Ich habe heute nach - wie mir der Steamtimer geradezu vorwurfsvoll anzeigt - nicht nur gefühlt sehr, sehr vielen Stunden die Definitive Edition abgeschlossen. Dem hier bereits in einigen Beiträgen durchscheinenden zwiespältigen Eindruck muss ich mich anschließen. Das seltsame an der Rezeption der beiden Original Sin Teile ist ja, dass es zumindest meiner Wahrnehmung nach so gut wie keine ernsthafte Kritik an diesen Spielen gibt. Auf obskuren old-school-Rollenspiel-blogs genauso wie auf den bekanntesten Websiten aller Couleur scheint überschäumender Enthusiasmus vorzuherrschen. Auch mir ist das Studio Larian überaus sympathisch, um so mehr als ich vor kurzem erfuhr, dass Original Sin 1 das Team quasi vor dem Ruin gerettet hat (
https://www.youtube.com/watch?v=YZF_cP_oLH4). Nun handelt es sich aber meiner Meinung nach selbst beim zweiten Teil "nur" um ein gutes bis sehr gutes Spiel, bei Leibe jedoch um kein großartiges Meisterwerk. Der Hauptgrund dafür ist die Erzählung und die für ein Rollenspiel beinahe ebensowichtige Darstellung der je eigenen Welt. Hart ausgedrückt handelt sich in diesem Fall um ein wild zusammengewürfeltes Fantasiepotpourri mit vielen originellen Einfällen aber ohne Stringenz und erzählerische Dichte. Klares Vorbild scheint Terry Pratchett, von dem ich aber ehrlich gesagt zuwenig gelesen hab um hier wirklich kenntnisreiche Vergleiche anstellen zu können. Am besten funktioniert Larians Stil immer in den kleinen, obskuren und abseitigen Quests und Geschichten. Die Haupthandlung bleibt auch im zweiten Teil sehr mittelmäßig. Interessant ist übrigens die Ähnlichkeit derselben zum ersten Pillars of Eternity, das viel mehr Kritik einstecken musste mit seinen mythologisch-philosophischen Motiven aber weit gekonnter umgeht. Gleiches gilt leider zu einem gewissen Grad auch für die Charaktere. Im ersten Original Sin bereits ein großes Problem hat man sich beim aktuellen Teil nun spürbar bemüht das Problem zu beheben. Bei den sechs potentiellen Begleitern ist das auch zu einem gewissen Grad gelungen. Diese sind alle gut geschrieben ohne sich jedoch allzuweit vom Niveau eines durchschnittlichen Bioware-Begleiters abzuheben. Daneben bleibt nicht viel was ich lange in Erinnerung behalten werde. Der Antagonist taucht in einem frühen Kampf einmal auf, um dann erst wieder im letzten Gespräch des Spiel als Teil eines wahren Twistfeuerwerks zurückzukehren. Insgesamt bleibt die Handlung trotz Chris Avellones Unterstützung solider Durchschnitt, mehr leider nicht. Vielleicht ist mein recht negativer Tonfall aber auch dadurch vorgeprägt, dass ich ganz zu Anfang die falsche Schwierigkeitsstufe gewählt habe. Anders als in PoE: Deadfire, das auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad nach der Hälfte viel zu einfach wurde (zumindest bei Erscheinen des Spiels), war mir Original Sin 2 im "Tactician Mode" rückblickend zu mühsam. Was für Voigt scheinbar "trivial" ist =) wurde mir mit zunehmender Spieldauer einfach zu anstrengend. Tatsächlich hatte ich oft das Gefühl wie in Heroes of Might & Magic damals oder noch mehr im russischen Klon desselben: Kings Bounty kreuz und quer über die Karte zu rennen immer auf der Suche nach dem nächsten Gegner, den ich gerade so besiegen kann. Ich will mich aber auch ab und an mächtig fühlen, verdammt! Angeblich besitze ich doch fast schon gottgleiche Kräfte! Ich könnte noch einige auch mechanische Details aufzählen, die mich gestört haben, aber eigentlich ist mir der ganze Betrag schon jetzt viel zu negativ geraten: Original Sin 2 ist ein riesiges Spiel, in das erkennbar viel Liebe geflossen ist, mit tollen, vielfältigen Systemen und einer daraus resultierenden spielerischen Freiheit, welche wirklich bemerkenswert ist. Ein gutes, ja ein sehr gutes Spiel. Aber kein Meisterwerk. 81.67 / 101 Punkte.