Selbst in Ketten legen - Kolumne

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Frostkaktus
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Re: Feedback zu Wortreich

Beitrag von Frostkaktus »

Großes Lob für die aktuelle Wortreich-Folge (Wie wir uns selbst in Ketten legen).

Wolfgang hat genau den Punkt angesprochen, der mich inzwischen an den meisten Spielen nervt: ich muss mir nach Feierabend nicht mehr beweisen, wie clever und super ich bin.
Wettkämpfe haben mich eh noch nie übermäßig gereizt (einzige Ausnahme: geistige Wettkämpfe). Geschichten dafür um so mehr.
Hinzu kommt, dass ich mein Bedürfnis nach geistiger Herausforderung beim Arbeiten ausleben kann und körperliche Herausforderung finde ich beim Flamencotanz.
Insofern passen viele Spiele - auch die, die ich früher geliebt habe - nicht mehr zu meinen aktuellen Bedürfnissen.
Denn wenn ich irgendwann am frühen bis späten abend zu hause lande, bin ich meist geistig und/oder körperlich erschöpft und möchte den Tag nur noch angenehm und unterhaltsam ausklingen lassen, bevor ich ins Bett falle.

Um mal wahllos ein Beispiel heraus zu picken:
Mich nerven OpenWorld-Spiele. Ich will nicht überlegen müssen, wo ich nun am besten längs gehe. Wo sind die guten alten Schlauchlevel geblieben? Meiner Meinung nach ist es ein grober Schnitzer, Spiele nicht mehr stringent zu erzählen. Schlachlevel (doofes Wort) erlauben mir, mich auf eine Geschichte zu konzentrieren, ohne mir überlegen zu müssen, ob ich womöglich gerade den "falschen" Weg einschlage, da ich später den ganzen Weg nochmal zurück laufen muss, weil ich nicht jeden Grashalm umgedreht und irgendwas übersehen habe... Solche Entscheidungen haben keinerlei Relevanz für eine Geschichte. Warum soll es also eine Errungenschaft sein, dass ich nun ständig nach dem Weg fragen muss? Ich kann mich jedenfalls an kein Stück Literatur erinnern oder an irgendeinen Film, in dem je thematisiert wurde, ob nun links oder rechts abgebogen werden muss (einzige Ausnahme sind natürlich Verfolgungsituationen; welche in Spielen paradoxerweise die einzigen Situationen sind, bei denen man in der Regel weiß, wo man längs muss: nämlich immer dem NPC hinterher). Innerhalb einer Geschichte Entscheidungen zu treffen mag ich sehr. Aber ich hab keine Lust mir wie ein Touri in einem fremden Land vorzukommen, der keine Ahnung hat, in welche Richtung er rennen muss.

Führt mich doch bitte einfach einen eindeutigen Weg entlang. Früher nannte man das den roten Faden, der sinnvollerweise durch eine Geschichte führt und zwar ohne einen immer wieder in Sackgassen zu leiten. Ich habe keine Lebenszeit übrig, um mir Gedanken über den richtigen Weg (!!11elf!! -.-) zu machen.

Von daher vielen Dank, lieber Wolfgang, für diese Kolumne. Ich habe nun nur einen Punkt aufgegriffen und mich als Beispiel reingepinselt, aber auch bei den meisten anderen Punkten habe ich fleissig genickt. Diese Kolumne spricht mir aus dem Herzen. :)
Und das Chaos sprach zu mir: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Ich lächelte und war froh. Und es kam schlimmer.
Wolfgang Walk
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Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Wolfgang Walk »

Jetzt hatte ich eigentlich gedacht, dass mir hier ein paar Dinge ins Gesicht fliegen würden. Stattdessen nichts. Hm... Ihr seid alle viel zu zivilisiert!

