Runde #148: Diagnose Videospielsucht

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OCD
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von OCD »

Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass Andre dagegen ist...

Bezeichnungen wie Videospielsucht finde immer unglücklich, weil es viel um spezielle Spiele geht, vor allem Mulitplayer à la LoL, Fifa, WoW usw. Nicht-Spieler werfen dann alles in einen Topf "Die bösen Videospiele", obwohl Spiele auch positive Effekte haben, wenn z.B. Depressionen thematisieren werden.

Braucht es vielleicht mal ein Spiel, dass über die Mechanismen und ausgeklügelten Belohnungssystemen von MP-Titeln spielerisch aufklärt? :think:

Ich muss gerade auch an Anno 1404 denken. Nach einer gewissen Spielzeit kommt die "Willst du nicht mal eine Pause machen?"-Einblendung. Schau ich auf die Uhr und musste zustimmen. :D Die Sogwirkung unterschätzt man dann doch.

Ansonsten kenne ich es auch von Jugendlichen, dass man sich teilweise mit seinen Ingame-Erfolgen profiliert. "Ich habe schon !000h Stunden bei CS:GO und du nur 300h." oder "Ich habe Skin XY". Der Gruppenzwang um weiterzuspielen. Bei Steam kann man die Spielzeit der Freunde sehen und hat direkt eine Highscoreliste.
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Blaight
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Blaight »

Eine großartige Folge.

Ich möchte noch was zum Dopamin sagen.

Bei der klassischen Spielsucht ist ein Problem, dass Dopamin freigesetzt wird, während man setzt. Auch wenn man gewinnt, klar, aber vorallem während man setzt und die Rädchen sich im einarmigen Banditen oder die Kugel sich beim Roulette dreht. Diese Dopamin-Ausschüttung ist gewinnunabhängig und deswegen besonders gefährlich. Gerade auch beim Thema Lootboxen, deren Öffnung ebenfalls eine Visualisierung und Presentation im Allgemeinen aufzeigen, dass klar wird, welche Mechanismen hier genutzt werden sollen.

Deswegen halte ich Lootboxen für so unmoralisch. Und da man im Internet so schnell kaufen/konsumieren kann fehlt eine Relation. Wer sich zwei Paletten Ü-Eier kauft ist auch ne menge Kohle los, aber man sieht den Wahnsinn dann wenigstens vor sich. Bei Lootboxen fehlt einem die Relation, auch zum Geld.

Ratten, denen man zwei Hebel in den Käfig setzt, wo ein Hebel Dopamin im Hirn freisetzt, über eine direkte Injektion, die sind mitm Kopf da so festgemacht, und der andere Hebel wirft Essen in den Käfig, verhungern. Die drücken solange aufs Dopamin, bis sie tot sind.

Und damit macht eine Industrie, die groß als Kunst verstanden werden will, gerade Milliarden.

Ekelhaft.
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Chiller
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Chiller »

Ich möchte nur kurz sagen, wie unfassbar gut die Folge war. Beim einmaligen Hören konnte ich noch nicht alle Informationen verarbeiten, deswegen werd ich sie mir wohl noch ein paar mal anhören. Weiter so, Jungs!
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Model
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Model »

Tatsächlich hervorragende Expertenwahl - nicht nur inhaltlich, sondern auch akustisch - den beiden kann man sehr gut zuhören!
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Klagsam
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Klagsam »

Blaight hat geschrieben:Eine großartige Folge.

Ich möchte noch was zum Dopamin sagen.

Bei der klassischen Spielsucht ist ein Problem, dass Dopamin freigesetzt wird, während man setzt. Auch wenn man gewinnt, klar, aber vorallem während man setzt und die Rädchen sich im einarmigen Banditen oder die Kugel sich beim Roulette dreht. Diese Dopamin-Ausschüttung ist gewinnunabhängig und deswegen besonders gefährlich. Gerade auch beim Thema Lootboxen, deren Öffnung ebenfalls eine Visualisierung und Presentation im Allgemeinen aufzeigen, dass klar wird, welche Mechanismen hier genutzt werden sollen.

Deswegen halte ich Lootboxen für so unmoralisch. Und da man im Internet so schnell kaufen/konsumieren kann fehlt eine Relation. Wer sich zwei Paletten Ü-Eier kauft ist auch ne menge Kohle los, aber man sieht den Wahnsinn dann wenigstens vor sich. Bei Lootboxen fehlt einem die Relation, auch zum Geld.

Ratten, denen man zwei Hebel in den Käfig setzt, wo ein Hebel Dopamin im Hirn freisetzt, über eine direkte Injektion, die sind mitm Kopf da so festgemacht, und der andere Hebel wirft Essen in den Käfig, verhungern. Die drücken solange aufs Dopamin, bis sie tot sind.

