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Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 14:32
von Singh
Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 12:42 @Singh: Du hast mein Beispiel falsch gelesen beziehungsweise überinterpretiert. Sprich: Die Regeln, die du im Kopf hast, sind zu interessant. ^^

Ich schrieb, dass der Münzwurf entscheidet, wer (das Spiel) "gewinnt". Somit ist stets völlig egal, wie das Schachspiel davor ausging.

Klar ist das ein sehr konstruiertes Beispiel. Aber es soll eben zeigen, dass die Einführung von Zufall ein Spiel strategisch weniger komplex machen kann, auch wenn die Regeln dadurch komplexer werden. Beziehungsweise konkreter, dass bestimmte Zufallsmechanismen Teile des strategischen Raums, den ein Spiel aufspannt, für irrelevant erklären können. Und im Kleinen passiert das durchaus auch immer wieder in der Praxis.
Ah ok.

Es ist tatsächlich sehr konstruiert bei dir, sodass ich es so nicht gelesen habe. Bei deinem Beispiel sind es ja einfach zwei verschiedene Spiele (Schach und Münzwurf) hintereinander, wobei es bei mir tatsächlich integraler Bestandteil im Spiel wird.

Ergänzung (15:30): Eshat zumindest keine Rückwirkungen auf das eigentliche Spiel in deinem Beispiel, sondern das Schachspiel ist die Zugangsvorraussetzung für den Münzwurf.

Mir wird dann nur nicht klar, wodrauf du bei deinem Beispiel hinaus willst, weil ich schon davon ausgehe, dass Roquemike eher in meine Richtung dachte?:think:

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 15:40
von Nachtfischer
Die Aussage war "Zufallselemente erhöhen grundsätzlich die Komplexität von Spielen!". Meine Anmerkung ist: Das kommt darauf an, welche Komplexität man sich anschaut. Zufall kann den strategischen Raum (die Tiefe) sehr wohl verkleinern. Das Beispiel beweist das.

Ein praktischeres Beispiel: Der berüchtigte Yogg Saron aus Hearthstone. Eine Karte, die normalerweise gegen Ende des Spiels ausgespielt wird und dann gerne mal ein, zwei Dutzend zufällige Zauber auf zufällige Ziele raushaut. Sie stellt eine Art Reset dar (sie unterbricht die kausalen Verbindungen zwischen den Game States, die Burgun in seinem Artikel unter "Complexity Effectiveness" näher beschreibt). Egal, wie der Stand war. Egal, wer vorher bessere Entscheidungen getroffen hat und dem Sieg näher war. Jetzt ist Chaos, jetzt ist irgendwas, jetzt sind strategische Entscheidungen außen vor. Die Karte wurde seinerzeit in vielen Community-Turnieren verboten und später von Blizzard selbst derart generft, dass sie in der Regel bloß noch Selbstmord bedeutet. Effektiv wurde sie aus dem Spiel genommen. So verhasst war sie, weil sie regelmäßig große Teile des Spiels Hearthstone für irrelevant erklärt hat.

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 15:51
von Singh
Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 15:40 Die Aussage war "Zufallselemente erhöhen grundsätzlich die Komplexität von Spielen!". Meine Anmerkung ist: Das kommt darauf an, welche Komplexität man sich anschaut. Zufall kann den strategischen Raum (die Tiefe) sehr wohl verkleinern. Das Beispiel beweist das.
Zeigt dein Beispiel nur leider gar nicht, weil dieser Münzwurf nach dem Schachspiel gar keine Rückwirkungen/Konsequenzen auf den weiteren Verlauf hat. Dies ist mMn aber eine Grundannahme in dieser Diskussion. Wie schon geschrieben, in deinem Beispiel ist das Schachspiel nur die Qualifikation für den Münzwurf, aber danach passiert ja nichts mehr.