Muss ich demnächst wohl schärfer formulieren ... :-)
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Blaight
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Blaight »

Ich habs noch nicht gehört..mache ich und antworte erst wenn ich Hunger habe..dann gibts aber Gegenwind!
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Andre Peschke
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Andre Peschke »

Ich habe den Beitrag von Herrmann, der ganz oben steht, hierher verschoben aus dem WH-Forum.

Edit...garg. Das war gar nicht der Beitrag, den ich verschieben wollte... korrigiere.

So...Frostkaktus, nicht Herrmann. :D Jetzt stimmt alles. Enjoy.
MeanMrMustard
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von MeanMrMustard »

Ich kann das auch nur so unterschreiben. Ich spiele gern Spiele, die auf eine sinnvolle Weise kompliziert oder anspruchsvoll sind und die in einem angemessenen Maße meine geistigen und motorischen Fähigkeiten auf die Probe stellen. Sowas wie Dark Souls oder neulich Pyre sind intensive Spielerfahrungen, die ich absolut nicht missen möchte.
In Open World-Spielen hingegen fühlen sich viele der Entscheidungen die ich treffe und Handlungen, die ich vollführe, so unbedeutend und trivial an, dass sie mich schnell langweilen oder nerven.
Natürlich haben auch OW-Spiele ihre Daseinsberechtigung. Bei richtiger Anwendung kann eine offene Spielwelt die Immersion steigern und dem Spieler sinnvolle Freiheit bieten, die seine Kreativität fördert (z.B. Zelda: Breath of the Wild oder Minecraft).

Am spannendesten fand ich aber ehrlich gesagt den Punkt zur Spiellänge. Viele Spiele fühlen sich unnötig lang an und überall beklagen sich erwachsene Spieler, dass sie weniger Spiele kaufen müssen, weil sie schlicht keine Zeit mehr haben, noch mehr zu spielen. Da müsste die Industrie doch irgendwann auf den Gedanken kommen, ihre Spiele einfach etwas weniger mit Füllmaterial aufzubauschen und sie stattdessen auf die wichtigsten Aspekte zu reduzieren. Sowas muss ja auch nicht unbedingt mit Vercasualisierung einhergehen, wenn man es richtig handhabt.

Hellblade hat es ja diese Woche erst gezeigt. Ein relativ kurzes Spiel mit AAA-Produktionsqualität, das es sich durch seine Kürze aber leisten kann, für einen Budget-Preis verkauft zu werden. Ich würd es wirklich begrüßen, wenn mehr Spiele diesem Ansatz folgen würden. Vor allem für lineare Singleplayer-Spiele wie Uncharted könnte ich mir sowas sehr gut vorstellen.
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Nachtfischer
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Nachtfischer »

Dann frage ich mal nach. In einem Blogpost schriebst du einst:
Es geht um den eigentlichen Kern dessen, was Spiele eigentlich sind, sein sollen, immer waren – und gerade aufhören zu sein. Wo früher dem Spieler eine Herausforderung entgegengehalten wurde, mit der er sich beschäftigen musste, um sie zu bewältigen und so eine Belohnung für sich aus dem Spiel heraus zu schaffen, wird heute für eine neudeutsch „möglichst niedrige Frustrationsschwelle“ gesorgt, was ein Euphemismus ist für: Nichts, aber auch gar nichts hier drin ist neu, alles wird ständig erklärt, damit du auch ja keinen Fehler machst – und der Schwierigkeitsgrad ist auf „Normal“ so niedrig, dass du, um zu sterben, eigentlich Selbstmord begehen musst. Und deshalb liefert das Spiel selbst mangels Herausforderung keine Belohnung, die für die menschliche Psyche erkennbar ist. Mein Spiel kann gar nicht so geschickt sein, dass ich stolz auf mich bin, so dass mein Hirn Endorphine ausschüttet – und deshalb muss diese körperliche Reaktion künstlich durch das spielerisch völlig sinnlose Anhängen besagter Mordpornos erzeugt werden.
Hat sich hier in deiner Sichtweise etwas gedreht? Denn in der Kolumne klingt ja schon an: "Auch mal nicht fordern, auch mal Entspannungsspiele machen" und so weiter. Wohingegen mich obiges Zitat eher an Jonathan Blows Ansatz erinnert (etwa: "Herausforderung teilt dem Spieler mit, dass seine Interaktion mit dem Spiel bedeutsam ist").
Und ich weiß auch, dass nicht-kompetitive Spiele im analogen Bereich ein Schattendasein führen.
Hier könnte man anbringen, dass praktisch alle Pen-and-Paper-RPGs im Grunde nicht-kompetitive Angelegenheiten sind, sondern Werkzeuge des kollaborativen Storytellings. Aber gut, verglichen zum Brettspiel-Mainstream führen die natürlich wirklich fast alle ein Schattendasein...
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Andre Peschke
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Andre Peschke »

