USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

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Pan Sartre
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Pan Sartre »

HerrReineke hat geschrieben: 16. Aug 2018, 12:21
Pan Sartre hat geschrieben: 16. Aug 2018, 09:56 Man sollte es sich eben auch nicht zu einfach mit der Bewertung machen. Spiele sind jetzt nicht per se "Kunst", sondern "können" endlich auch als Kunst betrachtet werden. Genauso wie Filme und Bücher nicht per se "Kunst" sind. Dafür gibt es einfach zu viel seichte Unterhaltung und Schmuddelkram, der kaum eine gewisse Schöpfungshöhe vorweisen kann (Zitat: "Warum liegt das Stroh?").
Es gibt über die juristische Bedeutung des Kunstbegriffs im Grundgesetz einen gewissen Streit, im Ergebnis wird aber wohl sehr herrschend der sogenannte "offene Kunstbegriff" angewendet. Kurz gesagt: Alles was irgendwie der Interpreation zugänglich ist, ist Kunst. Dieser Bereich ist seeehr weit und das auch absichtlich. Es geht gerade darum ein "staatliches Kunstrichtertum" zu verhindern, dass also üblicherweise gerade nicht Gerichte entscheiden können: "das ist keine Kunst." Der grundrechtliche Schutz soll platt gesagt für möglichst viel gelten. Das heißt nicht, dass alles erlaubt wäre, aber dass Eingriffe halt eine Rechtfertigung brauchen (z.B. den Jugendschutz).

Von dieser Prämisse ausgehen würde ich sagen dürfte absolut jedes Spiel Kunst sein (Bücher und Filme wohl auch). Jedenfalls fällt mir nichts ein, was da nicht drunter fallen würde. Für Gegenvorschläge bin ich offen :ugly:
Ja, vielleicht habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Es geht nichts ums Dürfen. Es darf versuchen alles zu sein. Ein Spiel wie "Hatred" besitzt meiner Meinung nach höchstens einen sehr geringen Kunstcharakter (die Farbästhetik passt zum Inhalt des Spiels: Hass). Daher halte ich es für fatal jetzt eine neue Schublade (Kunst) zu öffnen und alle Spiele aus der anderen (keine Kunst) zu holen und einfach da reinzudrücken. Kunst zeichnet sich ja, wie schon gesagt wurde, durch eine Diskussion darüber aus und nicht, weil man einfach ein Ettikett draufklebt. :D
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HerrReineke
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von HerrReineke »

Rince81 hat geschrieben: 16. Aug 2018, 12:16 Ist das noch so? Mir fällt kein Spiel in den letzten Jahren ein, die eine Cut USK16 Fassung veröffentlicht haben weil es uncut USK18 ist. Darüber dürfte der Großteil der betroffenen Spiele ohnehin Erwachsene als Zielgruppe haben oder bewusst einen lehrreichen Hintergrund haben wie Attentat und Throug the Darkest of Times.
Eine gute Frage... Aber die Antwort wird man so genau vermutlich nicht bekommen, denn es muss ja nicht bedeuten, dass die für den deutschen Markt eine Cut-Fassung rausbringen, sondern dass bereits vorher so entwickelt wird, dass die internationale Originalversion in möglichst allen Ländern das gewünschte Label bekommt; genau dafür sind die Entwickler mit der USK (und den Behörden in anderen Ländern) ja meistens in einem regen Austausch.

Battlefield hatte in den meisten Serienteilen eine USK 16 - hat es bei BF1 sogar zum ersten Mal wieder seit BF:BC2 wieder bekommen. Haben die das absichtlich ein wenig anders designt, damit die wieder auf die USK 16 zurückkommen? Oder ist es der geänderten Spruchpraxis der USK geschuldet? Das wird man von außen kaum sagen können. Und dann kommt es natürlich sehr auf das Publikum an: Bei sowas wie Battlefield Heroes hätte EA vermutlich das Risiko einer höheren Alterseinstufung (es war USK 16) eher nicht eingehen wollen, während das in der Hauptserie vielleicht eher zum Image passt.

Call of Duty hat in seiner ganzen Reihe fast nur USK 18 produziert, teilweise sogar erst durch CUT-Versionen (MW2 ist in der internationalen Version auf dem Index - Liste B Edit: inzwischen Liste A; es wurde 2013 von Liste B umgetragen). Gleichzeitig gibt es von denen Nintendo DS-Versionen ab 16 - ob das an der reduzierten Grafik liegt oder die das für das Zielpublikum auf einer Nintendoplattform (oder für Nintendo) anpassen wollten... keine Ahnung. Ich halte es jedenfalls für möglich.