Ok, das Beispiel jetzt ist auf jeden Fall besser, da es innerhalb des Spiels stattfindet und auch nicht einfach so den Sieger bestimmt.:)

Ich spiele kein Hearthstone, wäre aber sicher Freund dieser Karte. Glücksreset, wenn gefühlt verloren hat, ist mMn super, Extraleben mit Chance auf Vor- und Nachteil.

Aber da sind wir wieder bei einer Geschmacksfrage und weniger bei einer Eindeutigkeit, dass dies schlechtes Design ist.:think:

Aber ich denke, es dreht sich so im Kreis mit der Diskussion oder ich habe einfach Verständnisschwierigkeiten. :oops:

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 16:15
von NobodyJPH
Singh hat geschrieben: 24. Apr 2018, 15:51Zeigt dein Beispiel nur leider gar nicht, weil dieser Münzwurf nach dem Schachspiel gar keine Rückwirkungen/Konsequenzen auf den weiteren Verlauf hat. Dies ist mMn aber eine Grundannahme in dieser Diskussion. Wie schon geschrieben, in deinem Beispiel ist das Schachspiel nur die Qualifikation für den Münzwurf, aber danach passiert ja nichts mehr.
Ist der Münzwurft nicht das einzige in dem Beispiel, das überhaupt eine Konsequenz hat? Und damit ist das Schachspiel + Münzwurf - obwohl ich theoretisch noch eine weitere Regel lernen muss - deutlich weniger komplex in der Ermittlung der Gewinner als das reine Schachspiel. Alles vor dem münzwurft wird irrelevant und gerade weil danach nichts mehr passiert, vereinfacht das doch den Spielablauf enorm. Oder habe ich dich da falsch verstanden?

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 16:34
von Singh
NobodyJPH hat geschrieben: 24. Apr 2018, 16:15
Singh hat geschrieben: 24. Apr 2018, 15:51Zeigt dein Beispiel nur leider gar nicht, weil dieser Münzwurf nach dem Schachspiel gar keine Rückwirkungen/Konsequenzen auf den weiteren Verlauf hat. Dies ist mMn aber eine Grundannahme in dieser Diskussion. Wie schon geschrieben, in deinem Beispiel ist das Schachspiel nur die Qualifikation für den Münzwurf, aber danach passiert ja nichts mehr.
Ist der Münzwurft nicht das einzige in dem Beispiel, das überhaupt eine Konsequenz hat? Und damit ist das Schachspiel + Münzwurf - obwohl ich theoretisch noch eine weitere Regel lernen muss - deutlich weniger komplex in der Ermittlung der Gewinner als das reine Schachspiel. Alles vor dem münzwurft wird irrelevant und gerade weil danach nichts mehr passiert, vereinfacht das doch den Spielablauf enorm. Oder habe ich dich da falsch verstanden?
Aber wie geht es in dem Beispiel weiter? Was passiert nach dem gescheiterten Münzwurf? So wie ich das Beispiel verstehe, spiele ich Schach, stelle den Gegner ins Schach-Matt und habe mir damit das Recht auf den Münzwurf verdient und so wird dann der Sieger ermittelt. Wenn ich den Münzwurf verliere, passiert was genau? So wie ich das Beispiel jetzt nach Erläuterung verstehe: Nix. In meinem ersten Verständnis mit weiteren Spielverlauf nach gescheiterten Münzwurf, wird die Strategie selbstverständlich komplexer.

Um mich selber zu zitieren:
Wie bringe ich mich in eine Position, dass ich direkt im Anschluss den Gegner wieder ins Schach bringe, wenn der erste Versuch scheitert? Warte ich vielleicht bis ich den Gegner in mehrere aufeinanderfolgende Schach-Situationen bringen kann oder versuche ich mein Glück mit einen Rush, bei den ich im Anschluss ins Hintertreffen gerate? Wie antizipiere ich die weiteren Züge des Gegners, falls mein Münzwurf scheitert?
Natürlich ist das Schachspiel vollkommen irrelevant, wenn es nach dem Scheitern nicht fortgeführt wird, aber die Zufallskomponente ist auch nicht ins Spiel integriert. Das Schachspiel dient nur zur Qualifikation um den Münzwurf ausführen zu dürfen. Theoretisch kannst du jedes Spiel vor den Münzwurf setzen.

