfolger scheint. Der Soundtrack von Ori genießt seit Jahren sein dauerhaftes Bleiberecht auf meinem Smartphone. Ori zeigt aber auch eines, das mir an Mikrokosmen sehr wichtig ist: Es muss eine Welt sein, in der ich mich gerne bewege - sie muss angenehm sein. Hollow Knight, so sehr ich es auch mag, traf da nicht ganz meinen Nerv. Die Welt war mir auf ihre Art doch zu creepy. Nicht unbedingt unheimlich, aber doch war's keine Welt, in der ich mich auf Grund der Ästhetik je wirklich heimisch oder gar wohl fühlte. Der Soundtrack von Ori, die schöne Natur und Landschaft, das war eine ganz andere Geschichte. Ebenso zeigte Ori in Ansätzen etwas, das leider allzu wenige Titel tun: die Spielwelt verändert sich - ein wenig.

Ist das erste Gebiet im Spiel zu Anfang schleimig, giftig und nicht sonderlich einladend, verändert sich dieser Bereich der Spielwelt nach dem Abschluss der ersten Etappe. Das Wasser ist klar, die Musik wird freundlicher und die Natur blüht auf. Gerade Mikrokosmen haben auf Grund ihres reduzierten Umfangs eigentlich viel mehr Möglichkeiten, mit Veränderungen der Spielwelt zu arbeiten. So faszinierend große Open Worlds teilweise auch sind, sie sind doch sehr statische Themeparks. Bei dieser Größe wäre es auch schwer sowas wie Dynamik und Veränderung umzusetzen, doch kleine Welten könnten das. Warum nicht mal eine kleine Openworld, in der die Jahreszeiten wechseln? Stardew Valley tut das, und ich mag das sehr. Oder eine kleine Openworld, wo sich die Spielwelt sichtlich mit Spielfortschritt verändert? Ori tut das in Ansätzen, während Terranigma - ja, sehr wohl! - schon vor Jahrzehnten tat.

Ich glaube eine kleine Openworld, eben ein Mikrokosmos, würde einiges an interessanten Optionen bzgl. Spieldesign und Weltendesign ermöglichen und man könnte diese Welten auch einmal ohne repetitive Fetch-Quests mit Inhalten befüllen. Wenn man am Ende auch "nur" 30 Stunden in dieser Spielwelt verbringt, ehe man die Credits sieht, wär's ja auch gut. Es müssen ja nicht immer 60+ Stunden sein.


PS: Anderer Tip in Richtung Ori und Hollow Knight wäre noch Dust - An Elysian Tail. Ebenfalls sehr schön.
Sitting quietly and doing nothing,
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Stew_TM
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Re: Mikrokosmen - Alternative zur klassischen Openworld?

Beitrag von Stew_TM »

Ja, für meinen Geschmack nutzen auch viel zu wenige Spiele die Möglichkeiten einer sich verändernden Welt. Am besten gefällt es mir, wenn sie sich auch noch dynamisch verändert, denn dann können selbst große offene Welten zu einem Mikrokosmos werden. Jochen singt aus diesem Grund vollkommen zurecht Loblieder auf die Spiele von Sid Meier. In meiner Jugend habe ich lange das Pirates!-Remake gezockt und durch die dynamisch agierenden Nationen ergeben sich in jedem Spieldurchlauf unterschiedliche Mikrokosmen. Das führt dazu, dass selbst das Verweilen in bestimmten Regionen nie langweilig wird. Es gibt spanische Städte auf dem Festland, die habe ich in zig Stunden Pirates! wenn überhaupt nur ein oder zweimal besucht, da ich nie der Geschichte gefolgt bin, sondern mir meine eigene geschrieben habe.

In klassischen Open World-Spielen wie GTA habe ich in einem Gebiet in der Regel irgendwann alle Missionen erledigt und muss weiterziehen, um neue Herausforderungen zu suchen (man hat natürlich immer noch die Möglichkeit sich anderweitig zu beschäftigen, z.B. Verfolgungsduelle mit der Polizei zu initiieren, aber das ist eine ganz andere Faszination und hat nichts dynamisches an sich, da die Spielwelt nur auf den Spieler reagiert). GTA V hat versucht, zumindest einen Funken Dynamik in die Welt zu bringen, was mir prinzipiell sehr gut gefallen hat. Schon die Teilung in drei spielbare Charaktere (meiner Meinung nach die beste Idee seit langem, ich frage mich, warum sich das bisher nicht in anderen Open World-Spielen durchgesetzt hat) kann zu tollen Situationen führen, wenn ich z.B. auf Trevor wechsele, der mal wieder irgendwo in der Pampa mit einem Blackout aufgewacht ist und ich nun erstmal nach Hause finden muss. Aber auch darüber hinaus gab es viele Ideen: Die Überfälle am Straßenrand, herumfahrende Geldtransporter und die Fragezeichen-Missionen, die nur zu bestimmten Zeiten und nur für bestimmte Charakte zugänglich sind. Letztendlich sind das aber im Vergleich zu einer von Grund auf dynamisch gestalteten Welt wie Pirates! lediglich kleine, dynamische Akzente, die die ... Statik von Los Santos nicht komplett verstecken können, vor allem dann, wenn man erst einmal das Muster durchschaut hat. Auch in Far Cry 3 gibt es kleinere dynamische Events, etwa Kämpfe zwischen den Ureinwohnern und Vaas' Truppen. Und in seltenen Fällen haben sich vielleicht sogar noch drei Tiger eingemischt. Das sind dann zwar auch wirklich coole Momente, von denen hatte ich in 30 Stunden Far Cry 3 aber vielleicht zwei oder drei. Zumal es spielerisch und geschichtlich überhaupt keinen Unterschied macht, ob man diese Auseinandersetzung nun links liegen lässt oder eingreift.

Aber schon sich linear verändernde Spielwelten sind für mich eine tolle Möglichkeit, ein Spiel interessant zu halten. Bei Metroidvanias wie Ori and the Blind Forest passt das auch perfekt ins Genre - ein großer Bestandteil der Spiele es ja, dass man im Laufe der Spielzeit durch neue Fähigkeiten vorher unüberwindbare Hürden meistern kann und dahinter neue Gebiete, Secrets oder Abkürzungen entdeckt. Da liegt es doch eigentlich nahe, Veränderungen der Spielwelt auf die gleiche Art und Weise zu verwenden. Nachdem der Ginso-Tree bezwungen war und Ori von nun an tauchen konnte, ergaben sich hier vollkommen neue Möglichkeiten. Eine wirklich fantastische Idee! (Und dazu noch war die Szene, in der Ori von der Spitze des Baums in das nun klare Wasser gefallen ist, einer meiner Lieblingsmomente im ganzen Spiel. Dieser Teich mit den Seerosen im Hintergrund war das schönste, was ich bisher in einem Videospiel gesehen habe.)

Ich kann durchaus verstehen, was dich an Hollow Knight stört, ich persönlich finde aber auch an dieser der Welt innewohnenden morbiden Trostlosigkeit durchaus Gefallen. Auch in einen unangenehmen Mikrokosmos einzutauchen, kann am Ende erfüllend sein. Nicht umsonst mag ich Horrospiele sehr gerne. Die märchenhafte Welt von Nibel gefällt mir aber genauso gut. Wonach mir gerade mehr der Sinn steht, ist einfach tagesformabhängig.

PS: Danke für den Tipp, werde ich mal einen Blick drauf werfen!
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