Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

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Singh
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Singh »

Und ich muss mir bei dieser Argumentation und diesen Kolumnen immer wieder die Frage stellen: Warum will die Videospiel-Branche unbedingt die Nutzung von Hakenkreuze durchbringen nur um als Kunst wahrgenommen zu werden?

Kann man es nicht als Konvention hinnehmen wie z.B. die selten vorhandenen Sexszenen mit nackten Menschen in Hollywood-Blockbustern? Dort stellt jetzt auch keiner die "Kunst" in Frage. Und in der Nische gibt es sehr wohl die Hakenkreuze in Spielen oder als Mod, genauso wie es in Pornos den Busen in Filmen gibt. Von Import oder VPN noch gar nicht angefangen.:D

Ist das Verbot der Hakenkreuze das allerletzte Hindernis zur Vollständigkeit um als "Kunst" zu gelten? Wenn ja, dann ist doch drumherum schon unendlich viel erreicht. Ich kann mich aber zum Beispiel nicht erinnern bei meinem letzten Besuch im Kunstmuseum irgendwo ein Hakenkreuz gesehen zu haben. Und auch Spiele ohne Nazi-Hintergrund bekommen selten das Prädikat "Besonders wertvoll".:think:

Auch hindert niemand die Entwickler von Attentat 1942 aus jedem Hakenkreuz ein dickes + zu machen. Jeder versteht es und ist in meinen Augen keine Verfälschung des Werkes.

Kunst wird nicht zur Kunst nur weil sie ein Hakenkreuz nutzen darf.
Zuletzt geändert von Singh am 29. Mai 2018, 19:34, insgesamt 3-mal geändert.
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Andre Peschke
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Andre Peschke »

Singh hat geschrieben: 29. Mai 2018, 19:13 Auch hindert niemand die Entwickler von Attentat 1942 aus jedem Hakenkreuz ein dickes + zu machen. Jeder versteht es und ist in meinen Augen keine Verfälschung des Werkes.
Bei Attentat 1942 reden wir ja von historischen Fotografien / Filmaufnahmen und nicht von Spielgrafik. Ein "Wolfenstein 2" zu entfremden ist schon eigenartig, aber von mir aus kann man das da so sehen. Aber aus historischen Aufnahmen die Nazisymbole entfernen? In einem Spiel, das Holocaust, Unterdrückung und Verfolgung thematisiert?

Andre
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LlamaCannon
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von LlamaCannon »

Oder man aktiviert sich die Games einfach über VPN. Das verstößt zwar gegen die Steam-Nutzer-Richtlienien, aber diese Richtlinie existiert wohl nur um Benutzer dadran zu hindern sich günstig RU-Keys zu aktivieren oder damit im größeren Stil zu handeln. Ich kann aus eigener Erfahrung Sprechen, denn ich konnte so beide Wolfenstein Spiele in der orginalen Fassung auf meinem Account aktivieren, ohne dafür für die Nutzung eines VPNs gesperrt zu werden.:muscle:
"It's an incredible technical achievement, but it's unfortunate that it's going to be used to kill people" Noel Sharkey, Professor of artificial intelligence and robotics at the University of Sheffield
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Singh
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Singh »

Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mai 2018, 20:15 Bei Attentat 1942 reden wir ja von historischen Fotografien / Filmaufnahmen und nicht von Spielgrafik. Ein "Wolfenstein 2" zu entfremden ist schon eigenartig, aber von mir aus kann man das da so sehen. Aber aus historischen Aufnahmen die Nazisymbole entfernen? In einem Spiel, das Holocaust, Unterdrückung und Verfolgung thematisiert?