MeanMrMustard hat geschrieben:Hellblade hat es ja diese Woche erst gezeigt. Ein relativ kurzes Spiel mit AAA-Produktionsqualität, das es sich durch seine Kürze aber leisten kann, für einen Budget-Preis verkauft zu werden.
Naja, auch Hellblade hat seine Spielzeit im Grunde durch eher wenig berauschende Sequenzen gestreckt, IMO. Wenn hinterher dann unbedingt drei Runen sein müssen und man sich anschaut, was man da finden muss ... auch die wollten kein 3-Stunden-Spiel sein, IMO.

Der Aussage stimme ich aber zu. Mein Vater ist Chemiker und hat früher bei einem Hersteller von Waschmittelgrundstoffen gearbeitet. Die haben dort auch sog. "Füllstoffe" produziert - wirkungsloser Kram, der 80% einer großen Persil-Packung ausmacht(e?), weil der Kunde dann denken soll "Wow, 10kg! Das darf auch was kosten". Von daher: Weg mit den Füllstoffen in Spielen.

Andre
Wolfgang Walk
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Wolfgang Walk »

Nachtfischer hat geschrieben:Dann frage ich mal nach. In einem Blogpost schriebst du einst:
Es geht um den eigentlichen Kern dessen, was Spiele eigentlich sind, sein sollen, immer waren – und gerade aufhören zu sein. Wo früher dem Spieler eine Herausforderung entgegengehalten wurde, mit der er sich beschäftigen musste, um sie zu bewältigen und so eine Belohnung für sich aus dem Spiel heraus zu schaffen, wird heute für eine neudeutsch „möglichst niedrige Frustrationsschwelle“ gesorgt, was ein Euphemismus ist für: Nichts, aber auch gar nichts hier drin ist neu, alles wird ständig erklärt, damit du auch ja keinen Fehler machst – und der Schwierigkeitsgrad ist auf „Normal“ so niedrig, dass du, um zu sterben, eigentlich Selbstmord begehen musst. Und deshalb liefert das Spiel selbst mangels Herausforderung keine Belohnung, die für die menschliche Psyche erkennbar ist. Mein Spiel kann gar nicht so geschickt sein, dass ich stolz auf mich bin, so dass mein Hirn Endorphine ausschüttet – und deshalb muss diese körperliche Reaktion künstlich durch das spielerisch völlig sinnlose Anhängen besagter Mordpornos erzeugt werden.
Hat sich hier in deiner Sichtweise etwas gedreht? Denn in der Kolumne klingt ja schon an: "Auch mal nicht fordern, auch mal Entspannungsspiele machen" und so weiter. Wohingegen mich obiges Zitat eher an Jonathan Blows Ansatz erinnert (etwa: "Herausforderung teilt dem Spieler mit, dass seine Interaktion mit dem Spiel bedeutsam ist").
Sagen wir, sie hat sich verfeinert, erweitert, sich weiter ausgebildet. Das obige Zitat gilt für viele Spiele auch heute noch. Wenn ich in einem Shooter meine Ziele der Reihe nach angezeigt bekomme: "Zuerst schieß auf den, dann auf den, dann auf den", dann ist das die Konterkarierung dessen, worum es ja eigentlich in DIESER ART SPIEL gehen sollte: nämlich Adrenalin-Ausschüttung. Indem mir der sichere Weg durch den Level schon gezeigt wird, wird das intendierte Spielerlebnis, die erhoffte Erfahrung ja unterlaufen - und zwar eben nicht subversiv sondern affirmativ, wie bei einem 5-jährigen, den man vor zwei Jahren zum letzten Mal gesehen hat: "Du bist aber groß geworden!". Ja, was denn sonst?