Und damit macht eine Industrie, die groß als Kunst verstanden werden will, gerade Milliarden.

Ekelhaft.

Den Vergleich halte für sehr polemisch. Roulette setzt Dopamin frei, das tut aber Lob beispielsweise auch. Dopamin spielt afaik unter anderem im Belohnungssystem eine entscheidende Rolle, aber eben auch in vielen anderen Hirnbereichen. Bei den Rattenexperimenten dagegen geht es soweit ich weiss um eine direkte Stimulation des Belohnungssystems mittels Elektroden. Dein Vergleich wäre ungefähr so, als würdest du sagen jemanden zu loben ist in etwa so schlimm wie ihm Kokain zu spritzen (das machen Leute nämlich auch nonstop, gesetzt den Fall sie haben genügend Spritzen und Kokain), weil beides das Belohnungssystem aktiviert.
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bluttrinker13
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von bluttrinker13 »

@Dopamin: Wäre mir auch neu. Soweit ich es aus dem Studium noch erinnere ist Dopamin mehr oder weniger der Motor (für Aufmerksamkeit, Annäherungsverhalten, Motorik etc.) der einen dann zu den befriedigenden Dingen hin treibt, aber nicht diese Befriedigung selbst.
Deswegen ist Dopamin ja auch bei so ziemlich allen Handlungen wo es um positive Valenz oder Zielerreichung geht, neurophysiologisch beteiligt, sozusagen als notwendiger Teil der Gesamtbedingung. Die Frage ist eben auch noch - wo, warum und mit welchem Wert das Ganze? Dazu passt auch das Dopaminmangel mEn in erster Linie passiv macht, was uns weniger Verstärker und Zielerreichung beschert, das dann wiederum depressiv oder niedergeschlagen macht, aber eben nicht nur der Dopaminmangel per se.

Anders gesagt: Dopamin ist eher wie Koks, aber noch kein Ecstasy. Und die ganze Glücksthematik sollte nicht immer nur auf diesen einen Neurotransmitter (der wie Klagsam richtig festgestellt hat ungemein viele Funktionen hat) reduziert werden.

Zugegeben, meine Neurolektionen sind a weng her, kann also sein das ich mich irre oder nicht auf dem neuesten Stand bin. :)
Joschel
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Joschel »

Vereinfachend kann man sagen, dass Dopamin dann ausgeschüttet wird, wenn etwas besser ist als erwartet.

Das erklärt dann auch, warum die Dosis bei Drogen erhöht wird.

Das ist bei Videospielen sicher ähnlich.
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PinkFloyd
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von PinkFloyd »

Ich möchte zu dem gefährlichen Halbwissen über Dopamin aus den letzten paar Beiträgen ein zwei Sachen anmerken:

Ich weiß nicht woher das die Leute haben, aber Dopamin an sich hat mit Suchtverhalten/Entstehung erst einmal gar nichts zutun.

Dopamin ist ein Neurotransmitter (Botenstoff) der von verschiedensten zelltypen im Gehirn ausgeschüttet wird. So ist das Absterben von dopaminergen Zellen bei Parkinson z.B. Eines der Hauptprobleme welches das Zittern verursacht.

Bei Sucht wird in einer Hirnregion, dem ventral tegmental area, mehr Dopamin als üblich ausgeschüttet. Das Problem entsteht dann bei den Zellen die das Dopamin aufnehmen. Diese Zellen sitzen in einer ganz anderen Region, dem nucleus accumbens, und beeinflussen ihrerseits den frontalen cortex, der so wird vermutet, die Hauptteil für Entscheidungsfindung ist.

Warum es nun aber in dem ventral tegmental area zu einer erhöhten Dopamin ausschüttung kommt weiß man noch nicht genau.

So gibt es z.B. Auch Menschen die nicht Abhängig werden, egal ob von Zigaretten oder Heroin. Obwohl diese über funktionelle Emotionen (z.B. Beim Wetten) verfügen.

LG Floyd
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Blaight
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Blaight »

PinkFloyd hat geschrieben:Ich möchte zu dem gefährlichen Halbwissen über Dopamin aus den letzten paar Beiträgen ein zwei Sachen anmerken:

Ich weiß nicht woher das die Leute haben, aber Dopamin an sich hat mit Suchtverhalten/Entstehung erst einmal gar nichts zutun.

