Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

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Pan Sartre
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Pan Sartre »

OCD hat geschrieben:
Pan Satre hat geschrieben:Ich würde dir bis zu dem Punkt Recht geben, bis ein Vavra bei der GS für ein Interview auf der Matte stand.
Vavra war meines Wissen nur bei GameTwo. Bei der Gamestar war der PR-Manager Tobias Stolz-Zwilling. https://www.youtube.com/watch?v=wtMmP_P8aP0

Bei Gametube sagt Michi auch, dass er nicht da war https://youtu.be/H0mPst6ZNas?t=39m15s
Ah, okay. Dann sieht das natürlich anders aus. In meiner Erinnerung saß er irgendwann mal auf der GS Couch. Ist natürlich schade, wenn man doch immer nur den PR-Menschen zu einem Spiel befragen kann.

PS: Oh... Dieser GameTube Channel ist ja interessant. Wusste gar nicht, dass einige GS Jungs einen LP-Channel betreiben. Danke für den ungewollten Tipp :D
Decius
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Decius »

kami hat geschrieben: Wenns dich wirklich interessieren sollte, dann lies dir die Auseinandersetzung nochmal durch und du wirst es schon zuordnen können. Ansonsten würde ich diese Meta-Diskussion eigentlich ungern noch länger auswalzen wollen.
Einfach dazu stehen, wenn man sich in eine Ecke geschrieben hat und nicht mehr rausfindet. ;)
Stuttgarter
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Stuttgarter »

NDA hat geschrieben:Wohl noch nie in der Gastro gearbeitet. Der Kunde ist König. Selbst wenn der Koch sagt, so und so ist es richtig, wenn der Kunde diese eine Zutat nun nicht möchte, kann der Expertenkoch sich auf den Kopf stellen.
Nicht zwangsläufig. Gibt durchaus Köche, die sagen, "So und nicht anders". Es gibt auch Kellner, die zu bestimmten Gerichten nur bestimmte Weine servieren. Als Kunde kannst Du nur entscheiden, ob Du dann halt nicht wo anders isst.
NDA hat geschrieben:
Außerdem legt Kami hier niemanden Wörter in den Mund, Jochen. Die Diskussion, über die du da berichtest, geht schließlich um die Person von Vavra. Nur weil du dich jetzt hinstellst und schreibst, dass du ja nur die Diskussion beleuchtest, beleuchtest du nun einmal zwangsläufig auch die Person. Nichts anderes versucht Kami mMn zu vermitteln.
Es geht überhaupt nicht um die Person. Es geht darum, was er tut und sagt. Das sind zwei grundlegend unterschiedliche Dinge.
OCD
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von OCD »

It’s not a story that has much time for women. Since you play the pre-designated character, Henry, it’s down to the supporting cast to provide different perspectives. Unfortunately, female characters typically fall into the categories of maidenly love interest, prostitute or surrogate mother, in keeping with the portrait of a “purely patriarchal” society described by Kingdom Come’s historical database. I don’t know enough about 14th century Bohemia to address this, but I’m not sure the defence of historical accuracy extends to blokier character buffs like “Alpha Male”, which confers a +2 charisma boost when you visit the brothel.

Tedious macho elements aside, there are other questions about the depiction of the people of early 14th century Bohemia. During development director Daniel Vavra claimed that there were “no black people” present in the area of Bohemia covered at the time of Kingdom Come’s events and though the game doesn’t present the region as a bastion of monoethnicity, the issue of race deserves further examination. I’d especially like to read a critique of its portrayal of the Cumans, a Turkic nomadic people represented by other characters as vicious killers, who often feature among the ranks of your enemies.

