Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

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Terranigma
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Naitomea hat geschrieben:Wenn dich sowas nicht interessiert und du das ignorierst, haben sie ihr Ziel erreicht.
Ich habe an keiner Stelle gesagt, dass mich sowas nicht interessiert. Aus der Aussage, dass mich Vavra als Privatperson nicht sonderlich interessiert, machst du nun, dass mich der Rechtsruck im öffentlichen Diskurs nicht interessieren würde. Ich sage es mal ehrlich: diese Unterstellung macht mich gerade ziemlich wütend, weil mich das Thema sehr umtreibt. Privat und "beruflich".


Ich würde bei einem Diskurs über KC:D nur gerne bei KC:D bleiben. Das war auch der Ausgangspunkt der Diskussion, wo die Behauptung aufgemacht wurde, KC:D könnte ein rassistisches Geschichtsbild propagieren - das lässt sich bisher nicht bestätigen. Wenn man über die AfD, Neurechte, usw. reden möchte, kann man das tun. Dafür scheint mir aber der Off-Topic der bessere Platz zu sein, weil es mit KC:D als Werk womöglich nicht viel zu tun. Oder auch doch - das wissen wir ja eben solange nicht, bis wir's alle gespielt haben.
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Naitomea
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Naitomea »

Das war aber nunmal ein wesentlicher Punkt des Ausgangsblogs und sogar einer von denen, die einigermaßen sauber argumentiert und recherchiert waren.
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DexterKane
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von DexterKane »

NDA hat geschrieben:
Naitomea hat geschrieben: Vavra hat durch das Spiel eine Öffentlichkeit und verbreitet in den Gesprächen darüber seine Weltansichten. Dies kann man kritisieren, komplett unabhängig davon, wie das fertige Spiel aussieht.
Dabei geht es darum, dass man Rechten nicht das Gefühl gibt, dass ihre Ansichten legitim und diskursfähig sind und eben ganz normal sind. Genau das versuchen AfD und Co. nämlich seit Jahren. Wenn dich sowas nicht interessiert und du das ignorierst, haben sie ihr Ziel erreicht.
Darum geht es im Ganzen hier also? Ernsthaft? Dann bin ich raus, das ist mir zu sehr "Friss oder Stirb" und "Exempel statuieren", Hauptsache sich moralisch überlegen fühlen. :?
Dem schließe Ich mich an.
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Ricer
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Ricer »

Terranigma hat geschrieben:
Kingdom Come: Deliverance" allerdings würde, im Licht der polemischen Ansagen Vávras betrachtet, die fast fotorealistische, detaillierte und interaktive Rollenspielversion einer neurechten, ideologisch höchst aufgeladenen Mittelaltervision sein.
Geschickterweise verwendet der Autor hier den Konjunktiv - "würde". Auch beim mehrmaligen Lesen verstehe ich den Satz allerdings nicht. Inwiefern "würde" KC:D eine "neurechte Mittelaltervision" sein? Der Konjunktiv ergibt sprachlich keinen Sinn, und wird wohl nur deshalb verwendet, weil der Autor selbst gar keine konkrete Aussagen treffen kann oder möchte. Er kleidet seine eigene Meinung als bloße Möglichkeit, wohl um sich dahinter verstecken zu können. Rhetorisch clever, aber nicht aufrichtig. Wenn er Anhaltspunkte hat zu sagen, dass KC:D eine neurechte Mittelalterversion ist, dann soll er diese Behauptung begründen. Das tut er allerdings nicht, sondern wirft lediglich eine denkbare - aber nicht notwendige - Möglichkeiten in den Raum, und meint, damit einen relevanten Diskussionsbeitrag geleistet zu haben.

