Das sehe ich im Großen und Ganzen genauso. Soweit ein Missverständnis vorliegt, liegt es vielleicht in der Auslegung was eine "höfliche" oder "unhöfliche" beziehunsgweise "rücksichtsvolle" Kritik sein soll. Die von dir genannten Mängel muss eine Kritik immer enthalten dürfen, das ist für mich keine Frage von Höflichkeit oder Rücksichtnahme. Wenn ich von letzterer spreche, beziehe ich mich damit allein auf den "Tonfall" - grundsätzlich ist schließlich auch bei einer "vernichtenden" Kritik von 20/100 ein durchgehend sachlicher, trockener Stil möglich.Okay, es ist ein Fluch, dass das Thema in zwei Threads behandelt wird. Irgendwo hab ich eh schon geschrieben, dass ich auch bei Verrissen erstmal davon ausgehe, dass das Produkt verrissen wird. Das lässt sich vermutlich nie ganz trennen- aber auch schon der Unterschied "Der Entwickler war zu unfähig" zu "Der Entwickler war zu nachlässig" ist ein entscheidender. Da das eine tatsächlich die Person angreift, das andere das Verhalten der Person. Wenn ich den Eindruck bekomme, dass ein Entwickler lieber möglichst huschhusch ein absolut unfertiges, undurchdachtes Spiel raushaut statt sich mehr Mühe damit zu geben und Zeit dafür zu nehmen, dann muss ich das benennen dürfen. Denn mangelnde Sorgfalt ist nunmal in allen Gebieten ein Problem, das der Endkunde unmittelbar zu spüren bekommt. Für diese mangelnde Sorgfalt kann es zig Gründe geben, einige davon auch vom Hersteller unverschuldet - aber es ändert eben nichts an der Tatsache, dass er zu früh rausgehauen hat.
An dieser Stelle kommt meine persönliche Definition des Verrisses ins Spiel, die schon eine gewisse (Schaden-)Freude am verbalen Zerfetzen des Produkts impliziert. Im Bezug auf das Produkt selbst finde ich das völlig unproblematisch, sobald wir uns allerdings in den von dir genannten Abstufungen Bezügen den Entwickler annähern finde ich die Verschuldensfrage nicht mehr unerheblich dafür wie "gemein" man dabei in seinem Tonfall sein darf. Ein Entwickler der dem Kunden sein Produkt realistisch präsentiert, weil ihm nichts blieb als es im aktuellen Zustand oder gar nicht zu veröffentlichen dies aber transparent kommuniziert, hat aus meiner Sicht keine "Gemeinheit" verdient - er hintergeht den Kunden schließlich nicht, sondern bietet nur ein Produkt von nicht besonders hoher Qualität zu einem (hoffentlich) nicht besonders hohen Preis an.
Etwas anders liegt der Fall, wenn der Kunde durch gezielt überhöhte Werbeversprechen und das Sammeln von Vorbestellergeldern gezielt zu übervorteilen. Dann darf der Tonfall auch den beteiligten Personen gegenüber aus meiner Sicht durchaus nachlässiger und gröber sein.
Interessante Frage."Die gute Nachricht: [Künstlerin XY] hat ihr bislang bestes Album veröffentlicht. Die schlechte: Es taugt nicht viel." Ist das legitim? Zu persönlich?
Ich hangele mich mal anhand meiner oben aufgestellten Kriterien entlang:
Es ist soweit auf jeden Fall keine "Produktkritik", sondern eine "Entwicklerkritik" weil klar zum Ausdruck gebracht wird, dass die Dame als Künstler generell wenig taugt.
Es ist definitiv legitim zum Ausdruck zu bringen, dass man die Dame für eine schlechte Künstlerin hält.
Ist es legitim sie dabei im angeschlagenen Tonfall zur Pointe eines Witzes zu machen?
Da muss ich fragen wie oben:
Hat sie es denn verdient?