Andre
Ok, das historische Dokumente und Fotos beanstandet werden, war aus der Kolumne nicht ersichtlich und auch von der Webseite des Spiels hatte ich den Eindruck, dass es sich um ein Spiel im Comicstil handelt mit eingefügten Zeitzeugenaussagen. Bei den Ingame-Grafiken sehe ich kein Problem mit einer Änderung, aber bei Originaldokumenten? :think:

Dafür habe ich dann auch weniger Verständnis, auch wenn mir da eine gewisse Willkürlichkeit vorwerfen kann.
Wolfgang Walk
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Wolfgang Walk »

Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 17:02
IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:27 Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
In Anlehnung an Wolfgang: Bei Spielen/Filmen handelt es sich um Kunstformen, die Kunstwerke hervorbringen können. Verzeih mir die Gegenfrage, aber welche Filme/Spiele würdest du der Kunstgeschichte zuschreiben? Alle?
Der Kunstgeschichte? Tatsächlich alle. Genauso wie ihr jedes einzelne Bild angehört. Wie erheblich der Beitrag ist, das ist mit der Aussage ja noch nicht gewichtet. Die Mona Lisa dürfte da erheblich schwerer in die Waage fallen als etwas das ich beim Telefonieren scribble.

Eine andere Frage ist natürlich: Welche Kunstwerke sind kanonisch? Auf welche können wir uns einigen? Und da gibt es nur sehr wenige, die tatsächlich seit Jahrhundertem oder Jahrtausenden genannt werden. Solange gibt es noch keine Games. Was nicht heißt, dass nicht eines der Games, die es heute schon gibt, in späteren Jahren nicht kanonisch werden kann.
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LlamaCannon
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von LlamaCannon »

Es gibt diese Games, sie heißen Doom, Crysis und Half-Life.^^ alles shooter und waschechte PC-Games. xD
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Wolfgang Walk
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Wolfgang Walk »

Singh hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:17
Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mai 2018, 20:15 Bei Attentat 1942 reden wir ja von historischen Fotografien / Filmaufnahmen und nicht von Spielgrafik. Ein "Wolfenstein 2" zu entfremden ist schon eigenartig, aber von mir aus kann man das da so sehen. Aber aus historischen Aufnahmen die Nazisymbole entfernen? In einem Spiel, das Holocaust, Unterdrückung und Verfolgung thematisiert?

Andre
Ok, das historische Dokumente und Fotos beanstandet werden, war aus der Kolumne nicht ersichtlich und auch von der Webseite des Spiels hatte ich den Eindruck, dass es sich um ein Spiel im Comicstil handelt mit eingefügten Zeitzeugenaussagen. Bei den Ingame-Grafiken sehe ich kein Problem mit einer Änderung, aber bei Originaldokumenten? :think:

Dafür habe ich dann auch weniger Verständnis, auch wenn mir da eine gewisse Willkürlichkeit vorwerfen kann.
Es war aber klar ersichtlich, dass es sich bei dem Spiel um eines handelt, das sich mit den Folgen des Heydrich-Attentats beschäftigt. Hier jetzt die Hakenkreuze herauszunehmen grenzt für mich nicht mehr an Geschichtsklitterung: es ist eine solche. Zu 100%

Es geht nicht darum, dass wir allesamt Hakenkreuze geil finden. Es geht darum, dass uns dieselben ästhetischen Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen sollen wie allen anderen Kunstformen auch. Es geht um Gleichberechtigung!

"Ich verstehe ja gar nicht, warum ihr Schwarzen jetzt auf einmal im Bus vorne sitzen wollt. Hinten ist doch auch gemütlich!" ist ein Satz, bei dem jeder sofort zurückschreckt und begreift, was er sagt. Aber "Warum müssen Games unbedingt Hakenkreuze haben ..." ist tatsächlich exakt dieselbe Logik, weil sie eine Kunstform gegenüber allen anderen diskriminiert. Wir wollen, verdammt nochmal, im Bus auch vorne sitzen dürfen!