In allen anderen Ausführungen dieser Diskussion geht es nach dem gescheiterten Münzwurf/den für mich negativen Zufall aber weiter und ich muss mit den Konsequenzen leben bzw. rechnen. Dort führt die Zufallsregel in der Strategie zu mehr Komplexität in der Entscheidungsfindung.

Von daher ist in meinen Augen dieses konstruierte Beispiel von Schach plus anschließenden Münzwurf ungeeignet um auf abstrakte Weise aufzuzeigen, dass eine Zufallsregelung auch zu weniger Strategie führen kann, zumindest im Kontext der bisherigen Diskussion. :)

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 16:45
von Nachtfischer
Singh hat geschrieben: 24. Apr 2018, 15:51Ich spiele kein Hearthstone, wäre aber sicher Freund dieser Karte. Glücksreset, wenn gefühlt verloren hat, ist mMn super, Extraleben mit Chance auf Vor- und Nachteil.
Ein solches Extraleben ist vielleicht "super" für den designierten Verlierer. Für den anderen Spieler ist es aber vielleicht nicht so super, wenn sein gesamter Gameplan und all seine Entscheidungen einfach so, hoppla, ohne sinnhaften Grund für nichtig erklärt werden. Und eine Ebene darüber: Ist es für das Spiel Hearthstone als solches gut, wenn es sich selbst - beziehungsweise weite Teile des Inputs seiner Spieler - für belanglos erklärt? Offenbar war es zumindest Blizzard ja letztlich eine Änderung des Regelwerks wert. (Eine nicht gerade elegante Patchwork-Lösung, aber immerhin.)
Aber wie geht es in dem Beispiel weiter? Was passiert nach dem gescheiterten Münzwurf?
Nochmal: Der Münzwurf entscheidet, welcher Spieler das Spiel gewinnt. Bei Kopf du, bei Zahl ich. Fertig. Danach geht es nicht weiter. Somit führt diese Zufallsregelung in der Tat zu "weniger Strategie", denn es ist vollkommen egal, was im Schachspiel vor dem Münzwurf passiert ist. Jede Strategie ist so gut wie jede andere.

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 16:54
von Sebastian Solidwork
Damit kannst du den Münzwurf triggern und der Gegner gewinnen. Auch wenn er schlechter gespielt hat.

@Singh Wie geht es den dir, wenn der andere die Hearthstone-Karte spielt obwohl du gerade im Vorteil bist?

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 24. Apr 2018, 17:05
von Singh
Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 16:45
Singh hat geschrieben: 24. Apr 2018, 15:51Ich spiele kein Hearthstone, wäre aber sicher Freund dieser Karte. Glücksreset, wenn gefühlt verloren hat, ist mMn super, Extraleben mit Chance auf Vor- und Nachteil.
Ein solches Extraleben ist vielleicht "super" für den designierten Verlierer. Für den anderen Spieler ist es aber vielleicht nicht so super, wenn sein gesamter Gameplan und all seine Entscheidungen einfach so, hoppla, ohne sinnhaften Grund für nichtig erklärt werden. Und eine Ebene darüber: Ist es für das Spiel Hearthstone als solches gut, wenn es sich selbst - beziehungsweise weite Teile des Inputs seiner Spieler - für belanglos erklärt? Offenbar war es zumindest Blizzard ja letztlich eine Änderung des Regelwerks wert.
Nur weil Blizzard es ändert, ist es ja keine qualitative Wertung. Vielleicht war die toxische Community ja "Schuld"? Unnötige Spielzeitstreckung? Ich weiß es nicht.