In meiner Kolumne geht es ja um Spiele, die von vorne herein eine ganz andere Erfahrungs-Intention haben sollen. Die behaupten gar nicht erst, ein Shooter zu sein, sondern sind meinetwegen eine Babywickelsimulation. Und solange sie diese Spielerfahrung umsetzen können, machen sie dann auch alles richtig. Ob sich das verkauft, ist eine andere Frage. Aber die Spiele, die ich in obigem Zitat ansprach, unterlaufen ihr Erfahrungsversprechen, um MEHR zu verkaufen, mehr Spieler zu erreichen - und zwar auch solche, welche mit der ursprünglichen Spielerfahrung gar nicht so viel anstellen können. Sie betreiben Selbstkorruption. Die funktioniert, weil der Markt so funktioniert. Aber eben nicht die Kunstform als Kunstform: als Ausdrucksmittel.
Nachtfischer hat geschrieben:
Und ich weiß auch, dass nicht-kompetitive Spiele im analogen Bereich ein Schattendasein führen.
Hier könnte man anbringen, dass praktisch alle Pen-and-Paper-RPGs im Grunde nicht-kompetitive Angelegenheiten sind, sondern Werkzeuge des kollaborativen Storytellings. Aber gut, verglichen zum Brettspiel-Mainstream führen die natürlich wirklich fast alle ein Schattendasein...
Ja.

:-)
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Peter
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Peter »

Andre Peschke hat geschrieben:wirkungsloser Kram, der 80% einer großen Persil-Packung ausmacht(e?)
Ja, das ist noch immer so.

Ich suche mir Spiele inzwischen tatsächlich oftmals anhand ihrer Länge aus: Je kürzer, desto besser. Deswegen habe ich z.B. ein Witcher 3, so gern ich das eigentlich spielen würde, noch nicht angerührt. Dagegen empfand ich letztens Virginia mit seinen 2,5h Spielzeit und der vermittelten Erfahrung einfach perfekt, auch wenn jegliche spielerische Herausforderung gefehlt hat.
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lolaldanee
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von lolaldanee »

naja, zumindest ein bisschen Gegenwind:
Im Prinzip ist alles was Wolfgang in der Kolumne sagt, leider so schlüssig, dass man rational wenig dagegen sagen kann, trotzdem fühle ich mich sehr unglücklich dabei. Das ist doch alles so falsch irgendwie...
Ich stelle immer wieder fest, das es mir geradezu körperliche Schmerzen bereitet, wenn jemand solche schrecklichen Entspannungsspiele wie den Landwirtschaftssimulator zockt. Es tut mir in der Seele weh, diese Menschen könnten doch in der selben Zeit so viel BESSERE Spiele spielen (die sie dann natürlich nicht als besser empfinden würden).

Ich perönlich bin ja ein großer Fan der Total War Serie, und genau bei dieser Art Spiel macht es mich schier wahnsinnig wenn ich da in Ruhe mein Imperium aufbauen kann, und eigentlich nie wirklich in gefahr bin das Spiel zu verlieren, weil die KI so trantütig ist.