Und nein, ich möchte Dir jetzt NICHT Rassismus vorwerfen! :-) Und unseren Kampf auch nicht auf eine Ebene mit dem der Schwarzen in den USA heben, falls das jemand denken sollte!
OCD
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von OCD »

goschi hat geschrieben: 29. Mai 2018, 19:18 Sollte man dieser Verwendung einfach nicht zu viel relevanz zugestehen.
Die Branche ist da eben sensibler und wenn das vielleicht noch irgendeine Boulevardzeitung aufbauscht...
Wolfgang Walk
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Wolfgang Walk »

OCD hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:57
goschi hat geschrieben: 29. Mai 2018, 19:18 Sollte man dieser Verwendung einfach nicht zu viel relevanz zugestehen.
Die Branche ist da eben sensibler und wenn das vielleicht noch irgendeine Boulevardzeitung aufbauscht...
Sehe ich bei einem Game wie 1942 allerdings keine Chance zum Aufbauschen. Da hat der deutsche Faschismus exakt keinen Coolness-Faktor. Leni Riefenstahl sähe ihr Lebenswerk zerstört.
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lolaldanee
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von lolaldanee »

Es ist einfach wunderbar Wolfgang zu lesen wenn er in Schwung ist, der Georg Schramm der Spieleentwickler :D Herrlich wortgewaltig, und den Finger mit Elan in die Wunde legend. Die Situation um dieses Spiel im Besonderen ist aber auch wirklich eine extreme Farce, und kein Schwein interessierts...
Man stelle sich vor Schindlers Liste dürfte in Deutschland nicht gezeigt werden wegen Hakenkreuzen :roll:
Stuttgarter
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Stuttgarter »

Eine kleine Anmerkung zur "Stuttgarter Staatsanwaltschaft" - das Problem war nicht die Staatsanwaltschaft an sich, sondern der spezielle (fürs politische zuständige) Staatsanwalt H. Der fiel im Lauf seiner Karriere durch eine Menge fragwürdiger Entscheidungen auf - sowohl, wie er mit den Gegnern des S21-Projekts umging (an dem berüchtigten "Schwarzen Donnerstag" war er höchstselbst vor Ort, als Wasserwerfer und Polizeibeamte Straftaten gegen Demonstranten verübten - mittlerweile wurden mehrere Polizeibeamte schuldig gesprochen und der ehemalige Stuttgarter Polizeipräsident hat einen Strafbefehl akzeptiert, besagter Staatsanwalt konnte vor Ort aber keinerlei Straftaten seitens der Polizei entdecken), als auch vor allem - und das passt perfekt zu dem Antifa-Symbol -, dass er einen Auslieferungsantrag der italienischen Regierung gegen zehn SS-Männer, die in Italien wegen eines Massakers verurteilt worden waren, ignorierte und die Frist verstreichen ließ.

Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft dürfte durch und durch schwarz sein. Besagter Staatsanwalt - mittlerweile Gott sei Dank im Ruhestand - hat aber eventuell eine andere Färbung.
Singh
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Singh »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:25 Es war aber klar ersichtlich, dass es sich bei dem Spiel um eines handelt, das sich mit den Folgen des Heydrich-Attentats beschäftigt. Hier jetzt die Hakenkreuze herauszunehmen grenzt für mich nicht mehr an Geschichtsklitterung: es ist eine solche. Zu 100%
Bei historischen Dokumenten würde ich auch eine Grenze ziehen, habe ich geschrieben, aber beim Spiel drumherum kann keine Geschichtsklitterung stattfinden, es immer noch eine Erzählung, verarbeitet in heutiger Zeit.
Wolfgang Walk hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:25Es geht nicht darum, dass wir allesamt Hakenkreuze geil finden. Es geht darum, dass uns dieselben ästhetischen Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen sollen wie allen anderen Kunstformen auch. Es geht um Gleichberechtigung!
Es geht also nur ums Prinzip und das ist mir zu wenig.

Was soll eine "Gleichberechtigung" bei Nutzung der Hakenkreuze bringen? So kommt es bei mir an: "Hurra, wir dürfen jetzt auch das verfassungsfeindliche Symbol benutzen um unsere Abneigung besser auszudrücken!" Wo soll das ein wertvoller Beitrag sein?

