Spielewertung und Darstellung von Personen

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Terranigma
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Terranigma »

Andre Peschke hat geschrieben:Ich sehe es aber nicht als unsere Aufgabe, uns hier "der Revolution anzuschließen". Tatsächlich läuft das sogar dem journalistischen Anspruch zuwider. In den zumindest unter Journalisten berühmten Worten von Hans Joachim Friedrichs: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache - auch nicht mit einer guten Sache."
Ist das aber nicht ... unredlich? Ich erkenne woher der Gedanke kommt - als Ideal. Gleichwohl erinnert es mich an das Ideal der Wissenschaft, ein guter Wissenschaftler sei leidenschaftslos, objektiv, nüchtern und neutral. Man mag sich dies als Ideal über die Tür hängen, aber gleichwohl weiß man auch, dass man dieses Ideal nicht erreichen kann. Wenn nur jemand ein Wissenschaftler ist, der diese Kriterien erfüllt, dann gibt es keine Wissenschaftler. Oder Journalisten.

Ob Journalist, Wissenschaftler, Lehrer oder sonstwer, der freiwillig oder gezwungenermaßen "Neutralität" auf der Stirn geschrieben hat, man ist durch Sozialisation, Präferenzen, Vorlieben, Erfahrungen, usw. alleine in der Auswahl der Themen, der Schwerpunktsetzung, usw. nicht neutral und distanziert. Bereits der Umstand, dass Du in der Wertschätzung zu Mario: Odyssey überhaupt kurz erwähnt hast, dass es da im Endeffekt um eine Zwangsheirat geht, zeigte ja, dass Du da eine Sensibilität hast, die ggf. vielen anderen Journalisten fehlt. Nun hast Du Dich nicht unbedingt willentlich und vorsätzlich mit einer Sache gemein gemacht, aber dass es Dir überhaupt auffiel zeigte doch, dass dies etwas war, dass Dich tangierte. Du hast es aufgegriffen und zum Thema der Wertschätzung gemacht; nicht unbedingt aus dem Impetus heraus, dich an die Speerspitze der Avantgrade zu stellen und den Seximus jederzeit leidenschaftlich zu bekämpfen, wo immer Du ihn siehst. Aber was immer Deine Motive da waren, im Endeffekt hast Du Dich mit einer Sache gemein gemacht, indem Du erkennbar ein Werturteil abgegeben hast: "Diese Sache mit der Zwangsehe, die mag ich nicht."

Ich würde Hans Joachim Friedrichs insofern widersprechen und mal in den Raum stellen: "Einen guten Journalisten, Wissenschaftler oder Lehrer erkennt man daran, dass er sich seiner eigenen Befangenheit gewahr ist und dies seinem Publikum gegenüber ehrlich sagt." Wenn ich weiß woher jemand kommt, kann ich sein Urteil besser einschätzen. In der Lootbox-Angelegenheit vertretet ihr ja auch eine klare Linie; ich finde das sympathisch, wenn auch Journalisten oder Wissenschaftler ihre Überzeugungen transpaerent artikulieren - die haben sie doch sowieso und die sind nicht abstellbar. Sind halt auch nur Menschen. ;)
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Odradek
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Terranigma hat geschrieben: Ist das aber nicht ... unredlich? Ich erkenne woher der Gedanke kommt - als Ideal.
Nur mal so am Rande, für die die es interessiert (oder sich kluge Argumente suchen wollen). Was André einerseits und Terranigma und ich andererseits betreiben, ist ein Teilgebiet des Positivismusstreits (u.a. zwischen Popper und Adorno).

Nur in bedeutend dümmer. ;)
Zuletzt geändert von Odradek am 10. Nov 2017, 00:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Terranigma
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Terranigma »

Odradek hat geschrieben:Nur in bedeutend dümmer. ;)
Also ... ja, doch, schon. :D

Gut, vielleicht zum Hintergrund: Ich bin mit Adorno vertraut und komme selbst aus der Ecke der Gespenster- a.k.a. Geisteswissenschaften, bin Lehrer und entgegen des "Neutralitätsgebotes" überzeugt davon, dass ehrliche Transparenz der eigenen Werturteile redlicher ist als vorgetäuschte Leidenschaftlosigkeit und Neutralität, der man nicht genügen kann. Ich glaube die Position ist für Lehrer, Wissenschaftler oder Journalisten eine ähnliche. Alle diese Berufsgruppen "informieren" ein "Publikum". Wobei ich bisher eigentlich auch stets den Eindruck vom Podcast bekam, dass Andre, Jochen und Sebastian eher auf der Adorno-Seite seien. Ein Grund, warum's mir so sympathisch ist. Auch in der Lootbox-Frage war man ja recht leidenschaftlich - aber begründet! - in der Abneigung.
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Andre Peschke
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Andre Peschke »

Odradek hat geschrieben:Naja hier an dieser Stelle ein ziemlich schwacher Vergleich und halte ihn auch für falsch (abgesehen davon, dass ich ihn generell nicht mag, aber das aus anderen Gründen). Ihr bewertet die ganze Zeit spiele und nicht nur auf ihr technisches Handwerk. Nazis wichtig? Wertung! Lootboxen gut oder schlecht? Wertung! Gut, könntest nun sagen in Hinsicht auf ihren rein spielerischen Wert und will jetzt nicht das Fass aufmachen, ob es dem Spielspaß eines Homosexuellen abträglicher ist, ob er sich Lootboxen kaufen muss oder das Spiel ständig mit homophoben Witzen um sich schmeißt.
Ich habe nichts ausgeschlossen, was wir in eine Beurteilung einfließen lassen und was nicht. Die Tatsache, das wir bereits sexistische Darstellungen etc in unseren Besprechungen diskutiert haben zeigt ja, dass wir diese Erwägungen einbeziehen, wo es aus unserer Sicht sinnvoll ist. Wir sprechen gern über die politischen Aspekte von Spielen. Wir machen aber keine Politik mit Computerspielen.
Odradek hat geschrieben:Kann ich zumindest nachvollziehen. Ich kenne und gebrauche die Begriffe „public shaming“ und „public blaming“ aus dem Bereich der internationalen Politik, wo sie Prozesse darstellen, um Staaten trotz eines anarchischen Systems zu bestimmten Handlungen zu bringen, etwa der Einhaltung von Verträgen.
Ich kenne den Begriff im Kontext der Bloßstellung von Menschen auf Facebook etc - also vermutlich aus genau dem Bereich, der dich ebenso anwidert: Bodyshaming, Slutshaming etc. Und egal ob das die gängige Assoziation ist: Sie ist verbreiteter als deine, darauf jede Wette. :D

Mir geht es aber im Kern um das IMO konstruktive Feedback: Wenn deine Sprache zu fordernd, zu radikal und zu ungeduldig wird, kannst du mich im Dialog schnell verlieren und schlimmer noch, viele Diskussionpartner werden sich an den aus ihrer Sicht überzogenen Forderungen und Formulierungen aufhängen und nicht mehr auf der Sachebene diskutieren.

Andre
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Andre Peschke
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Andre Peschke »

Terranigma hat geschrieben:Ich würde Hans Joachim Friedrichs insofern widersprechen ...
Aus dem Bonmot vom guten Herrn Friedrichs ein unverrückbares Dogma zu machen ist nun auch zuviel des Guten ;). Aber ich würde doch hoffen wir wissen, dass ich das Zitat zur Veranschaulichung gebraucht habe. In meiner vorigen Antwort, findet sich auch eine Konkretisierung: Wie bisher auch schon, werden wir diese Themen dort aufgreifen, wo wir einen relevanten Anknüpfungspunkt finden. Was ich ablehne ist eine Institutionalisierung deren einzige Motivation sein soll, "für die gute Sache einzutreten".

Andre
Jochen

Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Jochen »

Odradek hat geschrieben:Nur mal so am Rande, für die die es interessiert (oder sich kluge Argumente suchen wollen). Was André einerseits und Terranigma und ich andererseits betreiben, ist ein Teilgebiet des Positivismusstreits (u.a. zwischen Popper und Adorno)
Scusi: Aber eure Diskussion hat mit Popper, Adorno und dem Positivismusstreit in etwa so viel zu tun wie der Papst mit einem Nudistenkongress :D
Odradek
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Andre Peschke hat geschrieben: Ich kenne den Begriff im Kontext der Bloßstellung von Menschen auf Facebook etc - also vermutlich aus genau dem Bereich, der dich ebenso anwidert: Bodyshaming, Slutshaming etc. Und egal ob das die gängige Assoziation ist: Sie ist verbreiteter als deine, darauf jede Wette. :D
Hochzählung dahingestellt (und da geb ich Dir gerne recht), nur noch kurz zur Verdeutlichung auch meines Gebrauchs: "Public shaming" verwende ich gegenüber Unternehmen, kann es gegenüber Staaten und andere verwenden und nur in Ausnahmefällen gegen Personen. Und Ausnahmefälle heißt hier explizit, wenn ein klares und eindeutiges Machtgefälle existiert. Soll heißen, ich bin durchaus bereit einem Präsidenten Trump einem public shaming auszusetzen, einem Peter, Sabine oder X nicht.

Jochen hat geschrieben:
Odradek hat geschrieben:Nur mal so am Rande, für die die es interessiert (oder sich kluge Argumente suchen wollen). Was André einerseits und Terranigma und ich andererseits betreiben, ist ein Teilgebiet des Positivismusstreits (u.a. zwischen Popper und Adorno)
Scusi: Aber eure Diskussion hat mit Popper, Adorno und dem Positivismusstreit in etwa so viel zu tun wie der Papst mit einem Nudistenkongress :D

Der Aktuelle oder einer der Früheren? Über den aktuellen kann ich nicht viel sagen, aber gerade so 12 Hundert-quitsch gab es einige, die ziemliche Ähnlichkeit hatten.
Soll heißen, willst Du erklären warum nicht, sollen wir ausdiskutieren ob oder ob nicht oder sollen wir das einfach als Seitenarm beiseite lassen? Bin ja immer gerne bereit, neues zu lernen, wenn ich mich gerade verrant haben sollte. Aber wir bewegen uns schon ziemlich weit weg vom eigentlichen Thema.
Jochen

Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Jochen »

Odradek hat geschrieben:Soll heißen, willst Du erklären warum nicht, sollen wir ausdiskutieren ob oder ob nicht oder sollen wir das einfach als Seitenarm beiseite lassen?
Ihr könnt das natürlich gerne diskutieren. Ich fand's bloß sehr amüsant, dass Adorno und Popper und ihre mithin ontologische Diskussion ausgerechnet in einem Thread zur Sprache kam, dessen Prämisse von Ontologie nichts wissen will. Insofern mein Amusement :)
Odradek
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Dann Ok. Könnten wir dann wieder zum eigentlichen Thema zurückkommen?
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Maulwuerfel
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Maulwuerfel »

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vorübergehend
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von vorübergehend »

Was steht denn da in den Sprechblasen?
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Terranigma
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Terranigma »

"Kyaa!" (Schrei)
"DONG!"
"Ho ho"
"Ho ho"
"Mmh"

Sehr deep.
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vorübergehend
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von vorübergehend »

Danke. Am fehlenden Textverständnis lag es also nicht. Nachdem ich "Cappy" recherchiert habe, habe ich jetzt endlich verstanden, was da eigentlich passiert. :character-mario: :character-luigi: :character-bowser: :character-yoshi: :character-spamcan:
EvilTechno
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von EvilTechno »

Benennen ja, abwerten nein. Das kann ich schon selbst, ohne Vordenker. Wenn ihr meint noch eine persönliche Einordnung nachschieben zu wollen, dann hat bisher doch immer gut geklappt und war auch gut zu verstehen.

Manche Forderungen erwecken den Eindruck, hier soll Geschmack zum Gesetz gemacht werden. Und wenn schon nicht zu einem juristischen dann doch immerhin zu einem sozialen. Das ist die Art von - möglicherweise gut gemeintem - Zwang, die für viele mit ein Grund war und immernoch ist, Trump zu wählen.
Stuttgarter
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Stuttgarter »

EvilTechno hat geschrieben:Benennen ja, abwerten nein. Das kann ich schon selbst, ohne Vordenker. Wenn ihr meint noch eine persönliche Einordnung nachschieben zu wollen, dann hat bisher doch immer gut geklappt und war auch gut zu verstehen.

Manche Forderungen erwecken den Eindruck, hier soll Geschmack zum Gesetz gemacht werden. Und wenn schon nicht zu einem juristischen dann doch immerhin zu einem sozialen. Das ist die Art von - möglicherweise gut gemeintem - Zwang, die für viele mit ein Grund war und immernoch ist, Trump zu wählen.
Würde man den Gedanken konsequent weiterdenken, dürften die Herren auch nicht mehr wertschätzen. Schließlich kann ja jeder selbst denken. ;)
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Fährmann
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Fährmann »

EvilTechno hat geschrieben:Benennen ja, abwerten nein. Das kann ich schon selbst, ohne Vordenker. Wenn ihr meint noch eine persönliche Einordnung nachschieben zu wollen, dann hat bisher doch immer gut geklappt und war auch gut zu verstehen.

Manche Forderungen erwecken den Eindruck, hier soll Geschmack zum Gesetz gemacht werden. Und wenn schon nicht zu einem juristischen dann doch immerhin zu einem sozialen. Das ist die Art von - möglicherweise gut gemeintem - Zwang, die für viele mit ein Grund war und immernoch ist, Trump zu wählen.
Der letzte Teil erinnert mich an diese schiefe "there is evil on both sides"-Argumention, die ich im Kontext dieser Debatte für befremdlich halte.

Die Frage, um die es geht, ist doch, ob abseits von Gameplay und Handlung auch ideologische Grundlagen eines Spiels zur Wertung beitragen können / sollten.

Denn offensichtlich ist das der Fall, nicht zuletzt aktuell bei der deutschen Version von Wolfenstein 2. Oder damals bei Hatred. Wenn ein Spiel Nazis verharmlost und Juden diskriminiert ist das anscheinend für uns (zurecht) ein Grund, es nicht mehr zu empfehlen. Ebenso wie wenn ein Spiel menschenverachtend ist, vorausgesetzt, dass auch weiße heterosexuelle Männer Teil der verachteten Kultur sind. Im Gegensatz zu sowas wie GTA 5, was auch ziemlich sexistisch und rassistisch ist, was wir aber als liebevolle Satire abtun.

Die relevante Problematik ist für mich daher: Wenn wir Spiele gelegentlich abstrafen, wenn sie menschenverachtend sind - sollte es dann einen Unterschied machen, welche Menschengruppe diskriminiert wird?

Zumal die Chance besteht, dass man als Frau tatsächlich weniger Spaß an einem Spiel hat, wenn es das eigene Geschlecht kritikwürdig darstellt. Hier wird es also wirklich wertungsrelevant.
(... vgl. dazu: das ansonsten hervorragende Nier: Automata. Wenn man als Frau - oder Mann - argumentiert, dass man an dem Spiel keinen Spaß hat, weil es im Characterdesign hochgradig sexistisch ist, sollte das ein valider Punkt sein, der sich auch in einer Wertung widerspiegeln kann / muss.)
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Heretic
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Heretic »

Fährmann hat geschrieben:Die Frage, um die es geht, ist doch, ob abseits von Gameplay und Handlung auch ideologische Grundlagen eines Spiels zur Wertung beitragen können / sollten.

Denn offensichtlich ist das der Fall, nicht zuletzt aktuell bei der deutschen Version von Wolfenstein 2. Oder damals bei Hatred. Wenn ein Spiel Nazis verharmlost und Juden diskriminiert ist das anscheinend für uns (zurecht) ein Grund, es nicht mehr zu empfehlen. Ebenso wie wenn ein Spiel menschenverachtend ist, vorausgesetzt, dass auch weiße heterosexuelle Männer Teil der verachteten Kultur sind. Im Gegensatz zu sowas wie GTA 5, was auch ziemlich sexistisch und rassistisch ist, was wir aber als liebevolle Satire abtun.
Aber wer will allgemeingültig beurteilen, was als Satire durchgeht und was nicht? Was ist lustig, was ist geschmacklos? Da wird wohl jedes Indviduum eine andere Antwort geben. Dann müsste man auf ironische Übersteigerungen und "politisch inkorrekte" Witze wohl komplett verzichten, weil dabei immer jemandem auf den Schlips getreten wird. Halte ich auch nicht für erstrebenswert. Satire ist dafür da, auf Missstände hinzuweisen und muss auch mal weh tun. Da eine perfekte Balance zu finden, halte ich für schlichtweg unmöglich.
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Vinter
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Vinter »

Gerade über das Beispiel GTAV kann ich in diesem Kontext immer wieder nur den Kopf schütteln. Da werden TAUSENDE von Männern dehumanisiert und zum Kanonenfutter degradiert, deren Ableben weder kommentiert oder gar beweint wird - und es stört absolut niemanden, mich eingeschlossen. Aber töte eine Prostituierte, und es ist ein abscheuliches, sexistisches Machwerk. Zumal dir das Spiel ja auch lediglich die Möglichkeit einräumt und dich nicht dazu zwingt, anders als bei den männlichen Opfern des Spielers. GTAV zeigt die ganze Zeit über menschenverachtende Scheiße zur Unterhaltung. Das kann man kritisch sehen. Aber GTAV auf Frauenfeindlichkeit zu reduzieren, ist haarsträubend kurzsichtig und auch symptomatisch für die gesamte Debatte.

Zum einen verteilt GTA die Scheiße, die sie über Menschen auskippt nun echt gleichmäßig, zum anderen ist ein Werk nicht gleich gruppenfeindlich, nur weil es Gruppenfeindlichkeit zeigt.

Es steht mir echt fern, hier irgendwas gegeneinander aufzuwiegen. Darum geht es mir nicht. Ich finde nur die wiederkehrende Kritik an GTAV ein Beispiel dafür, wie Bigott mit so einer Thematik umgegangen wird, gerade auch von denen, die gerne behaupten, bei solchen Themen ganz genau hinzuschauen.

Hier erkennt man vor allem eines: Wie stark die subjektive Wahrnehmung eine Rolle spielt. Wer hypersensibilisiert ist für Gewalt gegen Frauen nimmt diese besonders stark wahr - und übersieht völlig, wenn auch andere diese erfahren. Hinzu kommt, dass man als Frau notwendigerweise vorallem Gewalt gegen Frauen selbst erfährt. Auch das resuliert in einer überproportionalen Wahrnehmung derselben.

Und ich schiebe direkt mal als Disclaimer hinterher: Ich behaupte nicht, dass es nicht grundsätzlich viel Gewalt gegen Frauen gäbe, oder aber, dass Gewalt gegen Frauen nicht häufiger wäre als gegen Männer. Auch die Art der Gewalt, die Männer und Frauen erfahren, ist sicherlich eine unterschiedliche. Nichtsdestotrotz halte ich subjektive Wahrnehmung für einen massiven Faktor in der Bewertung solcher Dinge.
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LePuedel
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von LePuedel »

Die Diskussion im allgemeinen erinnert mich immer wieder an Sprichwort "das Gegenteil von gut ist gut gemeint." Das wir einen gleichberechtigten Umgang in unserer Gesellschaft brauchen und auch in den Geschichten, die wir uns als Gesellschaft erzählen ist natürlich nicht diskutabel. Da führt kein Weg vorbei. Allerdings denke ich, dass wenn man jetzt mit den "Feminismushammer" daherkommt und versucht, dass mit aller Gewalt in die Köpfe der Leute einzudreschen, dass man zum Teil gegenteilige Effekte erreicht und einige Leute auf eine radikale Oppositionsebene treibt, wo sie eigentlich gar nicht hingehören. Mal ein paar Gedanken und Fragen dazu, die weder Anspruch auf 100% validierbare Richtigkeit haben, aber genauso wenig hier irgendjemanden triggern sollen.

Die Gleichberechtigung wird länger dauern, als wir es uns wünschen:
Es mag jetzt komisch klingen, aber dieses Gedankenkonstrukt kam mir durch eine Delphinreportage. Anscheinend leben Delphine in einer rein kooperativen Gesellschaft. Und wenn man jetzt sich anschaut, in welchen Gesellschaftsformen Menschen und Menschenaffen leben, dann sieht man, dass entweder eine eher hierarchische Gesellschaftsordnung vorherrscht, an deren Spitze meist ein Männchen steht (Silberrücken, etc...) oder eine einzelgängerische Lebensgestaltung - also überhaupt keine Gesellschaftsstruktur (Vorbereitung des Ego?). Stellt sich für mich die Frage ob wir da evolutionär vielleicht einfach Pech gehabt haben und jetzt einen geschichtlichen Ballast mitschleppen, der uns bei der Gleichberechtigung hinderlich ist. Wie gesagt, dass ist kein Argument gegen die Gleichberechtigung, aber eventuell ein Grund, warum das alles etwas länger dauern könnte. Und an dem Punkt komme ich dann auch wieder auf die Delphine zurück: Der Menschheit ist es nie gelungen ein rein kooperatives Gesellschaftssystem aufzubauen. Modelle und Überlegungen haben wir dazu, Namens Kommunismus und Anarchismus. Aber während der Kommunismus noch nie wirklich versucht wurde (und wer mir jetzt mit Sowjetunion oder Ostblock kommt, der möge sich bitte erstmal über die Idee des Kommunismus informieren), wurden die ersten Feldversuche eines anarchistischen Systems von dem spanischen Bürgerkrieg und der anschließenden Franko-Diktatur zerstört. Letztendlich haben sich bisher nur hierarchische Systeme durchgesetzt mit einer rein Ego motivierten Gesellschaft. Und da sind wir dann wieder bei unseren Vorfahren... Und so leid es mir tut, unser Ego sorgt dafür, dass wir uns im Großen und Ganzen immer wieder einen Vorteil dem anderen gegenüber verschaffen wollen. Und vielleicht hatte Lenin den Marx einfach nur falsch verstanden. Es brauchte für den Kommunismus keine gewaltsame Revolution gegen die Obrigkeit und auch keine industrielle Revolution, sondern es Bedarf eine Revolution des Geistes an derem Ende die Abschaffung des Egos steht. Erst dann werden wir unter Umständen eine gesellschaftliche Ordnung aufbauen können, die Werte- und Diskriminierungsfrei funktioniert.

Die Geschichten der Menschheit:
Die Sozialisierung bestimmt die Geschichten der Menschheit. Und auch hier sehen wir, dass Rollenbilder lange Traditionen haben. Schon in der Ilias war es (grob zusammengefasst) der Streit zweier Frauen (Ok, Göttinnen) wer denn die Hübschere sei, der zum trojanischen Krieg führte, der dann von Männern ausgefochten wurde.
Tatsächlich gab es schon im 20. Jahrhundert Autoren (wie Asimov), die starke Frauenfiguren zeichneten, die den Männern überlegen waren (Um beim Beispiel Asimov zu bleiben: Es war eine Frau, in den Foundation Erzählungen, die die größte Gefahr der 1. Foundation abwendete). Eine starke Frau als wahre Heldin, die eben nicht nur auf Rollenklischees festgeschrieben wird, wäre also nichts Neues.
Man kann das sogar andersrum aufziehen: fast keine einzige Hauptfigur aus den Actionheulern der 80er ist auf ihr Geschlecht festgeschrieben. Die Geschichten würden genauso gut funktionieren, hätte man statt Schwarzenegger und Co. die Rollen mit Frauen besetzt. Andersrum genauso: Gerade in Alien und Aliens könnte die Hauptfigur auch Al Riplay sein. Die Geschichte würde genauso gut funktionieren. Aber prinzipiell haben wir wenige Geschichten und Narrative, die immer wieder durchgekaut werden und je nach Iteration mal mehr und mal weniger gut funktionieren. Und für die Geschichten ist es meist auch egal, welches Geschlecht, welche Ethnie und welche sexuellen Vorlieben die Figuren haben. Vielleicht lautet also die Frage eher, warum wir so viele schlechte Autoren haben, deren Hauptfiguren immer wieder so beliebig sind?

Vielleicht muss man aber auch einen ganz anderen Gedanken zulassen, der dem ein oder anderen jetzt arg ketzerisch erscheinen mag: Aber was ist, wenn das bekannte "Damsel in distress"-Motiv nicht die Überlegenheit des Mannes propagieren möchte, sondern stark abstrahiert den Traum verkauft, für seine Liebe zu kämpfen? Dann hätten wir viel eher ein Adressatneproblem, da sich den ein Großteil unserer Geschichten nur an Männer richtet. Das ist nicht weniger sexistisch, aber es wäre eben ein ganz anderes Problem, dass dann entsprechend neu und anders diskutiert werden müsste.

Relevanz von Feminismus und Gleichberechtigung:
Ohne Frage, die Relevanz ist da und durch nichts wegzudiskutieren. Ich habe nur den Eindruck, dass wir als 1. Welt Gesellschaft uns an dem Thema aufreiben und ein paar ganz grundsätzliche Probleme ignorieren, die es völlig egal machen, wann sich wer sexistisch behandelt fühlt, wenn wir sie nicht lösen. Wir haben Klimaprobleme, Verteilungsprobleme von Ressourcen und zu guter letzt steht die Abschaffung der Arbeit vor der Tür. Sprich wir haben eigentlich um eine Grundsätzliche Neuordnung der Gesellschaft zu diskutieren. Wie definieren wir uns als Mensch, da unserer altes Definitionsmodel bald wegfallen wird. Aber auch solche Probleme tauchen kaum in unserer Literatur oder den interaktiven Medien auf. Letzendlich, ein gesellschaftlicher Diskurs findet kaum statt, stattdessen diskutieren wir über Sachen, bei denen wir uns in unserem Ego angegriffen fühlen.


Letztendlich glaube ich nicht, dass wir die Gleichberechtigung schnell durchsetzen werden können. Ganz im Gegenteil, auch an meinem Todestag (der hoffentlich noch in ferner Zukunft liegt) werden Menschen zurecht über Diskriminierung klagen. Allerdings werden wir an der Situation auch nichts ändern, wenn jetzt alle verbal aufrüsten und versuchen die eigene Ideologie und die eigenen Gedanken in die Köpfe der Anderen hineinzuprügeln.
Letztendlich läuft das auch auf die Frage hinaus, was für eine Diskussion notwendig ist. Meiner Meinung nach reichen die Fähigkeit dem anderen zuzuhören und die Bereitschaft seinen eigenen Standpunkt zu revidieren aus. Aber schon damit haben wir gesamtgesellschaftlich gesehen arge Probleme
"Aus'm Bauch heraus würde ich sagen, dass es ganz ohne Werbung, und nur userfinanziert, glaub' ich, nicht funktioniert."
Jochen Gebauer - Auf ein Bier Podcast | 29 Mai 2016
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Terranigma
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Terranigma »

Vinter hat geschrieben:Da werden TAUSENDE von Männern dehumanisiert und zum Kanonenfutter degradiert, deren Ableben weder kommentiert oder gar beweint wird - und es stört absolut niemanden, mich eingeschlossen. Aber töte eine Prostituierte, und es ist ein abscheuliches, sexistisches Machwerk.
Korrigier mich, aber dort sind Menschen, die auch Männer sind, die aber nicht wegen ihrer Männlichkeit das Opfer von Gewalt werden. Dort tötet man keine Männer, weil sie Männer sind. Gewalt gegen Prostituierte funktioniert aber häufig darüber, dass es dezidiert auf ihre Rolle als Prostituierte abzielt, d.h. man fügt ihnen Gewalt zu, weil sie Prostituierte sind. Ich sehe da schon einen Unterschied.

Als platte Analogie: im aktuellen Call of Duty tötet man auch zumeist nur Männer, was aber daran liegt, dass die Kombatanten in WW2 eben nur Männer waren. “Soldat“ verhält sich insofern nicht analog zu “Prostituierte“.

Wie es genau in GTA V ist kann ich nicht sagen: Ich kann das Machogehabe im Spiel nicht ertragen, selbst wenn es nur Satire sein sollte. Gehöre zu der Gruppe, die deswegen keinen Zugang zum Spiel findet. Werfe das dem Spiel allerdings nicht vor. Ich gehe auch nicht zu Mario Bart und werfe der Show vor, dass ich den Humor scheiße finde. Da bin ich eben nicht die Zielgruppe. Ebenso kann ich den Pathos in Militärspielen nicht ab, auch da bin ich nicht die Zielgruppe. Ich finde das nicht erstrebenswert, aber legitim.
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