Ich fürchte ich bin da hoffnungslos in dem Lager der Menschen gefangen, die von jeglicher Art von Grind in sekundenschnelle genervt sind, und zuallermindest audiovisuell was geboten bekommen müssen, wenn schon spielmechanisch nix da ist.
Ich liebe die Kreativität an Minecraft, aber tortzdem spiele ich es nur mit Mods, die die Monster viel gefährlicher machen, weil das entspannte vor mich hin bauen mich einfach sonst viel zu schnell langweilt.
Jochen

Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Jochen »

Ich überlege gerade. Wenn es mir körperliche Schmerzen bereitete, dass jemand schlechte Romane liest, dann müsste ich ungefähr so durch den Thalia laufen:

"Legen Sie das sofort wieder hin!"
"Weg von diesem Regal!"
"Der Klappentext macht's auch nicht besser!"
"Doch nicht den Verkäufer fragen?!"
"Hallo? Haben Sie sich mal das Cover angeschaut?"
"Damit gehen wir aber nicht an die Kasse!"
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Vinter
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Vinter »

Ich finde das ein wenig blöd, zu sagen, man müsse sich nichts mehr beweisen - als wenn es darum ginge, wenn man Spiele haben möchte, die sich nicht von selbst spielen. Das klingt ein wenig von oben herab.
Meine Experimente mit Cheatcodes in der Jugend haben mir nur eines gezeigt: Das für mich der Reiz am Spiel verloren geht, wenn keine Herausforderung besteht. Insofern ist der Wunsch nach Herausforderung im Spiel völlig legitim und nicht nur abseitige Ersatzdroge für Leute, die sonst im Alltag nix zu tun haben.

Das heißt nicht, dass ich nicht auch einen gut gemachten Walking Simulator als virtuelle Erfahrung zu schätzen weiß. Dennoch langweilen mich Spiele, die eine Herausforderung bieten SOLLTEN - es aber nicht tun.
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MeanMrMustard
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von MeanMrMustard »

Andre Peschke hat geschrieben:
MeanMrMustard hat geschrieben:Hellblade hat es ja diese Woche erst gezeigt. Ein relativ kurzes Spiel mit AAA-Produktionsqualität, das es sich durch seine Kürze aber leisten kann, für einen Budget-Preis verkauft zu werden.
Naja, auch Hellblade hat seine Spielzeit im Grunde durch eher wenig berauschende Sequenzen gestreckt, IMO. Wenn hinterher dann unbedingt drei Runen sein müssen und man sich anschaut, was man da finden muss ... auch die wollten kein 3-Stunden-Spiel sein, IMO.
Ok, sorry, mein Fehler. Kann das Spiel leider erst selbst spielen, sobald ich aus dem Urlaub zurück bin. Ich hab mich jetzt erstmal nur auf das gestützt, was ich bisher so über das Spiel gehört hab. Und generell denke ich, dass ich mit einem 3h-Killer/3h-Filler-Spiel glücklicher wäre als mit einem 6h-Killer/6h-Filler-Spiel. Es findet dann einfach weniger Zeitverschwendung statt. (Wobei man das natürlich auch nicht IMMER so pauschal sagen kann.)
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Frostkaktus
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Frostkaktus »

Vinter hat geschrieben:Ich finde das ein wenig blöd, zu sagen, man müsse sich nichts mehr beweisen - als wenn es darum ginge, wenn man Spiele haben möchte, die sich nicht von selbst spielen. Das klingt ein wenig von oben herab.
Vielleicht habe ich mich etwas unglücklich ausgedrückt. Ich glaube, so gut wie jeder Mensch sucht in seinem Leben Herausforderungen. Aber nicht jeder sucht sie in einem Spiel. Das ist von mir völlig wertfrei gemeint. Und manche Leute suchen überall und immer Herausforderungen und andere wollen irgendwann einfach nur chillen.

Was mir zu dem Thema noch ergänzend einfällt ist, dass oft behauptet wird, dass Spiele zwingend einen kompetitiven Charakter haben. Das mag vielleicht für die meisten Brett- und Kartenspiele gelten, also für Spiele, für die irgendwann Regeln festgeschrieben wurden.
Wenn ich aber zurückdenke, was ich selbst als Kind gespielt habe, waren da kaum kompetitive Spiele bei. Kompetitiv waren Fangen, Verstecken und Gummitwist (da hüpft man solange bestimmte Muster über ein zusammengeknotetes Gummiband, bis man einen Fehler macht, dann ist der oder die nächste dran).
Ansonsten war ich mit meinen Freundinnen in geheimen Detektiv-Missionen unterwegs, wir haben mit Lego gebaut, sind auf unseren Rädern durch die Wüste geritten oder durch den Urwald geflogen...

Sprich: ich war ständig am spielen, ohne mich dabei im Wettkampf zu befinden. Und in dem Punkt hat Wolfgang einfach Recht: für Leute, die keine Lust auf Wettkampf im weitesten Sinne haben, wird relativ wenig geboten.

@ Andre: Vielen Dank für's Verschieben. Ich war mir gestern nicht sicher, ob ich einen neuen Thread aufmachen soll oder nicht. :)
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Andre Peschke
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Andre Peschke »

Frostkaktus hat geschrieben:Ansonsten war ich mit meinen Freundinnen in geheimen Detektiv-Missionen unterwegs, wir haben mit Lego gebaut, sind auf unseren Rädern durch die Wüste geritten oder durch den Urwald geflogen...

Sprich: ich war ständig am spielen, ohne mich dabei im Wettkampf zu befinden. Und in dem Punkt hat Wolfgang einfach Recht: für Leute, die keine Lust auf Wettkampf im weitesten Sinne haben, wird relativ wenig geboten.

Irgendwie habe ich meine Kinderspielzeit auch recht wettbewerbslos in Erinnerung. Lego, Playmobil und Fantasiespiele, wie du sie beschreibst. Wobei sie aber natürlich sehr oft eben nicht konfliktfrei waren. Sprich, da wurde gekämpft, gefährliche Abenteuertouren unternommen etc. Insofern waren sie nicht wettbewerbsorientiert, aber vielleicht bis auf das freie Bauen mit Lego / KLötzchen etc (oder das anfängliche Arrangieren bei Playmobil) würde ich sagen, entsprachen sie nicht per se dem Chillout-Gedanken.
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Darkcloud
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Darkcloud »

MeanMrMustard hat geschrieben:Ich kann das auch nur so unterschreiben. Ich spiele gern Spiele, die auf eine sinnvolle Weise kompliziert oder anspruchsvoll sind und die in einem angemessenen Maße meine geistigen und motorischen Fähigkeiten auf die Probe stellen. Sowas wie Dark Souls oder neulich Pyre sind intensive Spielerfahrungen, die ich absolut nicht missen möchte.
In Open World-Spielen hingegen fühlen sich viele der Entscheidungen die ich treffe und Handlungen, die ich vollführe, so unbedeutend und trivial an, dass sie mich schnell langweilen oder nerven.
Und ich würde sagen beide Sprechen eine verschiedene Subgruppe in der "sucht eine Herausforderung" Gruppe an. Einmal "ich will eine wirkliche herausforderung bei der man sich den erfolg zumindest erarbeiten muss" und "ich möchte das Gefühl einer Herausforderung, aber eigentlich ist diese ohne große Anstrengung erreichbar".

So der Unterschied zwischen "ich geh Klettern" und "ich fahre Achterbahn". Beides spricht die Abenteuerlust und die Suche nach Adrenalin an. Das Klettern ist aber auch eine wirkliche Herausforderung.

Wo ich den Gegenwind bringen würde: Ich glaube nicht, dass es eine besonders große Zielgruppe für "ich will einfach nur am Strand liegen aber im Spiel" gibt. Also so wirklich das nichts Tun und erholen auf den PC bringen. Obwohl, irgendjemand scheint ja damals auch für Bildschirmschoner gezahlt zu haben.