Wenn der große Unterschied bei den ästhetischen Ausdrucksmitteln in 4 weiteren Strichen vom + zum Hakenkreuz ist, dann sollte man sich mMn eher fragen, ob die eigentliche Botschaft überhaupt gut vermittelt wurde.
Wolfgang Walk hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:25"Ich verstehe ja gar nicht, warum ihr Schwarzen jetzt auf einmal im Bus vorne sitzen wollt. Hinten ist doch auch gemütlich!" ist ein Satz, bei dem jeder sofort zurückschreckt und begreift, was er sagt. Aber "Warum müssen Games unbedingt Hakenkreuze haben ..." ist tatsächlich exakt dieselbe Logik, weil sie eine Kunstform gegenüber allen anderen diskriminiert. Wir wollen, verdammt nochmal, im Bus auch vorne sitzen dürfen!
Es ist mMn auch eine andere Wertigkeit, ob man nun Menschen diskriminiert wie in deinem Rosa-Park-Beispiel oder eine Kunstform. Da kann gerne die gleiche Logik hinterstecken, es wird dabei nur nicht gleich.
Wolfgang Walk hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:25Und nein, ich möchte Dir jetzt NICHT Rassismus vorwerfen! :-) Und unseren Kampf auch nicht auf eine Ebene mit dem der Schwarzen in den USA heben, falls das jemand denken sollte!
Warum der Disclaimer? Lass mich meinen Vorwurf doch erstmal bringen bevor du ihn abwimmelst. ;)

Und was für einen "Kampf"? Der Kampf um Gleichberechtigung der Kunstformen? Wie ich schon schrieb, gibt es da vielleicht erst noch andere Baustellen als ausgerechnet die Hakenkreuz-Problematik in Deutschland. Man ist gefühlt noch eine oder zwei Generationen davon entfernt, dass Videospiele wirklich in der Mitte der Gesellschaft ankommen, aber man möchte unbedingt mit dem heikelsten Thema beginnen. Wozu?
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Stuttgarter »

Zur Frage, ob Hakenkreuze wichtig sind oder wichtig sein können: Vor paar Tagen hab ich erst wieder "Comedian Harmonists" angeschaut. Ein Film, der von 1927 bis 1935 spielt. Der Film geizt ab dem Zeitpunkt, an dem die Nazis an der Macht sind, nicht mit den vermaledeiten Dingern. Und erreicht damit allein durch die Kulisse beispielsweise, dass man weiß, dass jetzt 1933 ist. Der Film zeigt ohne irgendwelche aufdringlichen Einblendungen, Dialoge oder Off-Kommentare allein durch die Wandlung der Welt, was gerade abgeht. Und wird dadurch unglaublich intensiv. Die Konzerte der sechs Herren (von denen drei jüdisch sind) bekommen eine ganz andere Einfärbung dadurch, dass links und rechts von ihnen die Dinger hängen.

Wenn ein Spiel es schafft, diese Beklemmung, diesen Ekel genauso zu vermitteln - verdammt, dann muss es auch Hakenkreuze benutzen dürfen statt verschämt Fantasienamen und -symbole erfinden zu müssen oder einfach jegliche Symbolik außen vor zu lassen.

Kein Indiana Jones, kein Inglorious Basterds muss Hakenkreuze zeigen. Genausowenig wie ein CoD oder ein Wolfenstein. Die würden alle auch ohne funktionieren. Aber Schindlers Liste, die Comedian Harmonists und andere künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Dritten Reich müssen es dürfen. Und "Attentat 1942" fällt wohl genau in diese Kategorie.
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Leonard Zelig
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Leonard Zelig »

Singh hat geschrieben: 29. Mai 2018, 23:07 Es geht also nur ums Prinzip und das ist mir zu wenig.

Was soll eine "Gleichberechtigung" bei Nutzung der Hakenkreuze bringen? So kommt es bei mir an: "Hurra, wir dürfen jetzt auch das verfassungsfeindliche Symbol benutzen um unsere Abneigung besser auszudrücken!" Wo soll das ein wertvoller Beitrag sein?

Wenn der große Unterschied bei den ästhetischen Ausdrucksmitteln in 4 weiteren Strichen vom + zum Hakenkreuz ist, dann sollte man sich mMn eher fragen, ob die eigentliche Botschaft überhaupt gut vermittelt wurde.
In diesem ganz konkreten Fall geht es doch darum, dass ein antifaschistisches Spiel aus Tschechien in Deutschland erscheinen kann und öffentlich beworben bzw. ausgestellt werden darf.

Was für einen Eindruck macht das im Ausland? Wir müssen uns endlich über die deutsche Kolonialgeschichte in Osteuropa unterhalten. Diese latente Antipathie gegen die Menschen in Polen und anderen osteuropäischen Ländern ist nicht normal. Und so unverständlich: Selten so angenehme Menschen getroffen wie in Polen und im Baltikum. Ich erlebe soviel Sympathie, Neugierde, Lust auf Zusammenarbeit von Krakow bis nach Prag. Aber eben meist nur von der einen Seite aus.
56 Prozent der Polen bringen den Deutschen Sympathien entgegen. Die Zuneigung wird allerdings von den westlichen Nachbarn nicht im gleichen Maße erwidert: Nur 29 Prozent der Deutschen geben an, dass ihnen die Polen sympathisch sind. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Deutsch-Polnischen Barometer hervor, einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Instituts für öffentliche Angelegenheiten in Warschau, der Körber-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Regelrechte Abneigung gegenüber ihren Nachbarn empfinden nur elf Prozent der Polen, aber 23 Prozent der Deutschen. Bemerkenswert ist, dass die positive Wahrnehmung der Deutschen im östlichen Nachbarland in diesem Jahr größer ist als in allen früheren Umfragen seit dem Jahr 2000. Dagegen nahm in Deutschland die positive Einstellung gegenüber den Nachbarn in diesem Zeitraum nicht zu.
https://www.tagesspiegel.de/politik/deu ... cebook.com
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

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Doktor Icks
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Doktor Icks »

Zuerst möchte ich mich dem Lob an Wolfgang anschließen. Dieser Beitrag ist in meinen Augen ein wirklicher Leuchtturm des Journalismus und verdient es sogar, so meine unmaßgeblich und zugegeben parteiische Meinung, in "Mainstreammedien" wie Spiegel, SZ oder in den ÖR Kultursendungen im TV statt zu finden. Gut gemacht, Wolfgang.

Zu einigen Argumenten hier möchte ich noch etwas sagen, auch wenn ich nicht wirklich jeden Beitrag komplett gelesen habe. Es ist halb 5 morgens und die Nacht war nicht mit Schlaf gesegnet.

Singh schrieb, dass er die Abbildung der historischen Aufnahmen inklusive Hakenkreuzen unterstütze, man doch aber das Symbol aus den Spielszenen entfernen könne. Das sehe ich anders. Vorneweg geht es mir aber Null um Hakenkreuze, auch wenn ich die Panik um dieses Symbol mittlerweile nicht mehr verstehen kann. Es geht mir um die Freiheit der Kunst und um die wirkliche Anerkennung von digitalen Spielen als Kunstform. Wenn in einem Dokudrama (Film) um das Attentat des 20sten Juli 1944 Szenen nachgespielt werden, wie sie sich wahrscheinlich vielleicht unter Umständen eventuell abgespielt haben, sie also zwar auf Tatsachen und Forschungsergebnissen beruhend aber letztlich fiktional sind, dann könnte man mit Singhs Argumentation doch auch darauf bestehen, die Hakenkreuze durch andere Symbole auf den Armbinden zu ersetzen. Es sind ja keine historischen Originalaufnahmen, aus denen man diese verfassungsfeindlichen Symbole nur schwer heraus bekommt. Würde ein Film, egal ob nun von Spielberg oder Guido Knopp die Hakenkreuze nicht zeigen, dann möchte ich mal die Reaktionen sehen.