Dopamin ist ein Neurotransmitter (Botenstoff) der von verschiedensten zelltypen im Gehirn ausgeschüttet wird. So ist das Absterben von dopaminergen Zellen bei Parkinson z.B. Eines der Hauptprobleme welches das Zittern verursacht.
Es ist in Wirklichkeit alles noch deutlich komplexer, da Neurotransmitter und andere Signalmoleküle komplett konträre Signalkaskaden anstoßen können, je nach Rezeptor (und dessen Konfiguration/Phosphorylierung). Außerdem ist häufig auch das Verhältnis von L-DOPA zu Dopamin wichtig, da das wiederum die Expression der entsprechender Rezeptoren beeinflusst. Richtig ist, dass dopaminierge Neurone in der Substantia nigra absterben und damit indirekt Parkinson auslösen. Das hat, wie Du richtig sagst, aber nichts mit Suchtverhalten zutun.

Mein Rattenbeispiel sollte folgendes illustrieren, und es gibt diesbezüglich mittlerweile viele Studien, mit unterschiedlichstem Studiendesign:
Dopamin kann bei Fehlregulation dazu führen, dass das Verhalten sich extrem ändert. Man weiß von Parasiten, die den Dopaminhaushalt von Nagetieren so verändern, dass sie, statt vor Katzengeruch zu fliehen, diesen Geruch plötzlich attraktiv finden. Wir können uns gerne gesondert über Neurotransmitter und Wechselwirkungen und Fehlregulationen unterhalten, das dann an anderer Stelle.

Die Lootboxen bedienen sich den gleichen Mechanismen, die schon hunderttausende Menschen zu ruinierten Zombies an einarmigen Banditen gemacht haben, die mit jedem Zug am Arm einen kleinen Dopamin-Schuss bekommen und ihr Verhalten ungeachtet ihrer persönlichen Tragödie nicht ändern können.

Das finde ich ekelhaft. Es wird nicht jeder süchtig, der bei FIFA Ultimate Team für Echtgeld Spielerpackages erwirbt. Aber EA/ALLE tun ganz offensichtlich auch nichts dagegen, dass die begehrten Wale ungeachtet des wirklichen Wertes dieser Ingamegüter ihre komplette Existenz gefährden. Und wenn man Berichten über Fachbeiträge bzgl Player recurring investments Glauben schenkt, dann versucht die Industrie eben jene Mechanismen noch besser zu steuern und Suchtspiralen noch gezielter anzufachen, indem Dropraten personalisiert werden und besonders befriedigende Sounds und Visualisierungen mit dem Öffnen der Lootboxen verbunden werden. Findet Ihr das gar nicht zynisch? Zu sagen man sei Kunst und wolle die Kultur bereichern und dabei aktiv versuchen Menschen von Lootboxen abhängig zu machen? Ich sage ja nicht, dass das immer klappt und Aufklärung kann natürlich helfen. Aber solange es keine Limitierung von Transaktionen pro Tag oder Volumen pro Monat und eine Alterseinschränkung gibt, finde ich das furchtbar unanständig. Da lieber eine Pferderüstung für 10 Euro.


Ich bin da vll ein gebranntes Kind. Ich habe mal innerhalb eines Tages als Kind mein komplettes gespartes Taschengeld für Magic-Booster ausgegeben, genau dieser Effekt. Sollen die Booster generell verboten werden? Nein. Aber der Ladenbesitzer, der gesehen hat wie ein 11 jähriger innerhalb weniger Sunden fast 700 Mark verbraten hat, der hätte die Verantwortung übernehmen sollen und bei spätestens 150 Mark sagen sollen, dass für heute Schluss sei.
Strohhalm
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Strohhalm »

Gute Folge. Danke auch an die beiden Ärzte. Das Gespräch lässt mich den Glauben an unser Gesundheitssystem etwas verlieren. Ich hätte da mal noch so ein paar Fragen, vielleicht kann sie mir jemand beantworten:

(0:10:30)
“Letztlich [...] gibt der ICD-Katalog die Möglichkeit vor, eine Krankheit abzurechnen. Letzten Endes muss ein Gesundheitssystem auch finanziert werden.”

Kann die Medizinbranche überhaupt objektiv forschen, wenn das Ergebnis der Forschung finanzielle Folgen für sie hat? Könnte es sein, dass es hier nur um die Erschließung eines neuen Marktes geht? Auch wenn sich die Ärzte, die ja nur helfen wollen, letztendlich ihrer Rolle gar nicht immer bewusst sind? Könnte es sein, dass dies ein Kampf Gamesbranche gegen Medizinbranche wird? Wer kann hier garantieren, dass wirklich das Wohl der Menschen im Fokus steht? Ich sehe das aus der Perspektive, das Kliniken mittlerweile Aktiengesellschaften sind und auf Kosten von Patientenwohl (Einsparung des Personals und der technischen Ausstattung, unnötige Operationen) den Aktionären eine Rendite bescheren.

(0:11:25)
“Der Katalog gibt letztendlich vor, was als Erkrankung zählt.”
(1:25:25)
“Letzten Endes kann man sich nicht davor schützen. Es gibt sicherlich immer wieder Fälle, wo die Diagnosen leichtfertig vergeben werden.”

