Andre Peschke hat geschrieben:Miilan hat geschrieben:Rassismus ist nur möglich, wenn da Macht mit im Spiel ist, weil die Weißen „in der Hackordnung“ weiter oben sind?
Ich bin weiß und wurde von Schwarzen in den USA als Nazi (weil ich Deutscher bin) beschimpft, angespuckt und massiv beleidigt. Die kannten mich gar nicht!
Ich hatte es weiter vorne schonmal im Thread geschrieben, dass masn vermutlich richtig sagen muss, dass Rassismus ohne Machtgefälle i.a.R. wirkungslos bleibt. Sprich: Wenn man auf die größeren Strukturen schaut und sich fragt, warum wir rassistischen Äußerungen unterschiedliches Gewicht beimessen, dann liegt das an diesen unterschiedlichen Postionen in der Hierarchie. [...]
Sehr gut auf den Punkt gebracht.
Eventuell als ergänzende Erklärung dazu:
'Rassismus' ist kein fixer Fachbegriff, sondern wird in unterschiedlichen akademischen und nicht-akademischen Kreisen diskutiert und unterschiedlich definiert sowie ausgelegt. Das ist häufig ein Problem, da in vielen Diskussionen über die eigene Filterblase hinaus 'Rassismus' häufig unterschiedlich aufgefasst wird.
So wie es sich für mich darstellt (ich habe das Panel noch nicht gehört, stütze mich also allein auf die WIedergaben hier im Thread), ist 'Rassismus' für Jan etwas, das sich im größeren Kontext darstellt. Andre hat das ja bereits erläutert. Je nach Auslegung kann diese Theorie soweit gehen, dass 'Rassismus' per se nicht von Schwarzen gegen Weiße existiert, da im größtmöglichen Kontext, nämlich global betrachtet, es ein klares Machtgefälle von Weiß zu Schwarz (und anderen nicht weiße Menschen) gibt. Du als Weißer bist also in der weltweit privilegierten Gruppe und kannst daher einzelne negative Erfahrungen machen, aber keine systematische Diskriminierung.
Der Ansatz geht stark mit der Critical-Whiteness-Bewegung einher, also (meist akademische) Weiße, die sich mit der Rolle und den Privilegien der eigenen Hautfarbe kritisch auseinander setzen.
Innerhalb dieser Definition lässt sich aber natürlich immer wieder diskutieren, in welchem Kontext ein systematisches Machtgefälle gegeben sein muss, um von Diskriminerung und Rassismus sprechen zu können. Ein Ansatz wäre die oben genannte globale Betrachtung.
Man könnte es natürlich auch anders sehen und etwa Strukturen in einzelnen Ländern als ausreichendes Machtgefälle auffassen. Dann wäre beispielsweise in einzelnen afrikanischen Staaten ein Rassismus gegenüber einer weißen Minderheit gegeben.
Oder man geht noch in kleinere Machtgefälle; die viel zitierte Berliner Schule kann in sich geschlossen auch ein Machtgefälle unter den Schülern haben. Oder Stadtteile in den USA etwa in Baltimore, die eine schwarze Mehrheitsbevölkerung haben.
Es ist also nicht immer klar definiert, während in politsch aktiven rassismusbekämpfenden Kreisen aber tatsächlich die globale Definition in den letzten Jahren sehr populär geworden ist.
Belegen könnte man sie auch damit, dass von globalen benachteiligten Gruppen (zB Schwarze) ausgehender Rassismus häufig ein emanzipierender Rassismus ist. Ich kenne da viele Beispiele aus persönlicher Erfahrung in Ostafrika, in denen ich als Weißer auch ab und an zu meinen Ungunsten anders behandelt werde. Ein häufiger Kanon ist dabei aber nicht, dass man als Weißer weniger wert oder dümmer oder sonstwas sei, sondern das Gefühl (was ja nicht unbegründet ist) von den Weißen schlechter behandelt oder unterdrückt zu werden. Man möchte sich von der weißen Bevormundung emanzipieren. Das trägt dann manchmal Früchte, wie dass ich als Weißer als einziger in einem schwarzen Kontext kontrolliert werde, meine Anträge bei einer Behörde genauer geprüft werden oder mündet in teils kruden Theorien, nach denen es die Weißen waren, die die verachtete Homosexualität nach Afrika gebracht hätten.
Das sind alles keine schönen Erfahrungen, basieren aber letztlich auf der Vormachtstellung und Bevormundung durch mehrheitlich weiße Staaten in Politik, Wirtschaft und Forschung sowie auf die koloniale Vergangenheit.
Auch bei den Schwarzen in Amerika (ich schreibe bewusst nicht USA) liegt zunächst eines der schlimmsten rassistischen Unheile der Geschichte zu Grunde: die Sklaverei. Im amerikanischen Kontext ausgehend eben von den Weißen und selbst nach der Abschaffung letztlich nur abgelöst von weiteren Diskriminerung und rassistischen Verachtungen eben jener. Daraufhin hat sich erst ein, wenn man so möchte, Gegenrassismus gebildet mit berühmten Vertretern wie Malcolm X.
Und wenn wir Deutsche im Ausland als Nazis geschimpft werden, ging dem auch einmal der Rassismus unserer Großväter voraus...
Das dürften in etwa die Gründe sein, warum Jan 'Rassismus' in der entsprechenden Form definiert bzw verwendet.
Wie gesagt - ist eine unter unterschiedlichen Theorien und Begriffsauffassungen.