Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Alles, was nicht in ein anderes Forum gehört: Hier rein
Forumsregeln
Datenschutzerklärung: https://www.gamespodcast.de/datenschutzerklaerung/
Impressum: https://www.gamespodcast.de/impressum/

Forenregeln und zukünftige Weltverfassung
ART 1: Behandle andere Nutzer mit Respekt.
ART 2: Do NOT piss off the Podcasters

Lies bitte weitere Hinweise hier: viewtopic.php?f=4&t=2789
Benutzeravatar
Andre Peschke
Beiträge: 9845
Registriert: 9. Jan 2016, 16:16
Kontaktdaten:

Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Andre Peschke »

Da der andere Thread erstmal eine reine "sollte frei zugänglich sein"-Diskussion war, habe ich den geschlossen und diesen neu eröffnet, da ich nicht will, dass die Diskussion zur Kolumne keinen richtigen Rahmen findet.

Ich fang mal selbst an, kam auch jetzt erst dazu alles zu hören: Gratulation, Wolfgang. Toller Text. Und das sage ich als derjenige, der durch die Recherche zur Hakenkreuz-Reportage im Grunde schon inhaltlich alles wusste. Hat mich trotzdem nachdenken lassen und zwar darüber, dass man sich auch im eigenen Zynismus genauso lethargisch einrichten kann, wie in der Gleichgültigkeit oder Ignoranz. Wenn du schreibst:

"Jetzt, wo sie ernsthaft sein könnte, wo alle Voraussetzungen da wären, behandelt diese Branchenvertretung den Emanzipationsanspruch des Games gegenüber seinen ökonomischen Rahmendaten als zweitrangig. Denn wie anders lässt sich das ohrenbetäubende Schweigen anders erklären als mit dem Wunsch, niemanden aufzuschrecken, bevor die Förderung durch ist? Dass sie damit die Axt an den eigenen Anspruch legt: das zu erkennen scheint man beim game zu viel Schläue und zu wenig Klugheit zu besitzen."

- dann denken viele sicher als erstes: "Ja, was denn sonst? Hat irgendwer ernsthaft was anderes erwartet?". Aber mit dem Denkmuster steckt man sich in den gleichen Kasten, wie die Industrie selbst. Ob man da zufrieden rausschaut und denkt "Erstmal die Kohle sichern", oder griesgrämig murmelt "war doch klar", macht am Ende im resultierenden Nichtstun keinen Unterschied.

Andre
Wolfgang Walk
Beiträge: 344
Registriert: 8. Aug 2016, 20:11

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Wolfgang Walk »

Andre Peschke hat geschrieben: 29. Mai 2018, 12:13 - dann denken viele sicher als erstes: "Ja, was denn sonst? Hat irgendwer ernsthaft was anderes erwartet?". Aber mit dem Denkmuster steckt man sich in den gleichen Kasten, wie die Industrie selbst. Ob man da zufrieden rausschaut und denkt "Erstmal die Kohle sichern", oder griesgrämig murmelt "war doch klar", macht am Ende im resultierenden Nichtstun keinen Unterschied.

Andre
Unterschrieben. Mit Blut, wenn's sein muss.
Benutzeravatar
NobodyJPH
Quantifier of Virtues
Beiträge: 635
Registriert: 20. Jul 2016, 06:08

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von NobodyJPH »

Bei dieser Thematik muss ich mir natürlich auch an die eigene Nase fassen, denn ein gewisses Maß an Zynismus und Lethargie sind mir durchaus nicht fremd. Nach dem pflichtschuldigen Ableisten des monatlichen Beitrags zur Finanzierung dieses Projekts und dem gelegentliche Verbreiten bzw. Teilen wichtiger Inhalte wie der nun freigeschalteten Kolumne, lehnt man sich gerne mal zufrieden zurück. Die anderen können ruhig auch mal etwas tun für die Anerkennung der Kunsthaftigkeit von Computerspielen. Meinen Teil habe ich damit immerhin erledigt, oder? Nein. Diesmal nicht!