Wenn dann muss man das mit irgendeinem Inhalt kombinieren und wenn der noch so trivial ist. Dead or Alive Beach Volleyball geht ja ein wenig in die Richtung. Genauso gibt es ja nicht unbedingt eine große Zielgruppe für Filme oder TV-Sendungen die einfach Naturaufnamen zeigen. Bindet man die aber in die immer gleiche und triviale Geschichte eines Rosamunde Pilcher Films ein kommt das super an.

Eine Ausnahme ist da vielleicht VR da könnte so was tatsächlich gut ankommen.
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Frostkaktus
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Frostkaktus »

Andre Peschke hat geschrieben:Insofern waren sie nicht wettbewerbsorientiert, aber vielleicht bis auf das freie Bauen mit Lego / KLötzchen etc (oder das anfängliche Arrangieren bei Playmobil) würde ich sagen, entsprachen sie nicht per se dem Chillout-Gedanken.
Es gibt ja auch noch eine Menge mehr zwischen Wettbewerb und Chillout. Insofern liegen da noch unendliche Weiten, die darauf warten erschlossen zu werden. :mrgreen:
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Terranigma
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Terranigma »

Nachtfischer hat geschrieben:Hier könnte man anbringen, dass praktisch alle Pen-and-Paper-RPGs im Grunde nicht-kompetitive Angelegenheiten sind, sondern Werkzeuge des kollaborativen Storytellings. Aber gut, verglichen zum Brettspiel-Mainstream führen die natürlich wirklich fast alle ein Schattendasein...
Was allerdings wohl nicht an der kollaborativen Erfahrung liegt, sondern dass man eine Brettspiel-Partie schnell durchgespielt hat, während Pen&Paper eigentlich nur als konsequent durchgeführtes Hobby funktionieren - dann und wann mal eine Partie für zwei Stündchen spielen lohnt kaum. Ich bemerke es auch aktuell im Freundeskreis: wir spielen seit wir 17 sind seit über 12 Jahren Pen&Paper und nun, wo bei vielen der Nachwuchs kommt, viele das Studium beendet und im Arbeitsleben sind, usw. ist's immer schwerer da noch Wochenenden freizuhalten. Wenn ich andere Freunde mal zum Pen&Paper brachte, waren die eigentlich alle sehr angetan. Der Grund, warum es am Ende häufig im Sand verlief, war einfach der: man findet keinen regelmäßigen Termin an dem alle können.

Wobei auch Pen&Paper - je nach System und Gruppe - durchaus kompetitiv werden, gerade Regelsysteme die ihren Schwerpunkt auf Charakterprogression und Kämpfe legen, sprechen auch gerade Spielertypen an, die gerne mit ihrem Charakter prahlen können. "Ich mache den meisten Schaden", "Ich kann das und das", usw. Wenn ich mit bestimmten Kollegen z.B. Diablo 2 spielte - das im Grunde ja auch eine kollaborative Erfahrung im Koop bieten sollte - stellte sich oftmals dasselbe Phänomen ein: für einige Spieler lag der Reiz im Spiel darin, bessere Werte als die anderen zu haben, sodass da schon quasi außerhalb des Spiels ein Wettkampf entstand.


Bezüglich der Kolumne: Ist der Erfolg von Minecraft nicht ein Beispiel für die These, dass da draußen eine potentielle Zielgruppe gibt, die eben keinen Wettkampf und keine Herausforderung sucht? Minecraft ist ja alles das: ein Spiel, in dem man nicht scheitern kann, in dem man quasi meditativ vor sich hinbauen und eine kreative Leistung vollbringen kann. Auch der Erfolg von Stardew Valley spricht dafür. Weniger meditativ, aber auch nicht unbedingt kompetitiv: die kleine Renaissance der Koop-Titel im Indie-Bereich. "Secrets of Grindea", "Hammerwatch" und Co - Titel, die quasi wie Secret of Mana damals gut mit Freunden spielen kann. Damit bekam ich auch Freundinnen (!) zum Zocken, die mit dem PC an sich null am Hut haben. Bzgl. Minecraft und Stardew Valley: ich bemerke auch an mir, dass ich in stressigen Zeiten viel lieber ein Stardew Valley abends spiele, als irgendwas anderes. Vor ein paar Tagen habe ich auch wieder Minecraft nach Jahren das erste mal angeworfen - tolle Entspannung. Mein Top-Titel für 2018 wird daher auch der Multiplayer-Modus für Stardew Valley sein. ;)
Sitting quietly and doing nothing,
Spring comes, and the grass
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Fährmann
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von Fährmann »

Erstens: Weltklasse Kolumne.

Zweitens:

Ich finde die Argumentation, "Ein Spiel schließt eine gewisse Zielgruppe aus, wenn es kompetetiv ist, starke Reize oder Schockerlebnisse evoziert", sehr einleuchtend. Für mich fehlt da aber ein Aspekt. Ich würde diese Argumentation erweitern mit:

Ein Spiel schließt eine gewisse Zielgruppe aus, wenn es Arbeit ist. Und die meisten Spiele sind Arbeit. Man bekommt eine Aufgabe (entweder gestellt, oder man setzt sie sich selbst), arbeitet sie ab und bekommt vom Spiel ein Feedback zur Qualität der erbrachten Arbeit. Der oftmals einzige Unterschied zu tatsächlicher Arbeit ist, dass Arbeit in einem Videospiel mehr Spaß macht.

Man sollte daher nicht nur versuchen, weniger kompetetive und aufs Gewinnen ausgelegte Spiele zu produzieren, sondern auch weniger Spiele, die letztendlich Arbeit sind.

Deswegen fällt in meinen Augen auch Minecraft größtenteils nicht in diese Kategorie. "Größtenteils" aus folgendem Grund: Ich hab vor ein paar Jahren mal gefühlt 1000 Stunden in Minecraft gesteckt. Die ersten 300 Stunden hab ich Survival gespielt, die Welt erkundet und Unterkünfte gebaut. Die zweiten 500 Stunden hab ich mir alle Materialien gecheatet und riesige Städte, Burgen, Infrastrukturen, Minen, usw. gebaut. Und die letzten 200 Stunden bin ich abends immer wieder in diese Welt reingegangen, um mir sie letztlich nur anzusehen und meine Gedanken schweifen zu lassen. Allerhöchstens hab ich mal ein paar Blöcke verändert.

Wenn man Minecraft so wie in letzterem Fall spielt, passt es in meinen Augen als Beispiel. Und ich hätte gerne sehr viel mehr Spiele, die so funktionieren. Zum Beispiel wie auch Lost Memories Dot Net von Nina Freeman, wo man als High School Mädel mit Freunden chattet, während man sich ne Homepage bastelt. Oder wie Cities Skylines, wo man irgendwann auch in das Wusel-Nirvana kommt, das schon mit Siedler angesprochen wurde.
snoogie
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Re: Selbst in Ketten legen - Kolumne

Beitrag von snoogie »

Danke Wolfgang für diese tolle Kollumne. Ich liebe es auf neue Aspekte aufmerksam gemacht zu werden.

Ich bin jetzt mal böse:

Wenn ich aus einem Spiel die Herausforderung und "die Arbeit" rausnehme, ist es dann noch ein Spiel?

Wenn jemand den "Strandtag-Simulator" umsetzt, der einfach nur eine Erfahrung ist in der man Sachen erkunden und entdecken kann, würden dann nicht wieder ziemlich viele schreien, dass das doch kein Spiel ist, was das denn alles solle?
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