Moralisch und ethisch finde ich es gefährlich besonders im Hinblick auf die Geschichte der Psychologie und Psychotherapie zu sagen: Wir schaffen Tatsachen, um die Forschung voranzubringen! Wenn diese Haltung in der Medizin die gängige Praxis wird, dann werden wir mit Medikamenten behandelt, bevor ihre Wirkung überhaupt bewiesen ist. Diese Aussage ist für mich mit der Genfer Deklaration des Weltärztebundes nicht vereinbar, oder?

(0:14:23)
“In unserem Fall ist es jetzt so, dass wir eben dann die Pauschale ansetzen für die andere Erkrankung, die die Jugendlichen mitbringen. Also viele von denen haben beispielsweise ne Aufmerksamkeitsstörung oder ne Angsterkrankung. Und die Videospielabhängigkeit zeigt sich sozusagen zusätzlich zu der psychiatrischen Diagnose, die sie haben.”
(0.44.30)
“[...] ein Anteil davon könnte auch die Sucht nach sozialen Netzwerken sein. Und wir haben immer häufig den Eindruck, dass [...] dieser soziale Aspekt, der die Leute zum Spielen treibt bei Minecraft besonders ausgeprägt ist. Und auch das sie sehr aktiv auf Youtube sind, selbst Videos machen, selbst Videos veröffentlichen und eben Leuten dort folgen und sich reger an Diskussionen beteiligen und Minecraft so ne Art Vehikel ist über das die ihre sozialen Kontakte gestalten.”
(1:18:00)
“[Frage:] Wie oft stellt sich denn raus, es ist doch eher ein Problem, das ganz woanders liegt, also zum Beispiel eben in der Familie oder sonst irgendwas und das mit diesem exzessiven Spielen ist jetzt so ein Symptom (...) [Antwort:] Sehr häufig.”
(1:29:38)
“Wie viele unserer [videospielsüchtigen] Jugendlichen erfüllen da nicht hochsoziale Funktionen, sind Gildensprecher, heiraten im Onlinerollenspiel, haben ne Freundin, haben ne Beziehung über das Spiel, im realen Leben würden sie sich aber nicht trauen jemand anderen anzusprechen.”
(1:50:28)
“Und sicherlich wäre es möglich, also wahrscheinlich wenn man sich die Milliarden von Menschen auf der Welt anguckt, würde man noch mehr, viel mehr Verhaltensweisen finden, von denen die süchtig sind. [...] Und man kann sicherlich nach den unterschiedlichsten Sachen süchtig sein. Jetzt geht’s aber darum, wie viele Menschen sind es, das sich das lohnt [Annahme: sich damit zu beschäftigen].”

Mal angenommen, man findet heraus, dass die Videospielsucht bei jemand auftritt, der Angst vor Menschen hat, aber trotzdem das menschliche Bedürfnis nach sozialer Interaktion besitzt und diese eben stark durch das Onlinespielen kompensiert. Wenn wir nun diesem Menschen das Videospielen als Verhaltenssucht abtrainieren, was tun wir ihm dann damit an? Er verliert die letzte Chance mit seiner Umwelt ohne Angst in Verbindung zu treten. Wenn die Videospielsucht aber als extra Erkrankung aufgeführt wird, warum sollte ein Psychologe über dieses Krankheitsbild hinaus eine Behandlung anstreben? Was wenn die Viedeospielsucht nur ein weiteres Symptom ist? Was wenn dieses Verhalten für diese Person, ihr Weg ist um mit der Welt in Kontakt zu treten? Was wird hier wegtherapiert?

(0:15:29)
“Eher ist es so dass, da viele [Psychotherapeuten] noch ein Defizit haben, beziehungsweise die Strukturen noch defizitär sind und gar nicht genügend Plätze für solche Leute [Computerspielsüchtige] zur Verfügung stehen, weil die meisten Professionellen da noch zurückhaltend sind und sich damit gar nicht auskennen, weil es zum Beispiel nur sehr wenig an Literatur dazu gibt, weil es bisher dazu keine Diagnose gibt und dazu auch keine curriculäre Ausbildung zu dem Thema gibt.”

Bedeutet das, wenn ich einem Psychotherapeuten aktuell die Symptome der Gaming-Disorder-Diagnose schildere, dann hat er keine fachliche Ausbildung, um mich für diese Erkrankung zu behandeln und noch nicht einmal die Möglichkeit sich einzulesen, weil es keine Fachliteratur zu diesem Thema gibt? Heisst das dann, dass dieser Arzt mich aufgrund seiner persönlichen Meinung über das richtige Konsumverhalten Computerspiel behandelt? Sollte zu einem Krankheitsbild nicht zumindest genug Literatur vorhanden sein, bevor es als Krankheitsbild behandelt wird?