Ich habe die aktuelle - überaus herrvoragende - Kolumne selbstverständlich schon geteilt. Jetzt würde ich gerne noch einen Schritt weiter gehen und frage mich daher, was ich als Einzelner, weitesgehend unbedeutender Konsument, konkret tun kann? Eine Petition starten oder unterstützen, um vielleicht einen allgemeinen Handlungsdruck erzeugen zu können? Einem Abgeordneten oder dem Game schreiben, um einen direkten Handlungsdruck zu erzeugen? Muss ich verstärkt entsprechend künsterische Projekte unterstützen, um für solche Entwickler eine breitere Basis zu schaffen und ihnen ein gewisses Maß an Sicherheit zu geben? Oder helfen am Ende doch nur ganz drastische Maßnahmen?

Ich will ganz ehrlich sein: Natürlich wäre mir ein bequemer Weg am liebsten, denn dann kann ich die Welt - gemütlich auf meinem Bürostuhl sitzend - ein klein wenig besser machen. Ich habe leider noch keine passende Antwort für mich gefunden. Aber ein paar Minuten meiner Zeit, ein paar Euro meines Einkommens würde ich dann schon aufwenden. Das ist es mir wert.
Wolfgang Walk
Beiträge: 344
Registriert: 8. Aug 2016, 20:11

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Wolfgang Walk »

Ich halte es da mit einem alten russischen Sprichwort, das m.E. viel mehr Verbreitung finden sollte: "Jedes bisschen hilft, sagte die alte Frau und pinkelte ins Meer."
Benutzeravatar
Ricer
Beiträge: 731
Registriert: 18. Okt 2016, 08:55

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

NobodyJPH hat geschrieben: 29. Mai 2018, 14:20 Jetzt würde ich gerne noch einen Schritt weiter gehen und frage mich daher, was ich als Einzelner, weitesgehend unbedeutender Konsument, konkret tun kann?
Spiele ernster nehmen und Spiele spielen/besprechen, die die Rezipienten/Prosumenten ernst nehmen. Persönlich ist es für mich immer ein leicht unangenehmer Moment, wenn im Rahmen der Debatte alle Spiele grundsätzlich als Kunst hingestellt werden. Das ist bei Filmen auch nicht der Fall. Die Argumentation ist die vergleichsweise hohe Anzahl an künstlerischen Beiträgen in dem Medium, die sich mit gesellschaftlichen Themen und Problemen befassen.
Die Frage, die also gestellt werden sollte, ist, welche Spiele einen wirklich künstlerischen Beitrag geleistet haben. Welche Spiele beeinflussen gesellschaftliche Debatten? Und da sieht es bei Spielen, im Vergleich zu Filmen, Musik und Literatur nicht gut aus, was die Zahl der Beiträge betrifft.
Aber ich bin optimistisch, da der Wandel, hin zu ernsthaften künstlerischen Beiträgen im digitalen Spiel, zweifelsfrei begonnen hat und ich diesen auch als Spieler mitgestalten kann. Das nun in kurzer Zeit, einem zweiten aufrichtigen Beitrag, eine Veröffentlichung nicht ohne weiteres möglich ist, sollte uns als Prosumenten und die Entwicklungsstudios darin bestärken, mehr Beiträge zu fordern und zu liefern, für die die Sozialadäquanzklausel einst geschaffen wurde.
Zuletzt geändert von Ricer am 29. Mai 2018, 16:52, insgesamt 1-mal geändert.
Nordhesse80
Beiträge: 71
Registriert: 16. Mai 2018, 07:44
Kontaktdaten:

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Nordhesse80 »

Ich bin sehr beeindruckt von der Kolumne und sie hat es nicht nur geschafft, dass ich über den Inhalt nachgedacht habe, sondern auch meine eigene Denkweise hinterfrage.
Erst letztens diskutierte ich mit einem Parteigenossen die Verschlafene Förderung der Gamesbranche in Hessen, aber zurückblickend habe ich auch nur an den wirtschaftlichen Nutzen gedacht.
Gerade die mögliche Bedeutung von Games in der Bildung gerät zu schnell aus dem Blickfeld. Ich konnte noch meine Großeltern nach dem Deutschland unter dem Hakenkreuz fragen und wie sie es erlebten. Folgende Generationen brauchen dafür andere Wege wie Games.
Attentat 1942 zeigt wie man Geschichte sehr viel anschaulicher und emotional nachvollziehbarer vermitteln kann, als es mit Lehrbüchern möglich ist.