Vavra has defended the research that went into the game’s racial diversity and apologised for some of his comments, and it’s important to note that the development has been a collaborative effort of more than 100 people rather than the work of one man. If Kingdom Come existed in a vacuum, the treatment of the Cumans might seem like a meaningful depiction of the othering of outsiders, which might in itself help us to understand characters and the setting. In reality, it’s reasonable to dig deeper into the game’s claims to accuracy in this and other regards now that the whole picture can be seen, and that’s something we’ll be doing.
Link

"Alpha Male" als Buff ist ja lustig :roll:
Und die Darstellung der Kumanen als häufige Gegner, ist auch interessant. Hoffentlich mehr als platte Videospielbösewichte à la Russen, Terrorsiten, usw.
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kami
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Registriert: 8. Feb 2018, 21:28

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von kami »

Decius hat geschrieben:
kami hat geschrieben: Wenns dich wirklich interessieren sollte, dann lies dir die Auseinandersetzung nochmal durch und du wirst es schon zuordnen können. Ansonsten würde ich diese Meta-Diskussion eigentlich ungern noch länger auswalzen wollen.
Einfach dazu stehen, wenn man sich in eine Ecke geschrieben hat und nicht mehr rausfindet. ;)
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Jochen

Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Jochen »

kami hat geschrieben:Generell finde ich Diskussionen um Geschichtsdarstellung in Medien natürlich wichtig und interessant. Offenbar sind wir uns doch auch einig, dass es nicht unbedingt notwendig ist, diese Diskussion nun unbedingt an diesem Menschen festzumachen oder auch an Heinemanns Kritik. Ich beurteile nur die Rolle der Spielepresse in diesem Zusammenhang weniger kritisch als andere hier, vielleicht auch, weil ich Spieletests (ja, Tests) in einem Magazin wie der GameStar nunmal als inhärenten Teil des Konzeptes sehe, die investigative Hintergrundrecherche hingegen eher als Bonus.
Es ging in dieser konkreten Diskussion aber gar nicht um Tests, sondern um die Vorberichterstattung - und meine von dir paraphrasierte Aussage, dass ich eine Erwähnung der sachlichen Kontroverse im Rahmen eben dieser Vorberichterstattung für richtig und wichtig empfunden hätte. Dass die Kontroverse im Rahmen eines Tests und der Bewertung eines Spiels nur insofern einen Einfluss haben sollte, wie (und ob überhaupt) sie sich am Resultat, nämlich dem fertigen Spiel, manifestiert, darüber sind wir uns ja offenbar einig. Mir ging es einzig darum, dass ich (!) von einer journalistisch sorgfältigen Vorberichterstattung erwarten würde, dass sie die sachlich relevanten Aspekte der stattfindenden Diskussion konstatiert.
NDA hat geschrieben:Außerdem legt Kami hier niemanden Wörter in den Mund, Jochen. Die Diskussion, über die du da berichtest, geht schließlich um die Person von Vavra. Nur weil du dich jetzt hinstellst und schreibst, dass du ja nur die Diskussion beleuchtest, beleuchtest du nun einmal zwangsläufig auch die Person. Nichts anderes versucht Kami mMn zu vermitteln.
Ich habe im Panel sehr deutlich gemacht, welche konkreten Aspekte der Diskussion mir journalistisch relevant erscheinen und welche (nämlich persönliche Rassismus-Vorwürfe, Band-T-Shirts usw.) ich in diesem Kontext für übertrieben und unsachlich halte. Ich habe übrigens ebenfalls gesagt, für wie problematisch ich genau diese persönlichen Vorwürfe halte, weil sie - wie man hier wieder wunderbar sieht - eine sachliche Diskussion vergiften.

Nein, "die Diskussion" ging mitnichten ausschließlich um Daniel Vavra. Der uninteressante Teil ging um Daniel Vavra. Der interessante ging um den Anspruch von historischer Authentizität und die daraus entstandenden Fragen um die Möglichkeit bzw. Deutungshoheit von historischer Authentizität. Und diesen Teil kann man sehr wohl beleuchten und aufarbeiten, ohne jemanden an einen Pranger zu stellen.
NDA
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von NDA »

Panel ist nicht frei, wie soll man darsuf Bezug nehmen, was du dort erwähnst? Von daher ist es für diese Diskussion relativ unerheblich bzw. du kannst nicht annehmen, dass deine dortigen Aussagen sofort Bestandteil der Diskussion sind. ;)
Bái Zuô!
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Leonard Zelig
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Leonard Zelig »

Waypoint, das Spieleportal von VICE, hat bisher nicht über Kingdom Come: Deliverance berichtet:
Kingdom Come: Deliverance, an open world medieval RPG set during the Holy Roman Empire, launched earlier this week, and it's already an enormous hit. Waypoint hasn't written about the game yet, partially because we've struggled over how to cover a game whose creative director has both publicly and forcefully supported GamerGate and made highly questionable statements about the game's "historical" accuracy regarding representing people of color. Maybe we shouldn't cover it all? On the podcast, Austin, Patrick, and Danielle decided it was time to have a public conversation about all this.
https://waypoint.vice.com/en_us/article ... rce=wpfbus" onclick="window.open(this.href);return false;

Gibt einen Thread auf ResetEra zu der Thematik:
https://www.resetera.com/threads/waypoi ... why.24062/" onclick="window.open(this.href);return false;

Zitat des OP aus dem Thread:
I live in the third world (South America), and racism is the norm. You could say that denigrating indigenous and black people is part of our culture. Does that means it's ok and we should stop speaking about that, and respect it ?

Racism is not a cultural trait, it's a disease that must be eliminated, and it dosen't matter if it's in France, the US or Peru or in Czech Republic.

If you don't find nothing shocking in Vávra "views", you have a problem.
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

www.gamersglobal.de
NDA
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von NDA »

Nachdem das Spiel nun erschienen ist, ist für mich ein wenig die Luft aus der Diskussion gelassen worden.

Es ist reiht sich bei der Authentizität sicherlich im Vergleich zu anderen Titeln im RPG-Genre ganz vorne ein, aber welches andere Spiel versucht dies auch herzustellen?

Ein Historiker wird sicher feststellen, dass es beim Realitätsabgleich sicher viele Ungenauigkeiten besitzt bzw. einige Perspektiven nicht gut beleuchtet werden.

Bleibt die Debatte von Vavras Einfluss mit seinem "Gedankengut". Ist mir bisher nichts negativ aufgefallen.
Bái Zuô!
Decius
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Decius »

NDA hat geschrieben:
Bleibt die Debatte von Vavras Einfluss mit seinem "Gedankengut". Ist mir bisher nichts negativ aufgefallen.
Wurde das "Alpha Male"-Ding in deiner Version rausgepatched? Sind bei dir die Kiptschak mehr als nur die braunhäutigen, bösen Wilden die sie bei meiner Version sind?

Man kann sicher geteilter Meinung sein, wie wichtig es ist, ein völlig idiotisches pseudowissenschaftliches Ding wie "Alpha Male" eine winzige Rolle zu geben, oder dass das mit den Kiptschak als Sturmtruppen-Stand-in eh schon in Ordnung ist. Mag einen nicht stören oder einem egal sein, aber ich sehe darin durchaus Einflüsse von Vavras Gedankengut.
NDA
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von NDA »

Kann ich nicht erkennen, nein.

Bei den Kiptschak herrscht auch eine Sprach- und Kulturbarriere und der Charakter ist auch kein Weltenwanderer, der jetzt episch die Kulturen in sich verknüpft.

Alpha Male sagt mir jetzt nicht viel, vielleicht meinst du was anderes, aber es hätte mich eher gewundert, wenn die Frauen gleichgestellt wären und die Männer nicht Testosteron-gesteuert wären.
Bái Zuô!
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Terranigma
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Terranigma »

Decius hat geschrieben:Mag einen nicht stören oder einem egal sein, aber ich sehe darin durchaus Einflüsse von Vavras Gedankengut.
Bei der Darstellung der Kiptschak würde ich widersprechen. Ich würde sagen, es ist der Erzählperspektive geschuldet: würde man die Ereignisse aus der Perspektive der Kiptschak sehen - was man nicht tut - wäre ihre Darstellung eine andere. Aber die Kiptschak fungieren in der Geschichte als Antagonisten, und dass der Antagonist in einer Erzählung mit allerlei negativen EIgenschaften belegt wird, das erscheint mir für Erzählungen völliger Usus zu sein. Da scheint mit KC:D eher dem Kleinen 1 Mal 1 von modernen Erzählungen zu folgen, in denen dem Protagonisten auch entsprechende Antagonisten gegenüber stehen müssen. Man könnte so sagen: für Heinrich (!) sind die Kiptschak irgendwelche Barbaren.

Das Problem ist nicht die Perspektive, sondern dass diese Perspektive die einzige im Spiel ist. Aber diesen Vorwurf kann man gegenüber jeden Historienfilm, Historienroman und ebenso gut auch gegenüber der Assassin's Creed-Reihe aufmachen, wo "die Geschichte" ausschließlich aus den Augen einer Person erzählt wird. Eine differenzierte Geschichtsdarstellung ist so nicht möglich; aber das ist bei einem Unterhaltungsprodukt auch nicht der Anspruch - es will unterhalten, und dafür wird häufig auf den Konflikt zwischen (guten) Protagonisten und (bösen) Antagonisten zurückgegriffen. Meinem bisherigen Eindruck nach ist KC:D da nicht problematischer als irgendein anderes Werk.


Erzählungen, wo ein Ereignis aus unterschiedlichen Perspektiven gezeigt wird, sind leider unüblich. Selbst die Assassin's Creed-Reihe, die eigentlich die ideale Rahmenhandlung besäße, um eine multiperspektivsche Erzählstruktur zu verwenden, tut dies nicht.
Sitting quietly and doing nothing,
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OHCT
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von OHCT »

In dem Kontext vielleicht ganz interessant: In der Damals (populärwissenschaftliche Geschichtszeitschrift) 12/17 schreibt der Militärhistoriker Dr. Lieb u. a. : "Wenn sich die Gelegenheit dazu bot, fotografierte nahezu jeder Wehrmachtssoldat [...] beim Frankreich-Feldzug 1940 gefangene französische Kolonialsoldaten. Das war kaum verwunderlich; schließlich bekamen die allermeisten deutschen Soldaten erstmals in ihrem Leben einen Menschen schwarzer Hautfarbe zu Gesicht."

Ich will das jetzt aufgrund mangelnder Expertise gar nicht groß bewerten. Ist mir nur aufgefallen - und wir reden hier von Deutschen im Jahr 1940, nicht von Böhmen im Jahr 14XX.
monieu
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von monieu »

OHCT hat geschrieben:Ich will das jetzt aufgrund mangelnder Expertise gar nicht groß bewerten. Ist mir nur aufgefallen - und wir reden hier von Deutschen im Jahr 1940, nicht von Böhmen im Jahr 14XX.
Nur ging es ja nicht im engeren Sinne um Schwarze. Das ist der Blogpost, der vor Jahren die erste Diskussion um das Spiel ausgelöst hat: http://medievalpoc.tumblr.com/post/7525 ... rter-for-a" onclick="window.open(this.href);return false; Zwar wurde auf Darstellungen schwarzer Menschen in mittelalterlichen Kunstwerken verwiesen aber darüberhinaus ging es um people of colour im Sinne von Nichtweiße. Genannt wurden unter anderem die Kiptschaken ("Cumans"), die ja nun auch im Spiel vorkommen. Wäre übrigens interessant da die Ereignisfolge zu wissen: Wann wurden sie in das Spiel integriert? Vielleicht kann das jemand beantworten.

Ich glaube allerdings ein guter Teil der entstandenen Kontroverse zumindestens hier in Deutschland und vielleicht war es in Tschechien ähnlich geht auf das damalige Begriffsverständnis von "people of colour" zurück. Ich erinnere mich, dass in der Zeit der Kickstarter-Kampagne oder davor, people of colour als politisch korrektere Form gegenüber schwarz diskutiert wurde. Hat sich meines Erachtens danach wieder gelegt. Wie auch immer, ich denke eine Weile war people of colour ein Synonym für schwarz und etwa mit asiatischen Gruppen haben die meisten den Begriff nicht assoziiert. Und somit ist die Diskussion sofort umgeschlagen in die Frage, ob es Schwarzafrikaner im Böhmen des 15. Jahrhunderts gab. Ich weiß, ich selbst habe damals den Wanderungsdruck, den es von zentralasiatischen Völkern das Mittelalter hindurch auch auf Osteuropa gab, in meiner Überlegung komplett ausgeblendet.
Sanity Assassin
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Sanity Assassin »

