Spielewertung und Darstellung von Personen

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Odradek
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Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Sollte und müsste in Spielewertungen, auch hier im Pod, nicht stärker auf die Darstellung, Diversität und Inklusion von Personen eingegangen werden und ein wichtigeres Kriterium sein, als es bisher der Fall ist?

Das scheint mir vielfach unterzugehen und es wird kaum erwähnt, wenn ich in einem Spiel wieder nur die Wahl habe zwischen dem generischen white Dude mit dunklen Haaren oder den dunkelhaarigen Dude der völlig generisch ist. Jüngstes Beispiel Elex, wo sich die Entwickler ja in einem Gamestar-Video zu rechtfertigen suchen.
Erwähnung findet es nur, wenn es mal heraussticht, eben wie bei TheSurge, wo man einen Rollifahrer spielt oder Wolfenstein. Wobei letzteres schon wieder ironisch ist, dass man erst den Abgleich zu den Nazis braucht, um ein diverses Heldenteam einzubauen, dass dann auch lobende Erwähnung findet. Und ja, die Situation hat sich in den letzten Jahren gebessert. Die ersten werden bereits Aloy von Horizon Hero Dawn in ihre Antwort tippen wollen oder Alyx aus Half Life 2. Auch etwa ein Divinity II ist sehr lobend zu erwähnen. Aber dass es sich etwas gebessert hat, macht die Sache noch lange nicht gut. Dazu muss ich gar nicht Anita Sarkeesian und Gamergate zitieren, um hier auch die Stimmung unter einem (vielleicht Großteil, zumindest aber sehr lautem Teil) der Spieler wiederzugeben.

Thema Frauen:


Ist es wirklich noch zeitgemäß und gut, dass in einem Spiel man – mal wieder – den Helden spielt, der das arme Frauchen rettet? Ja, natürlich kann es auch solche Geschichten geben und muss nicht immer nur die paritätischen Helden und Heldinnen sein oder eine Heldin die den Helden rettet, aber wenn ein bestimmtes Muster dominant, verbreitet und vorherrschend ist und Vorstellungen von Gesellschaft und Rollenbildern ganz entscheidend prägen, dann ist das ein Problem.

Ganz schlimm ist es ja bei Super Mario: Odyssee. André erwähnt hier zwar, dass die Geschichte klischeehaft ist und halt von Nintendo kommt, außerdem ja für das Spiel völlig belanglos ist, aber so leicht will und kann ich Nintendo da nicht davonkommen lassen.

Ja, es ist Nintendo und die haben die Trope der Damsel in Distress seit 1981, seit ihrem ersten Donkey Kong im Repertoire, aber nun sind wir über 35 Jahre später und auch die können und müssen doch lernen. Was sie ja im Übrigen schon bewiesen haben, etwa bei Super Mario 3D World, da war es plötzlich und endlich mal wieder möglich Peach zu spielen und war nicht nur Damsel in Distress. Und jetzt? Nicht nur Peach ist damsel, auf einmal bekommt Mario eine neue Mütze mit Charakter, die natürlich wieder männlich ist und die ihrerseits ihre Mützenfreundin retten will und muss.

Gerade bei Spielen wie Mario muss man es ja noch einmal besonders erwähnen. Mario richtet sich primär ja nicht an den/die mündige Erwachsene/n, sondern das Zielpublikum sind Kinder. Und ja, Kinder sind leicht beeinflussbar und reproduzieren Bilder, weswegen das Rollenbild gleich doppelt so schlimm ist. „Hei liebe Mädchen, der Mann ist aktiv und ihr seid zu retten“ Auch wenn Peach sich
SpoilerShow
am Ende erst einmal Mario entsagt
so bleibt sie dennoch Token und Trophäe.

Und nein, ich erwarte gar nicht, dass The Pod nun jedes Spiel unter der Perspektive des fourth Wave feminism analysiert und bewertet. Das können andere deutlich besser und dazu fehlt euch auch schlicht das nötige (Fach-)Wissen darum (no offense). Aber es aufzunehmen und kritisch in eine Bewertung und Beurteilung einfließen zu lassen, im Guten, wie im Schlechten, das würde ich mir schon wünschen. Gerade wenn es so deutlich ist, wie es etwa im Falle von Mario Odyssee stattfindet. Da ist auch die „Bedeutung“ der Geschichte egal.
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Maulwuerfel
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Maulwuerfel »

Puh schwierig... grundsätzlich hast du ja recht, aber gerade Mario: Odyssee als Beispiel zu nehmen...

Die 'Story' von Mario ist doch inzwischen eigentlich eher eine Art Running Gag. Ja Peach wird zum hundertsten Mal von Bowser entführt und ja Mario muss losziehen um sie zu retten. Aber ich glaube Mario Odyssee ist im Bezug auf Sexismus in etwa so problematisch wie Mario's Tanooki Anzug die Rechte von Tieren gefährdet. Dafür ist das ganze doch viel zu simpel und abstrakt. Die ganzen Figuren sind doch quasi asexuell. Wenn man jetzt der privilegierten, weißen, männlichen Spielerschaft mit so einem Beispiel kommt, wird man auf wenig Verständnis stoßen.
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Odradek
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Maulwuerfel hat geschrieben:Dafür ist das ganze doch viel zu simpel und abstrakt.
Wo bitteschön ist Peach in ihrem rosa Kleid und langen blonden Haaren abstrakt oder asexuell?
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Vinter
Foul Tarnished
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Vinter »

Sollte und müsste in Spielewertungen, auch hier im Pod, nicht stärker auf die Darstellung, Diversität und Inklusion von Personen eingegangen werden und ein wichtigeres Kriterium sein, als es bisher der Fall ist?


Nein, muss man nicht.

