Für mich kam ein ziemlich entscheidender Punkt bei diesem Interview zu kurz, der damals in der Lootboxfolge von Jochen noch angeführt wurde. An der Stelle wirklich schade, dass er so plötzlich gehen musste (wobei ich bitte nicht gefühlskalt erscheinen möchte angesichts dessen, was Jochens Hund leider alles durchmachen musste. Ich hoffe ich werde an dieser Stelle nicht missverstanden).
Was ich wirklich entscheidend problematisch an den Lootboxen in Hinblick auf Suchtfaktoren finde, ist die Inszenierung dieser. Langsames Öffnen, Spannungsaufbau durch die musikalische Untermalung, nach dem Öffnen viel Tamtam, Feuerwerk oder Luftschlangen. All diese Faktoren kommen nicht von irgendwo… sie kommen aus den Casinos und Spielotheken!
Ich habe ein Jahr lang in einer bekannten Spielothek gearbeitet und wenn man sich mal anschaut, wie auf so einem Gerät die Inszenierung abläuft, wird feststellen dass das Öffnen einer Lootbox den Mechanismen von Glücksspielautomaten nachempfunden ist.
Ich erinnere mich noch, wie ich damals kurz nach meiner Einstellung wir ein Seminar erhielten zum Thema Glücksspielsucht, da der Gesetzgeber dies von diesen Firmen verlangt. Also seine Mitarbeiter zu „schulen“. Natürlich könnt ihr euch vorstellen wie der Tenor dabei war, wobei interessanterweise durchaus ein Video gezeigt wurde, welches genau diesen Aspekt behandelte. Die Verführung der Inszenierung.
Sämtliche Mechanismen sind nämlich nur darauf aus die Glückshormone in unserem Hirn zum Tanzen zu bringen. Letztendlich nutzt aber jede Firma wie wir wissen psychologische Tricks aus, um uns zu manipulieren. Das Licht in der Fleischtheke, die Anordnung der Regale in Kaufhäusern, die Preisgestaltung von Artikeln. Perfide wird es aber richtig, wenn man damit suchterzeugende Wirkungen in Kauf nimmt, nur um seinen eigenen Profit zu maximieren. Hier ist wichtiger, dass große Firmen dafür zur Rechenschaft gezogen werden müssen.
Ich mein, ja klar nutzen auch Sammelkartenhersteller solche Mechanismen aus soweit es Ihnen möglich ist (*Hust* die superseltene Karte kann mit jeder Discokugel Konkurrenz aufnehmen *Hust*), aber letztendlich wird hier die suchterzeugende Wirkung letztendlich irgendwann durch das Medium limitiert.
Nicht so bei Lootboxen und Glückspielautomaten. Es wird immer wieder und weiter analysiert, wie man seine „Kundschaft“ noch besser bei Laune halten kann, damit der Rubel auch nicht zu rollen aufhört. Warum sonst mussten die Spielotheken beispielsweise per Gesetz dazu gezwungen werden die suchtgefährdeten Spieler oder eventuell sogar bereits der Sucht anheim Gefallenen den Eintritt zu verweigern? Von sich aus haben die das nämlich nicht gemacht!
An dieser Stelle möchte ich hier noch auf ein interessantes Video auf dem Kanal der Rocketbeans verweisen. Oder genauer gesagt auf eine bestimmte Stelle des Videos. Hier ein Link mit Timecode:
https://youtu.be/LBdHTISytJQ?t=6m56s
Hier spricht Uke Bosse vom Skinner-Box Experiment.
Die Skinner-Box ist so konzipiert, dass ein Tier in einen Käfig mit glatten Wänden reingesetzt wird, der lediglich ein auf das Tier abgestimmten Auslöser besitzt. Für Tauben beispielsweise eine Pickscheibe oder für Ratten einen Hebel. Wird der Auslöser betätigt erhält das Tier Futter und kann Ursache mit Wirkung sogar in Verbindung bringen.
