Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

Stuttgarter hat geschrieben:In meinen Augen hat dieser Blog aus dem Eingangsposting eine wichtige Aufgabe erfüllt - er hat Aufmerksamkeit auf berechtigte Fragen gelenkt.
Welche wichtigen Fragen meinst du denn konkret? Denn für mich stellt sich das Ganze eher so dar, dass jetzt eben nicht über die wichtigen Fragen wie etwa das systematische "Whitewashing" der europäischen Geschichte gesprochen wird (weil das konkrete Beispiel diese Diskussion einfach nicht hergibt, obwohl sie vermeintlicher Angelpunkt ist), sondern darüber, ob das Tragen eines Burzum-T-Shirts einen nun zum Rassisten macht oder nicht. Ich entnehme der breiten Debatte keinen relevanten Erkenntnisgewinn, der über "Daniel Vavra hat fragwürdige politische Ansichten" hinausgeht. Und auch das steht vielerorts in Abrede, wo stattdessen die ermüdende "Gamer vs. SJWs"-Diskussion wieder aufflammt. Der breite Konsens lautet ja nicht: Oh, da wurden berechtigte Fragen aufgeworfen. Sondern: Was für ein Quatsch, lasst mich damit bloß in Ruhe. Und das finde ich sehr schade, denn die Frage nach der Darstellung von Minderheiten und unterschiedlichen Ethnien in Spielen im Allgemeinen und historischen Spielen im Speziellen ist in der Tat eine wichtige. Aber darüber redet niemand.
Peninsula
Beiträge: 665
Registriert: 16. Jun 2016, 21:56
Wohnort: Berlin

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Peninsula »

Terranigma hat geschrieben:Ich habe nun ein, zwei Interviews von Vavra bzgl. GamerGate nachgelesen und würde ihn als konservativ oder reaktionär beschreiben; aber den Vorwurf des Rechsextremismus oder Rechtsradikalismus sehe ich in seinen Aussagen nun wirklich nicht bestätigt.
Da bleibt uns dann nur "to agree to disagree" - meiner Einschätzung nach knüpfen Vavras Stellungnahmen und sein öffentliches Gebaren an Gedankengut an, das ich am ehesten noch in der Nähe der sogenannten "Alt-Right"-Bewegung verorten würde und als Bezeichnung für diese Bewegung halte ich den Begriff "Konservatismus" für eine Verharmlosung. Ob Vavra selbst überzeugter Alt-Right-Anhänger ist, oder aus anderen Gründen so agiert, vermag ich natürlich nicht zu sagen.
Terranigma hat geschrieben:Der Punkt ist nur: das Spiel ist nicht draußen. Aktuell kann niemand von uns irgendwas Belastbares über KC:D aussagen
Grundsätzlich würde ich es auch begrüßen, wenn Spiele erst nach ihrem Erscheinen zum Gegenstand ausführlicher Berichterstattung würden. Nur gibt es leider zu KC:D seit Jahren unzählige, oft sehr positive Artikel. Dass also offensichtlich KC:D als Projekt als relevant eingestuft wurde und dann - zumindest in der deutschsprachigen Berichterstattung - die öffentlichen Äußerungen des Creative Directors nie thematisiert wurden, ist IMO ein Problem. "Vorschusslorbeeren sind okay, kritische Auseinandersetzung aber gefälligst erst später" halte ich für keine gute Grundlage für Spielejournalismus. Zumal Vavras Äußerungen ja teilweise unmittelbar mit dem Projekt im Zusammenhang stehen.

Hier übrigens einen sehr lesenswerter Artikel von heute, der IMO noch einmal sehr gut veranschaulicht, wie Vavras Äußerungen mit dem Werk (auch ohne Kenntnisse des konkreten Inhalts) in Verbindung stehen und wie relevant (und einigermaßen erfolgreich) die Debatte der letzten Tage dann doch letztlich vielleicht war: https://derstandard.at/2000072551592/Be ... Hintertuer" onclick="window.open(this.href);return false;
Voigt
Beiträge: 5720
Registriert: 14. Jun 2016, 14:43
Wohnort: Jena

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Voigt »

Gerade den Standard Artikel gelesen, man erkennt auch hier eine klare Agenda, könnte aber dran liegen, dass Redakteur nich ordentlich recherchiert hat, den leider ist der Artikel recht Informationsleer.
Diese verlinkte Quelle war noch ganz nett: https://forum.kingdomcomerpg.com/t/fore ... me/5604/20" onclick="window.open(this.href);return false;

Der "Beweis" des Artikels für ein Nicht-Weißes Mittelalter ist dieser mehrteiliger Blog/Artikelreihe https://www.publicmedievalist.com/race- ... -ages-toc/" onclick="window.open(this.href);return false;
Zwar auch mit klarer Agenda versehen, aber insgesamt trotzdem lesenswert, ich habe zwar nixes neues gelernt, aber für einige eventuell neue allgemeine Erkenntnisse zum Mittelalter.
Bloß über unserem Fall, Böhmen, wurde danä halt auch wieder null geschrieben. Ging es auch wieder um Italien, England, Iberien, Frankreich. Sowie allgemeine Abhandlung über Rassendefinition und so.
Stuttgarter
Beiträge: 1634
Registriert: 31. Dez 2016, 22:39

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Jochen hat geschrieben:
Welche wichtigen Fragen meinst du denn konkret? Denn für mich stellt sich das Ganze eher so dar, dass jetzt eben nicht über die wichtigen Fragen wie etwa das systematische "Whitewashing" der europäischen Geschichte gesprochen wird (weil das konkrete Beispiel diese Diskussion einfach nicht hergibt, obwohl sie vermeintlicher Angelpunkt ist), sondern darüber, ob das Tragen eines Burzum-T-Shirts einen nun zum Rassisten macht oder nicht. Ich entnehme der breiten Debatte keinen relevanten Erkenntnisgewinn, der über "Daniel Vavra hat fragwürdige politische Ansichten" hinausgeht. Und auch das steht vielerorts in Abrede, wo stattdessen die ermüdende "Gamer vs. SJWs"-Diskussion wieder aufflammt. Der breite Konsens lautet ja nicht: Oh, da wurden berechtigte Fragen aufgeworfen. Sondern: Was für ein Quatsch, lasst mich damit bloß in Ruhe. Und das finde ich sehr schade, denn die Frage nach der Darstellung von Minderheiten und unterschiedlichen Ethnien in Spielen im Allgemeinen und historischen Spielen im Speziellen ist in der Tat eine wichtige. Aber darüber redet niemand.
Diese Frage (Darstellung von Minderheiten und Ethnien) meine ich durchaus auch - und nur, weil jetzt da niemand drüber redet, heißt das ja nicht, dass das so bleiben muss. Vielleicht ist der erwachsene Spielejournalismus (Ihr, aber auch die Gamestar) ja tatsächlich in der Lage, diese Diskussion zu führen anhand dieses Aufhängers. Wenn natürlich der #aufschrei-Effekt passiert (auch die praktisch gesamte Presse bleibt lieber bei dem Einzelfall Brüderle statt über das übergeordnete Thema "Belästigung" zu reden), ist es tatsächlich sinnlos.

Allerdings finde ich auch, dass tatsächlich die Figur "Vavra" journalistische Fragen aufwerfen sollte - wie geschrieben, gibt es ja verschiedene mögliche Erklärungen für sein Verhalten. Die zutreffende Erklärung wäre durchaus zumindest interessant.

Darüber hinausgehend wäre auch die grundsätzliche Frage spannend, wie man als Spielekonsument damit umgeht, wenn ein Entwickler bestimmte Charaktereigenschaften vorweist. Die Frage ist derzeit ja in allen möglichen Bereichen nicht unwichtig - siehe im Filmbereich Weinstein/Spacey/Allen.

Grade Euch traue ich durchaus zu, aus der Debatte was konstruktives zu machen. Bei Sarkeesian habt Ihrs ja auch geschafft. :)
Benutzeravatar
Terranigma
Beiträge: 1507
Registriert: 17. Feb 2016, 19:34

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Peninsula hat geschrieben:"Vorschusslorbeeren sind okay, kritische Auseinandersetzung aber gefälligst erst später" halte ich für keine gute Grundlage für Spielejournalismus. Zumal Vavras Äußerungen ja teilweise unmittelbar mit dem Projekt im Zusammenhang stehen.
Sie lassen aber keinerlei Rückschlüsse auf das Projekt zu. Dass KC:D vorweg sehr positiv aufgenommen wurde und wird, das stimmt. Die Vorschusslorbeeren bezogen sich auf das Spiel; die aktuelle Kritik tut das nicht. Es ist Kritik an einer Person. Ob deren Musikgeschmack und polit. Haltung überhaupt irgendeinen erkennbaren Einfluss auf die Entwicklung von KC:D hat können wir ohne Einsicht in das Spiel schlichtweg nicht beurteilen.
Peninsula hat geschrieben:Hier übrigens einen sehr lesenswerter Artikel von heute, der IMO noch einmal sehr gut veranschaulicht, wie Vavras Äußerungen mit dem Werk (auch ohne Kenntnisse des konkreten Inhalts) in Verbindung stehen [...]
Auch der Artikel schlägt für mein Dafürhalten einen Bogen, der sich weder aus einem Band T-Shirt noch aus Vavras Aussagen ableiten lässt. KC:D: bildet kein weißes Mittelalter ab, wie der Artikel es suggeriert - auch Vavra äußerte sich nicht in diese Richtung, soweit ich es überblicke. Er sprach davon, dass es keine "Schwarzen" in der Region zur besagten Zeit gäbe. Damit hat er wohl Recht. nicht-Weiße tauchen in dem Spiel nach allen bekannten Informationen ja auf, insofern scheint das Werk selbst ja die Behauptung zu widerlegen, KC:D würde ein weißes Mittelalter zeigen. Auch diesen Absatz empfand ich im Artikel problematisch:
Kingdom Come: Deliverance" allerdings würde, im Licht der polemischen Ansagen Vávras betrachtet, die fast fotorealistische, detaillierte und interaktive Rollenspielversion einer neurechten, ideologisch höchst aufgeladenen Mittelaltervision sein.
Geschickterweise verwendet der Autor hier den Konjunktiv - "würde". Auch beim mehrmaligen Lesen verstehe ich den Satz allerdings nicht. Inwiefern "würde" KC:D eine "neurechte Mittelaltervision" sein? Der Konjunktiv ergibt sprachlich keinen Sinn, und wird wohl nur deshalb verwendet, weil der Autor selbst gar keine konkrete Aussagen treffen kann oder möchte. Er kleidet seine eigene Meinung als bloße Möglichkeit, wohl um sich dahinter verstecken zu können. Rhetorisch clever, aber nicht aufrichtig. Wenn er Anhaltspunkte hat zu sagen, dass KC:D eine neurechte Mittelalterversion ist, dann soll er diese Behauptung begründen. Das tut er allerdings nicht, sondern wirft lediglich eine denkbare - aber nicht notwendige - Möglichkeiten in den Raum, und meint, damit einen relevanten Diskussionsbeitrag geleistet zu haben.

Journalistisch finde ich das ehrlich gesagt einen ziemlich schäbigen Stil.
Sitting quietly and doing nothing,
Spring comes, and the grass
grows by itself.
Benutzeravatar
Desotho
Beiträge: 5564
Registriert: 13. Dez 2016, 19:05
Kontaktdaten:

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Desotho »

http://www.pcgames.de/Kingdom-Come-Deli ... t-1248235/" onclick="window.open(this.href);return false;
El Psy Kongroo
Benutzeravatar
Felidae
Beiträge: 2987
Registriert: 22. Mai 2016, 17:49
Wohnort: NRW

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Felidae »

Terranigma hat geschrieben:
Feamorn hat geschrieben:Was ist denn dann "Unterstützung" wenn nicht das Tragen eines T-Shirts in der Öffentlichkeit? Noch dazu wenn er in seiner Funktion für seine Firma abgelichtet wird?
Ich würde sagen, man bringt damit zum Ausdruck, dass man die Band mag, d.h. ihre Musik. [...] Ich weiß nicht genau, welchen Vorwurf man Vavra daraus machen will. Dass er die Musik einer alten Band mag, deren Urheber ein Misantroph und Mörder? Nja, kann man geschmacklos finden - oder auch nicht.
Aber die Musik einer Band existiert ja nicht im luftleeren Raum. Vollständig abkoppeln lassen sich die Hintergründe nicht - einfach weil sie existieren. Zudem darf man nicht vergessen, dass es sich bei der Gamescom um eine Veranstaltung handelt, deren Besucher zum großen Teil Kinder und Jugendliche sind. Ich persönlich halte es nicht nur für geschmacklos bei einer solchen Messe ein T-Shirt einer Band zu tragen, die mit einem Neonazi in Verbindung gebracht wird. Ich finde so etwas verantwortungslos.
Terranigma hat geschrieben:Aber ich sehe da nun kein Anhaltspunkt für eine Story, worüber Spielejournalisten da berichten sollten. [...] Aber das bewegt sich auf einem Niveau, auf denen ich Journalisten eigentlich nicht arbeiten sehen will. In meinen Augen ist das Klatsch. Wer ihm eine rechtsextremistische Haltung nachsagt, ist in der Pflicht dies nachzuweisen, das konnte man bisher nicht.
Da sich da doch einige Dinge angesamelt haben, durch die man ihm eine rechtsgerichtete Denkweise und einen problematischen Umgang mit Kritik nachsagen kann, bin ich schon der Meinung dass man darüber berichten sollte. Wie Peninsula schon schrieb, kann es auch nicht gerecht sein, wenn man im Vorfeld nur Lobeshymnen schreiben darf und wenn sich einer der Chefs des Studios in der Öffentlichkeit (auch bezogen auf das Spiel) so benimmt, darf ein Journalist es nicht erwähnen, weil es ja sonst "Klatsch" wäre.
Terranigma hat geschrieben:
Felidae hat geschrieben:Gerade weil es auch solche Personen in der Entwicklerszene gibt, muss man dies doch thematisieren dürfen und nicht gleich als belanglos abtun...
Natürlich darf man das. Ich sehe nur nicht, welche relevante Information darin besteht zu sagen, dass Vavra womöglich eine üble Type ist und Sympathien für GamerGate hat. Wenn Journalisten das anders sehen, dürfen sie darüber gerne berichten. Relevant wäre es für mich, wenn dies Einfluss auf KC:D hat. Ob dies der Fall ist, wissen wir aber erst, wenn das Spiel da ist.
Wenn aber im Vorfeld nicht darüber berichtet wird, wird man beim fertigen Spiel erst mal gar nicht beurteilen können, ob seine Gesinnung einen Einfluss hatte, denn man kann es dann diesbezüglich nicht unter die Lupe nehmen. Da Vávras Äußerungen nun aber bekannt sind, wird man das Spiel auch dementsprechend untersuchen.
Peninsula
Beiträge: 665
Registriert: 16. Jun 2016, 21:56
Wohnort: Berlin

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Peninsula »

Voigt hat geschrieben:Gerade den Standard Artikel gelesen, man erkennt auch hier eine klare Agenda, könnte aber dran liegen, dass Redakteur nich ordentlich recherchiert hat, den leider ist der Artikel recht Informationsleer.
Mit dem Agenda-Vorwurf habe ich meine Probleme, weil der die Möglichkeit eines neutralen "Agenda-freien" Journalismus impliziert, den es IMO weder gibt noch geben kann oder sollte. Wichtiger finde ich, dass nachvollziehbar argumentiert und belegt wird, das leistet der Artikel.
"Informationsleer" war der Text vielleicht dann, wenn man darin nach "Beweisen" dafür sucht, dass im Mittelalter nicht-weiße Menschen in Böhmen gelebt hätten. Darum geht aus der Sicht von Sigl - selbst übrigens Mediävist - aber gar nicht und das schreibt er auch:
Somit ging es in der Diskussion um "Kingdom Come: Deliverance" nicht primär um die Frage, ob auf den 16 Quadratkilometern Böhmens, die im Spiel abgebildet werden, wohl "realistischerweise" Nicht-Weiße anzutreffen gewesen wären, sondern um eine – durch Vávras freiwillige Wortspenden ihm nahe erscheinende – Ideologie. Das "weiße Mittelalter", jene erstrebenswerte Vergangenheit, in der die einzelnen Völker oder Rassen ohne Durchmischung in den Grenzen ihrer Ethnostaaten lebten, ist eine politisch aufgeladene Fantasie, der der Massenmörder Anders Breivik ebenso huldigt wie die Identitären Bewegungen, die sich gern als "Retter des Abendlandes" stilisieren und der "Kreuzritter"-Ikonografie bedienen.
Und als Beleg für diese aus seiner (und auch meiner) Sicht problematische ideologische Aufladung des "weißen Mittelalters" dient ihm dann der Link zu The Public Medievalist.
Benutzeravatar
Terranigma
Beiträge: 1507
Registriert: 17. Feb 2016, 19:34

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Felidae hat geschrieben:Ich persönlich halte es nicht nur für geschmacklos bei einer solchen Messe ein T-Shirt einer Band zu tragen, die mit einem Neonazi in Verbindung gebracht wird. Ich finde so etwas verantwortungslos.
Ich nicht. Womöglich bin ich da tatsächlich sehr unsensibel sozialisiert, aber das Tragen von Band-Shirts habe ich in der Metal-Szene als Normalfall empfunden, auch von Bands, die auf dem ersten oder zweiten Blick problematische Charaktere haben. In meiner Jugend wurde ein Burzum-Shirt gerne einfach zur Provokation getragen - nicht von mir, aber Bekannten. Wobei die Provokation natürlich nicht funktionierte, weil niemand Burzum kennt. In anderen Fällen wird so ein Shirt auf Konzerten getragen, womöglich weil man tatsächlich "nur" zeigen will, dass man die Musik mag, ohne eine Aussage über den Musiker zu treffen. Andernfalls womöglich um zu zeigen, wie "elitär" und "edgy" man ist, dass man Burzum mag. Motive kann es allerlei geben, die allesamt keine Aussage über die polit. Ansichten des Zuhörers zulassen. Würde ich meinen Kleiderschrank durchsuchen würde ich unter Garantie auch Shirts von Bands finden, welche - würde ich es einmal nachschauen - wahrscheinlich polit. Ansichten vertreten, zu denen ich keinen Bezug habe. Aber es spiegelt sich nicht in der Musik wieder. Vergleichbare Entdeckungen würde ich allerdings wohl auch machen, wenn ich mir die polit. Haltung Autoren des 18. und 19. Jhrds. anschaue, die heutzutage als "Klassiker" gelten.

Ich persönlich kann Künstler und Werk in dieser Hinsicht trennen. Das heißt nicht, dass ich's immer tue. Ich lese auch gerne Lovecraft, obwohl ich weiß, dass Lovecraft ein xenophober Rassist war. Auch im Videospieljournalismus wird Lovecraft gerne mal als Referenz für Horror angeführt, ohne auf dessen Xenophobie und wirklich exessiven Rassismus zusprechen zu kommen. Ebenso kann ich Tom Cruise als Schauspieler akzeptieren, obwohl ich von seiner Verbindung zu Scientology nichts halte. Ich frage also mal: 1912 veröffentlichte Lovecraft 'On the Creation of Niggers'. Das ist der Mann, der den Cthulhu-Mythos schuf. Was ist davon zu halten, dass mit 'Call of Cthulhu' aktuell ein Videospiel entwickelt wird, dass auf den kreativen Ergüssen eines Rassisten aufbaut? Es gibt sogar allerlei Pen&Paper-Varianten von Cthulhu. Und die Xenophobie von Lovecraft ist in seinen Werken definitiv zu erkennen.


Ich empfinde es nicht als verantwortungslos, dass Cyanide Studio hier das kreative Erbe eines Rassisten des 19. Jhrds. als Grundlage für ein Videospiel nutzt. Ebenso empfinde ich es nicht als verantwortungslos die Musik zu mögen, die von einem kaputten Geist - wie Burzum - geschaffen wurde. Ich kann verstehen, dass man das anders sieht und hier für sich eine persönliche Grenze zieht. Aber die Grenze zieht jeder für sich.
Felidae hat geschrieben:Da Vávras Äußerungen nun aber bekannt sind, wird man das Spiel auch dementsprechend untersuchen.
Gibt es Anhaltspunkte dafür im Spiel, können Journalisten zum Release einen solchen Artikel veröffentlichen. Eben mit Belegen für ihre Behauptung. Nur weil man im Vorfeld, wo über das Spiel diesbezüglich nichts zu sagen ist, nicht darüber berichtet, heißt dies ja nicht, dass man dies nicht zum geeigneten Zeitpunkt tun kann. Ich habe kein Problem mit der Diskussion, ich halte sie nur für voreilig. Ob Vavra ein netter Typ ist oder nicht, das erscheint mir keine relevante journalistische Fragestellung zu sein. Eine relevante Fragestellung ist, ob sein Wesen einen erkennbaren Einfluss auf KC:D ausübt. Und um das zu beantworten, müssen wir das Spiel spielen. Sobald das möglich ist, kann man diese Diskussion auch mit Belegen, anstatt mit Vermutungen führen. Das erscheint mir gewinnbringender.
Zuletzt geändert von Terranigma am 19. Jan 2018, 14:27, insgesamt 2-mal geändert.
Sitting quietly and doing nothing,
Spring comes, and the grass
grows by itself.
Peninsula
Beiträge: 665
Registriert: 16. Jun 2016, 21:56
Wohnort: Berlin

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Peninsula »

Terranigma hat geschrieben:Dass KC:D vorweg sehr positiv aufgenommen wurde und wird, das stimmt. Die Vorschusslorbeeren bezogen sich auf das Spiel;

Das Spiel gibt es aber noch nicht.
Terranigma hat geschrieben:die aktuelle Kritik tut das nicht. Es ist Kritik an einer Person.
Nein, es ist Kritik an den öffentlichen Äußerungen einer Person, die diese in ihrer Funktion als leitender Entwickler des Spiels getätigt hat. Hier wurde nicht von irgendwelchen Boulevardjournalisten tief im Privatleben von Vavra gegraben, der Mann hat das alles völlig ohne Not und ungefragt von sich gegeben.
Terranigma hat geschrieben:
Kingdom Come: Deliverance" allerdings würde, im Licht der polemischen Ansagen Vávras betrachtet, die fast fotorealistische, detaillierte und interaktive Rollenspielversion einer neurechten, ideologisch höchst aufgeladenen Mittelaltervision sein.
Geschickterweise verwendet der Autor hier den Konjunktiv - "würde". Auch beim mehrmaligen Lesen verstehe ich den Satz allerdings nicht. Inwiefern "würde" KC:D eine "neurechte Mittelaltervision" sein?
Das "würde" bezieht sich, so wie ich es verstehe, darauf, dass Vavra und Warhorse Studios sich mittlerweile von diesen Äußerungen distanziert haben. Hätten sie das nicht getan, würde ihr Spiel Anhängern dieser neurechten Mittelaltervision eine Projektionsfläche bieten, weil der Entwickler sich öffentlich als "Bruder im Geiste" zu erkennen gegeben hat.
Terranigma hat geschrieben:Der Konjunktiv ergibt sprachlich keinen Sinn, und wird wohl nur deshalb verwendet, weil der Autor selbst gar keine konkrete Aussagen treffen kann oder möchte. Er kleidet seine eigene Meinung als bloße Möglichkeit, wohl um sich dahinter verstecken zu können. Rhetorisch clever, aber nicht aufrichtig.
Es wundert mich schon etwas, wie man einerseits Vavra gegenüber größtmögliche Behutsamkeit und die wohlwollendste Auslegung seiner Aussagen einfordern kann, andererseits dann bei Kritikern gleich Unaufrichtigkeit, "sich verstecken wollen" und andere sinistre Motive aus einem Satz ableitet...
Benutzeravatar
Terranigma
Beiträge: 1507
Registriert: 17. Feb 2016, 19:34

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Peninsula hat geschrieben:Das Spiel gibt es aber noch nicht.
Deswegen sind es ja Vorschusslorbeeren. Gamestar hatte z.B. auch große Hoffnungen bei Battlefront 2 und haben nach Release ihre Enttäuschung eingestanden. Wenn du umgekehrt eine Kritik an KC:D - und nicht am Entwickler hast - kannst du diese natürlich auch vorweg nennen. Aber die aktuelle Kritik ist ja eben gar keine Kritik am Spiel, sondern am Chef-Entwickler. Daher finde ich den Vorwurf "Man darf das Spiel loben, aber nicht kritisieren" deplaziert.
Peninsula hat geschrieben:Nein, es ist Kritik an den öffentlichen Äußerungen einer Person, die diese in ihrer Funktion als leitender Entwickler des Spiels getätigt hat.
Erkenne ich an. Da sein Musikgeschmack und seine polit. Haltung allerdings nicht in einem notwendigen, sondern lediglich möglichen, Bezug zum Spiel stehen müssen, erachte ich persönlich diese News als relativ belanglos. Andere können das gerne anders sehen. Ich will ja nicht sagen, was einen persönlich zu interessieren hat und was nicht.
Peninsula hat geschrieben:Das "würde" bezieht sich, so wie ich es verstehe, darauf, dass Vavra und Warhorse Studios sich mittlerweile von diesen Äußerungen distanziert haben. Hätten sie das nicht getan, würde ihr Spiel Anhängern dieser neurechten Mittelaltervision eine Projektionsfläche bieten, weil der Entwickler sich öffentlich als "Bruder im Geiste" zu erkennen gegeben hat.
Die Aussage, dass KC:D ein weißes Mittelalter zeigt, ist nach aktuellen Informationen doch allerdings nicht wahr. Dass heißt Rechte hätten spätestens beim Spielen wohl festgestellt, dass es mit den Kiptschak auch "nicht-Weiße" im Spiel gibt, sodass das Werk selbst als Projektionsfläche nicht taugen würde. Ebenso scheint es wohl Juden im Spiel zu geben, womit KC:D weitaus progressiver als quasi jeder Historienfilm ist, in denen jüdisches Leben zumeist nicht auftaucht. Anstatt über "womöglich", "vielleicht" und "könnte" zu reden, ist's doch vernünftiger das Werk selbst zu Wort kommenzulassen, sobald es eben fertig ist. Und nehme ich die bisherigen Informationen über das Spiel - und nicht über Vavra! - erscheint mir die Unterstellung des Artikels, hier würde eine neurechte Mittelalterversion entwickelt, nicht haltbar.
Sitting quietly and doing nothing,
Spring comes, and the grass
grows by itself.
Benutzeravatar
DexterKane
Beiträge: 1240
Registriert: 16. Dez 2016, 11:26

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von DexterKane »

Peninsula hat geschrieben:The Public Medievalist.
Vorweg: Ich kenne aus einer anderen Diskussion nur den Teilartikel, den tpm über Fantasy geschrieben hat (Teil 36).

Dieser ist allerdings, wenn ich freundlich sein möchte, schlampig recherchiert.
Hier von manipulativ verfälschend zu sprechen, wäre vielleicht etwas weit aus dem Fenster gelehnt, ist aber eine Interpretation, die man durchaus machen kann.

Was Herr Sturtevant da schreibt ist zwar objektiv nicht falsch, durch weglassen bestimmter Informationen wird der Leser aber in die Richtung gelenkt, in die der Autor ihn gerne haben möchte.
Neben einen Absatz über D&D Drow ein Bild von Tina Turner aus „Mad Max: beyond thunderdome“ zu setzen grenzt für mich schon an gezielte Misinformation.

Da ich bei einer Reihe davon ausgehen muss, das hier ein wie auch immer geartetes Lektorat diesen Artikel abgenickt hat, können derartige Dinge also auch im Rest der Reihe vorkommen.
Als Quelle ist die Reihe für mich damit verbrannt, da ich bei Themen, mit denen ich mich nicht so gut auskenne, nicht ausschließen kann, ähnlich falsch informiert zu werden.

Damit möchte ich NICHT ausdrücken, dass die in dem Teilartikel angesprochene Problematik nicht existiert. Wenn man aber derart unsauber arbeitet, darf man sich andersrum nicht beschweren, wenn einem die eigene Argumentation um die Ohren fliegt.

Mich persönlich ärgert sowas immer massiv. So ein, tschuldigung, Scheiß ist nur Wasser auf die Mühlen von all den Alt-Right/Gamergate Idioten, die dann ein schönes Paradebeispiel haben, warum all das „SJW-Geschwätz“ nicht ernst zu nehmen ist.

Also, ja: Über Vavras Einstellung kann und sollte man diskutieren. Dann aber bitte journalistisch sauber und fundiert begründet.
Auf Bildzeitungsniveau zu argumentieren wird nicht dadurch besser, dass man hehre Ziele hat.

Und unterm Strich bleibt hier ohne das Spiel zu sehen für mich nicht viel.
Ja, man kann konstatieren, dass Vavra ein konservativ/reaktionäres Weltbild hat.
Das haben sehr viele Leute. Wenn ich wegen Vavra also KC:D boykottiere, müsste ich das im Umkehrschluss mit jedem Spiel machen.
Und ausschließen kann ich das eigentlich bei keinem Spiel, nicht mal mit Ubisoft Multi-Kulti Disclaimer davor.

Ohne sich das Spiel angucken zu können, ist das hier leider ein ziemlicher Sturm im Wasserglas.
Sollte man das Spiel in Anbetracht dessen in dieser Hinsicht genauer unter die Lupe nehmen? Sicher.

Hier aber in Vorverurteilung zu gehen halte ich aber andersrum für falsch.
Relax, it's North-Korea. The nation state equivalent of the short-bus. - Sterling Archer
Benutzeravatar
Leonard Zelig
Beiträge: 3480
Registriert: 5. Jan 2016, 19:56

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Leonard Zelig »

Terranigma hat geschrieben:
Felidae hat geschrieben:Ich persönlich halte es nicht nur für geschmacklos bei einer solchen Messe ein T-Shirt einer Band zu tragen, die mit einem Neonazi in Verbindung gebracht wird. Ich finde so etwas verantwortungslos.
Ich nicht. Womöglich bin ich da tatsächlich sehr unsensibel sozialisiert, aber das Tragen von Band-Shirts habe ich in der Metal-Szene als Normalfall empfunden, auch von Bands, die auf dem ersten oder zweiten Blick problematische Charaktere haben. In meiner Jugend wurde ein Burzum-Shirt gerne einfach zur Provokation getragen - nicht von mir, aber Bekannten. Wobei die Provokation natürlich nicht funktionierte, weil niemand Burzum kennt. In anderen Fällen wird so ein Shirt auf Konzerten getragen, womöglich weil man tatsächlich "nur" zeigen will, dass man die Musik mag, ohne eine Aussage über den Musiker zu treffen. Andernfalls womöglich um zu zeigen, wie "elitär" und "edgy" man ist, dass man Burzum mag. Motive kann es allerlei geben, die allesamt keine Aussage über die polit. Ansichten des Zuhörers zulassen. Würde ich meinen Kleiderschrank durchsuchen würde ich unter Garantie auch Shirts von Bands finden, welche - würde ich es einmal nachschauen - wahrscheinlich polit. Ansichten vertreten, zu denen ich keinen Bezug habe. Aber es spiegelt sich nicht in der Musik wieder. Vergleichbare Entdeckungen würde ich allerdings wohl auch machen, wenn ich mir die polit. Haltung Autoren des 18. und 19. Jhrds. anschaue, die heutzutage als "Klassiker" gelten.
Er schreibt dazu:
Ich höre unterschiedlichste Musikstile, doch bin im Herzen ein großer Heavy-Metal-Fan. Um meine Leidenschaft für diese Musik zu unterstreichen, hatte ich mir vorgenommen, auf der gamescom 2017 jeden Tag ein T-Shirt zu tragen, das ein anderes, weniger bekanntes Album darstellt, zu tragen. Eines dieser Shirts war bedruckt mit dem Artwork des Burzum Albums Filosofem. Dieses Album gilt bis heute als Meilenstein in der Entwicklung des skandinavischen Black Metal und wird weitestgehend als Klassiker dieses Genres betrachtet. Durch das Tragen des besagten T-Shirts wollte ich nichts weiter als die künstlerische Bedeutung des Albums hervorheben.

Das Album selbst ist unpolitisch, größtenteils instrumental und behandelt in seinen Texten Themen wie Einsamkeit, Dunkelheit und Verlust. Es steht bis heute bei allen großen Anbietern zum Verkauf oder als Streaming im Angebot und erscheint bis heute auf vielen Listen, die die besten Black-Metal-Alben aufzählen.
Die Texte vieler Rapper und Hiphopper sind ziemlich frauenverachtend. Ob die Empörung genauso groß gewesen wäre, wenn er ein T-Shirt von Bushido getragen hätte? Ich bezweifle es ehrlich gesagt.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

www.gamersglobal.de
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9851
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Andre Peschke »

Leonard Zelig hat geschrieben:Die Texte vieler Rapper und Hiphopper sind ziemlich frauenverachtend. Ob die Empörung genauso groß gewesen wäre, wenn er ein T-Shirt von Bushido getragen hätte? Ich bezweifle es ehrlich gesagt.
Was aber doch auch logisch ist, da das Tolerieren von Nazi-Ideologie im Zweifel schlimmer ist, als Sexismus, würde ich sagen?

Andre
NDA
Beiträge: 235
Registriert: 22. Nov 2017, 00:37

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von NDA »

Andre Peschke hat geschrieben:
Leonard Zelig hat geschrieben:Die Texte vieler Rapper und Hiphopper sind ziemlich frauenverachtend. Ob die Empörung genauso groß gewesen wäre, wenn er ein T-Shirt von Bushido getragen hätte? Ich bezweifle es ehrlich gesagt.
Was aber doch auch logisch ist, da das Tolerieren von Nazi-Ideologie im Zweifel schlimmer ist, als Sexismus, würde ich sagen?

Andre
Ein Ranking diesbezüglich kenne ich nicht. Es ist auch nicht mein Eindruck, dass diese Gewichtung in solchen Diskussion vorgenommen wird.
Bái Zuô!
Benutzeravatar
Wudan
Beiträge: 1277
Registriert: 26. Dez 2015, 21:16
Kontaktdaten:

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Wudan »

Leonard Zelig hat geschrieben: Die Texte vieler Rapper und Hiphopper sind ziemlich frauenverachtend. Ob die Empörung genauso groß gewesen wäre, wenn er ein T-Shirt von Bushido getragen hätte? Ich bezweifle es ehrlich gesagt.
Sexistische Texte ist eine Sache, Mord und Brandstiftung eine andere.
Von der Nazi Reputation mal ganz abgesehen, Varg Vikernes (Burzum) ist ein verurteilter Mörder und hat obendrein ein paar Kirchen angezündet. Man mag von der gegenwärtigen Hysterie halten was man will, aber Burzum und Bushido auf eine Stufe zu stellen halte ich dann doch für gewagt ;)
Ich denke es wäre eher vergleichbar wenn Bushido ein bekannter IS-Sympathisant wäre der schon bei dem ein oder anderen Terroranschlag mitgeholfen hat. Dann würde der "Aufschrei" aber auch in ähnlicher Weise stattfinden denke ich mal.
Benutzeravatar
Terranigma
Beiträge: 1507
Registriert: 17. Feb 2016, 19:34

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Wudan hat geschrieben:Sexistische Texte ist eine Sache, Mord und Brandstiftung eine andere.
Fraglos. Es geht wohl auch nicht darum, Bushido und Burzum auf eine Stufe zu stellen. Gleichwohl würde man bei einem Bushido-Shirt wohl nicht nahelegen wollen, dass der Träger notwendigerweise ein Sexist, o.Ä. sei oder diese Haltung unterstützen mag. Man würde erst einmal festhalten, dass er wohl Bushido mag - und Vavra mag offenbar Burzum. Das erscheint mir beides legitim. Dass Varg Vikernes ein Mörder und auch sonst sehr kaputte Gestalt ist, steht außer Frage. Ob man allerdings aufgrund der Person des Autors sagt, dass man das Werk - selbst wenn man es mag - nicht konsumieren mag oder nicht, und auch wo man diese Grenze zieht, das erscheint mir eine persönliche Frage zu sein. Die einen mögen sie bereits bei Bushido ziehen, die anderen bei Burzum und wieder andere gar nicht. Ebenso wie man auch Lovecraft genießen kann, selbst wenn einem bewusst ist, dass Lovecraft ein widerwertiger Rassist war. Der eine mag da sagen, dass er Lovecrafts Werke aus diesem Grund nicht genießen kann, während der andere hier Werk und Künstler trennen kann.

Vavra da nun aber aufgrund eines T-Shirts einer Band, die fraglos einen sehr großen Einfluss innerhalb der Metal-Szene ausübte, eine rechtsradikale Haltung nachsagen zu wollen, das finde ich schon grenzwertig. Das ist so, als würde ich suggerieren, dass Lovecraft-Leser insgeheim Rassisten seien, wie es Lovecraft einer war. Das erscheint mir nicht anständig. Ich glaube, die meisten Fans von Burzum könnten Werk und Künstler durchaus trennen, ebenso wie es Lovecraft-Leser können.
Sitting quietly and doing nothing,
Spring comes, and the grass
grows by itself.
Stuttgarter
Beiträge: 1634
Registriert: 31. Dez 2016, 22:39

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Was ich bei dieser ganzen Vergleicherei jetzt doch mal anmerken will - ein Rassismus von Lovecraft ist sicher nicht sympathisch und auch nicht zu verteidigen. Allerdings sollte man dabei doch nicht außer acht lassen, dass ein Lovecraft ein Mensch des ausgehenden 19. Jahrhunderts war und vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs gestorben ist. Das macht seine rassistischen Ansichten nicht besser - aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob man ein Kind seiner Zeit ist oder ein Neonazi nach Auschwitz.
Benutzeravatar
Leonard Zelig
Beiträge: 3480
Registriert: 5. Jan 2016, 19:56

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Leonard Zelig »

Wudan hat geschrieben: Ich denke es wäre eher vergleichbar wenn Bushido ein bekannter IS-Sympathisant wäre der schon bei dem ein oder anderen Terroranschlag mitgeholfen hat. Dann würde der "Aufschrei" aber auch in ähnlicher Weise stattfinden denke ich mal.
Einige seiner Tweets könnte man zumindest als antisemitisch deuten, aber lassen wir das.

Metal wird anders als Rechtsrock nicht nur von Nazis gehört. Vermute ich zumindest mal. Von daher würde ich es ihm schon abkaufen, dass ihm ausschließlich die Musik gefallen hat und nicht die politische Einstellungen eines der Band-Mitglieder. Man kann ja auch ein "Another Brick in the Wall" T-Shirt tragen, obwohl man nicht mit Roger Walters Kampagne gegen Israel einverstanden ist.
Stuttgarter hat geschrieben:Was ich bei dieser ganzen Vergleicherei jetzt doch mal anmerken will - ein Rassismus von Lovecraft ist sicher nicht sympathisch und auch nicht zu verteidigen. Allerdings sollte man dabei doch nicht außer acht lassen, dass ein Lovecraft ein Mensch des ausgehenden 19. Jahrhunderts war und vor Ausbruch des zweiten Weltkriegs gestorben ist. Das macht seine rassistischen Ansichten nicht besser - aber es ist doch ein gewaltiger Unterschied, ob man ein Kind seiner Zeit ist oder ein Neonazi nach Auschwitz.
Arschloch bleibt Arschloch. Ein Rassist ist nicht besser, nur weil er im ausgehenden 19. Jahrhundert gelebt hat. Damals gab es auch schon genug Wissen über furchtbare Genozide an indigenen Völkern. Jetzt ganz allgemein gesprochen, kenne von Lovecraft nur den Namen.

Was ist eigentlich mit den Besuchern der Wagner-Festspiele? Sorgen die mit ihrer Präsenz nicht auch dafür, dass der Name Wagner positiv in die Öffentlichkeit getragen wird?
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

www.gamersglobal.de
Stuttgarter
Beiträge: 1634
Registriert: 31. Dez 2016, 22:39

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

Leonard Zelig hat geschrieben:
Was ist eigentlich mit den Besuchern der Wagner-Festspiele? Sorgen die mit ihrer Präsenz nicht auch dafür, dass der Name Wagner positiv in die Öffentlichkeit getragen wird?
Wagner ist ein tolles Beispiel. An ihm, seinem Weltbild und seinem Werk haben sich nämlich mittlerweile zigtausende Kulturschaffende, Kulturwissenschaftler, Historiker etc. kritisch abgearbeitet. Sprich: Mit Wagner wurde exakt das gemacht, was Spieler auf die Barrikaden treibt, wenn man auch nur ansatzweise in dieselbe Richtung bei ihren "Göttern" geht.
Antworten