Gehen wir weiter: Ich habe mir vor Kurzem den Film "Vaterland" angesehen, in dem eine fiktionale alternative Geschichte geschildert wird, in der die Nazis kurz gesagt gewonnen haben. Und natürlich gehören in dieses fiktionale Werk auch die Symbole der Nazis. Alles andere würde die Immersion, die Glaubwürdigkeit dieses Werkes einfach zerstören. Charlie Chaplin hat das Hakenkreuz in "Der große Diktator" ausgetauscht, so wie wir es heute auch machen müssen in den Games. Und bei Chaplin war das auch wirkungsvoller in meinen Augen, als wenn er das Originalsymbol verwendet hätte. Aber bei seinem Werk handelte es sich auch um Satire, er wollte zwar deutlich zeigen, wen er meint. Aber es sollte nicht direkt ausgesprochen werden, auch wenn jeder halbwegs informierte Mensch der damaligen Zeit natürlich wusste, wer gemeint war.

Es gibt also Situationen, wo das zeigen des Symbols für die Wirkung des Werks förderlich ist und es gibt genauso Situationen, wo das Nicht-Zeigen besser ist. Aber dabei geht es nur um die Wirkung auf den Rezipienten, die der Schaffende intendiert. Es geht mir zumindest nicht um die Rechtslage, wie sie irgendwelche Tugendwächter interpretieren. Und wieder ein Disclaimer: Ich bin politisch auf der Antifa-Seite verortet, wenn auch nicht bei den Fanatikern/Superradikalen. Also bitte versteht das hier nicht falsch.

Was ich sagen will: Spiele sollen endlich den gleichen Regeln wie Film, Literatur und bildende Kunst folgen dürfen und müssen. Und auch da ist Geschichtsfälschung, Verherrlichung des NS-Regimes etc nicht erlaubt. Und nur weil jemand ein Hakenkreuz sieht, wird er nicht gleich zum Nazi. Ich gehe sogar so weit (Achtung, steile These!), dass dieses Verbot das Hakenkreuz inzwischen zu einem Symbol für den Widerstand gegen staatliche Willkür gemacht hat. Ob das die Gesetzgeber wirklich intendiert haben? Ich hoffe nicht. Zumindest nachdenken sollte man darüber ;)

Was mich nun aber noch umtreibt, und damit möchte ich schließen: Was kann ich konkret machen, um die Macher von Attentat 1942 bei ihrem Prozess zu unterstützen? Zumindest gibt es diesen Prozess (hoffentlich), dann muss ich selbst kein Game entwickeln für solch einen Musterprozess. Dank Gamemaker & Co wäre das zwar möglich aber ich bin eben kein Entwickler ;)

PS: Inzwischen ist es 5:10 und ich habe keinen Bock mehr, alles Korrektur zu lesen. Gute Nacht, Deutschland ;)
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Ricer
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 29. Mai 2018, 21:18
Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 17:02
IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:27 Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
In Anlehnung an Wolfgang: Bei Spielen/Filmen handelt es sich um Kunstformen, die Kunstwerke hervorbringen können. Verzeih mir die Gegenfrage, aber welche Filme/Spiele würdest du der Kunstgeschichte zuschreiben? Alle?
Der Kunstgeschichte? Tatsächlich alle. Genauso wie ihr jedes einzelne Bild angehört. Wie erheblich der Beitrag ist, das ist mit der Aussage ja noch nicht gewichtet. Die Mona Lisa dürfte da erheblich schwerer in die Waage fallen als etwas das ich beim Telefonieren scribble.

Eine andere Frage ist natürlich: Welche Kunstwerke sind kanonisch? Auf welche können wir uns einigen? Und da gibt es nur sehr wenige, die tatsächlich seit Jahrhundertem oder Jahrtausenden genannt werden. Solange gibt es noch keine Games. Was nicht heißt, dass nicht eines der Games, die es heute schon gibt, in späteren Jahren nicht kanonisch werden kann.
Mein Ziel der Aussage war nicht, dass Spiele sich mit anderen Kunstformen messen sollen, sondern klar und deutlich erkennbar ist, dass die Beiträge des Mediums Spiels inhärent aus sich heraus die Sozialadäquanzklausel kippen. Ich bin ernsthaft an weiteren kommerziellen Beiträgen interessiert, neben den letzten Wolfenstein-Teilen und Attentat 1942, die derartige Beiträge geliefert haben? Wenn das Medium Spiel gleichberechtigt behandelt werden will, dann stimme ich zu, dass die Argumentation nicht darauf beschränkt werden darf, dass das so sein muss, weil es beim Film so ist, sondern weil die Anzahl und Menge der Beiträge der Kunstform Spiel, dieses erzwingt!
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Andre Peschke
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Andre Peschke »

Singh hat geschrieben: 29. Mai 2018, 23:07 Wie ich schon schrieb, gibt es da vielleicht erst noch andere Baustellen als ausgerechnet die Hakenkreuz-Problematik in Deutschland. Man ist gefühlt noch eine oder zwei Generationen davon entfernt, dass Videospiele wirklich in der Mitte der Gesellschaft ankommen, aber man möchte unbedingt mit dem heikelsten Thema beginnen. Wozu?
Mal eine andere Perspektive: Wenn ein Künstler heute den Drang verspürt ein Werk zu schaffen, dass sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt und als Form dieses Ausdruck das Computerspiel wählen möchte, warum sollte ihm das Medium nicht im gleichen Maße offenstehen, wie jedes andere auch? Warum soll er in seinem künstlerischen Ausdruck eingeschränkt werden, je nachdem welche Form er zum Transport seiner Botschaft oder künstlerischen Vision wählen möchte? Und vor allem: Sollte irgendeine Behörde darüber qua Rechtsauslegung entscheiden dürfen? Ist es nicht wert zu beklagen, dass der Interessenverband der Entwickler hier wenn nicht die Füße still, dann doch wenigstens den Mund hält?

Das es ein echtes Hemmnis sein kann, sieht man ja sogar am Beispiel von "Attentat 1942". Vielleicht wäre das Medium schon weiter in seinem Ausdruck, in seinem Umgang mit solchen Themen, wenn nicht ein solches Hemmnis aufgebaut worden wäre? Wie bei einem Kind, dem man immer signalisiert: Du bist zu doof, du bist nicht gut genug, das kannst du nicht, das darfst du nicht, lass das mal die Großen machen - das traut sich dann auch nicht unbedingt immer neues zu probieren und Wagnisse einzugehen.

Und das ein "es gibt wichtigeres" / "Die Kinder in Afrika" meist kein irre fruchtbares Argument ist, sollte klar sein. Hier geht's ja nichtmal um die Priorisierung beim Einsatz irgendwelcher Ressourcen. Wenn Jochen sagt, der Staat soll lieber mehr Schulen bauen, als Games zu fördern, wenn der Entwicklerverband an dieser Stelle nichtmal aus dem Quark kommt - ok. Aber mit welchem Argument soll eine Ungleichbehandlung künstlerischer Ausdrucksformen aufrechterhalten bleiben, die noch nichtmal vom Gesetz vorgesehen oder gewollt ist?

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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

Andre Peschke hat geschrieben: 30. Mai 2018, 08:42
Singh hat geschrieben: 29. Mai 2018, 23:07 Wie ich schon schrieb, gibt es da vielleicht erst noch andere Baustellen als ausgerechnet die Hakenkreuz-Problematik in Deutschland. Man ist gefühlt noch eine oder zwei Generationen davon entfernt, dass Videospiele wirklich in der Mitte der Gesellschaft ankommen, aber man möchte unbedingt mit dem heikelsten Thema beginnen. Wozu?
Mal eine andere Perspektive: Wenn ein Künstler heute den Drang verspürt ein Werk zu schaffen, dass sich mit dem Nationalsozialismus beschäftigt und als Form dieses Ausdruck das Computerspiel wählen möchte, warum sollte ihm das Medium nicht im gleichen Maße offenstehen, wie jedes andere auch? Warum soll er in seinem künstlerischen Ausdruck eingeschränkt werden, je nachdem welche Form er zum Transport seiner Botschaft oder künstlerischen Vision wählen möchte? Und vor allem: Sollte irgendeine Behörde darüber qua Rechtsauslegung entscheiden dürfen? Ist es nicht wert zu beklagen, dass der Interessenverband der Entwickler hier wenn nicht die Füße still, dann doch wenigstens den Mund hält?

Das es ein echtes Hemmnis sein kann, sieht man ja sogar am Beispiel von "Attentat 1942". Vielleicht wäre das Medium schon weiter in seinem Ausdruck, in seinem Umgang mit solchen Themen, wenn nicht ein solches Hemmnis aufgebaut worden wäre? Wie bei einem Kind, dem man immer signalisiert: Du bist zu doof, du bist nicht gut genug, das kannst du nicht, das darfst du nicht, lass das mal die Großen machen - das traut sich dann auch nicht unbedingt immer neues zu probieren und Wagnisse einzugehen.

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Die Klausel gilt in Deutschland, nicht weltweit. Was gibt es an weiteren Beispielen um diese Diskussion zu führen neben Attentat 1942 und den letzten beiden Wolfenstein-Teilen? Mehr dieser Beiträge zu fordern, sollte unsere Aufgabe sein. Dann benötigt es auch keiner Parallel-Argumentation am Film.
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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Andre Peschke »

Ricer hat geschrieben: 30. Mai 2018, 08:49 Die Klausel gilt in Deutschland, nicht weltweit. Was gibt es an weiteren Beispielen um diese Diskussion zu führen neben Attentat 1942 und den letzten beiden Wolfenstein-Teilen?
Mein Argument wäre, dass es keine Gegenbeispiele braucht. Warum soll sich ein deutscher Künstler in seinem Ausdruck einschränken lassen müssen, wenn das nichtmal vom Gesetz gewollt ist? Wieso muss das Ausland eine Legitimation für seine Forderung anliefern? Das erscheint mir wirklich nicht logisch.

Und wir wissen, dass Einschränkungen wie diese ins Ausland abstrahlen. Es gibt Spiele, die sind international zensiert worden, um dem deutschen Jugendschutz zu genügen, weil man keine angepasste Version für diesen Markt erstellen will.

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Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

Andre Peschke hat geschrieben: 30. Mai 2018, 08:53 Wieso muss das Ausland eine Legitimation für seine Forderung anliefern? Das erscheint mir wirklich nicht logisch.
Nicht das Ausland soll diese Legitimation liefern, sondern die Künstlerinnen und Künstler weltweit (das Medium Spiel) sollten doch eine Masse an kommerziellen Werken im Medium Spiel geschaffen haben, die ich der Argumentation hinzufügen kann. Die suche ich, die fordere ich! Die Sozialadäquanzklausel für Filme gilt, weil es eine Masse an Werken gab und gibt, die diesen Schutz klar beanspruchten. Ich bin zum Beispiel etwas betrübt, dass ich neben den genannten drei Beispielen im Medium Spiel keine weiteren finde. Das vor allem zwei der Titel in den letzten acht Monaten in der Presse so ausführlich behandelt wurden, zeigt jedoch, dass eine Veränderung stattfindet.
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