Wie gesagt, ich spiele das Spiel nicht, kann also nicht aus eigener Erfahrung in diesem Fall sprechen, aber so wie ich es lese, war der Spieler auf der Gewinnerstraße nicht darauf vorbereitet bzw. hat keinen Backup-Plan, falls jemand einen jederzeit möglichen "Chaos-Reset" durchführt. :think: Ich weiß aber auch nicht, ob das Spiel einen solchen Backup-Plan erlaubt. Falls nicht, kann hier genauso der Design-Mangel liegen statt an der Zufallskomponente direkt.
Nachtfischer hat geschrieben: 24. Apr 2018, 16:45
Aber wie geht es in dem Beispiel weiter? Was passiert nach dem gescheiterten Münzwurf?
Nochmal: Der Münzwurf entscheidet, welcher Spieler das Spiel gewinnt. Bei Kopf du, bei Zahl ich. Fertig. Danach geht es nicht weiter. Somit führt diese Zufallsregelung in der Tat zu "weniger Strategie", denn es ist vollkommen egal, was im Schachspiel vor dem Münzwurf passiert ist. Jede Strategie ist so gut wie jede andere.
Ok, jetzt verstehe ich dein Beispiel. Aber weiterhin, in der bisherigen Diskussion ging es immer darum, dass es nach den Zufall noch weiter geht und man mit den Ergebnissen arbeiten kann und muss. :)

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 2. Mai 2018, 06:36
von Fjoergyn
Falls es noch nicht erwaehnt wurde: Grosse Pokerseiten wie PokerStars oder andere Seiten wo echter Zufall wichtig ist greifen auf externe Dienstleister zurueck, welche die Zahlen liefern. Diese wiederum verwenden in der Regel kosmisches Hintergrundrauschen. Dieses Rauschen wird in eine schwarz/weisse Bitmap gewandelt (Noisemap) welche wiederum der Seed ist. So erreicht man echten Zufall, wenn man ihn denn braucht. in 95% der Faelle reicht aber der von Jochen im Poscast beschriebene Algorithmus mit der Systemzeit.

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 2. Mai 2018, 08:44
von JanTenner
Alternativ geht auch eine Wand voller Lava-Lampen :)

Why a Wall Full of Lava Lamps Is a Terrific Random Number Generator

Re: XCOM und Zufall; (Auf ein Bier #159)

Verfasst: 28. Mai 2018, 00:03
von chrisinger
Das war Mal wieder eine tolle Folge!

In den frühen Posts wurde schon erwähnt, dass man ja wenn es einen stört bei XCOM ja wenn der 95% Schuss nicht trifft nochmal laden kann und um den seed zu ändern dann eben zuerst eine andere Aktion ausführen kann. Meine Erfahrung dazu:
Schon im allerersten xcom ufo defense war diese Mechanik integriert und sie war absurd. 1) gab es damals angezeigte Trefferwahrscheinlichkeiten von über 100%. 2) hat man dann trotzdem nicht garantiert getroffen. Die angezeigten Wahrscheinlichkeiten waren also Humbug. Jetzt ist die Anzeige behoben, aber von der rein subjektiven Spielerfahrung wirkt es auf mich als sei es im aktuellen Teil die selbe Berechnung, nur, dass bei internen Werten >0.95 eben dann 0.95 angezeigt wird.

Die Auswirkung auf das Spiel, die ich tatsächlich anprangere ist die oben angesprochene: dass ich den Ausgang des Schusses nicht durch neu laden ändern kann, aber durch neu laden und nachher mit irgendeinem unwichtigen Charakter noch einen Schritt in irgendeine Richtung machen.
Die einfachste Lösung wäre eine Option: möchtest du einen festen seed trotz neu laden, oder einen neuen?

Zu Stellaris: möglicherweise wurde das hier schon erwähnt. Die Aussage von Jochen im Cast ist nicht korrekt. Es wird nicht am Anfang einer Runde von Stellaris festgelegt welche Technologien verfügbar sein werden, sondern erst später im Spiel. Neu laden und noch einmal probieren kann den Ausgang dabei verändern. Ich würde deshalb sagen, dass es sich nicht um Inputrandomness handelt.
Auch hier fände ich wieder eine Option schön, so dass es jeder so spielen kann wie er will.