Normalerweise bedeutet dies also, dass das Tier den Auslöser nur betätigt wenn es Futter hat, um eben dieses zu erhalten. Präpariert man den Aufbau aber nun so, dass Auslöser lediglich mit einem gewissen Zufallsfaktor Essen ausspuckt, verändert sich auch das Verhalten der Tiere entsprechend. Sie werden auf ein anderes Verhaltensmuster umkonditioniert!
Daher auch der ursprünglich von Skinner selbst anders betitelte Name des Käfigs: Kammer zum operanten Konditionieren.
In der neusten Folge von Warhammer Vermintide 2 spricht André davon, dass er ein Problem mit der Zufallsmechanik des Spiels hat. Hier wird berichtet, wie ein Zufallsmechanismus in einem weiteren Zufallsmechanismus mündet. Die Chance für immer geileres Loot also extrem minimalisiert wird. Es artet förmlich in einem Glücksspiel aus. (Ich muss gestehen, dass ich seinen Beschreibungen mit den Lootboxen, Lootdices und dergleichen nicht ganz folgen konnte, vermutlich da ich das Spiel selbst nicht gespielt habe).
Jochen argumentiert, dass er darin weniger ein Problem sieht, da ja immerhin kein Echtgeld verlangt wird. An dieser Stelle würde ich widersprechen. Das System in dieser Form der Perfektion zielt auf ein Suchtverhalten ab. Wir sollen am Ball bleiben, weiter spielen. Denn viele aktive Spieler sind für das Spiel letztendlich auch lukrativ, da letztendlich aktive Communities auch auf Neuspieler attraktiv wirken und so letztendlich auch Geld in die Kassen spülen.
Natürlich hat schon ein Diablo 2 solche Mechanismen in Grundzügen eingesetzt und Jochens Vergleich der Bosse als Lootboxen sicherlich auch nicht ganz verkehrt. Vielleicht könnte man es sogar auf die Spitze treiben und behaupten, dass in Spielen wir Diablo 2 eigentlich jeder Gegner eine laufende Lootbox ist. Letztendlich sieht man aber gerade hier den Verlauf der Entwicklung der Mechanik selbst. In einem Diablo 2 fällt aus dem Kadaver des getöteten Gegners einfach nur ein Items raus, welches durch eine farbige Lichtsäule dem Spieler den plötzlichen Fund eines seltenen Drops vermittelt.
Das Öffnen einer Lootbox dagegen zeigt viel mehr Elemente.
Für mich ist der Grad der Ausreifung der Mechanik aber kein Argument den einen weniger oder stärker zur Rechenschaft zu ziehen als den anderen Übeltäter.
Als Kind so um die 13 Jahre alt etwa, habe ich geklaut. Es fing mit Ü-Eier beim kleinen Bäcker nebenan an. Meine Familie hatte wenig Geld und ich war stets durch die Werbung von den 7ten Ei Figuren fasziniert und mein Sammeltrieb sprang an. Ich wollte die haben, nur ohne Geld wie daran kommen? Später klaute ich sogar andere Dinge aus der gleichen Denkweise heraus, nur hatten diese nicht einmal mehr den Überraschungsfaktor der Ü-Eier. Das ganze hörte für mich auf, als ich von einem Ladenmitarbeiter erwischt wurde. Glücklicherweise schaltete er damals weder die Polizei, noch meine Eltern ein, sondern drohte mir damit sollte er mich nochmals erwischen. Aber ab dem Punkt klaute ich nie wieder.
So absurd es klingt, aber Ü-Eier gaben mir den Anstoß zum Dieb zu werden. Will ich daher ein Verbot? Um Gottes Willen nein!
Aber wir sollten einen gesunderen und besseren Umgang mit solchen Mechaniken entwickeln. Und wenn große Firmen dies nicht von sich aus tun, sondern aus Geldgier und Verbesserung ihrer Finanzstatistiken über das Wohl ihrer Kunden hinweg gehen, sollten notfalls eben ihnen Zügel angelegt werden! Ob man dies nun aus der Furcht vor Videospielsucht heraus tut oder mit Hilfe anderer Argumente ist ehrlich gesagt doch Schnuppe. Das Problem bleibt letztendlich das Gleiche und loswerden werden wir das Übel eh nicht mehr, jetzt wo es schon da ist…