Denn man kann diese Problematik nicht am einzelnen Subjektiv diskutieren, sondern nur an der Gesamtheit des Mediums. Was dein Ansatz bewirken würde, wäre, dass Figuren, die nicht unter das Label "divers" fallen nicht vorkommen dürfen - und keine Geschichten mehr über weiße, heterosexuelle Männer erzählen zu können ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ja eigentlich erreicht werden soll. Jedenfalls meinem Verständnis von Gleichberechtigung und Repräsentation nach.

Das selbe gilt natürlich auch für Storys, in der der Typ wieder die Damsel in Distress retten muß. Auch solche Storys muss man erzählen können dürfen.

Neulich hörte ich aus feministischen Kreisen Kritik am neuen Blade Runner, weil Frauen dort keine große Rolle spielen würden, abseits von Sexobjekten. Was für eine hirnrissige Kritik an einem Film, der eine dystopische Gesellschaft zeigt, die ja gerade nicht für Progressivität und Liberalität stehen.

Und das Problem wird schlimmer, wenn man sich einen ähnlichen Fall anschaut: Behinderte fordern natürlich auch ihren Platz in der Gesellschaft und kommen in Film und Videospiel deutlich zu wenig vor. Nur kann man auch das wieder nicht vom einzelnen Werk verlangen, vorallem, weil auch überhaupt nicht klar ist, wer denn dieser Behinderte sein soll, der "die Behinderten" repräsentiert. Fühlt sich der nach einem Unfall Querschnittsgelähmte vom Menschen mit Down-Syndrom repräsentiert? Mir fällt da keine vernünftige Lösung ein für die Debatte, die nicht das Medium, sondern das Werk ins Zentrum rückt - irgendjemand wird es Einzelfall immer nicht repräsentiert.

Ob das einzelne Werk dann deinem individuellen Geschmack entspricht, ist wieder deine eigene Sache und das kannst du ja bewerten wie du magst.
Zuletzt geändert von Vinter am 9. Nov 2017, 17:41, insgesamt 1-mal geändert.
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Andre Peschke
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Andre Peschke »

Odradek hat geschrieben:Ganz schlimm ist es ja bei Super Mario: Odyssee. André erwähnt hier zwar, dass die Geschichte klischeehaft ist und halt von Nintendo kommt, außerdem ja für das Spiel völlig belanglos ist, aber so leicht will und kann ich Nintendo da nicht davonkommen lassen.
Ich sage auch, dass die Geschichte einer naiv inszenierten Zwangsheirat bei einem anderen Publisher als Nintendo vermutlich einige Diskussionen auslösen würde und dementsprechend anachronistisch erscheint. Insofern lass ich Nintendo da auch nicht SO leicht davon kommen.

Zudem demonstriert es, dass wir solche Themen IMO da, wo sie uns relevant erscheinen, thematisieren. Das Thema nun quasi wie eine Standard-Checkbox zu behandeln und überall anzusprechen, halte ich nicht für sinnvoll. Es ist erstens besser zu loben, wenn ein Spiel sich in dieser Hinsicht verdient macht, als zu tadeln, wenn das nicht geschieht. Positive Verstärkung, haben wir ja gelernt, ist langfristig der erfolgreichere Weg.

Zweitens würde eine Kritik die gebetsmühlenartig wiederholt wird auf Dauer jede Wirkung verlieren. Es gibt diese Vorstellung, man müsse die Menschen auf diese "Missstände" an jeder Ecke hinweisen, dann haben sie ein Einsehen. Tatsächlich errodiert dies meiner Beobachtung nach den Willen solchen für viele Spieler neuen Ideen mit Offenheit zu begegnen. Sobald es sich anfühlt, als wolle mich jemand missionieren, gehen bei mir auch schnell die Schotten runter, selbst wenn ich seiner Botschaft vielleicht anderweitig aufgeschlossen gegenüberstehen würde. Auch bei einem zu befürwortenden Anliegen gilt: Die Menge macht das Gift.

Andre
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lolaldanee
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von lolaldanee »

Andre Peschke hat geschrieben:
Odradek hat geschrieben:Ganz schlimm ist es ja bei Super Mario: Odyssee. André erwähnt hier zwar, dass die Geschichte klischeehaft ist und halt von Nintendo kommt, außerdem ja für das Spiel völlig belanglos ist, aber so leicht will und kann ich Nintendo da nicht davonkommen lassen.
Ich sage auch, dass die Geschichte einer naiv inszenierten Zwangsheirat bei einem anderen Publisher als Nintendo vermutlich einige Diskussionen auslösen würde und dementsprechend anachronistisch erscheint. Insofern lass ich Nintendo da auch nicht SO leicht davon kommen.

Andre
Dafür übrigens mal fettes Kompliment!
Sowas hört man halt sonst selten, für diese Perspektive überweise ich euch jeden Monat von der Festplatte meiner Bank Nummern auf die Festplatte eurer Bank!

Das Beispiel Mario finde ich persönlich maximal schlecht gewählt als Grundlage für diese Debatte. Das Spiel hat wirklich keine für mich wahrnehmbare (politische, ästhetische, etc.) Aussage in Bezug auf IRGENDWAS- wie quasi alle anderen Nintendo Spiele, die ich genau aus diesem Grund auch durch die Bank für gräßlich und nicht spielbar halte

Natürlich kann man jetzt schon argumentieren, dass das rosa Kleidchen ein typisches Frauenklischee ist etc.
Und ja, irgendwie sagt das natürlich auch was über die Gesellschaft aus, dass DAS das gewählte "standart" Frauenbild ist
Aber das Ganze ist im Fall Mario doch irgendwie einfach ein bisschen an den Haaren herbeigezogen
Das Geschlecht von Mario und Peach ist ähnlich relevant wie das von Yoshi.. Warum gibt es eigentlich darüber nie Debatten? Die volkommen fälschliche Darstellung von Dinosauriern und Schildkröten in Nintendospielen!

edit: nochmal konkreter - Trüge Peach Jeans und Kurzhaarschnitt, und würde sie Mario retten, das Spiel würde sich zu 0,0% in seiner Aussage verändern
Einzig die Tatsache, dass Nintendo das so ändert (wegen bösen feministen, pfui!!!!!) würde diskutiert werden, inhaltlich währe es eigentlich komplett egal
Zuletzt geändert von lolaldanee am 9. Nov 2017, 18:32, insgesamt 2-mal geändert.
Stuttgarter
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Stuttgarter »

Schwieriges Thema...

Ich hoffe ja inständig, dass sich mit "Erwachsenwerden" des Mediums solche Fragen irgendwann von allein erledigen. Der Film kann da ein gutes Beispiel sein - in den 80er Jahren waren Actionhelden praktisch ausnahmslos männlich (die rühmliche Ausnahme - Ellen Ripley, die seit 1979 Aliens in den Arsch tritt). Und dann kamen irgendwann die starken Frauen - selbst ein Bond hatte plötzlich eine ebenbürtige Kollegin in "Tomorrow never dies", auf die er stellenweise angewiesen war. Jennifer Garner arbeitete in "Alias" nicht nur mit ihren weiblichen Reizen sondern auch handfester Gewaltanwendung. Charlies Kino-Angels ließen keinen Stein auf dem anderen. In den "Expendables 3", in der die junge Actiongeneration integriert wird, ist ganz selbstverständlich eine weibliche Söldnerin an Bord. Auch in den Comicverfilmungen haben wir heute ganz selbstverständlich starke Frauencharaktere wie die Black Widow, die Scarlet Witch - und bei den X-Men auch noch ein paar.

Und dann gibt es einen neuen Ghostbusters, und die halbe Welt regt sich trotzdem noch darüber auf, dass das ja jetzt lauter Frauen sind. Und meine schöne Theorie bröckelt.

Unsere Kulturlandschaft muss insgesamt noch einen weiten Weg gehen, was "Gleichheit" angeht. Insofern wäre wünschenswert, dass die Hersteller von Spielen nicht so lange brauchen wie Hollywood, um die üblichen Rollenklischees über Bord zu werfen. Und sind wir ehrlich - eine Lara Croft in den ersten Tomb Raiders war in gewisser Weise eine "Vorkämpferin", aber sie musste natürlich trotzdem in eine durch und durch sexistische Darstellung gezwängt werden: Knappe Shorts, hautenges Top, große Oberweite. (Die Reboots machen das besser, da ist sie einfach eine hübsche junge Frau, die einen aber nicht bei jeder Gelegenheit optisch mit ihrem Geschlecht erschlägt.)

Die Tomb Raider-Reboots lassen übrigens erahnen, dass Entwicklern mit "ungewohnten" Charakteren ganz neue Erzählungen offenstünden. So in sich unstimmig gerade der erste Teil auch ist, allein dadurch, dass zumindest in den Cutscenes eine weibliche Sicht auf die Geschichte gezeigt wird, gibt dem ganzen wesentlich mehr Tiefe als der x-te tumbe männliche 0815-Held, der halt die Welt rettet, weil er mit dieser Aufgabe schon qua Geschlecht auf die Welt kam. Insofern hoffe ich, dass mehr und mehr Entwickler sich trauen, altbekannte Geschichten mit neuen Helden zu erzählen. So, wie es Ridley Scott 1979 mit Ellen Ripley tat.
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Puschkin
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Puschkin »

Vinter hat geschrieben: Was dein Ansatz bewirken würde, wäre, dass Figuren, die nicht unter das Label "divers" fallen nicht vorkommen dürfen - und keine Geschichten mehr über weiße, heterosexuelle Männer erzählen zu können ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ja eigentlich erreicht werden soll.
Ich würde so ein Verbot zugerne mal in Aktion sehen. Nicht weil das richtig wäre, sondern mit welchen Verrenkungen wohl versucht werden würde es zu umgehen. Denn Verbote ziehen ja immer auch deren Umgehung nach sich.
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lolaldanee
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von lolaldanee »

Stuttgarter hat geschrieben:Schwieriges Thema...

Und dann gibt es einen neuen Ghostbusters, und die halbe Welt regt sich trotzdem noch darüber auf, dass das ja jetzt lauter Frauen sind. Und meine schöne Theorie bröckelt.
Tut sie nicht wirklich :) Im Fall von Ghostbusters gibt es ja zu beachten, dass da eine Historie ist. Hätte der Film keine Vorgänger, würde er einfach nur als schlechter Film kritisiert, die Frauen wären komplett egal! (naja, gut, ein paar Ewiggestrige fänden sich natürlich trotzdem) Mit den 4 Weibsbildern lässt sich halt sehr gut etwas finden was schön greifbar ist, warum der neue Streifen ja ach so großer Mist sei, denke ich.
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Fährmann
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Fährmann »

Odradek hat geschrieben:Sollte und müsste in Spielewertungen, auch hier im Pod, nicht stärker auf die Darstellung, Diversität und Inklusion von Personen eingegangen werden und ein wichtigeres Kriterium sein, als es bisher der Fall ist?
Ja, sollte es. Ein großes +1 an den Threadersteller.

Wobei auch Andre Recht hat, dass hier schon an mehreren Stellen darauf eingegangen wurde. Wie etwa bei der Wertschätzung von Tacoma, wo völlig zurecht die Diversifikation gelobt wurde.

Aber prinzipiell ist das ne Sache, wo Spiele Jahrzehnte zurückliegen. Spielewertungen bilden das nicht mal ansatzweise ab. Und Entwickler müssen sich viel zu selten dafür rechtfertigen.

Auch das Beispiel Nintendo finde ich absolut angebracht, sowohl was das diesjährige Mario angeht, als auch das diesjährige Zelda. Wenn man den Plot dieser Spiele zusammenfasst und das Attribut "Frau" durch "Jude" oder "Zigeuner" ersetzt, würden Sätze rauskommen wie: "Wieder einmal retten Mario einen Juden, der von Bowser gefangen genommen wurde." Und: "Wieder einmal muss Link das Reich retten, nachdem ein Jude von Ganon überwältigt wurde."
Jedem Menschen würde sofort auffallen, wie hochgradig rassistisch das ist. Dass es uns bei Frauen nicht auffällt, ist in meinen Augen ein ganz grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft.

Die Argumentation "Mario und Peach sind doch eigentlich geschlechtslos" halte ich mit Verweis auf das Charakterdesign für Unsinn.

Mit all dem will ich nicht sagen, dass wir jetzt Zelda und Mario hassen müssen, weil die Serien seit Jahrzehnten latent frauenfeindlich sind (was der Fall ist). Das sind immer noch Spiele, die ne Menge Spaß machen.

Aber ich will damit dem Threadersteller zustimmen, dass solche Dinge von der Presse viel stärker kommentiert werden und auch zu Abzügen in Wertungen führen sollten.

Und mit Verweis an vergangene Nina Kiel Episoden will ich hinzufügen: Eigentlich können wir als Männer gar nicht nachvollziehen, wie es sich als Frau anfühlen muss, in so vielen Videospielen wie selbstverständlich als das schwache Geschlecht dargestellt zu werden.

Außerdem der Vollständigkeit halber: Natürlich erreicht Mario nicht mal ansatzweise das Level an Frauenfeindlichkeit, das ein Elex, GTA 5 usw. in den ersten fünf Minuten mit dem kleinen Zeh abdeckt.
Stuttgarter
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Stuttgarter »

lolaldanee hat geschrieben:
Stuttgarter hat geschrieben:Schwieriges Thema...

Und dann gibt es einen neuen Ghostbusters, und die halbe Welt regt sich trotzdem noch darüber auf, dass das ja jetzt lauter Frauen sind. Und meine schöne Theorie bröckelt.
Tut sie nicht wirklich :) Im Fall von Ghostbusters gibt es ja zu beachten, dass da eine Historie ist. Hätte der Film keine Vorgänger, würde er einfach nur als schlechter Film kritisiert, die Frauen wären komplett egal! (naja, gut, ein paar Ewiggestrige fänden sich natürlich trotzdem) Mit den 4 Weibsbildern lässt sich halt sehr gut etwas finden was schön greifbar ist, warum der neue Streifen ja ach so großer Mist sei, denke ich.
Wenn ich mich recht entsinne, gab es bei der allerersten Ankündigung des Films schon Shitstorms - als noch kein Mensch überhaupt eine Szene gesehen hatte und somit auch nichts verglichen werden konnte?
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Andre Peschke
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Andre Peschke »

Fährmann hat geschrieben:Wenn man den Plot dieser Spiele zusammenfasst und das Attribut "Frau" durch "Jude" oder "Zigeuner" ersetzt, würden Sätze rauskommen wie: "Wieder einmal retten Mario einen Juden, der von Bowser gefangen genommen wurde." Und: "Wieder einmal muss Link das Reich retten, nachdem ein Jude von Ganon überwältigt wurde."
Jedem Menschen würde sofort auffallen, wie hochgradig rassistisch das ist. Dass es uns bei Frauen nicht auffällt, ist in meinen Augen ein ganz grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft.
Also, dieser Lackmustest erscheint mir nun doch sehr simplistisch. Wenn ich einen normalen Begriff durch ein aufgeladenes Wort ersetze, dann wirkt der gleiche Satz plötzlich provokant, logisch. Aber was belegt das? Wenn ich im Satz "Ich liebe meine Frau" den Begriff "Frau" durch "Neger" ersetze, wird auch jeder aufschreien. Ist damit belegt, dass der Ausgangssatz problematisch war?

Und wir sollten immer bedenken: Die "Damsel in Distress" ist problematisch als unendlich wiederholtes Klischee. Problematisch, weil Fauen in Medien insgesamt lange Zeit beinahe ausschließlich als hilflos und auf männliche Unterstützung angewiesen gezeigt wurden. Es darf weiter eine Geschichte von einer Frau erzählt werden, die es zu retten gilt. Das ist nicht in sich problematisch. Im Kanon der Mario-Serie kann man kritisieren, dass Peach wieder und wieder nur ein Wanderpokal ist, der zwischen Mario und Bowser hin und her gereicht wird. Nur der Blick auf das einzelne Spiel ist eine zu isolierte Betrachtung.

Andre
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Puschkin
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Puschkin »

Es funktioniert auch nicht weil die Klischees nicht per se auswechselbar sind.

Frauen sind eben schwach, tragen rosa und sind entweder Huren oder Heilige.

Juden(und typischerweise sind hier auch nur Männer gemeint) sind alle reich durch Zinsgeschäfte, nicht etwa durch harte ehrlich Arbeit und kontrollieren die Regierung.

Schwarze und Araber Männer hingegen sind islamische Terroristen und wollen nur Frauen vergewaltigen.

Ich möchte hier nochmal anmerken, dass ich diese Klischees nicht teile und die hier kurz und polemisch referiert habe.
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Fährmann
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Fährmann »

Andre Peschke hat geschrieben:
Fährmann hat geschrieben:Wenn man den Plot dieser Spiele zusammenfasst und das Attribut "Frau" durch "Jude" oder "Zigeuner" ersetzt, würden Sätze rauskommen wie: "Wieder einmal retten Mario einen Juden, der von Bowser gefangen genommen wurde." Und: "Wieder einmal muss Link das Reich retten, nachdem ein Jude von Ganon überwältigt wurde."
Jedem Menschen würde sofort auffallen, wie hochgradig rassistisch das ist. Dass es uns bei Frauen nicht auffällt, ist in meinen Augen ein ganz grundsätzliches Problem unserer Gesellschaft.
Also, dieser Lackmustest erscheint mir nun doch sehr simplistisch. Wenn ich einen normalen Begriff durch ein aufgeladenes Wort ersetze, dann wirkt der gleiche Satz plötzlich provokant, logisch. Aber was belegt das? Wenn ich im Satz "Ich liebe meine Frau" den Begriff "Frau" durch "Neger" ersetze, wird auch jeder aufschreien. Ist damit belegt, dass der Ausgangssatz problematisch war?
Möglicherweise ist das Wort "Zigeuner" kein guter Testbegriff, weil das Wort grundsätzlich schon ne abwertende Komponente hat. Im Gegensatz zum Worten "Juden". Aber ich finde dein Gegenbeispiel auch nicht ideal: Wenn du von "deiner Frau" redest, meinst du ein anderes "Frau" als ich. Nämlich nicht die Geschlechterbezeichnung, sondern die Frau als Ehefrau. Natürlich klingt das komisch, wenn du Frau in diesem Kontext durch ein beliebiges anderes Wort ersetzt.

Die Leistung des Tests (der nicht von mir, sondern von Alice Schwarzer aus den 70ern ist) besteht für mich darin, dass er Sexismen und Rassismen dort aufzeigt, wo wir nicht auf sie sensibilisiert sind.

In einem Satz wie "In jedem Spiel rettet Mario einen Juden vor Bowser, in der Hoffnung, anschließend einen Kuchen zu bekommen", schrillen sofort alle Rassismus-Alarmglocken, weil wir auf eine Ungleichbehandlung von Juden sensibilisiert sind.

Ersetzt man "Jude" durch "Frau", ist das nicht der Fall, weil wir auf diese Form des Sexismus nicht sensibilisiert sind. Immerhin sitzt dieser Sexismus ganz tief in einem Medium, mit dem wir aufgewachsen sind.

Und das Problem besteht auch nicht darin, dass es spezifisch um Frauen geht. Würde man in dem Satz "Jude" durch "Mann" ersetzen, wäre das genauso schwierig. Die Problematik ergibt sich daraus, dass ein Geschlecht wie selbstverständlich dem anderen untergeordnet wird.


Zur These: "Es darf weiter eine Geschichte von einer Frau erzählt werden, die es zu retten gilt."