Journalistisch finde ich das ehrlich gesagt einen ziemlich schäbigen Stil.
Das ist doch ähnlich argumentiert wie man es im Podcast gerne mit Einleitungen wie "Man könnte wenn man wöllte..." tut. Ich sehe das nicht als "geschickt" oder "schäbig", sondern eben als Konjunktiv. Einer Sache, der man sich nicht sicher sein kann. Die man genauer anschauen sollte. Fahrlässig bzw. schäbig wäre die Verwendung des Indikativs gewesen.
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Terranigma
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Ricer hat geschrieben:Das ist doch ähnlich argumentiert wie man es im Podcast gerne mit Einleitungen wie "Man könnte wenn man wöllte..." tut.
Auch im Podcast stößt mir das manchmal übel auf. Ich sehe da zwei Varianten: (1) Man argumentiert im Sinne eines Advocatus Diaboli - Jochen tut das öfters mal, und kennzeichnet das auch so. Das heißt man nimmt dezidiert eine Gegenposition bzw. eine kontroverse Position ein, die es durchaus gibt. Das tut der Autor im Artikel für mein Dafürhalten allerdings nicht, weil man derzeit eben noch gar keine Position zum Werk einnehmen kann, weil es das Werk bisher nicht gibt. (2) Man nutzt den Konjunktiv um die eigene Ansicht als unpersönliche Ansicht von "irgendwem" darzustellen, d.h. man behauptet etwas, stilisiert dies aber als rein fiktives Gedankenexperiment. Am Ende ist's aber ebenso eine Behauptung.

Auch auf ein "Man könnte wenn man wöllte..." folgt ja eine Behauptung. Die Einleitung im Konjunktiv ändert ja nichts daran, dass man etwas behauptet. Ob diese Behauptung nun der eigenen Ansicht entspricht, fiktiv oder von jemand anderen ist ändert ja nichts daran, dass diese Behauptung zu begründen ist. Und wenn man behauptet - ganz egal, mit welchem Nebensatz man das einleitet - dass KC:D die Mittelaltervision von Neurechten sei, dann sollte man dies am Werk auch verargumentieren. Wenn Jochen mit einem "Man könnte wenn man wöllte..." einsteigt, dann begründet er die folgende Behauptung immerhin auch, unabhängig davon, ob diese seiner Meinung entspricht aber nicht.

Finde es befremdlich, wie man einen kritischen Diskurs über die Geschichtsdarstellung in einem Spiel führen will, wenn das Spiel nicht erschienen und man es selbst noch gar nicht gespielt hat. Warten wir einfach ein paar Wochen ab, dann gibt es auch eine sachliche Grundlage für die Diskussion.
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Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Zu dem Konjunktiv: Eigentlich ist doch ganz klar, was gemeint ist.

"Oh Ironie: Einer der Schlachtrufe all jener, die sich im Zuge von GamerGate, dem sich Vávra verbunden gezeigt hat, überall in Spielen und Fachpresse von linker politischer Propaganda umgeben wähnten, war ja bekanntlich "Keep your politics out of my games"."Kingdom Come: Deliverance" allerdings würde, im Licht der polemischen Ansagen Vávras betrachtet, die fast fotorealistische, detaillierte und interaktive Rollenspielversion einer neurechten, ideologisch höchst aufgeladenen Mittelaltervision sein."

Anders gesagt:
Wenn man der Ansicht ist, dass Spieleentwickler und Fachpresse linke Propaganda verbreiten, dann käme man nicht umhin, KC:D als Vertreter der neurechten Propaganda zu sehen. Die Ironie dran ist dann, dass gerade die neurechten angeblich gar keine Politik in Spielen wollen. Es sich also um Doppelmoral handelt.
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Terranigma
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Ich stehe womöglich gänzlich auf dem Schlauch, aber mir ergibt sich der Gedankengang nicht. Es gibt keine Kausalität zwischen dem möglichen Urteil, dass Spieleentwickler und Fachpresse linke Progapaganda betreiben würden, und dem Urteil, dass KC:D ein Vertreter neurechter Propaganda sein. Das sind zwei Urteile, die sich nicht gegenseitig bedingen. Analog wäre es so, als würde ich den Artikel eines Journalisten, den ich gar nicht gelesen habe, bereits im Vorfeld als Vertreter von linksradikalen Gedankengut bezeichnen, lediglich deshalb, weil ich den Autor als polit. links einstufer. Urheber und Werk sind nicht dasselbe. Auch Lovecraft hat Texte geschrieben, die seine polit. Weltanschauung nicht zum Ausdruck bringen.

Es erschließt sich mir nicht, wie man KC:D als Vertreter neurechter Propaganda sehen will, ohne dass Spiel ja selbst gespielt zu haben. Der Umstand, dass der Chef-Entwickler wohl in diesem polit. Umfeld anzusiedeln ist, ist alleine kein notwendiger Grund, dass sich das auch im Spiel niederschlägt. Aber diese Gleichsetzung wird ja impliziert, und die sehe ich nirgends begründet. Auch der Autor begründet sie nicht, sondern stellt sie lediglich als Möglichkeit in den Raum. Ja, es ist möglich, dass KC:D genau das sein wird. Es ist ebenso möglich, dass es das nicht sein wird.

Warten wir ab, spielen es und entscheiden dann. Dann können wir auch mit Belegen streiten, anstatt uns nur im Raum von "vielleicht", "womöglich" und "könnte ja sein" zu bewegen. ;)
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Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Stuttgarter hat geschrieben:Wenn man der Ansicht ist, dass Spieleentwickler und Fachpresse linke Propaganda verbreiten, dann käme man nicht umhin, KC:D als Vertreter der neurechten Propaganda zu sehen
Aber nur dann, wenn man unterstellt/impliziert, dass Kingdom Come: Deliverance dieses rechte Geschichtsidyll vom rein weißen/kaukasischen Mittelalter ohne andere ethnische Einflüsse tatsächlich so darstellt. Das ist aber nach gegenwärtigem Kenntnisstand gar nicht der Fall. Andere Ethnien sind de facto seit mindestens 2016 im Spiel, die turkstämmigen Kumanen nämlich.

Inwiefern das zu Vatras Aussagen passt bzw. seltsam widersprüchlich erscheint und wie die konkrete Darstellung am Ende aussieht (bloß weil sie drin sind, kann die Darstellung ja trotzdem rassistische Untertöne usw. haben), ist sicherlich diskutabel und prüfenswert. Aber das Argument, Vavra propagiere in seinem Spiel das oben beschriebene rechte Idyll vom rassensegregierten Mittelalter nach europäisch-weißer Sehnsucht, ist zumindest anhand der monentan bekannten Faktenlage sachlich schlicht nicht haltbar.

Hier kann man nicht nur zwischen Autor und Werk trennen oder darüber diskutieren, inwiefern so eine Trennung Sinn ergibt - hier muss man. Denn die Behauptung ist einfach nachweislich nicht richtig.
Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Ich hab nur den diskutierten Konjunktiv übersetzt. Inhaltlich hab ich das nicht bewertet. :)
Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Terranigma hat geschrieben:Ich stehe womöglich gänzlich auf dem Schlauch, aber mir ergibt sich der Gedankengang nicht. Es gibt keine Kausalität zwischen dem möglichen Urteil, dass Spieleentwickler und Fachpresse linke Progapaganda betreiben würden, und dem Urteil, dass KC:D ein Vertreter neurechter Propaganda sein. Das sind zwei Urteile, die sich nicht gegenseitig bedingen. Analog wäre es so, als würde ich den Artikel eines Journalisten, den ich gar nicht gelesen habe, bereits im Vorfeld als Vertreter von linksradikalen Gedankengut bezeichnen, lediglich deshalb, weil ich den Autor als polit. links einstufer. Urheber und Werk sind nicht dasselbe. Auch Lovecraft hat Texte geschrieben, die seine polit. Weltanschauung nicht zum Ausdruck bringen.

