Habe mich schon als Geschichtsinteressierter und nach den Auftrititten von Dom im Magazin und im Sonntagscast sehr darauf gefreut und die Jungfernfahrt dieses Formats absolut genossen. Die Chemie und Rollenverteilung hier stimmt! Auch die Vorbereitung seitens Dom war klasse, der kleine Blick hinter die Kulissen zum Thema Einspieler in diesem Thread... woah.
Die Folge schlägt einen tollen Bogen von der größeren Einordnung der Bedeutung der Entdeckungstouren auf verschiedenen Ebenen bis hin zu konkreten Betrachtung der Umsetzung.
Bin gespannt, wohin ihr beide die Hörer mit dem Projekt noch führt und welche Perspektiven auf Geschichte(n) und Spiele ihr dabei beleuchtet. Gerade die Anstöße im Thread zur Prägungen der historischen Themen und Konzepte durch den Mechanikanteil eines Spiels finde ich persönlich spannend.
Zur Medienkompetenz hinsichtlich geschichtlicher Darstellungen:
Jochen hat sich ja schon seine Aussage "das ist nicht Aufgabe des Spielejournalismus" konkretisiert. Dennoch wundere ich mich etwas über sein "dafür gibt es Geschichtsunterricht"-Argument. Da würde mich interessieren, wieso gerade Jochen so eine Position vertritt, der (wenn ich die Aussage richtig zusammenbekomme) die als nutzlosen Zwang empfundene Schulzeit damit verbracht hat, aus dem Fenster zu sehen und seine Zeit abzusitzen. Das soll bitte nicht als Angriff auf Jochen verstanden werden. Mich interessiert wirklich, woraus sich der Glauben an das Funktionieren des Schulsystems in dieser Hinsicht speist, wenn nicht aus der eigenen Schulerfahrung. War an der Stelle doch mehr der Fokus auf der an anderer Stelle genannten "gesellschaftlichen Erziehung"? Oder nehme ich die dramatisierte Schilderung von Jochens Schulzeit zu wörtlich?
Ich find es schwierig, über die Rate zu mutmaßen, inwieweit Schüler oder Menschen allgemein historische Darstellungen in Büchern/Filmen/Spielen für glaubhaft halten. Natürlich sollte man nicht alle für irgendwie doof oder leichtgläubig halten, aber ich sehe das dennoch kritischer, auch wenn mir für allgemeine Aussagen da auch eine empirische Basis fehlt.
Aber gerade in der Sonntagsfolge mit Dom habt ihr auch über die Wirkmacht von Bildern gesprochen und erst da ist mir persönlich aufgefallen, wie vorgeformt mein Bild vom D-Day ist, weil nach 1918 mein historisches Interesse rapide abnimmt und ich mich damit nie außerhalb von Private Ryan und WW2-Shootern befasst habe. Anderes Beispiel: Ein Bekannter, der Lehrer (Realschule) ist, erzählte neulich, wenn er seine Schüler fragt, wie das Mittelalter aussah, dann erkennt er Skyrim-Einflüsse in ihren Rückmeldungen – was er gerne aufgreifen und aufbrechen will (und damit in Jochens Sinne den Umgang mit Historischem in Medien vermittelt).
Und das trifft nicht nur auf die neueren Medien zu: Historische Romane müssen viele historische Längen und Leerstellen kürzen, um in der Romanform zu funktionieren. Im Vor- oder Nachwort steht dann oft pflichtschuldig, wer den Chroniken entlehnt und wer ganz erfunden wurde. Das könnte aber zugleich den Eindruck erwecken, abseits der Zugeständnisse ist zwischen den Buchdeckeln ein Blick darauf "wie es damals gewesen" und die historischen Personen wurden "korrekt" dargestellt. Die dichte, atmosphärische Beschreibung will zudem gerade keine ständige kritische Reflexion, sondern den Leser absorbieren (gerade bei Spannungsliteratur). Deswegen glaubt der Leser natürlich nicht alles, aber er hält nicht unwahrscheinlich bestimmte Teile für glaubhaft. Umberto Ecos Friedhof in Prag ist da ein schönes Beispiel für das literarische Spiel von Fakt und Fiktion: Es beschreibt durch die Romanhandlung wie das Fiktionale in der Geschichte sowohl unwissend und als auch berechnend zum Wahren wurde (Szenen von Alexandre Dumas und von anderen Autoren werden zu den Protokollen der Weisen von Zion). Gleichzeitig verhandelt es aber in so verqueren postmodernen Brechungen mit der eigenen Gattung, die diesen historischen Entstehungsprozess mit extrem unzuverlässigen Erzählern wiedergibt. Es ist wirklich tiefgehend recherchiert, aber spielt eben literarisch mit dem historischen Wissensstand. Dann aber schreibt bspw. der Kritiker von der FAZ, es handle sich um ein zum langweiligen Roman avanciertes Sachbuch.
Ausgehend von solchen Beispielen würde ich eher dazu tendieren, Medienkompetenz auf möglichst vielen gesellschaftlichen Ebenen und medialen Kanälen immer neu zu reflektieren, statt grundlegende Medienkompetenz als hinlänglich erlernt anzunehmen. Finde da Disclaimer in der Hinsicht auch nicht schlimm. Wenn allerdings überall einer stehen würde, wäre es zugegebenermaßen schon wieder nur Grundrauschen, das ausgeblendet wird.
Ist zwar eh schon zu lang, aber ich möchte noch Terranigmas Beitrag zur verpassten Chance der AC-Serie allgemein sekundieren:
Terranigma hat geschrieben: ↑12. Apr 2018, 17:57
Es wird aber nicht getan. Meine Vermutung: weil der eigentliche Plot der Spiele sehr banale Rache- oder Heldengeschichten sind. Es wurmt mich echt, wie viel Potential diese Reihe hier ungenutzt lässt, obwohl die ganze Meta-Erzählung doch hörbar ruft: "Arbeite mit mehreren Charakteren! Biete dem Spieler unterschiedliche Perspektiven! Nutze unzuverlässige Erzähler!" Und die Entwickler tun nix davon. Meh. Meh. Meh.
Mindert zwar nicht so entschieden meinen Spaß an AC, aber ich fand es schon immer augenfällig, wie der erste Teil diese Helden-Bösewicht-Aufteilung von Templer-Assassinen aufbricht und alle Teile danach komplett bei den klaren Rollen bleiben. Und allgemein wird eh zu wenig multiperspektivisch erzählt in Videospielen.