Diese Möglichkeiten nicht zu nutzen ist wirklich eine Schande. Die Politik muss hier ganz eindeutig den Verband fordern auch für den kulturellen Wert von Games zu stehen. Ohne dass muss eine umfangreiche Förderung stark hinterfragt werden.
Benutzeravatar
IpsilonZ
Beiträge: 1857
Registriert: 27. Dez 2015, 17:45
Wohnort: Prag
Kontaktdaten:

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von IpsilonZ »

Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:20 Spiele ernster nehmen und Spiele spielen/besprechen, die die Rezipienten/Prosumenten ernst nehmen. Persönlich ist es für mich immer ein leicht unangenehmer Moment, wenn im Rahmen der Debatte alle Spiele grundsätzlich als Kunst hingestellt werden. Das ist bei Filmen auch nicht der Fall. Die Argumentation ist die vergleichsweise hohe Anzahl an künstlerischen Beiträgen in dem Medium, die sich mit gesellschaftlichen Themen und Problemen befassen.
Die Frage, die also gestellt werden sollte, ist, welche Spiele einen wirklich künstlerischen Beitrag geleistet haben. Welche Spiele beeinflussen gesellschaftliche Debatten? Und da sieht es bei Spielen, im Vergleich zu Filmen, Musik und Literatur nicht gut aus, was die Zahl der Beiträge betrifft.
Aber ich bin optimistisch, da der Wandel, hin zu ernsthaften künstlerischen Beiträgen im digitalen Spiel, zweifelsfrei begonnen hat und ich diesen auch als Spieler mitgestalten kann. Das nun in kurzer Zeit, einem zweiten aufrichtigen Beitrag, eine Veröffentlichung nicht ohne weiteres möglich ist, sollte uns als Prosumenten und die Entwicklungsstudios darin bestärken, mehr Beiträge zu fordern und zu liefern, für die die Sozialadäquanzklausel einst geschaffen wurde.
Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
Wolfgang Walk
Beiträge: 344
Registriert: 8. Aug 2016, 20:11

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Wolfgang Walk »

Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:20 Spiele ernster nehmen und Spiele spielen/besprechen, die die Rezipienten/Prosumenten ernst nehmen. Persönlich ist es für mich immer ein leicht unangenehmer Moment, wenn im Rahmen der Debatte alle Spiele grundsätzlich als Kunst hingestellt werden.
Ich gebe mir immer erhebliche Mühe, Spiele als KunstFORM darzustellen. Das jedes Spiel Kunst wäre ist rekennbar Unfug.
Aber auf den Unterschied zwischen Kunstform und Kunstwerk insistiere ich. Ich möchte da nicht falsch gelesen werden.
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Nachtfischer »

Sind die Grenzen aber nicht immer willkürlich? Spiel (oder Film) A fällt gerade noch so in den Kunst-Topf, B nicht mehr?

Wozu brauchen wir die Trennung überhaupt? Auch wenn das alles erstmal Kunst ist, heißt das nicht, dass sie jeden beliebigen (ggf. gesetzeswidrigen) Inhalt haben darf.
Zuletzt geändert von Nachtfischer am 29. Mai 2018, 16:56, insgesamt 1-mal geändert.
Rigolax
Beiträge: 2188
Registriert: 20. Feb 2018, 15:53

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Rigolax »

Sehr schöne Kolumne. Kommt auch zu einem guten Zeitpunkt, denn die letzte Ausgabe der BPjM-Aktuell war speziell der Thematik bzw. Problematik Computerspiele und Hakenkreuze gewidmet. Leider wurde aber Attentat 1942 auch von keinem Autor erwähnt. In einem Fremd-Podcast hatte Mark Brunner, Leiter des Testbereichs bei der USK, aber mal erwähnt, dass die Ständigen Vertreter der OLJB bei den USK das Spiel als wichtig erachten würden, aber leider nichts tun könnten. Generell hatte ich zeitweise schon die Angst, dass sich nichtmal die gängigen Gamingseiten trauen, über den Fall zu berichten, aber zum Glück haben sie dann doch den Mut gefasst (und Teils das Spiel für verboten/illegal erklärt bzw. es zumindest so bezeichnet, was absurd ist. Aber wen wundert das schon noch.).

Es ist ein großes Problem, wenn die zuständige Einrichtung der regulierten Selbstregulierung sich nicht zuständig fühlt, also die USK/OLJB. Dies gilt übrigens selbst für IARC-Ratings, die keine Verwaltungsakte darstellen. Die USK erteilt diese als GmbH bzw. Teil einer GmbH, außerhalb der hoheitlichen Verwaltungsakte unter Beteiligung der OLJB, allerdings auf Basis der Spruchpraxis der OLJB. Wenn ein Spiel mit einschlägigen NS-Symbolen durch IARC geht, wird zwar nicht direkt die Kennzeichnung verweigert, da „ab 18“ immer das Maximale ist, die USK nimmt aber Kontakt auf und das Rating ist nicht final. Das ist mein Wissensstand dazu, wie mir mal mitgeteilt wurde. IRAC-Ratings können sogar eine gewisse Rechtssicherheit entfalten, wenn etwaige Spieleinhalte angemessen deklariert werden. Allerdings wird z. B. Attentat 1942 auch in keinem IARC-Store angeboten.

Die Entwickler von Attentat 1942 streben vermutlich an, sich die USK-Kennzeichnung über den Verwaltungsrechtsweg einzuklagen, nachdem sie zuvor als belastenden Verwaltungsakt die Nicht-Kennzeichnung aufgrund der Symbole erhalten haben. In einem solchen Prozess müsste sich erneut mit dem Urteil von OLG Frankfurt 1998 beschäftigt werden, was dann eine Änderung der Rechtsprechung darstellen würde. Darauf aufbauend besteht die Hoffnung, dass die OLJB bei der USK ihre Verwaltungspraxis ändern (müssen). Problem hierbei: Attentat 1942 ist kein „normales“ Spiel. Es hat einen hohen Bildungswert und wenig klassische Spiele-Elemente. Daher könnte es sein, dass sich ein Richter auf die Sozialadäquanz via „Lehre“ oder „Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte“ bezieht und die OLJB dann nur diesbezüglich ihre Verwaltungspraxis ändern. Ein Wolfenstein 2, was eher durch den Kunstgehalt sozialadäquat sein dürfte, wäre damit vielleicht außen vor.

Da Attentat 1942 bisher nur digital angeboten wird (im Steam-Store, Humble Store, DRM-Frei auf der Website der Entwickler), müsste man wohl eine Version auf einem Trägermedium entwickeln, um es regulär durch die USK/OLJB-Prüfung zu bekommen. Eine USK/OLJB-Prüfung von reinen Telemedien ist, soweit ich weiß, selbst nach aktuellem JMStV nicht vorgesehen. Jedenfalls trivial, man brennt die .exe auf eine DVD und fertig. Haben große Publisher früher offensichtlich auch schon so gehandhabt.

Ein besonderes Problem bei Attentat 1942 sehe ich allerdings darin, dass es an sich gar keine USK-Kennzeichnung erhalten könnte. Es gibt im JuSchG eine Ausnahme für Lehr- und Infoprogramme. Diese dürfen die Anbieter selbst kennzeichnen, ein Verwaltungsakt der OLJB ist hier nicht vorgesehen. Vergleiche dazu § 14 Abs. 7 JuSchG. Ich halte es für möglich, dass ein Richter bei einer solchen Klage sagen könnte, dass die OLJB gar nicht zuständig sind. Wäre die Frage, was dann gewonnen wäre. Siehe auch: http://www.usk.de/extramenue/login/publ ... programme/ (Man kann sich vermutlich streiten, wie § 14 Abs. 7 Satz 2 JuSchG genau auszulegen ist, also ob es nicht doch auch ein Normalverfahren erhalten könnten. Zudem habe ich das Spiel noch nicht selbst gespielt, kann sein, dass es jugendschutzrelevante Darstellungen hat und damit schon kein Info- oder Lehrprogramm mehr sein kann).

