Ich habe in besagtem Thread erwähnt, dass ich es immer wieder verwundernd finde, wie die Podcaster YouTube in Verbindung mit Gaming ein wenig stiefmütterlich behandeln. WENN YouTube mal in Verbindung mit gutem Gamesjournalismus erwähnt wird, beschränkt sich der Kommentar meist auf die üblichen big players wie Jim Sterling, Total Biscuit und... ja, das war es dann, glaube ich, auch schon.
Dabei ist Youtube so ein unglaubliches Füllhorn an wahnsinnig talentierten Kritikern, Essayisten und investigativen Journalisten (letztere sind zugegebenermaßen ein wenig in der Unterzahl), dass es mich immer wieder ein wenig schmerzt, wenn der Bereich so sehr ignoriert wird.
Da wäre z.B. George Weidman, aka SuperBunnyhop mit seinem hochwertigen und vielseitigen Content, der häufig durch investigativen Journalismus glänzt.
Age Ratings Across the World (Untersuchung von Games-Jugendschutzsystemen rund um die Welt.)
Gaming in East Germany (Ein Video, welches er nach Interviews auf der Gamescom erstellt hat.)
Critical Close-up: Metal Gear Solid 2 (Old but gold und stellvertretend für all seine hervorragenden analytischen Kritiken.)
Oder No Clip mit ihren professionell produzierten, oft mehrstündigen Game Development Dokumentationen auf Fernsehniveau (im positiven Sinne) zu Spielen wie der DOOM-Reihe, der Witcher-Reihe/CD Projekt oder den Elder Scrolls/Fallout-Reihen (einschließlich Fallout 76).
An dritter Stelle stünden Kanäle wie Errant Signal oder Writing on Games, welche sich nicht nur, aber vor allem auf das erzählerische Potential und die narrative Interpretation von Spielen spezialisiert haben.
Während Errant Signal jedes Spiel ziemlich umfassend behandelt, fokussiert Writing on Games sich stets auf bestimmte Aspekte eines Spiels - unter Umständen sogar mit interessanten autobiografischen Einflüssen des Autors Hamish Black, wie in seinem "Durchbruchvideo" How Dark Souls Helped Me Cope with Suicidal Depression. (Gehört leider nicht zu seinen besten Videos, repräsentiert aber perfekt, wie er seine persönliche Perspektive für einzigartige Essays über Spiele nutzt.) Ebenfalls empfehlenswert sind seine Untersuchungen zur narrativen Verbindung zwischen Writing und dem eigentlichen Gameplay. (Why Blighttown Really Matters oder Wolfenstein: The New Order is about more than Defeating the Nazis)
Der Kanal mit dem bezeichnenden Titel Gaming Historian bietet zunehmend professionell produzierte Dokumentationen zu sämtlichen Themen, die Retro-Fans sich wünschen können. Dabei geht es nicht nur um obskure Konsolen oder Spieleklassiker, sondern häufiger auch um komplizierte Einzelfälle wie Die politisch verworrene Geschichte um Tetris hinterm eisernen Vorhang oder die Entstehung des US-Age Rating Boards ESRB.
Das gefundene Fressen für jeden En Detail-Fan dürften die Channels von Matthewmatosis und Joseph Anderson sein, in welchen die beiden in mitunter auch mal mehrstündigen Videos ein einzelnes Spiel auseinandernehmen.
Das Extrem wäre in diesem Fall die sechsstündige Dark Souls-Analyse, in welcher Matthewmatosis das komplette Spiel unter die Lupe nimmt und welches zumindest mich, trotz seiner Länge, stärker gefesselt hat als die meisten Filme. (Trotzdem gut, dass man das Video jederzeit unterbrechen und später wiederaufnehmen kann...) Auf der anderen Seite behandelt Matthewmatosis vor allem in letzter Zeit viele kleinere Geheimtipps für den PC (und manchmal auch für Konsolen), welche nur nur ca. 20 Minuten dauern. Konsolenspieler kommen mit seinen großartigen Videoreihen zu den 3D-Zeldas, den 3D-Marios und den Team ICO-Spielen ebenfalls voll auf ihre Kosten.
Als Highlights auf Joseph Andersons Kanal würde ich persönlich seine Videos zu Hollow Knight sowie seine Videoreihe zu Bloodborne empfehlen. Auch seine Interpretation The Villain of Edith Finch ist hochgradig empfehlenswert.