Es erschließt sich mir nicht, wie man KC:D als Vertreter neurechter Propaganda sehen will, ohne dass Spiel ja selbst gespielt zu haben. Der Umstand, dass der Chef-Entwickler wohl in diesem polit. Umfeld anzusiedeln ist, ist alleine kein notwendiger Grund, dass sich das auch im Spiel niederschlägt. Aber diese Gleichsetzung wird ja impliziert, und die sehe ich nirgends begründet. Auch der Autor begründet sie nicht, sondern stellt sie lediglich als Möglichkeit in den Raum. Ja, es ist möglich, dass KC:D genau das sein wird. Es ist ebenso möglich, dass es das nicht sein wird.

Warten wir ab, spielen es und entscheiden dann. Dann können wir auch mit Belegen streiten, anstatt uns nur im Raum von "vielleicht", "womöglich" und "könnte ja sein" zu bewegen. ;)
Glaubst Du wirklich, dass die ganzen Neurechten, die sich über die links-Gutmensch-Propaganda in den Biowarespielen aufregen, die auch tatsächlich gespielt haben? :)

Dem Autor geht es an dem Punkt vermutlich wirklich nur darum, "WENN man [zB] Bioware Politik in Spielen vorwirft, DANN müsste man logischerweise KC:D auch Politik im Spiel vorwerfen aufgrund der Aussagen von Vavra".

Das heißt nicht, dass man den Vorwurf machen soll - es geht dem Autor da nur um Doppelmoral der Neurechten.
Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Stuttgarter hat geschrieben:Das heißt nicht, dass man den Vorwurf machen soll - es geht dem Autor da nur um Doppelmoral der Neurechten.
Wenn man der Argumentation folgt, wäre aber auch die Position "der Linken" Doppelmoral, weil sie die Politik der Neurechten ja auch nicht in "ihren" Spielen haben wollen. Das ist ja letztlich von beiden Seiten eine politische Forderung: Ich will eure Politik nicht in Spielen haben, denn die lehne ich fundamental ab, aber ich will, dass ihr aufhört, euch über meine zu beklagen. In der Konsequenz offenbart sich hier bei Spielen bloß das, was man gesellschaftlich inzwischen allerorten sieht: Dass die ideologischen Gemeinsamkeiten erodieren und keiner den anderen in seinem Baumhaus will.
Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Jochen hat geschrieben:
Stuttgarter hat geschrieben:Das heißt nicht, dass man den Vorwurf machen soll - es geht dem Autor da nur um Doppelmoral der Neurechten.
Wenn man der Argumentation folgt, wäre aber auch die Position "der Linken" Doppelmoral, weil sie die Politik der Neurechten ja auch nicht in "ihren" Spielen haben wollen. Das ist ja letztlich von beiden Seiten eine politische Forderung: Ich will eure Politik nicht in Spielen haben, denn die lehne ich fundamental ab, aber ich will, dass ihr aufhört, euch über meine zu beklagen. In der Konsequenz offenbart sich hier bei Spielen bloß das, was man gesellschaftlich inzwischen allerorten sieht: Dass die ideologischen Gemeinsamkeiten erodieren und keiner den anderen in seinem Baumhaus will.
Dem könnte man entgegnen, dass Homosexualität und eine diverse Gesellschaft keine "linke Politik", sondern ein Abbild des existierenden Zustands ist, wohingegen ein rein weißes Mittelalter Wunschvorstellung ist.
Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Stuttgarter hat geschrieben:Dem könnte man entgegnen, dass Homosexualität und eine diverse Gesellschaft keine "linke Politik", sondern ein Abbild des existierenden Zustands ist, wohingegen ein rein weißes Mittelalter Wunschvorstellung ist.
Könnte man. Aber das wäre in diesem Kontext argumentativ ein Strohmann. Denn ich habe ja nie behauptet, dass beide Seiten tatsächlich die gleiche moralische oder politische Legitimation besitzen. Sondern dass beide Seiten sie in völliger Überzeugung beanspruchen.
Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Jochen hat geschrieben:
Könnte man. Aber das wäre in diesem Kontext argumentativ ein Strohmann. Denn ich habe ja nie behauptet, dass beide Seiten tatsächlich die gleiche moralische oder politische Legitimation besitzen. Sondern dass beide Seiten sie in völliger Überzeugung beanspruchen.
Aber es macht doch auf rein objektiver Ebene einen Unterschied, ob ein Entwickler etwas reales aufnimmt oder ein anderer die Vergangenheit so darstellt, wie er sie gern hätte?