Eine Option für game wäre es, eine strafrechtliche Prüfung einer Juristenkommission (JK) parallel zur USK-Kennzeichnung einzurichten. Die USK-Gremien sind nicht mal zwingend juristisch kompetent, § 86a StGB ist nicht Teil des Jugendschutzgesetzes. Zwar kann von der Verwendung der NS-Symbole eine Jugendgefährdung ausgehen (vergleiche Aufsatz der FSK/OLJB in der aktuellen BPjM-Aktuell für einen Einzelfall), doch ist dies wohl nicht bei den bekannten Spielen der Fall; sonst wäre ein im Wesentlichen nur um NS-Symbole befreites Wolfenstein: The New Order zum Beispiel mal indiziert worden. Daher ist das eigentlich ein reiner Fall für Juristen. Jedenfalls würde ein solches institutionalisiertes Privatgutachten etwas Rechtssicherheit bieten können. Siehe auch hier für das der SPIO bzw. FSK, die SPIO/JK: https://www.spio-fsk.de/?seitid=11&tid=474 (SPIO ist quasi was game ist für Filme). Vermutlich hätten die Juristen der SPIO auch nicht so ein Problem damit, ein Spiel zu kennzeichnen. Im juristischen Sinne wird da auch nicht so wirklich unterschieden. Mit solch einem Gutachten könnte man vielleicht auch Valve überzeugen, ein Spiel mit NS-Symbolen in DE auf Steam anzubieten (im Falle von Attentat 1942 stellt sich auch Valve momentan quer, also könnten sie es nichtmal auf Steam anbieten, wenn sie wollten. Sagte man mir so).

Übrigens wurde im März ein Gesetzesentwurf im Bundesrat verabschiedet, um eine Auslandsstrafbarkeit im Fall von § 86a StGB herzustellen. Das ist nach neuerer, höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht der Fall. Siehe auch Aufsatz der KJM in der neuen BPjM-Aktuell. Betrifft übrigens fast alle medienregulatorische Delikte. Die sog. Toeben-Entscheidung gilt als veraltet.

Ach ja, ein Punkt noch. Man kann auf Steam ausländische Nutzer finden, die Screenshots aus Attentat 1942 und anderen Titeln auf ihren Profilen ausstellen, um den NS zu verherrlichen. Quasi Quellen für virtuelle Nazi-Memorabilien. Aber was soll's, könnte man mit jeder N24/N-TV-Dokumentation prinzipiell auch machen. Fand ich nur sehr skurril, vor allem im Fall von Attentat 1942.
Benutzeravatar
Ricer
Beiträge: 731
Registriert: 18. Okt 2016, 08:55

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

Wolfgang Walk hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:39
Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:20 Spiele ernster nehmen und Spiele spielen/besprechen, die die Rezipienten/Prosumenten ernst nehmen. Persönlich ist es für mich immer ein leicht unangenehmer Moment, wenn im Rahmen der Debatte alle Spiele grundsätzlich als Kunst hingestellt werden.
Ich gebe mir immer erhebliche Mühe, Spiele als KunstFORM darzustellen. Das jedes Spiel Kunst wäre ist rekennbar Unfug.
Aber auf den Unterschied zwischen Kunstform und Kunstwerk insistiere ich. Ich möchte da nicht falsch gelesen werden.
Das tust du und die Anmerkung war auch nicht an dich gerichtet, sondern als Antwort an NobodyJPH. Ich habe ein Zitat von ihm eingefügt, damit das besser ersichtlich ist.
Benutzeravatar
Ricer
Beiträge: 731
Registriert: 18. Okt 2016, 08:55

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:27 Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
In Anlehnung an Wolfgang: Bei Spielen/Filmen handelt es sich um Kunstformen, die Kunstwerke hervorbringen können. Verzeih mir die Gegenfrage, aber welche Filme/Spiele würdest du der Kunstgeschichte zuschreiben? Alle?
Benutzeravatar
Nachtfischer
Beiträge: 1488
Registriert: 18. Jan 2016, 10:55
Kontaktdaten:

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Nachtfischer »

Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 17:02
IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:27 Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
In Anlehnung an Wolfgang: Bei Spielen/Filmen handelt es sich um Kunstformen, die Kunstwerke hervorbringen können. Verzeih mir die Gegenfrage, aber welche Filme/Spiele würdest du der Kunstgeschichte zuschreiben? Alle?
Also ich schon. Wie oben gesagt: Alles andere, das über die "freie schöpferische Gestaltung" hinausgeht, ist doch reine Willkür. Wer sollte das denn entscheiden? Kunst muss für mich kein "nützlicher Begriff" sein, der zwischen gut/schlecht, seicht/tief, ehrlich/niederträchtig oder sonst irgendwelchen Eigenschaften unterscheidet. Das kann alles innerhalb des Begriffs passieren.
Benutzeravatar
IpsilonZ
Beiträge: 1857
Registriert: 27. Dez 2015, 17:45
Wohnort: Prag
Kontaktdaten:

