Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

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Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Terranigma hat geschrieben:Ob ich über das Skillsystem, die technische Umsetzung oder die Entwicklung einer Handlung spekuliere - d.h. ausgehend von Informationen weitere Überlegungen anstelle - scheint sich mir maßgeblich davon zu unterscheiden, ein Spiel spekulativ mit Worten wie "rassistisch", "rechstextremistisch", usw. in einen Zusammenhang zu bringen
Again: Ich habe nicht gesagt, dass man das Spiel spekulativ als rassistisch oder rechtsextrem bezeichnen solle. Ich habe im Gegenteil sogar explizit im Panel gesagt, dass man mit solchen Vorwürfen sehr vorsichtig umgehen müsse. Was ich sagte, war: Die Information, dass eine solche Diskussion intensiv geführt wurde (und zwar schon weit vor diesem konkreten Blogeintrag) und Vorwürfe über ein vermeintlich schräges Geschichtsbild im Raum stehen, ist mir als "mündiger" Leser nicht minder wichtig wie vorläufige Informationen über Skillsysteme oder Hardwareanforderungen.
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kami
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

Jochen hat geschrieben:Diese Diskussion fand nachweislich statt, war kontrovers und wurde durch einen der verantwortlichen Entwickler maßgeblich mitgestaltet - schon mehrere Jahre vor diesem Blogeintrag. Die Information über die Existenz der Debatte würde ich als Leser von einer umfangreichen Vorberichterstattung erwarten.
Ich lese nun wirklich auf einer ganzen Menge Spieleseiten, auch englischsprachigen, trotzdem ist diese Debatte offenbar völlig an mir vorbeigegangen. Wo hat sie denn stattgefunden?
Moment. Ich habe nie gesagt, dass ich diese konkrete Form der Auseinandersetzung mit dem Thema fordere. Im Gegenteil: Ich habe im Panel sogar recht explizit gesagt, was ich an diesem Beitrag problematisch finde. Man kann (und sollte in meinen Augen auch) zu dem Schluss gelangen, dass es das fertige Spiel benötige, um eine fundierte Aussage über sein Geschichtsbild zu treffen. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass man die öffentliche Diskussion darum ignorieren solle oder müsse. Ich fand die Diskussion sogar ausgesprochen interessant. Sauber journalistisch aufbereitet hätte sie in meinen Augen einen erheblichen Mehrwert für eine Vorberichterstattung geliefert (immer ausgehend von der Annahme, das sei nicht passiert - wie im Panel schon erwähnt, habe ich die Vorberichterstattung nicht intensiv verfolgt). Ganz ohne Pranger und Rassismus-Vorwürfe.
Da schließe ich mich dir weitestgehend an. Tatsächlich hat mich an dem Blogbeitrag weniger das "Was" gestört, sondern eher das "Wie". Wobei angesichts der schludrig-polemischen Herangehensweise sogar die grundsätzliche Problematik in Frage gestellt wurde.
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Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

kami hat geschrieben:Ich lese nun wirklich auf einer ganzen Menge Spieleseiten, auch englischsprachigen, trotzdem ist diese Debatte offenbar völlig an mir vorbeigegangen. Wo hat sie denn stattgefunden?
In durchaus lesenswerter Form zum Beispiel hier:

https://kotaku.com/my-e3-meeting-with-a ... 1715511964" onclick="window.open(this.href);return false;
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Terranigma
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Jochen hat geschrieben:Die Information, dass eine solche Diskussion intensiv geführt wurde (und zwar schon weit vor diesem konkreten Blogeintrag) und Vorwürfe über ein vermeintlich schräges Geschichtsbild im Raum stehen, ist mir als "mündiger" Leser nicht minder wichtig wie vorläufige Informationen über Skillsysteme oder Hardwareanforderungen.
Ich sehe da deinen Punkt, und wenn ich dich richtig verstehe, meinst du: Die legitime Spekulation siehst du nicht darin, Entwickler aufgrundlage dürftiger Indizien in eine Ecke mit "Rassismus", "Rechtsextremismus", usw. zu stellen. Aber da diese Vorwürfe in den Raum gestellt wurden - nicht von euch - siehst du ein journalistisches Interesse darin, über die Vorwürfe, die nun eben im Raum stehen, offen zu reden. Insofern läge der journalistische Beitrag nicht darin, selbst Spekulation und Vorwürfe in diese Richtung anzustellen, sondern vielmehr über die Spekulationen und Vorwürfer anderer Journalisten zu berichten. Dies mit dem Hinweis, dass es diese Diskussion gibt und der Leser ein Interesse daran haben dürfte, mehr darüber zu erfahren.


Wie gesagt, ich verstehe den Gedankengang. Gleichwohl denke ich mir dabei, dass wenn ihr die Vorwürfe - und es sind Vorwürfe, nicht bloß nüchterne Spekulationen - derart aufgreift, ihr sie damit eben auch verbreitet. Ihr seid als Journalisten ja Multiplikatoren, und sorgt dafür, dass überhaupt eine größere Öffentlichkeit von diesen Vorwürfen etwas erfährt. Um mal beim Kachelmann-Beispiel zu bleiben: auch da hat eine Person der anderen Person etwas vorgeworfen, in diesem Fall eine Vergewaltigung. Bis zu dem Zeitpunkt, wo Journalisten diesen Vorwurf aufgriffen, war es keine öffentliche Angelegenheit, denn die Öffentlichkeit erfährt erst mittels Journalisten davon. Das heißt Journalisten schufen eine Öffentlichkeit, die ein Interesse an dem Fall entwickelt, und sagen dann, dass es ja nun eine Öffentlichkeit gibt, und man deshalb auch weiterhin darüber berichten solle. Und da war's eben so, dass die Worte "Kachelmann" und "Vergewaltiger" in einen Zusammenhang gesetzt wurden, und trotz Gerichtsurteil noch viele Menschen diesen Zusammenhang im Kopf haben dürften.


Selbiges ließe sich über KC:D sagen. Ich kann verstehen, wenn man über solche Vorwürfe berichtet - "Es gibt ein öffentlichse Interesse" - aber ich kann ebenso verstehen, wenn man nicht berichtet - "Wir wollen uns nicht an der Verbreitung von unbewiesenen Anschuldigen beteiligen." Wie wäre da dein Standpunkt? Kannst du die andere Perspektive nachvollziehen? Wäre vielleicht mal eine Frage für ein Mailbag, mmh.
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kami
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

Jochen hat geschrieben: In durchaus lesenswerter Form zum Beispiel hier:
https://kotaku.com/my-e3-meeting-with-a ... 1715511964" onclick="window.open(this.href);return false;
Verdammt, ich hätte anmerken sollen, dass mir nun ausgerechnet dieser Artikel bekannt ist, wenn auch erst nach dem deutschen Blogposting. Aber qualifiziert sich dieser eine Beitrag tatsächlich als die Art kontroverser Diskussion, die notwendigerweise in Previews zum Spiel erwähnt werden muss? Überzeugt bin ich davon nicht.
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Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Journalisten können es aber auch machen, wie sie wollen, und es ist verkehrt. Erinnert sich noch jemand an den gewaltigen Protest nach der Kölner Silvesternacht, als die Presse nicht sofort berichtet hat sondern erst nähere Erkenntnisse abwarten wollte?
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Terranigma
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Stuttgarter hat geschrieben:Journalisten können es aber auch machen, wie sie wollen, und es ist verkehrt.
Sorry, aber das ist zu simpel.

Ja, irgendwer wird immer an etwas anstoß nehmen. Aber diejenigen, welche die ausbleibende Berichterstattung über die Silvesternacht in Köln kritisiert waren, sind wohl nicht dieselben, welche die jetzige Berichterstattung über KC:D kritisch sehen. Ich z.B. fand es gut, dass man über Köln solange nicht berichtet hat, bis es eine solide Faktenlage gab. Und auch in anderen Fällen ziehe ich es vor, wenn man nicht berichtet, solange man außer Spekulationen nichts zu berichten hat. Und ich ziehe es auch vor, wenn Journalisten nicht als Multiplikatoren für Vorwürfe fungieren, solange die Vorwürfe nicht verifizierbar sind.