(0:28:59)
“Entscheidend ist die Funktion im Alltag. Also schafft derjenige es in die Schule zu gehen. [...] aber wir [die Psychologen] gehen halt montags zur Arbeit und funktionieren da. Und die Jugendlichen schaffen es nicht aufzuhören und gehen montags nicht in die Schule. ”
(1:47:15)
“Letztlich definiert sich jede psychologische Erkrankung immer im Kontext der Gesellschaft, die sie umgibt.”

Unser Schulsystem bedeutet, dass Kinder mehrere Stunden (bis zu 8h täglich) in extremer Fremdbestimmung (man muss darum bitten aufs Klo gehen zu dürfen) mit vielen anderen fast ausschließlich Gleichaltrigen in einem kleinen Raum sitzen und in einem extrem ungerechten und undurchschaubaren Regelsystem (Herkunft entscheidet über Bildungschance, kann ja nicht jeder studieren, viel Wissen wird unnütz auswendig gelernt und dann vergessen) fast regungslos in manchmal extremen Prüfungssituationen ausharren müssen und dann voreinander bloßgestellt werden (Leistungsvergleich). Es gibt Kinder die schaffen das nicht. Falls diese sich dann lieber Computerspielen zuwenden, kann ich das sogar irgendwie verstehen? Ist unser Schulsystem gesund? Müssen diese Kinder in die Verhaltenstherapie?

Gaming bedeutet das Gegenteil von Schule. Selbstbestimmung, durchschaubare Regeln, faire Aufstiegschancen und immer die Möglichkeit neu anzufangen.

Müssen wir als Menschen so funktionieren, wie es von uns erwartet wird? Müssen unsere Kinder also quasi für das Rentensystem funktionieren?

Was ist mit gesellschaftlicher Akzeptanz. Spielt zum Beispiel ein Fußballspieler? Was ist er bereit für seinen Erfolg zu opfern? Nicht sogar seine Gesundheit?
Was ist mit dem E-Sportler? Ist es plötzlich ok und normal, wenn man mit der Vidoespielsucht Geld verdient?

Was ist wenn sich plötzlich die Hälfte der Gesellschaft entscheiden sollte, ihr Leben in Computerspielen zu verbringen? Wäre dann die Videospielsucht plötzlich normal? Was wenn diese Hälfte tatsächlich die glücklichere wäre?

Was ist mit Gamification? Ganze Lebensbereiche sollten gamifiziert werden. Angefangen bei der Payback-Karte im Supermarkt. Was wenn unser Leben nichts anderes als ein Spiel wird/ist?

(0:33:28)
“Zum Beispiel Dopamin wäre da jetzt so ein Botenstoff, der da jetzt eine Rolle spielt. Immer so als Glücks- oder Belohnungshormon bezeichnet.”

Essen, Küssen und Sport führen zu einer Dopaminausschüttung. Es gibt Gesundheitstipps im Internet, wie man eine gute Dopaminausschüttung erreichen kann, um nicht depressiv zu werden.
Mir stellt sich hier die Frage: Kann man nach sich selbst überhaupt süchtig sein? Und nach was sind wir dann süchtig? Sind wir danach süchtig uns glücklich fühlen zu wollen?

Eure Strohi
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Texlamoktl
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Texlamoktl »

Auch wenn sich’s nach Jingle in Endlosschleife anhört: Eine wirkliche hervorragende Folge, die sich aus meiner Sicht mühelos für den Kanon eurer Leuchtturm-Folgen qualifiziert. Was nicht zuletzt an den Gästen lag, die sich wirklich super eingefügt und auch für den Laien nachvollziehbar argumentiert haben. Dass man der Argumentation ja nicht zwingend folgen muss, steht wie stets auf einem anderen Blatt.

Hier sehe ich auch noch den einzig nennenswerten Atemraum für die allseits beliebte Luft nach Oben: Die aller-aller-idealste Konstellation wäre es gewesen, wenn ihr einen Kritiker der ICD-Geschichte zeitgleich im Cast gehabt hättet. Damit meine ich einen Kritiker mit entsprechendem fachlichen Background, etwa den Gast aus der Nachgeforscht-Folge.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Genaugenommen ist das nichtmal Jammern, sondern nur Ansporn, damit ihr euch nicht zu sehr auf euren hochverdienten Lorbeeren ausruht.
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Klagsam
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Klagsam »

Blaight hat geschrieben:
Das finde ich ekelhaft. Es wird nicht jeder süchtig, der bei FIFA Ultimate Team für Echtgeld Spielerpackages erwirbt. Aber EA/ALLE tun ganz offensichtlich auch nichts dagegen, dass die begehrten Wale ungeachtet des wirklichen Wertes dieser Ingamegüter ihre komplette Existenz gefährden. Und wenn man Berichten über Fachbeiträge bzgl Player recurring investments Glauben schenkt, dann versucht die Industrie eben jene Mechanismen noch besser zu steuern und Suchtspiralen noch gezielter anzufachen, indem Dropraten personalisiert werden und besonders befriedigende Sounds und Visualisierungen mit dem Öffnen der Lootboxen verbunden werden. Findet Ihr das gar nicht zynisch? Zu sagen man sei Kunst und wolle die Kultur bereichern und dabei aktiv versuchen Menschen von Lootboxen abhängig zu machen? Ich sage ja nicht, dass das immer klappt und Aufklärung kann natürlich helfen. Aber solange es keine Limitierung von Transaktionen pro Tag oder Volumen pro Monat und eine Alterseinschränkung gibt, finde ich das furchtbar unanständig. Da lieber eine Pferderüstung für 10 Euro.
Ich finde das nicht zynischer, als Alkoholwerbung, die dir suggeriert, dass du mit Getränk XY jede Menge Spass haben wirst und die dabei womöglich noch die "soziale" Wirkung des Alkohols in den Vordergrund stellt.
Klar, wir sollten Kinder und Jugendliche vor solchen Mechanismen schützen. Daher fände ich es durchaus richtig, Spiele die unbegrenzte oder wenig begrenzte Ingame-Transaktionen erlauben erst für Erwachsene ab 18 oder 21 Jahren zugänglich zu machen. Bei Erwachsenen habe ich da eine völlig andere Haltung. Da bin ich ein großer Fan von Eigentverantwortung...
Blaight hat geschrieben: Die Lootboxen bedienen sich den gleichen Mechanismen, die schon hunderttausende Menschen zu ruinierten Zombies an einarmigen Banditen gemacht haben, die mit jedem Zug am Arm einen kleinen Dopamin-Schuss bekommen und ihr Verhalten ungeachtet ihrer persönlichen Tragödie nicht ändern können.
... die leider genau mit solchen Argumentationen untergraben wird. Über solche Argumentationen wird den Betroffenen nämlich leider suggeriert, dass ja nur der böse Glücksspielautomatenhersteller schuld ist an seiner Misere und er somit auch höchstens begrenzt in der Verantwortung steht, sich um sich selbst zu kümmern und die Konsequenzen seines Handelns abzuwägen. Wenn jemand entscheidet, sich selbstschädigend zu verhalten dann ist das meiner Ansicht nach zunächst einmal sein gutes Recht.
Polemisch auf die Spitze getrieben suggeriert deine Argumentation aber, dass es unsere Pflicht ist, aus dem Elfenbeinturm heraus die armen Menschen vor sich selbst zu schützen, indem wir moralische und daraus abgeleitet juristische Standards setzen. Genau das aber entmündigt die Menschen und bringt ihnen auf Dauer bei, dass da jemand ist, der sich für sie Gedanken um die Konsequenzen ihres Handelns macht und sie das selbst nicht mehr machen müssen - was ihnen im ganzen meiner Ansicht nach aber eher schadet als hilft.
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Klagsam
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Klagsam »

Strohhalm hat geschrieben:Mal angenommen, man findet heraus, dass die Videospielsucht bei jemand auftritt, der Angst vor Menschen hat, aber trotzdem das menschliche Bedürfnis nach sozialer Interaktion besitzt und diese eben stark durch das Onlinespielen kompensiert. Wenn wir nun diesem Menschen das Videospielen als Verhaltenssucht abtrainieren, was tun wir ihm dann damit an? Er verliert die letzte Chance mit seiner Umwelt ohne Angst in Verbindung zu treten. Wenn die Videospielsucht aber als extra Erkrankung aufgeführt wird, warum sollte ein Psychologe über dieses Krankheitsbild hinaus eine Behandlung anstreben? Was wenn die Viedeospielsucht nur ein weiteres Symptom ist? Was wenn dieses Verhalten für diese Person, ihr Weg ist um mit der Welt in Kontakt zu treten? Was wird hier wegtherapiert?
Ich habe noch niemals jemandem etwas abtrainiert. Dafür müsste ich nämlich mit Bestrafung, wie beispielsweise Elektroschocks arbeiten. Ich habe aber Menschen motiviert, ihr Verhalten zu ändern und genau das würde ich dem von dir geschilderten Fall auch tun. Das heißt ich würde zunächst mit dem Betroffenen an der sozialen Phobie arbeiten, würde versuchen Motivation aufzubauen, seine Angst zu überwinden und in der Realität mit Menschen in Kontakt zu treten. Ich würde mit ihm verschiedene mögliche Situationen erarbeiten in denen er kleinschrittig seine Angst überwinden und so positive Erfahrungen sammeln kann. Gleichzeitig würde ich mit ihm die Konsequenzen (kurz- und langfristig) erarbeiten, die es hat, wenn er weiter so spielt. Insbesondere würde ich dezidiert mit ihm herausarbeiten, dass sein Bedürfnis nach Nähe und Kontakt damit eigentlich nicht befriedigt wird, sondern dass das nur ein Surrogat für das eigentlich Bedürfnis darstellt. Generell würde der Betroffene ja auch nur zu mir kommen, weil er sowieso einen Leidensdruck hat, daher sollte das nicht allzu schwierig sein. Wenn er keinen Leidensdruck hat, sondern beispielweise nur kommt weil seine Freundin findet er solle weniger spielen und sich mehr mit ihr beschäftigen schicke ich ihn wieder weg und sage ihm er soll wiederkommen wenn er Leidensdruck hat (das ist meist dann wenn die Freundin schluss gemacht hat).

Wegtherapieren kann man gegen den Willen des Betroffenen und ohne die Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen sowieso nichts. Wir sind ja hier nicht bei Clockwork Orange.
Strohhalm hat geschrieben: Bedeutet das, wenn ich einem Psychotherapeuten aktuell die Symptome der Gaming-Disorder-Diagnose schildere, dann hat er keine fachliche Ausbildung, um mich für diese Erkrankung zu behandeln und noch nicht einmal die Möglichkeit sich einzulesen, weil es keine Fachliteratur zu diesem Thema gibt? Heisst das dann, dass dieser Arzt mich aufgrund seiner persönlichen Meinung über das richtige Konsumverhalten Computerspiel behandelt? Sollte zu einem Krankheitsbild nicht zumindest genug Literatur vorhanden sein, bevor es als Krankheitsbild behandelt wird?
Es kann dir jetzt schon passieren, dass du mit Zwangsgedanken in die Psychiatrie gehst und mit einer Schizophrenie diagnostiziert wirst und Neuroleptika bekommst. Wie in jedem Beruf gibt es unter Psychiatern und Psychotherapeuten Menschen, die sehr sorgfältig arbeiten und diejenigen die das nicht tun. Die meisten Kollegen arbeiten aber nach bestem Wissen und Gewissen. Daher würde es dir heute wohl passieren, dass der Psychotherapeut dich entweder gar nicht behandelt und dir sagt: "Tut mir leid, damit kenne ich mich nicht aus" oder dass er dich eben nach den grundlegenden Prinzipien seiner Therapierichtung behandelt. Generell behandeln Psychotherapeuten keine Diagnosen, sondern Menschen. Das heisst, das Problem würde mit dir zusammen herausgearbeitet werden und dann würde versucht werden dafür Lösungen zu finden. Falls du merkst, dass dir die Behandlung nicht hilft, ist es deine Aufgabe das anzusprechen. Falls du die Idee hast die Verantwortung für deine Störung komplett dem Psychotherapeuten zu geben bist du beim Psychotherapeuten eh falsch.
Joschel
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Joschel »

Die Diagnose „Gaming Disorder“ ist jetzt endgültig von der WHO beschlossen worden. Der Katalog wird im Juni erscheinen.
Man sollte sich nicht so sehr an den Sucht-Begriffen festbeißen.

Die Diagnosen lauten im deutschen ICD immer:

Schädlicher Gebrauch von: xy

Also zB Diagnose:

Schädlicher Gebrauch von Halluzinogenen

Zusätzlich muss die Diagnose immer mit A=Ausschluss, V=„Verdacht auf“ oder Z=„Zustand nach“ gekennzeichnet werden.

Im Regelfall wird die Videospiel-Diagnose also mit „Verdacht auf“ gekennzeichnet werden.
Strohhalm
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Strohhalm »

Vielen Dank für die Antwort!
Ich möchte keinem Arzt die Verantwortung für mein Leben in die Hand legen.
Deshalb stelle ich auch hier kritische Fragen. Ich hoffe ich trete damit keinem zu sehr auf die Füße.
Nur manchmal ist das eine Gradwanderung. Wenn ich mir selbst nicht helfen kann,
muss ich auf die Fachkunde eines Arztes vertrauen. Auch, dass er mich im Behandlungsfall
über sein Unwissen informiert.
Darf ich annehmen, dass es in der Praxis üblich ist einem Patienten zu sagen:
Das weiss ich nicht, dafür bin ich als Arzt nicht qualifiziert?
Ich befürchte weiterhin, dass Menschen nach den schwammigen Diagnosekriterien behandelt werden,
weil Ärzte vielleicht glauben, dass sie nun eine solche Diagnose anhand der Kriterien stellen können.
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Andre Peschke
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Andre Peschke »

Joschel hat geschrieben:Die Diagnose „Gaming Disorder“ ist jetzt endgültig von der WHO beschlossen worden.
Hast du dazu einen Link? Ich hatte bislang immer gelesen, dass der finale Beschluss erst im Mai erfolgen soll und ich finde auf Google nix dazu, dass der Beta-Draft nun auch schon offiziell beschlossen wurde.