Edit: Ich beziehe mich immer noch auf die Konjunktiv-Aussage von Herrn Sigl - bevor wieder der Hinweis kommt, dass wir das noch gar nicht beurteilen können, solange das Spiel nicht drausen ist.
Peninsula
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Peninsula »

Terranigma hat geschrieben:Es erschließt sich mir nicht, wie man KC:D als Vertreter neurechter Propaganda sehen will, ohne dass Spiel ja selbst gespielt zu haben.
Indem der Chefentwickler es durch ideologisch gefärbte Äußerungen, die direkt auf den Produktionsprozess des Spiels Bezug nehmen, in diesen Kontext stellt und instrumentalisiert. Für diesen Teil der Beobachtung ist der Spielinhalt nahezu unerheblich.

Ich erinnere mich daran, dass sich bei den Dreharbeiten zum Film "Der Untergang" Neonazis als Komparsen eingeschlichen hatten, und im Anschluss von der "authentischen Atmosphäre" und der Begegnung mit "dem Führer" geschwärmt haben (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/k ... 97009.html" onclick="window.open(this.href);return false;).

Dies waren nur Komparsen, dennoch hielt man es offenbar für berichtenswert - und hat diesen einen Aspekt des Filmdrehs kritisch diskutiert. Um diesen Aspekt zu diskutieren, musste man den Film nicht gesehen haben.

Wenn aber der Regisseur etwas Begeistertes gesagt hätte, wie: "Als da am Set der Hitler vor mir stand, war ich total ergriffen und habe eine Gänsehaut bekommen." Dann wäre der Film, selbst wenn er inhaltlich mit "Der Untergang", wie man ihn heute kennt, identisch wäre, in einem ganz anderen Licht erschienen (wenn überhaupt) und beurteilt worden.

Context is King(dom Come: Deliverance).
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Lord MacLeod
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Lord MacLeod »

Stuttgarter hat geschrieben: Dem könnte man entgegnen, dass Homosexualität und eine diverse Gesellschaft keine "linke Politik", sondern ein Abbild des existierenden Zustands ist, wohingegen ein rein weißes Mittelalter Wunschvorstellung ist.
Aber das bestreitet doch auch niemand... :think:
Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Stuttgarter hat geschrieben:Aber es macht doch auf rein objektiver Ebene einen Unterschied, ob ein Entwickler etwas reales aufnimmt oder ein anderer die Vergangenheit so darstellt, wie er sie gern hätte?
Ich würde nicht unbedingt von einer objektiven Ebene sprechen. Dragon Age: Inquisition beispielsweise ist in dieser Hinsicht zunächst ebenso eine Fantasie wie Kingdom Come. Nicht im Sinne von "Fantasy", sondern im Sinne von "das ist ein gesellschaftlicher Entwurf, in dem wir leben wollen würden." Der in meinen Augen relevante Unterschied liegt in der Frage, ob die Fantasie ein- oder ausschließt. Und wen. Und aus welchen Gründen.

Kunst bildet nie "die Realität" oder "die Geschichte" ab, sondern immer eine Perspektive davon, die sozial und kulturell konstruiert und geprägt ist. Dass Frauen eine gleichwertige Rolle in der Gesellschaft einnehmen oder Homosexualität normal ist, ist nur dann "Realität", wenn das in deinem sozialen und kulturellen Umfeld tatsächlich der Fall ist. Für einen saudi-arabischen Mann beispielsweise ist das ziemlich weit von "Realität" entfernt. Und die Freude über mehr Diversität in Spielen rührt ja auch nicht ursächlich daher, dass diese Diversität Realität sei, sondern dass sie das sein sollte.
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Felidae
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Felidae »