Ich akzeptiere es ja, falls Jochen da eine andere Sichtweise hat. Ich wäre nur neugierig, wie der Standpunkt dazu aussieht. Ich mache hier ja selbst keinen Vorwurf, oder sage "das ist falsch" - ich kann Argumente für beide Perspektiven sehen.
Zuletzt geändert von Terranigma am 12. Feb 2018, 19:33, insgesamt 2-mal geändert.
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Desotho
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Desotho »

Kingdom Come: Deliverance: Einführung ins Spätmittelalter
http://www.4players.de/4players.php/tvp ... eil_1.html" onclick="window.open(this.href);return false;
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Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Terranigma hat geschrieben:Wie gesagt, ich verstehe den Gedankengang. Gleichwohl denke ich mir dabei, dass wenn ihr die Vorwürfe - und es sind Vorwürfe, nicht bloß nüchterne Spekulationen - derart aufgreift, ihr sie damit eben auch verbreitet. Ihr seid als Journalisten ja Multiplikatoren, und sorgt ja erst dafür, dass überhaupt eine größere Personengruppe von diesen Vorwürfen etwas erfährt. Und da bleibe ich mal beim Kachelmann-Beispiel: auch da hat eine Person der anderen Person vorgeworfen, sie vergewaltigt zu haben
Hier spielen mehrere Aspekte eine gewichtige Rolle:

1. Die Forderung lautete nicht, über jeden nicht substanzierten Vorwurf zu berichten. In diesem konkreten Fall handelt es sich eben nicht - wie im Falle deines Kachelmann-Beispiels - um einen für Journalisten nicht verifizierbaren, strafrechtlich massiv relevanten Vorwurf, sondern um eine in der Öffentlichkeit geführte Diskussion, an der u.a. auch einer der hauptverantwortlichen Entwickler maßgeblich federführend war. Um ein aktuelles Beispiel zu bemühen: Wenn der Co-Entwickler von Counter Strike wegen des Verdachts von Kindesmissbrauchs verhaftet und darüber in internationalen Medien unter Nennung seines vollständigen Namens berichtet wird, dann ist das in meinen Augen verachtenswerter Boulevard, unabhängig davon, ob der Mann schuldig ist oder nicht. Es bedient außer Sensationsgier kein öffentliches bzw. fachliches Interesse. Es hat nicht das Geringste mit dem Spiel zu tun. Wenn hingegen der verantwortliche Chef-Entwickler eines Spiels in der Öffentlichkeit über das Geschichtsbild seines Spiels (kontrovers) diskutiert, ist das eine andere qualitative Baustelle.

2. Die Nennung der Vorwürfe entbindet selbstverständlich nicht von journalistischer Einordnung. Ich bin insofern ganz bei dir, dass ich "Leute im Netz nennen Daniel Vavra einen Rassisten" für eine unzulängliche journalistische Aufarbeitung hielte. Aber das war ja nicht meine Forderung. Gerade wenn solche Vorwürfe im Raum stehen, ist es in meinen Augen Pflicht der Presse, sie dezidiert und nüchtern aufzubereiten. Es geht nicht darum, diese Vorwürfe ungefiltert weiterzutragen, sondern zu beantworten: Woher und in welchem Kontext stammen sie? Wie und in welchem Kontext wurde auf diese Vorwürfe reagiert? Inwiefern kann man sie nach aktuellem Stand der Dinge substanzieren?

3. Die Frage, ob die Anschuldigung grundsätzlich plausibel und auf einem für die Berichterstattung geeigneten Fundament steht, muss positiv beschieden sein. Bloß weil jemand im Netz irgendetwas behauptet oder vorwirft, indiziert keine Grundlage. Im Falle von Kingdom Come - und da kann man durchaus unterschiedlicher Auffassung sein - halte ich die Vorwürfe in der Summe für ausreichend begründet, um darüber zu berichten. Wohlgemerkt: zu berichten. Nicht zuzustimmen. Nicht zu einem abschließenden Urteil zu gelangen. Aber zu berichten. Also den Leser/Hörer/Zuschauer zu informieren, dass diese Diskussion existiert, damit er sich auf Basis einer sachlichen Berichterstattung ein eigenes Urteil bilden kann.

4. Meine Berichterstattung sollte ausgewogen sein. Wenn ich z.B. über Monate/Jahre hinweg insinuiere (für den Fremdwort-Thread: unterstelle bzw. andeute), dass Spiel XY das authentischste Spiel der Welt sei und dann im Sinne von Punkt 3.) zunächst plausible Gegenargumente nicht an meine Hörer/Leser/Zuschauer weitergebe, dann mache ich mich zum PR-Sprachrohr des Herstellers. Das war auch der Kern meiner Argumentation zu der Preview-inhärenten Spekulation: Ich kann nicht dauernd ungefiltert die Markenbotschaften des Herstellers unbesehen übernehmen und dann bei der Gegenargumentation sagen: Aber jetzt müssen wir aufs fertige Spiel warten. Oder um es anders zu formulieren: In einer idealen Pressewelt hätte man die jahrelang kolporierten Behauptungen von Warhorse (die ja durchaus historisch korrekt sein können - ich bin kein Historiker) überprüft, anstatt jetzt zu sagen: Also bevor wir über die Vorwürfe sprechen, müssen wir das fertige Spiel kennen. Dieser "burden of proof" ist keine Einbahnstraße.
Coti86
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Coti86 »

Decius hat geschrieben:Dimitry Halley sagte im GS-Premium-Video zu seinen 30h bisher gespielten Spielstunden, dass die Kiptschak wohl nicht über (gesichtslose?) Bösewichte hinauskommen.

Generell ist sein "ich würde was zwischen 70 bis 80 vergeben" doch etwas ernüchternd.
Das ging leider etwas unter. Kannst du mir als nicht Premium Mitglied etwas genauer seine Kritikpunkte erläutern?

Edit:
Desotho hat geschrieben:Kingdom Come: Deliverance: Einführung ins Spätmittelalter
http://www.4players.de/4players.php/tvp ... eil_1.html" onclick="window.open(this.href);return false;
Das Video habe ich auch vorhin gesehen. Wie immer gute Arbeit von Jörg, sehr empfehlenswert!
Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

kami hat geschrieben:Verdammt, ich hätte anmerken sollen, dass mir nun ausgerechnet dieser Artikel bekannt ist, wenn auch erst nach dem deutschen Blogposting. Aber qualifiziert sich dieser eine Beitrag tatsächlich als die Art kontroverser Diskussion, die notwendigerweise in Previews zum Spiel erwähnt werden muss? Überzeugt bin ich davon nicht.
Die Frage im Panel an mich, auf die du dich in deinem Eingangsposting zu diesem Thema anscheinend beziehst, lautete: Ist es ein Versagen der Presse, wenn sie diese Vorwürfe im Rahmen einer umfangreichen Vorberichterstattung nicht erwähnt hat? Und meine Antwort lautete: Wenn diese Vorwürfe nie Erwähnung fanden (was ich aufgrund des fehlenden Überblicks über die Vorbereichterstattung nicht abschließend beurteilen kann und deshalb in den Konjunktiv setzen muss), ja, dann handelt es sich um ein Versagen, weil diese Vorwürfe nebst den Reaktionen von Daniel Vavra bei einer Recherche des Themas sofort ins Auge stechen. Die Twitter-Diskussionen von Vavra et al, die zahlreichen Interviews zum Thema Gamergate (wo es übrigens häufig auch sehr konkret um die Vorwürfe gegen Kingdom Come geht), die Artikel von Kotaku und Co. usw. hatte ich in Vorbereitung auf das Panel in zehn Minuten beisammen, ohne mich vorher mit dem Spiel auseinandergesetzt zu haben. Dass sie einem "normalen" Beobachter nicht aufgefallen sind, wundert mich nicht. Aber ein Journalist, der sein Thema recherchiert, kann sie unmöglich übersehen.
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kami
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

Nee, das sehe ich wirklich anders als du. Du stellst Erwartungen an ein Spielemagazin, das diese nie zu erfüllen versprochen hat.
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Ricer
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Ricer »

kami hat geschrieben:Nee, das sehe ich wirklich anders als du. Du stellst Erwartungen an ein Spielemagazin, das diese nie zu erfüllen versprochen hat.
Wenn Spielemagazine Produkttests machen und formale Checklisten abarbeiten hast du recht. Wenn Spielemagazine Journalismus machen (wollen) und Rezensionen schreiben, dann habe ich dieselben Erwartungen wie Jochen.
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Pan Sartre
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Pan Sartre »

Also ich stimme Jochen zu. Spielemagazine berichten gern über die Entwicklungshintergründe und auch über Schlüsselpersonen der Spieleentwicklung. Wie viele Spielejournalisten haben sich seiner Zeit von Richard Garriott in seine Burgvilla einladen lassen, um danach über seine Schrulligkeit zu schreiben. Teilweise kenne ich durch solche Reportagen bekannte Namen der Spieleindustrie, denen ich nicht mal irgendwelche Spiele zuordnen kann. Deswegen kann ich der Behauptung, persönliche Einstellungen, "Eigenheiten" von und Gossip über Spieleentwickler wären noch nie Teil der Berichterstattung gewesen, nicht nachvollziehen. Ob GS oder PcGames im Allgemeinen derartige Versprechungen machen oder Erwartungen beim Leser erwecken, ist für mich irrelevant, denn wenn sie es für "interessant" halten, berichten sie gern über die Hintergründe. Warum also nicht 1 - 2 Sätze, die die "Schrulligkeit" Vavras erwähnen, wenn er diese schon allzu oft selbst raushängen lässt?
Ich sehe auch keinen gravierenden Nachteil für den Entwickler. Für mich war KC:D bisher eher ein Kandidat, den ich mir irgendwann mal vielleicht in einem Sale für 5-10€ mitgenommen hätte. Durch die ganze Diskussion ist mir das Spiel soweit in mein Bewusstsein gerutscht, dass ich es mir vermutlich doch viel früher holen werde, auch wenn ich Gefahr laufe, aus anderen Gründe auf die Nase zufallen (scheiß Gameplay, langeweilige Story, etc.). Ich bin einfach neugierig, ob mir entsprechende Kritikpunkte selbst im Spiel auffallen, aber genauso reizt mich die optische Darbietung, deren immersive Gewalt ich trotzdem genießen kann, sollte es sich als Geschichts klitterndes Machwert herausstellen.
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kami
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

Ein etwas haarsträubender Vergleich. Das eine ist die schrullige Hinter-den-Kulissen-Geschichte über einen der damals bekanntesten Entwickler überhaupt, das andere sind Statements eines wenig bekannten Spieleentwicklers, die dieser abseits der Spieleszene von sich gegeben hat, über die jetzt aber gefälligst auch zu berichten sei? Warum sollte sich eigentlich ein Redakteur hinsetzen und mal eben aufs Blaue die Twitter-Feeds von Entwicklern durchforsten in der Hoffnung, auf Skandalöses zu stoßen? Oder auf einer Seite wie Breitbart nach Interviews suchen. Oder auch nur bei Google nach Entwicklername + Kontroverse suchen. Das wurde nirgendwo sonst gemacht, und natürlich wurde es auch in diesem Fall nicht gemacht, bzw erst, als es einen Anlass gab.
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

kami hat geschrieben:Ein etwas haarsträubender Vergleich. Das eine ist die schrullige Hinter-den-Kulissen-Geschichte über einen der damals bekanntesten Entwickler überhaupt, das andere sind Statements eines wenig bekannten Spieleentwicklers, die dieser abseits der Spieleszene von sich gegeben hat, über die jetzt aber gefälligst auch zu berichten sei? Warum sollte sich eigentlich ein Redakteur hinsetzen und mal eben aufs Blaue die Twitter-Feeds von Entwicklern durchforsten in der Hoffnung, auf Skandalöses zu stoßen? Oder auf einer Seite wie Breitbart nach Interviews suchen. Oder auch nur bei Google nach Entwicklername + Kontroverse suchen. Das wurde nirgendwo sonst gemacht, und natürlich wurde es auch in diesem Fall nicht gemacht, bzw erst, als es einen Anlass gab.
Wo wurde geschrieben, dass Spielejournalisten explizit danach suchen sollen? Die Aussage war, dass man mittlerweile, wenn man was zu KC:D schreiben will, mit ein paar Mausklicks sieht, dass der Chefentwickler einige zumindest fragwürdige Positionen vertritt.

Und inwiefern ist "Gamergate" und eine Diskussion zu "Witcher" bitte "abseits der Spieleszene"? Oder ein Auftritt auf einer Spielemesse?
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kami
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