OHCT hat geschrieben:und wir reden hier von Deutschen im Jahr 1940, nicht von Böhmen im Jahr 14XX.
An der Stelle muss man immer ein bisschen aufpassen, Geschichte nicht zu sehr als lineare Entwicklung auf den heutigen Zustand hin zu betrachten, glaube ich. Die Tatsache, dass es an Punkt X so war, heißt nicht zwingend, dass man dadurch den Zustand an Punkt Y interpolieren kann. In einem der Blogs, die hier auch durch die Gegend geistern, wurde z.B. der Punkt angebracht, dass die ethnische Durchmischung Osteuropas noch im frühen 20. Jahrhundert viel größer war als heute, einfach weil die Nazis als Teil ihrer Besatzungspolitik gezielt bestimmte ethnische Gruppen ermordet oder vertrieben haben und sich das teilweise zu Sowjetzeiten fortsetzte. Das ist auch der Punkt, an dem Vavras "ich wohne doch hier, also weiß ich Bescheid"-Argument ins Leere läuft.
Peninsula
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Peninsula »

Wenn ich die bisherige Berichterstattung über das Spiel richtig lese, schlägt die Darstellung der Kiptschak voll in die Kerbe des Klischees "wilde Horde aus dem Osten" (mehr dazu hier: http://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/M ... romTheEast" onclick="window.open(this.href);return false;)...
Erscheint mir durchaus nicht unproblematisch. Wo ist denn jetzt die versprochene Diskussion im Lichte des fertigen Spiels?
Dass die Kiptschak als Antagonisten angelegt sind - geschenkt. Aber wenn die Antagonisten in einem "erwachsenen" Spiel mit "Authentizitätsanspruch" offenbar in erster Linie unter Rückgriff auf rassistische Klischees als absolut böse gezeichnet werden, lässt sich das IMO nicht alleine mit der Perspektive rechtfertigen - es gäbe ja die Möglichkeit, die Handlungen und Sichtweisen der eigenen Spielfigur auf narrativer Ebene zu hinterfragen (vgl. z.B. Shadow of the Collossus) oder in der Darstellung der Antagonisten differenzierter vorzugehen, also bspw. zumindest deren Motivationen anzudeuten, sodass sich das Werk nicht die subjektive (und womöglich xenophobe?) Sicht seines Protagonisten komplett zueigen macht.
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Fährmann
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Fährmann »

Ich hab selbst Geschichtswissenschaft studiert und sympathisiere sehr mit dem Ansatz von Matthias Kreienbrink aus der Zeit:

http://www.zeit.de/digital/games/2018-0 ... -realismus" onclick="window.open(this.href);return false;

Es ist meines Erachtens komplett unmöglich ein historisches Spiel zu machen. Genauso wie es unmöglich ist, einen historischen Film zu drehen oder einen historischen Roman zu schreiben. Geschichte ist viel mehr als "wir recherchieren, wie die Wappen damals ausgesehen haben". Eine historische Epoche wird darüber hinaus auch geprägt von
- Mentalitäten
- Denkweisen
- den Umgang von Menschen untereinander (auch abhängig von Geschlecht, Stand und Rasse)
- sinnstiftenden Konzepten der Zeit
- der Art, wie man untereinander geredet hat
- dem Bewusstsein, welche Menschengruppen gerade gesellschaftlich an Einfluss gewinnen und welche dieses verlieren
usw.

Weil wir niemals eine so präzise Quellenlage haben, dass wir all diese Dinge rekonstruieren können, werden wir nie in der Lage sein, irgendeine Epoche realistisch nachzuzeichnen. Deswegen ist historische Literatur niemals historisch. Sie nimmt sich Teile der Historie als Kulisse um darunter eine Geschichte zu erzählen, die zu 90% aus der Gegenwart stammt. Zumal wir nie in der Lage sein werden, unsere gegenwärtigen Erfahrungen mit der modernen Welt abzulegen.