Auch da würde ich verneinen. Vorausgesetzt, wir reden nicht von Spielen wie Braid oder Monkey Island 2, die sehr selbstreflexiv mit dieser Thematik umgehen. Wenn wir bei Videospielen kein Sexismusproblem hätten, würde ich dir zustimmen. Aber in einer Situation, in der "Mann rettet Frau vor Bösewicht" die Norm und "Frau rettet Mann vor Bösewicht" eine spleenige Nische ist, halte ich eine Damsel in Distress für fahrlässig.
Odradek
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Vinter hat geschrieben: Denn man kann diese Problematik nicht am einzelnen Subjektiv diskutieren, sondern nur an der Gesamtheit des Mediums. Was dein Ansatz bewirken würde, wäre, dass Figuren, die nicht unter das Label "divers" fallen nicht vorkommen dürfen - und keine Geschichten mehr über weiße, heterosexuelle Männer erzählen zu können ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was ja eigentlich erreicht werden soll. Jedenfalls meinem Verständnis von Gleichberechtigung und Repräsentation nach.
Dem würde ich vehement widersprechen. Es kann weiterhin die klassische heterosexuelle Liebesgeschichte des weißen cis-Mannes zur weißen cis-Frau geben. Hab ich überhaupt nichts dagegen. Ich spreche mich nur dafür aus, dass man den Kanon öffnet und es generell diverser gestaltet. Gerade im Medium spiel, wo ich ja Spiele, ist dies deutlich leichter zu gestalten. Ein DragenAge kann ich als Mann und als Frau, als hetero- und als homosexueller spielen. Auch bei einem Half-Life sagt keiner was, dass ich hier einen weißen Mann spiele (der vermutlich heterosexuell ist), das Spiel wird aber dennoch gelobt für seine Darstellung von Alyx.
Andre Peschke hat geschrieben: Insofern lass ich Nintendo da auch nicht SO leicht davon kommen.
Stimmt. Ich meckere bei euch auf hohem Niveau, gerade weil ich euch schätze und mir wünsche, dass ihr noch besser werdet.
Fänd ich euch nicht so toll und würde ich viele NutzerInnen hier im Forum nicht für clevere und aufgeschlossene Personen halten, dann würde ich mir überhaupt nicht erst die Mühe machen, etwas Derartiges anzusprechen. (Wer sich davon angesprochen fühlt, darf sich gerne angesprochen fühlen, muss aber dann auch danach handeln :) ).
Andre Peschke hat geschrieben: Es ist erstens besser zu loben, wenn ein Spiel sich in dieser Hinsicht verdient macht, als zu tadeln, wenn das nicht geschieht. Positive Verstärkung, haben wir ja gelernt, ist langfristig der erfolgreichere Weg.
Dem würde ich widersprechen. Positive Verstärkung funktioniert bei Menschen, bei Unternehmen ist public shaming weit effizienter. H&M, Apple und Co haben auch nicht ihre Arbeitsbedingungen in Billiglohnländern verbessert, weil sie hier und da bei Veränderungen gelobt wurden. H&M hat seine Produktionsbedingungen (moderat) geändert, nachdem man öffentlich machte, wie viel Kinderblut an ihrer Kleidung klebt.
Dessen ungeachtet macht ihr ja den Podcast für die SpielerInnen und nicht für die Unternehmen. Ihr müsst nicht positive reinforcement bei den Unternehmen abliefern, sondern ihr wollt die SpielerInnen informieren. Und hier sehe ich Lob und Tadel bezüglich der Darstellung von sogenannten Minderheiten durchaus als etwas an, was die Norm beschreibt. Jetzt kannst Du natürlich sagen, dass Du Realist bist und deswegen lobst, wo es eine positive Darstellung gibt, da die der Normbruch ist und ich Idealist, da ich Kritik übe, wo dies nicht der Fall ist, da eine gerechte Darstellung die Norm sein sollte.
Als Vater oder als Mutter würde ich gerne davor gewarnt werden, ob ein Spiel sexistische Stereotype reproduziert, anstatt suchen zu müssen, wo explizit gelobt wird, wo dies nicht der Fall ist (und noch einmal: Ja, ihr/Du habt das ja im Falle von Mario gemacht).
Andre Peschke hat geschrieben: Zweitens würde eine Kritik die gebetsmühlenartig wiederholt wird auf Dauer jede Wirkung verlieren. Es gibt diese Vorstellung, man müsse die Menschen auf diese "Missstände" an jeder Ecke hinweisen, dann haben sie ein Einsehen.
Vielleicht muss man das aber? Eine sexistische Darstellung ist eine sexistische Darstellung ist eine sexistische Darstellung. Da seh ich keinen Wert darin, brav still zu sein und zu hoffen, dass sie es in Zukunft besser machen. Denn dann schaffe ich ihnen (hier den Unternehmen) eine comfort zone, mit denen sie sich arrangieren. Ich sage, dass sie eine sexistische Darstellung wählen, da nerv ich auch nicht gerne, ich nerve wirklich nicht gerne, aber ich finde es eben wichtig zu nerven, wo gesellschaftliche Missstände bestehen.
lolaldanee hat geschrieben:
Das Beispiel Mario finde ich persönlich maximal schlecht gewählt als Grundlage für diese Debatte. Das Spiel hat wirklich keine für mich wahrnehmbare (politische, ästhetische, etc.) Aussage in Bezug auf IRGENDWAS- wie quasi alle anderen Nintendo Spiele, die ich genau aus diesem Grund auch durch die Bank für gräßlich und nicht spielbar halte
Das Geschlecht von Mario und Peach ist ähnlich relevant wie das von Yoshi.
Im Gegenteil finde ich das Beispiel extrem gut gewählt, weil es eine alltagssexistische Darstellung in einem Kinderspiel widerspiegelt. Das Geschlecht von Mario und Peach ist eben hochrelevant. Und hier kann ich Jochen nur völlig zustimmen
Andre Peschke hat geschrieben:Und wir sollten immer bedenken: Die "Damsel in Distress" ist problematisch als unendlich wiederholtes Klischee. Problematisch, weil Frauen in Medien insgesamt lange Zeit beinahe ausschließlich als hilflos und auf männliche Unterstützung angewiesen gezeigt wurden.
Würden wir in einer Welt leben, in der es nicht diese Tradition gibt, in der seit Anbeginn bis heute 50%-50% des Verhältnisses von Retter und Gerettetem herrschen würde, dann wäre auch Mario kein Problem. Aus dem gleichen Grund gilt es auch nicht, das eine (meinetwegen auch fünf) Spiele rauszusuchen, bei denen es umgekehrt ist. Natürlich könnte man sagen: „Generell sollte es ja gleichmäßiger verteilt sein, aber in meinem Spiel ist es halt mal wieder der rettende Mann, zeig mit dem Finger auf die tausend anderen Spiele.“ Tue ich, zeige ich drauf, ich zeige aber eben auch auf dein Spiel.
Stuttgarter hat geschrieben:Schwieriges Thema...
Ich hoffe ja inständig, dass sich mit "Erwachsenwerden" des Mediums solche Fragen irgendwann von allein erledigen. Der Film kann da ein gutes Beispiel sein
Ich glaube, dass Du es nicht so meinst, aber auch der Film ist hier noch lange nicht gut. Eine starke Frau macht noch lange keinen feministischen Film (muss ich hier „Feminismus“ erklären, dass damit eben keine „Frauenfilme“ gemeint sind?). Aber auch hier: Ja, der Film wurde besser und ist nicht mehr auf dem Stand der 80er und 90er Jahre. Das ist sehr zu loben. Hat er noch einen weiten Weg? JA!
. Ein schöner „Test“ ist hier immer noch der Bechdel-Test. Quick and dirty und kein abschließendes Urteil, dient er dennoch als guter Indikator.
Fährmann hat geschrieben: Ja, sollte es. Ein großes +1 an den Threadersteller.
Danke dafür. :)
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Terranigma
Beiträge: 1507
Registriert: 17. Feb 2016, 19:34

Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Terranigma »

Fährmann hat geschrieben:Wenn du von "deiner Frau" redest, meinst du ein anderes "Frau" als ich. Nämlich nicht die Geschlechterbezeichnung, sondern die Frau als Ehefrau. Natürlich klingt das komisch, wenn du Frau in diesem Kontext durch ein beliebiges anderes Wort ersetzt.
Ich wäre da bei Andre. Wenn man den Satz in seine Elemete zerlegt erhält man: "Wieder einmal rettet <Subjekt> <Objekt>, das von <Attribut> entführt wurde." Der Satz ist bereits in seiner Logik unabhängig vom jeweiligen Objekt insofern problematisch, da er eine Formelhaftigkeit zum Ausdruck bringt, da in jedem Spiel das Subjekt das immerzu gleiche Objekt rettet. Insofern ließe sich die Frage stellen: Warum ist es immer dasselbe Objekt? Die Antwort darauf kann aber je nach Objekt sehr harmlos sein.

"Wieder einmal rettet Mario (Subjekt) seinen besten Freund (Objekt), der von Bowser entführt wurde." Daraus folgt nun gewiss nicht, dass "bester Freund" ein problematischer Begriff wäre. Ebenso ist "Jude" kein problematischer Begriff. Problematisch wäre es in diesem Kontext, weil aus der Handlung gar nicht abgeleitet werden könnte, warum das Objekt ausgerechnet ein Jude ist bzw. warum die Eigenschaft "Jude-Sein" in der Handlung in den Mittelpunkt gerückt wird. Zwischen "Mario" und "Jude" gibt es keinen plausibel Zusammenhang. Es gibt aber zwischen "Mario" und "Peach" einen logischen Zusammenhang, der nicht im Geschlecht von Peach begründet ist, sondern darin dass ... naja, ufz, sie befreundet sind und sich seit dem ersten Mario kennen.

Es ist eine Damsel in Distress-Geschichte, darüber hinaus aber auch ein Traditionselement der Mario-Reihe. Wäre da insofern auch bei @Vinter, dass die Frage für mein Dafürhalten nicht in die Einzelbetrachtung einfließen sollte - aber kann! Wenn die Frauen in einem Spiel erkennbar stereotypisch charakterisiert sind, wie sie es z.B. bei Elex zu einem erheblich Teil sind, dann kann man darauf eingehen, insb. wenn es dem eigenen Spielspass schadet. Ebenso kann man darauf eingehen, wenn in einer Spielwelt z.B. gänzlich schwarze Charaktere fehlen, obwohl dies in der Spielwelt nicht plausibel ist. Umgekehrt kann es aber Spiele geben, in deren Spielwelt es plausibel ist, dass man keinem schwarzen Charakter, keiner Frau, keinem Homosexuellen, o.Ä. über den Weg läuft. Wenn es sehr viele solcher Spielwelten gibt, kann man das grundsätzlich problematisieren, ich würde es aber dem einzelnen Spiel nicht als Kritik vorhalten, dass es die Geschichte erzählt, die es erzählt.

Die Problematik sehe ich eher, dass Videospiele im Allgemeinen nicht sehr diversifiziert sind und ganz bestimmte Thematiken erkennbar meiden. Selbst Bioware, das diesbezüglich gerne gelobt wird, thematisiert homosexuelle Charaktere sowie deren Story Archs ausschließlich als Nebencharaktere (!) in optionalen (!) Nebenhandlungen (!) , sodass jeder, der sich persönlich daran stört, sie auch ignorieren kann. Das nur als Beispiel.
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Vinter
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Vinter »

Odradek hat geschrieben:
Dem würde ich vehement widersprechen. Es kann weiterhin die klassische heterosexuelle Liebesgeschichte des weißen cis-Mannes zur weißen cis-Frau geben. Hab ich überhaupt nichts dagegen.
Nein, du fragst ja ganz oben, ob zukünftig ein diverser Cast in der Wertung von einzelnen Titeln berücksichtigt werden soll - ergo, ob man es Titeln negativ anrechnet, wenn sie keinen diversen Cast haben.

Und die Herangehensweise ist problematisch, weil du dem einzelnen Werk etwas aufbürdest, was du dem Medium aufbürden musst. Das Medium als ganzes muss diverser werden, aber nicht zwangsläufig jedes einzelne Werk.

Mir ist schon klar, dass du nichts gegen den Archetyp weiß/männlich/heterosexuell hast, aber die Fragestellung, ob man einen diversen Cast in die Bewertung mit einfließen lassen muss, kann so pauschal nur mit "Nein" beantwortet werden.

Individuell, je nach Werk, muss man natürlich gucken: Wenn ein Werk zum Beispiel erkennbar eine Aussage tätigen will, aber daran scheitert, weil der Cast ungeeignet ist, ist das natürlich ein Negativtiefpunkt.
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Trombonix
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Trombonix »

Ich fände eine pauschale Abwertung ebenfalls falsch. Ich kann mich da Andres Ausführungen nur anschließen und sehe kein Problem darin, wenn tradierte Rollenbilder in Medien dargestellt werden, solange auch andere Angebote vorhanden sind.
Letztendlich soll auch der Entwickler und der Autor entscheiden, welches Setting und welche politische bzw. gesellschaftliche Aussage sie treffen möchten. Ebenso wie man Menschen keine traditionelle Lebensführung aufzwingen soll, sollte das auch für andere Lebensmodelle gelten.

Das wir hauptsächlich den heterosexuellen Mann in Spielen treffen, liegt zum einen an der Demografie der Konsumenten, als auch der großen Verbreitung tradierter Lebensmodelle in der Lebenswirklichkeit der Autoren und Entwickler. Wenn es nur einen Protagonisten gibt, werden viele Entwickler einen Charakter auswählen, mit dem sich viele potentielle Kunden identifizieren können. Da mittlerweile viele Menschen verschiedener Ethnien spielen, wird im Bezug auf die Ethnie eine größere Vielfalt angeboten. Bei der sexuellen Orientierung ist die Spielerschaft sehr homogen (vgl. Microzensus BRD bezüglich homosexueller Beziehungen), sodass vermutlich diese Art der Diversivizierung auch deutlich seltener eingearbeitet wird.