Andre
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von OCD »

@Andre

Ich denke er bezieht sich auf
http://www.spiegel.de/gesundheit/psycho ... 92306.html" onclick="window.open(this.href);return false;

oder

http://www.zeit.de/news/2018-02/07/such ... -99-971119" onclick="window.open(this.href);return false;
Joschel
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Joschel »

@Andre
Ich hab‘s heute in der Welt gelesen. Die Links hier sind aber identisch.
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Blaight
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Blaight »

Klagsam hat geschrieben:
... die leider genau mit solchen Argumentationen untergraben wird. Über solche Argumentationen wird den Betroffenen nämlich leider suggeriert, dass ja nur der böse Glücksspielautomatenhersteller schuld ist an seiner Misere und er somit auch höchstens begrenzt in der Verantwortung steht, sich um sich selbst zu kümmern und die Konsequenzen seines Handelns abzuwägen. Wenn jemand entscheidet, sich selbstschädigend zu verhalten dann ist das meiner Ansicht nach zunächst einmal sein gutes Recht.
Polemisch auf die Spitze getrieben suggeriert deine Argumentation aber, dass es unsere Pflicht ist, aus dem Elfenbeinturm heraus die armen Menschen vor sich selbst zu schützen, indem wir moralische und daraus abgeleitet juristische Standards setzen. Genau das aber entmündigt die Menschen und bringt ihnen auf Dauer bei, dass da jemand ist, der sich für sie Gedanken um die Konsequenzen ihres Handelns macht und sie das selbst nicht mehr machen müssen - was ihnen im ganzen meiner Ansicht nach aber eher schadet als hilft.

Ich denke darüber ließe sich wunderbar streiten. So wie ich Zigarettenwerbungen unmoralisch finde, die das Gefühl vermitteln man könne sich Freiheit, Rebellion und Individualität auf diese Weise erkaufen, Alkoholwerbung, die suggeriert man habe plötzlich einen funktionierenden Freundeskreis, weil man das richtige Bier trinkt und die Lebensmittelindustrie, die sehr viel Geld dafür ausgibt schon Kindernahrung mit Zuckern zu versetzen, die in der Kombination mit der sonstigen Lebensmittelchemie ebenfalls suchtähnliche Mechanismen instrumentalisiert.

Fest steht, dass die Gamingindustrie mit den Lootboxen die gleichen Knöpfchen drücken will, wie die Casinos. Das kann man OK finden oder nicht, ich sehe da nur erheblichen Regulationsbedarf.

Eigenverantwortung hin oder her, Regulationen, Verbote und Ächtungen sind auch große Leistungen von Kulturen. Gehört eben viel Fingerspitzengefühl dazu. Wenn jemand ganze Familien in die Krise schickt, weil er mit seiner unkontrollierten Spielsucht Haus und Hof verloren hat, dann wäre eine gesellschaftlich-gesetzliche, nenn es elfenturmgeborene, Regulation für alle Beteiligten bis auf die Besitzer des Casinos ein gutes Sicherheitsnetz gewesen. Ich will ja auch, dass jemand, der vercheckt hat sich für das Alter abzusichern, trotzdem nicht in der Gosse versiechen muss. Hat seine Eigenverantwortung nicht wahrgenommen, muss man als soziale Gesellschaft trotzdem mittragen und würdevoll mit umgehen. Wieviele unserer Volkskrankheiten, Diabetes, COPD, Blutdruck etc kosten uns Milliarden jedes Jahr, da wir die Versäumnisse dieser Individuen ihre Selbstverantwortung wahrzunehmen als Solidargemeinschaft abfedern? Da ist es mAn eine angemessene Regulation hohe Steuern auf Kippen und Fernsehwerbungsverbote zu etablieren. Naja schon etwas offtopic hier... ich kann Lootboxen nicht leiden, denn die sind fies, ok?
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Andre Peschke
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Re: Runde #148: Videospielsucht

Beitrag von Andre Peschke »

OCD hat geschrieben:@Andre

Ich denke er bezieht sich auf
http://www.spiegel.de/gesundheit/psycho ... 92306.html" onclick="window.open(this.href);return false;
Ahaa! Thx! Also quasi offiziell nochmal bekräftigt, aber nicht schon den Stempel drauf. Deswegen hab ich da vermutlich nix gefunden, mit meinen Suchbegriffen.

Andre
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