In diesem Kontext ist die interessante Frage also nicht: "Wie historisch ist Kingdom Come?". Historisch zu sein ist ein Anspruch, den Literatur nicht erfüllen kann.

Die interessante Frage ist: Welche Teile der Geschichte hat das Spiel darzustellen versucht und welche nicht?

Und hier fällt tatsächlich auf, dass die Landschaft, die Rüstungen, die Kleidung, die Häuser, usw. recht akribisch recherchiert wurden, im Gegensatz dazu aber die Kiptschak problematisch verkürzt und ein merkwürdiges Genderbild übernommen wurden. Die Rolle der ländlichen Frau im Mittelalter war hochkomplex und findet sich nicht mal ansatzweise in dem Spiel wieder (... mit dem Disclaimer, dass ich nicht 100% von Kingdom Come gesehen habe). Im Gegenteil: Dass Frauen dem Spielercharakter konstant signalisieren, was für ein cooler Dude er ist, sich anflirten lassen und ansonsten (im Gegensatz zu Männern) mit deutlich weniger Macht in der Gesellschaft abgebildet werden, ist ziemlich schräg.
monieu
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von monieu »

Fährmann hat geschrieben:Ich hab selbst Geschichtswissenschaft studiert und sympathisiere sehr mit dem Ansatz von Matthias Kreienbrink aus der Zeit:

http://www.zeit.de/digital/games/2018-0 ... -realismus" onclick="window.open(this.href);return false;

Es ist meines Erachtens komplett unmöglich ein historisches Spiel zu machen. Genauso wie es unmöglich ist, einen historischen Film zu drehen oder einen historischen Roman zu schreiben. Geschichte ist viel mehr als "wir recherchieren, wie die Wappen damals ausgesehen haben".
Sehe ich ähnlich, aber ich würde die Kritik auf die von der Geschichtswissenschaft erzeugte Geschichte ausdehnen: viewtopic.php?f=2&t=3120#p61953" onclick="window.open(this.href);return false; Insofern ist es eher das allgemeine Problem, das Bild von einer präzise und detailliert rekonstruierbaren Vergangenheit zurecht zu rücken. Bietet sich natürlich anhand der PR zu einem Spiel an. Andererseits wissen die Entwickler selbst am besten was sie tun. Sie schlagen eben nicht ein Geschichtsbuch auf und kopieren daraus ein Mittelalterdorf in ihr Spiel, sondern sie nehmen eine Vielzahl von Vorlagen und betreiben damit historisch inspirierte Synthese.
Peninsula
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Peninsula »

Fährmann hat geschrieben:Es ist meines Erachtens komplett unmöglich ein historisches Spiel zu machen.
Ich bin da bei allem, was du schreibst grundsätzlich bei dir und bedanke mich insbesondere für die Schilderung deiner Erfahrungen mit KC:D aus erster Hand,

aber

inwiefern ist das Problem spezifisch für "historische" Spiele?
Diese Frage stellt sich mir hier bei den Diskussionen zu dem Thema, besonders auch bei Doms Ausführungen im Sonntagspodcast (Folge 150). Manchmal klingt es für mich so, als wären Geschichtswissenschaftler der Meinung (sorry fürs in einen Topf werfen, ist nicht als Angriff gemeint), grundsätzlich sei es ja schon irgendwie möglich Realität in Medien "korrekt" (und am besten noch vollständig) wiederzugeben, aber bei Geschichte "hört der Spaß dann auf", weil die Quellenlage nicht ausreicht usw.
Ich halte es aber für einigermaßen offensichtlich, dass kein Medium den Anspruch erfüllen kann, Realität - ob historisch oder nicht - "korrekt" und am besten noch vollständig zu reproduzieren. So ein Medium wäre dann selbst diese Realität.