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von IpsilonZ »

Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 17:02
IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:27 Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
In Anlehnung an Wolfgang: Bei Spielen/Filmen handelt es sich um Kunstformen, die Kunstwerke hervorbringen können. Verzeih mir die Gegenfrage, aber welche Filme/Spiele würdest du der Kunstgeschichte zuschreiben? Alle?
Sehe ich so wie Nachtfischer es schon sagte. Mir fiele gerade kein Film ein den ich unter dem Kunstbegriff ausschließen würde. Kunst ist ja kein wertender Begriff, Kunst kann richtig mies sein, Kunst kann dumm sein und Kunst kann auch sehr oberflächlich sein.

(entschuldigt bitte den kurzen Exkurs, ich komme auf jeden Fall auch noch auf die Kolumne zurück, wobei ich bis auf heftiges Kopfnicken bisher noch nicht so viel beitragen kann :) )
Benutzeravatar
Ricer
Beiträge: 731
Registriert: 18. Okt 2016, 08:55

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

Nachtfischer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 17:06
Ricer hat geschrieben: 29. Mai 2018, 17:02
IpsilonZ hat geschrieben: 29. Mai 2018, 15:27 Welcher Film würde für dich denn zum Beispiel nicht die Voraussetzung erfüllen um als Kunst zu gelten? Bzw. welches Spiel?
In Anlehnung an Wolfgang: Bei Spielen/Filmen handelt es sich um Kunstformen, die Kunstwerke hervorbringen können. Verzeih mir die Gegenfrage, aber welche Filme/Spiele würdest du der Kunstgeschichte zuschreiben? Alle?
Also ich schon. Wie oben gesagt: Alles andere, das über die "freie schöpferische Gestaltung" hinausgeht, ist doch reine Willkür. Wer sollte das denn entscheiden? Kunst muss für mich kein "nützlicher Begriff" sein, der zwischen gut/schlecht, seicht/tief, ehrlich/niederträchtig oder sonst irgendwelchen Eigenschaften unterscheidet. Das kann alles innerhalb des Begriffs passieren.
Keinem Spiel* wird der Kunststatus pauschal bescheinigt oder pauschal aberkannt. Dies geschieht doch erst durch Rezeption, Interpretation, Auseinandersetzung mit dem Werk und der Bedeutung über mehrere Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Würde die Aussage "Alles ist Kunst", nicht bedeuten, dass nichts Kunst ist? Es gibt Abhandlungen zur Kunstgeschichte in digitalen Spielen, in denen sich zum Beispiel "Untitled Game", "Sod", "The Night Journey" oder die "Painstation" befinden. Und das Zentrum für Kunst und Medientechnologie hat die Ausstellung ZKM_Gameplay organisiert, die auf der Webseite https://zkm.de/de/ausstellung/2016/04/zkmgameplay eine Übersicht über die augestellten Spiele bietet.

* gleiches gilt für Filme, Literatur, Musik, Bilder ...

Bild
Zuletzt geändert von Ricer am 29. Mai 2018, 18:11, insgesamt 1-mal geändert.
Jochen

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Jochen »

Ich bin mir nicht sicher, ob die uralte Diskussion darüber, was Kunst sei, diese Diskussion konstruktiv bereichert. Denn in diesem konkreten Fall ist die persönliche Definition des Begriffes schlicht unerheblich. Erheblich ist, dass der Staat und seine Organe in ein Grundrecht eingreifen - und dabei auf ähnliche Weise ihre eigene Ästhetik und bornierte Weltanschauung walten lassen wie einst die Braunhemden.
Benutzeravatar
Leonard Zelig
Beiträge: 3477
Registriert: 5. Jan 2016, 19:56

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Leonard Zelig »

Das Verbot verfassungsfeindlicher Symbole in Deutschland hatte nie die Intention Antifaschismus zu bekämpfen, sondern sollte zusammen mit vielen anderen Maßnahmen ein Wiederaufflammen des Nationalismus verhindern. Bis 2017 hat es keine nationalistische Partei in den Bundestag geschafft.

Das Internet hat die Welt enger zusammenrücken lassen. Symbole zu verbieten funktioniert nicht mehr. Entscheidend ist der Kontext. Wird die Nazi-Herrschaft glorifiziert, veräppelt oder kritisiert? Genau das zu prüfen wäre die Aufgabe der USK. Warum also die Angst, dass es nach einer Gleichstellung von Filmen und Spielen bei Media Markt im Regal einen KZ-Simulator gäbe? Unwissenheit?

Gibt es im Bundesjustizministerium keine fähigen Juristen, die sich dafür einsetzen könnten dass Spiele mit Hakenkreuzen von der USK geprüft werden dürfen?
"The whole problem with the world is that fools and fanatics are always so certain of themselves, but wiser people so full of doubts."

www.gamersglobal.de
Benutzeravatar
Ricer
Beiträge: 731
Registriert: 18. Okt 2016, 08:55

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Ricer »

Jochen hat geschrieben: 29. Mai 2018, 18:10 Ich bin mir nicht sicher, ob die uralte Diskussion darüber, was Kunst sei, diese Diskussion konstruktiv bereichert. Denn in diesem konkreten Fall ist die persönliche Definition des Begriffes schlicht unerheblich. Erheblich ist, dass der Staat und seine Organe in ein Grundrecht eingreifen - und dabei auf ähnliche Weise ihre eigene Ästhetik und bornierte Weltanschauung walten lassen wie einst die Braunhemden.
Die Kunstdiskussion war auch nicht das Ziel, sondernd das Ungleichgewicht an Beiträgen im Medium, die die Spielerinnen und Spieler ernst nehmen bzw. herausfordern und den Beiträgen, die das nicht tun. Das nun gerade in den letzten acht Monaten zwei Beiträge unter dieser Historie besonders leiden, ist extrem problematisch, aber hoffentlich der Anstoß einer umfassenden Veränderung!
Jochen

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von Jochen »

In den einschlägigen Branchengruppen und zuletzt auch bei den German Dev Days wird immer mal wieder das Gespenst von "dann wird man am Ende noch von den Nazis gefeiert, weil man für das Hakenkreuz eintritt" beschworen. Das erscheint mir ähnlich unbegründet wie die von dir beschriebene Angst. Feiern die Nazis gerade den Bundesfighter von Böhmermann und Co? Mein Eindruck ist, dass sie den vielmehr ziemlich scheiße finden.

Ich glaube, in der Industrie regieren nicht nur Opportunismus (Fördermittel endlich in Aussicht - bloß kein politisches Fass aufmachen), sondern auch eine zunächst durchaus verständliche Angst vor dem Unbekannten. Was könne alles schief gehen/falsch verstanden werden? Aber da muss Kunst durch, wenn sie Kunst sein will.
OCD
Beiträge: 48
Registriert: 3. Feb 2018, 15:06

Re: Wortreich: Hinterm Hakenkreuz verschanzt (Diskussion zur Kolumne)

Beitrag von OCD »

Jochen hat geschrieben: 29. Mai 2018, 18:33 [...] Das erscheint mir ähnlich unbegründet wie die von dir beschriebene Angst. Feiern die Nazis gerade den Bundesfighter von Böhmermann und Co? Mein Eindruck ist, dass sie den vielmehr ziemlich scheiße finden.
Beim Bundesfighter wird sich aber eher über Nazis lustig gemacht, solche Werke werden von Nazis selten aufgegriffen.

Sieht man gut bei Filmen: Ausschnitte aus American History X, Inglourious Basterds werden dank der Bildsprache oder Charakter von Nazis gern gesehen. Humoristische/ satirische Werke funktionieren da schlechter, hier werden Nazis absichtlich lächerlich dargestellt.
Kommt jetzt ein Spiel, dass die Naziparaden und co. imposant darstellen, wird das sehr wahrscheinlich abgefeiert, auch wenn das Werk eigentlich klar gegen Nazis ist.

Ist also die Frage, wie sie im Spiel dargestellt werden.
Gesperrt