Ich empfand das Ende von Mario Odyssey als gut gewählt, da Nintendo das Rollenbild von Peach etwas aufbricht, obwohl sie an ihrer Trademarkgeschichte festhalten. Bei Zelda und Fire Emblem versucht Nintendo deutlich auch Diversität herzustellen.
PS Toadette ist meist deutlich cleverer als ihre männlichen Toadkollegen.
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Andre Peschke
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Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Andre Peschke »

Odradek hat geschrieben:Positive Verstärkung funktioniert bei Menschen, bei Unternehmen ist public shaming weit effizienter.
[...]
Odradek hat geschrieben:Eine sexistische Darstellung ist eine sexistische Darstellung ist eine sexistische Darstellung. Da seh ich keinen Wert darin, brav still zu sein und zu hoffen, dass sie es in Zukunft besser machen. Denn dann schaffe ich ihnen (hier den Unternehmen) eine comfort zone, mit denen sie sich arrangieren.
Fährmann hat geschrieben: Aber in einer Situation, in der "Mann rettet Frau vor Bösewicht" die Norm und "Frau rettet Mann vor Bösewicht" eine spleenige Nische ist, halte ich eine Damsel in Distress für fahrlässig.
Dieser Blickwinkel ist für mich schlicht zu radikal. Ich habe viel Sympathie für den Gedanken einer inklusiveren (Medien-)Welt und ich habe diese Themen immer wieder aufgegriffen, wo mir dazu etwas bemerkenswertes eingefallen ist. Jochen genauso. Daran wird sich nichts ändern, außer dass sich unsere Perspektive hoffentlich auch in Zukunft weiterentwickelt. Insbesondere bei der Frage was wir im Podcast aufgreifen und darstellen sind wir schlicht bemüht Teil einer aufgeklärteren modernen Welt zu sein.

Ich sehe es aber nicht als unsere Aufgabe, uns hier "der Revolution anzuschließen". Tatsächlich läuft das sogar dem journalistischen Anspruch zuwider. In den zumindest unter Journalisten berühmten Worten von Hans Joachim Friedrichs: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache - auch nicht mit einer guten Sache."

Andre
PS: Ist vielleicht eine persönliche Befindlichkeit, aber bei Begriffen wie "Public shaming" läuft es mir kalt den Rücken runter, wenn sie als geeignetes Mittel genannt werden und zwar noch bevor die genaue Kontextualisierung nachfolgt (soll heißen: Ich reagiere instinktiv mit Ablehnung, noch bevor du mir erklären kannst, wie du es überhaupt meinst). Die Wortwahl ist ungeeignet um micht für irgendeine Perspektive zu gewinnen. Das nur als ganz persönliches Feedback zu der Formulierung, nicht als Kritik. Es ist wichtig, Leidenschaft und Engagement nicht in Eifer und Predigt umschlagen zu lassen, was die Präsentation angeht. Wenn du deine Gedanken in zu harrsche Worte und Forderunge kleidest, fällt es zumindest mir schwer dir zu folgen und eine Auseinandersetzung mit der Botschaft wird behindert, auch wenn wir sicher eine breite gemeinsame Basis hätten.
PPS: Fährmann mal mit-zitiert, auch wenn ich primär an Odradek geantwortet habe. :D
Odradek
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Registriert: 1. Dez 2016, 17:06

Re: Spielewertung und Darstellung von Personen

Beitrag von Odradek »

Andre Peschke hat geschrieben:
Dieser Blickwinkel ist für mich schlicht zu radikal. Ich habe viel Sympathie für den Gedanken einer inklusiveren (Medien-)Welt und ich habe diese Themen immer wieder aufgegriffen, wo mir dazu etwas bemerkenswertes eingefallen ist. Jochen genauso. Daran wird sich nichts ändern, außer dass sich unsere Perspektive hoffentlich auch in Zukunft weiterentwickelt. Insbesondere bei der Frage was wir im Podcast aufgreifen und darstellen sind wir schlicht bemüht Teil einer aufgeklärteren modernen Welt zu sein.
Finde ich bedauerlich und schade, aber kann ich mit leben und hoffe dann einfach auf euch und die Zukunft.
Andre Peschke hat geschrieben:
Ich sehe es aber nicht als unsere Aufgabe, uns hier "der Revolution anzuschließen". Tatsächlich läuft das sogar dem journalistischen Anspruch zuwider. In den zumindest unter Journalisten berühmten Worten von Hans Joachim Friedrichs: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache - auch nicht mit einer guten Sache."
Naja hier an dieser Stelle ein ziemlich schwacher Vergleich und halte ihn auch für falsch (abgesehen davon, dass ich ihn generell nicht mag, aber das aus anderen Gründen). Ihr bewertet die ganze Zeit spiele und nicht nur auf ihr technisches Handwerk. Nazis wichtig? Wertung! Lootboxen gut oder schlecht? Wertung! Gut, könntest nun sagen in Hinsicht auf ihren rein spielerischen Wert und will jetzt nicht das Fass aufmachen, was dem Spielspaß eines Homosexuellen abträglicher ist, ob er sich Lootboxen kaufen muss oder das Spiel ständig mit homophoben Witzen um sich schmeißt.
Andre Peschke hat geschrieben: PS: Ist vielleicht eine persönliche Befindlichkeit, aber bei Begriffen wie "Public shaming" läuft es mir kalt den Rücken runter
Kann ich zumindest nachvollziehen. Ich kenne und gebrauche die Begriffe „public shaming“ und „public blaming“ aus dem Bereich der internationalen Politik, wo sie Prozesse darstellen, um Staaten trotz eines anarchischen Systems zu bestimmten Handlungen zu bringen, etwa der Einhaltung von Verträgen. (verkürzt dargestellt) Sie sind dabei gänzlich wertneutral gemeint. Wenn Du dabei aber ein schlechtes Gefühl hast, so kann ich es Dir natürlich nicht absprechen (Du hast schließlich die Defma über deine Empfindungen), war aber nicht so von mir intendiert.
Zuletzt geändert von Odradek am 10. Nov 2017, 00:25, insgesamt 1-mal geändert.
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