Dennoch denke ich, dass man in einem prätheoretischen Kontext unterscheiden kann zwischen
"Ich bin 1975 mit meinem Auto durch Hamburg gefahren."
und
"Ich war 1975 Jahren dabei, als Hamburg in einer Schlacht zwischen Echsenmenschen und körperlosen Lichtwesen aus der Andromedagalaxie pulverisiert wurde."
Beide "Erzählungen" sind fiktiv - 1975 war ich noch nicht auf der Welt und Auto fahre ich bis heute nicht - aber die ihrem Anspruch nach "realistischere" Erzählung lässt sich ja wohl ohne Weiteres ausmachen, oder nicht? :mrgreen:

Und deswegen halte ich es auch für einigermaßen legitim, wenn ein Spiel (Film/Buch/...) sich - im Rahmen des Möglichen - als "realistisch", "historisch korrekt" (o.ä.) bezeichnet. Die Unmöglichkeit eines "echten" (ha!) Realismus sollte nahezu jedem Mediennutzer intuitiv klar sein.

Wenn ein Werk aber mit dem eigenen "Realismusanspruch" hausieren geht, ist es IMO schon interessant, welche Aspekte es sich herauspickt, um diesen Anspruch umzusetzen.

Unabhängig von der Frage nach der Historizität halte ich die offenbar sehr platte "Kiptschak sind böse, wilde Reiterhorden"-Erzählung in KC:D für sehr unglücklich, weil das Spiel von sich selbst behauptet, eine realistische Geschichte "für Erwachsene" zu erzählen - und da wird dann solche Schwarzweißmalerei verschiedener Menschengruppen - ob in historischem oder zeitgenössischem Setting - problematisch.
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Fährmann
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Re: Kingdom Come: Deliverance und sein problematisches Geschichtsbild

Beitrag von Fährmann »

Peninsula hat geschrieben: Ich halte es aber für einigermaßen offensichtlich, dass kein Medium den Anspruch erfüllen kann, Realität - ob historisch oder nicht - "korrekt" und am besten noch vollständig zu reproduzieren. So ein Medium wäre dann selbst diese Realität.

Dennoch denke ich, dass man in einem prätheoretischen Kontext unterscheiden kann zwischen
"Ich bin 1975 mit meinem Auto durch Hamburg gefahren."
und
"Ich war 1975 Jahren dabei, als Hamburg in einer Schlacht zwischen Echsenmenschen und körperlosen Lichtwesen aus der Andromedagalaxie pulverisiert wurde."
Beide "Erzählungen" sind fiktiv - 1975 war ich noch nicht auf der Welt und Auto fahre ich bis heute nicht - aber die ihrem Anspruch nach "realistischere" Erzählung lässt sich ja wohl ohne Weiteres ausmachen, oder nicht? :mrgreen:

Und deswegen halte ich es auch für einigermaßen legitim, wenn ein Spiel (Film/Buch/...) sich - im Rahmen des Möglichen - als "realistisch", "historisch korrekt" (o.ä.) bezeichnet. Die Unmöglichkeit eines "echten" (ha!) Realismus sollte nahezu jedem Mediennutzer intuitiv klar sein.
Ich stimme dir beim ersten Teil absolut zu. "Realismus" ist eine Kategorie, die in meinen Augen immer subjektiv ist, sobald es um die Darstellung von Gesellschaften geht. Ich finde genauso wie du, kein Stück Literatur kann realistisch oder historisch korrekt sein.

Ich störe mich aber an einer Sache bei dem Beispiel: Von beiden Aussagen ist die zweite eindeutig widerlegbar. Das ist bei vielen Szenarien nicht der Fall. Angenommen man bleibt im Jahr 1975 und will ein Spiel über den Kalten Krieg programmieren. Man überlegt sich, was die Grundprämisse sein soll:

1.: Im Jahr 1975 war die Sowjetunion den Amerikanern überlegen.
2.: Im Jahr 1975 war die Sowjetunion den Amerikanern unterlegen.

Man hat also zwei Prämissen, die jeweils entgegengesetzte Pole darstellen. Selbst wenn man mit 100 Historikern zusammenarbeitet und möglicherweise selbst eine einflussreiche Position in dieser Zeit hatte, wird man nie in der Lage sein, eines der beiden Szenarien objektiv als das realistischere benennen zu können. Wenn man sich anschließend also hinstellt und sagt: "Unser Spiel ist realistisch, weil wir mit vielen Historikern gesprochen haben, die das genauso sehen wie wir", halte ich das für eine schwierige Aussage.
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