Jochen hat geschrieben:
Stuttgarter hat geschrieben:Aber es macht doch auf rein objektiver Ebene einen Unterschied, ob ein Entwickler etwas reales aufnimmt oder ein anderer die Vergangenheit so darstellt, wie er sie gern hätte?
Ich würde nicht unbedingt von einer objektiven Ebene sprechen. Dragon Age: Inquisition beispielsweise ist in dieser Hinsicht zunächst ebenso eine Fantasie wie Kingdom Come. Nicht im Sinne von "Fantasy", sondern im Sinne von "das ist ein gesellschaftlicher Entwurf, in dem wir leben wollen würden." Der in meinen Augen relevante Unterschied liegt in der Frage, ob die Fantasie ein- oder ausschließt. Und wen. Und aus welchen Gründen.
Ja, die Entwickler von DA:I haben ihr Ideal in dem Spiel abgebildet aber dennoch hat DA:I ja ein Fantasy-Setting und KC:D ein (pseudo-)historisches Setting. Die Fantasie der Bioware-Leute beruht auf dem Bild einer liberalen Gesellschaft, welche es auch in der Realität gibt (s. z.B. die Möglichkeit der Eheschließung für Homosexuelle). Es wird also nichts dargestellt, was so nicht existiert (von den Fantasy-Aspekten abgesehen :D ).
Jochen hat geschrieben:Kunst bildet nie "die Realität" oder "die Geschichte" ab, sondern immer eine Perspektive davon, die sozial und kulturell konstruiert und geprägt ist. Dass Frauen eine gleichwertige Rolle in der Gesellschaft einnehmen oder Homosexualität normal ist, ist nur dann "Realität", wenn das in deinem sozialen und kulturellen Umfeld tatsächlich der Fall ist. Für einen saudi-arabischen Mann beispielsweise ist das ziemlich weit von "Realität" entfernt. Und die Freude über mehr Diversität in Spielen rührt ja auch nicht ursächlich daher, dass diese Diversität Realität sei, sondern dass sie das sein sollte.
Die Lebensrealität der Entwickler sieht, dort in Kanada, womöglich auch tatsächlich so (liberal bzw. vielfältig) aus und somit stellen sie letztendlich nur das dar, was sie erleben. Sie haben ja nie behauptet, dass diese Diversität auch überall in unserer Welt vorzufinden ist (auch wenn die Akzeptanz und Gleichstellung von z.B. homosexuellen Menschen in der westlichen Welt ja tatsächlich zunimmt). Daher ist das was völlig anderes als zu behaupten, dass zur Zeit X Gruppe Y nicht in Region Z anzutreffen war.
Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Jochen hat geschrieben:
Kunst bildet nie "die Realität" oder "die Geschichte" ab, sondern immer eine Perspektive davon, die sozial und kulturell konstruiert und geprägt ist. Dass Frauen eine gleichwertige Rolle in der Gesellschaft einnehmen oder Homosexualität normal ist, ist nur dann "Realität", wenn das in deinem sozialen und kulturellen Umfeld tatsächlich der Fall ist.
Bioware sitzt in Kanada - Kanada gilt als eins der liberalsten Länder der Welt. Die homosexuelle Ehe gibt es dort seit 2005.

Insofern könnte man trefflich argumentieren, dass Bioware tatsächlich gar keine "politische Agenda" verfolgen - sondern schlicht das in ihre Spiele bringen, was sie vor der eigenen Haustür sehen. Ihr habt Euch ja mal in einem Podcast drüber ausgelassen, dass Bioware-Mitarbeiter gern behaupten, sie würden gar keine Politik machen. Vielleicht nehmen die das ja tatsächlich so wahr?
Voigt
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Voigt »

An sich werden die Entwickler schon wissen wie die Situation zumindest in den USA ist, und das USA Hauptabsatzmarkt für ihre Spiele sein wird. Die sind kein Indieentwickler nur für den eigenen kanadischen Markt.
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