Ein ziemlich bekannter Channel dürfte Game Maker's Toolkit sein. Hier plaudert Mark Brown über alle erdenklichen Facetten des Game Designs in wunderschön editierten Videos.
Empfehlungen:
What Makes Celeste's Assist Mode Special?
How AM2R and Samus Returns Remade Metroid II
What Makes a Good Puzzle?
Das war jetzt nur eine Auswahl der wenigen Leute, welche es aus dem Geschwür der Balanglosigkeit mit einem Fuß ins Rampenlicht geschafft haben. Die meisten dieser Kanäle sind Patreon-finanziert, da ihre Videos einfach absolut nicht zu den Kriterien passen, nach welchen YouTube Content-Ersteller belohnt.
Jeder einzelne dieser Kanäle beinhaltet so viel Material, dass man, selbst wenn man die wenigen weniger starken Videos ausblendet, für einige Tage Dauerkonsum versorgt sein dürfte. Jeder "YouTuber" (in Ermangelung eines besseren umfassenden Wortes) hat seine eigene Handschrift und sein eigenes Spezialgebiet.
Zugegeben - der deutsche Bereich ist nicht ganz so stark mit hochqualitativen Inhalten versorgt. Aber auch hier gibt es mit Kanälen wie SpeckObst, Gescheit Gespielt oder Gamesground Kandidaten, welche sich vor der englischen Konkurrenz nicht zu verstecken brauchen.
Wieso habe ich jetzt zwei Stunden aufgewendet, um einen Thread mit unzähligen Links erstellt, von denen 90% der Leser wahrscheinlich keinen anklicken werden? Ganz einfach:
1. Alle dieser Kanäle nutzen ihr Videoformat, um das audiovisuelle Medium Videospiel auf die optimale Weise zu besprechen (was nicht bedeuten soll, dass geschriebener Text oder der gesprochene Diskurs im Podcast nicht ebenfalls ihre Vorteile hätten).
2. Ich finde es ziemlich schade, dass YouTube & Games in vielen Kreisen häufig despektierlich mit Let's Plays und ähnlichem Stuss in Verbindung gebracht werden.
3. Ich würde gerne einfach mal wissen, ob meine Einschätzung stimmt, dass vergleichweise wenige Menschen der The Pod-Zielgruppe mit diesen Inhalten vertraut sind - inklusive der The Pod-Crew selbst.
Wenn ihr gerne solche Videos schaut - wieso? Wenn ihr es nicht gern tut - wieso nicht?
Und für diejenigen, die Blut geleckt haben oder sämtliche der oben genannten Kanäle schon kennen, mache ich gleich nochmal eine Liste mit noch mehr großartigen YouTube-Kanälen, welche ein wenig obskurer sind als die oben genannten - grob sortiert nach meiner persönlichen Qualitätseinschätzung:
Leonardo Da Sidci (sehr persönliche, tiefgründige Essays, trotzdem kompakte Länge)
Raycevick (Aufwendige Retrospektiven + Kritiken zu Spielereihen; Empfehlung: Mass Effect Trilogie-Retrospective)
DavidOZ (In-Depth Kritik und Analyse, hauptsächlich AAA der letzten 10 Jahre)
Noah Caldwell-Gervais (In-Deapth Kritik; besondere Empfehlung: Vergleich aller Call of Duty-Ableger)
Turbo Button (Essays/Analysen über Gamedesign)
LambHoot (Häufig sehr abgefahren, etwas zu lang, aber inhaltlich großartig; besondere Empfehlung: Games Explained to Generation X)
ExoParadigmGamer (Vergleicht Remakes mit ihren Originalen in detaillierten Analysen
TheGamingBritShow (Kritik und Essays zu Action-Spielen)
thinreaper (In-Depth Kritik und kürzere Kritik)
BriHard (gemischte Essays)
Codex Entry (Gamedesign, Essays, viel Japanisches)
Gameological Dig (In-Depth Kritik, welche einzelne Ableger von Spielereihen miteinander vergleicht)
KingK (Retrospectives/In-Depth Kritik zu verschiedenen Reihen, persönlicher Touch)
Shammy (Kritiken, ziemlich humorvoll)
Clemps (In-Depth Kritik zu japanischen Spielen, sehr humorvoll, manchmal albern)
HeavyEyed (Gemischte Essays)
NOCH mehr für die, die wirklich nicht genug bekommen können - alphabetisch sortiert: