Stuttgarter hat geschrieben:Allerdings sollte man dabei doch nicht außer acht lassen, dass ein Lovecraft ein Mensch des ausgehenden 19. Jahrhunderts war und vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs gestorben ist. Das macht seine rassistischen Ansichten nicht besser - aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob man ein Kind seiner Zeit ist oder ein Neonazi nach Auschwitz.
Natürlich macht es einen Unterschied, wenn man Lovecraft und Vikernes vergleicht. Aber dieser Vergleich ist für die Grundsatzfrage, ob die Person des Künstlers für die Rezeption des Werkes maßgeblich, nicht relevant. Wenn jemand also Vavra dafür kritisiert, die Kunst eines Neo-Faschisten zu genießen mit dem Hinweis, die Rezeption dessen Werkes sei eine unethische Würdigung des Künstlers, der wird für mein Dafürhalten nicht umgekehrt die Rezeption von Lovecraft - nur als Beispiel! - rechtfertigen können.
Entweder man räumt es dem Rezipienten ein, Werk und Künstler zu trennen, oder man tut es nicht. Wenn man es tut, so sei auch einzuräumen, dass jeder die Grenze des Erträglichen individuell für sich bestimmt. Ich kann auch verstehen, wenn jemand die Literatur von Lovecraft aufgrund dessen Rassismus für ungenießbar hält. Ebenso kann ich verstehen, wenn jemand Tom Cruise aufgrund dessen Verbindung zu Scientology nicht erträgt. Und auch kann ich verstehen, wenn man Burzum aufgrund der Ideologie von Vark Vikernes nicht erträgt. Aber wenn man prinzipiell einräumt, dass es möglich ist Werk und Künstler zu trennen, so solle man doch auch anderen ohne Zeigefinger die Freiheit gewähren, diese Grenze des Erträglichen für sich selbst zu ziehen. Man kann sich natürlich auch auf den Standpunkt stellen, dass Werk und Künstler nicht zu trennen sei. Den Standpunkt würde ich aber z.B. nicht einnehmen.
Ich lese gerne Lovecraft, auch in dem Wissen, dass der Urheber des Cthulhu-Mythos auch solchen Abfall geschrieben hat:
"When, long ago, the gods created Earth
In Jove's fair image Man was shaped at birth.
The beasts for lesser parts were next designed;
Yet were they too remote from humankind.
To fill the gap, and join the rest to Man,
Th'Olympian host conceiv'd a clever plan.
A beast they wrought, in semi-human figure,
Filled it with vice, and called the thing a Nigger."
Und das Werk dieses Mannes wird nun von Cyanide Studio "gewürdigt", in dem sie ein Cthulhu-Spiel entwickeln. Ich kann verstehen, wenn man einem das übel aufstoßt; ich kann aber auch verstehen, wenn es das nicht tut. Ich würde aber nicht suggerieren, dass Lovecraft-Leser Rassisten seien, mit Rassismus sympathisieren oder gar Rassismus unterstützen, indem sie Lovecraft hofieren. Diese Implikation wird aber gegenüber Vavra getätigt, lediglich aufgrund der Wahl seines Shirts. Wenn Journalisten sich auf diese Art von Berichterstattung nicht einlassen, begrüße ich das. Es geht um KD:C, nicht um Vavra. Und über dessen Einfluss ist bis zum Release nichts Belastbares zu sagen.
Stuttgarter hat geschrieben:Wagner ist ein tolles Beispiel. An ihm, seinem Weltbild und seinem Werk haben sich nämlich mittlerweile zigtausende Kulturschaffende, Kulturwissenschaftler, Historiker etc. kritisch abgearbeitet.
Und trotzdem höre Menschen immer noch gerne Wagner. Eben weil sie Werk und Künstler trennen können.