Stuttgarter hat geschrieben:Wo wurde geschrieben, dass Spielejournalisten explizit danach suchen sollen? Die Aussage war, dass man mittlerweile, wenn man was zu KC:D schreiben will, mit ein paar Mausklicks sieht, dass der Chefentwickler einige zumindest fragwürdige Positionen vertritt.
Jetzt hat man sich ja auch damit beschäftigt. Wenn man weiß, wonach man suchen soll, dann findet man die Ergebnisse. Zuvor wusste man jedoch nicht einmal, dass man suchen sollte.
Stuttgarter hat geschrieben:Und inwiefern ist "Gamergate" und eine Diskussion zu "Witcher" bitte "abseits der Spieleszene"? Oder ein Auftritt auf einer Spielemesse?
Daniel Vavra äußerte diese Statements nicht in Interviews mit bekannten Spielemedien, sondern auf Twitter und einem Breitbart-Interview. Das ist abseits. Und das Interview mit dem T-Shirt? Müssen Spieleredakteure tatsächlich mit Black- oder Death-Metal-Bands und deren eventuellem faschistischem Background vertraut sein?
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kami
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

http://www.gamestar.de/community/user/k ... 17738.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Ein lesenswerter GameStar-Blog-Eintrag, der sich mit dem von Heinemann gemachten Vorwurf des Authentizitäts-Hypes beschäftigt.
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Pan Sartre
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Pan Sartre »

Ich verstehe nicht, warum du vehement dafür plädierst, etwas zu trennen, was nun mal nicht trennbar ist? Würde (rein theoretisch!) Vavra jetzt selbstbewusst bei Europas größter Neonazi-Demo mitmarschieren oder sich in einer Tschechisch-Faschistischen Partei engagieren, möchte ich das als Käufer seiner Werke wissen, selbst wenn er sich zu seiner politischen Einstellung in Computermagazinen oder in anderen Spielejournalistischen Medien nicht geäußert hätte. Als Schaffender eines komplexeren Werkes ist es nun mal sehr wahrscheinlich, dass eine radikale Ideologie irgendwo darin einfließt. Im Wissen darum, kann ich darauf achten. Wir reden ja hier nicht über einen Handwerker, der trotz einer radikalpolitischen Einstellung ein komplett ideologiefreies Produkt anbieten kann.
Heute morgen habe ich mir übrigens die Collectors Edition bei GameStop bestellt. Das hätte ich ganz sicher nicht gemacht, wenn ich Vavras Verhalten als unvertretbar betrachten würde!
Zuletzt geändert von Pan Sartre am 13. Feb 2018, 09:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Puschkin
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Puschkin »

kami hat geschrieben:http://www.gamestar.de/community/user/k ... 17738.html

Ein lesenswerter GameStar-Blog-Eintrag, der sich mit dem von Heinemann gemachten Vorwurf des Authentizitäts-Hypes beschäftigt.
Also wer den Thread hier gelesen hat wird nichts neues erfahren.

Schade dass dieser Blogartikel nicht einen eigenen Gedanken entwikckelt. Gerade was die Authentizitätsdebatte angeht, hat der Autor das Problem nicht ungenau erfasst oder geht nicht über die ungenaue Erfassung im Artikel von Heinemann hinaus.

Das Marketing von Warhorse lanciert seit dem Anfang an wie authentisch KCD sei. Das sie Historiker*innen hinzuziehen, das es in einer festdefinierten Zeit spielt und an Orten "wo man heute noch hingehen kann".
Und die Presse schreibt das oft so. Was die Presse aber eben wenig macht ist auszudifferenzieren: Hier sind die nach Vorbildern akkurat gestalteten Kulissen und Kostüme. Die Geschichte die das Spiel erzählt ist aber im Kern eine (post)moderne im heutigen jetzt erfundene.
Es wird alles unter den Schirm der Authentizität gestellt. Die Story im Spiel kann aber nicht authentisch sein.

Es wird auch zuwenig darauf eingegangen wie auch Geschichtsrezeption vom Zeitgeist geprägt wird. Also wie prägen sich Leute zu einer bestimmten Zeit ihre Rosinen aus dem Kuchen? All die Erklärungen wie die Machtpolitische Ausgangslage 1400 aussah ist nicht schlecht, aber wenn man es nicht um die Analyse ergänzt wird, wer leitet was aus dieser Geschichte ab? Z.B. die Hussitenkriege als tschechischer Nationalmythos. Das Mittelalter als Projektionsfläche antidemokratischer Phantasien, "wo ein starker Mann das Reich regierte". uvm.

Was ich mich ja frage ob es so eine dystopische Story wird wo der "Kleine Mann" nur auf den Schweiß im Angesicht seiner Hände Arbeit vertrauen kann und eigentlich alle Adligen nur korrupte Schnösel sind die wie "Parasiten" von den Tschechen leben. Natürlich ist aber Autorität immer noch gut sofern sie von tschechischen Adligen oder der Familie kommt.
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