Ich glaube auch, dass es in Deutschland nicht mehr so schlimm ist eine höhere Alterseinstufung zu bekommen als es bei Publishern vielleicht früher mal wahrgenommen wurde. Aber wenn die Alterseinstufung nur an den Hakenkreuzen liegt kann ich mir schon eher vorstellen, dass die da lieber drauf verzichten als beim restlichen Gameplay (BF5 wird z.B. international komplett ohne Hakenkreuze etc. produziert - warum sollte man sowas zukünftig ändern wenn man Gefahr liefe damit Ärger zu haben? Sind einem EA mehr Authentizität durch Hakenkreuze eine USK 18 wert?).
Zuletzt geändert von HerrReineke am 16. Aug 2018, 22:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Papiertigger
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Papiertigger »

HerrReineke hat geschrieben: 16. Aug 2018, 12:21 [...]Kurz gesagt: Alles was irgendwie der Interpreation zugänglich ist, ist Kunst.[...]
Von dieser Prämisse ausgehen würde ich sagen dürfte absolut jedes Spiel Kunst sein (Bücher und Filme wohl auch). Jedenfalls fällt mir nichts ein, was da nicht drunter fallen würde. Für Gegenvorschläge bin ich offen :ugly:
Bei reinen Spielmechanik-Spielen hätte ich Probleme: Solitaire, Minesweeper, Tetris, Schach am Computer u.ä. Die sind meines Erachtens nicht der Interpretation offen. Natürlich kann man alles "interpretieren", also ihnen irgendeine Bedeutung, einen Sinn entnehmen, wenn man will, auch die Biene und die Blume im Garten und den Hundekothaufen vor der Tür, nur wird das dadurch nicht zu Kunst, denn dann wäre alles Kunst und nichts. Eine Begrenzung braucht man deshalb schon, ergo kann nicht alles interpretierbar sein im Sinne des offenen Kunstbegriffs.

Deshalb: Ein Spiel, dem man Gewalt antun muss, um ihm eine tiefere Bedeutung zu entnehmen, das wäre für mich keine Kunst, und darunter fallen meines Erachtens sehr viele Spiele. Ich tue mich aber gleichzeitig schwer, reine Unterhaltungsspiele ohne höheren Anspruch, wie es die meisten Spiele sind, da einzuordnen. Da haben es etablierte und anerkannte Werktypen wie Dichtung, Musik oder bildende Kunst einfacher, weil sie anders als Computerspiele grundsätzlich erstmal Kunst sind.

Aber wer der Ansicht ist, alle Spiele seien Kunst, von dem würde ich gerne wissen, sind dann Brettspiele auch Kunst, Schach, Die Siedler von Catan oder "Ich sehe was, was Du nicht siehst"? Denn wieso sollte zwischen Spielen am Computer und Spielen außerhalb des Computers unterschieden werden? Ist Versteckenspielen Kunst und sind Sport-Spiele wie Fußball oder Handball Kunst, wenn Fifa und Pro Evo Kunst sind? Denn was unterscheidet echten Sport von Gesellschaftsspielen oder eben Computerspielen, außer dass man (wie in Computerspielen) seine Geschicklichkeit und mehr Körperteile einsetzt und ein größeres Spielfeld hat. Das würde mich ehrlich mal interessieren.
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Ricer
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Ricer »

Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:16 Da haben es etablierte und anerkannte Werktypen wie Dichtung, Musik oder bildende Kunst einfacher, weil sie anders als Computerspiele grundsätzlich erstmal Kunst sind.
Das stimmt nicht. Diese Richtungen haben eine Kunsttheorie entwickelt. Aber bloß weil etwas auf Leinwand gemalt wurde, ist es nicht automatisch Kunst. Die Kunsttheorie der Computerspiele muss/wird von den Game Studies entwickelt werden. Dazu hört man bei The Pod aber bisher sehr wenig.
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Papiertigger »

Ricer hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:22
Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:16 Da haben es etablierte und anerkannte Werktypen wie Dichtung, Musik oder bildende Kunst einfacher, weil sie anders als Computerspiele grundsätzlich erstmal Kunst sind.
Das stimmt nicht. Diese Richtungen haben eine Kunsttheorie entwickelt. Aber bloß weil etwas auf Leinwand gemalt wurde, ist es nicht automatisch Kunst. Die Kunsttheorie der Computerspiele muss/wird von den Game Studies entwickelt werden. Dazu hört man bei The Pod aber bisher sehr wenig.
So verstehe ich aber den so genannten formalen Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichts, nach dem Kunst ist, was einem Werktyp zugeordnet werden kann. Ausgangspunkt war nämlich die juristische Definition von Kunst. Es gibt ja juristisch drei Kunstbegriffe, und die kann man durchaus parallel verwenden, im Zweifel für die Kunst - man korrigiere mich gerne sachverständig, wenn ich mich irre. ;) Aber ob eine "Kunsttheorie" entwickelt wurde, ist für keinen dieser Kunstbegriffe ein Kriterium. Dass nicht jeder Farbklecks auf einem Stück Stoff Kunst ist, ist natürlich richtig, das würde aber auch kein vernünftiger Mensch dem Werktyp Malerei zuordnen, wobei es auch da natürlich einen Graubereich gibt, wie immer.
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Ricer
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Ricer »

Aber die drei Kunstbegriffe stehen doch nicht für sich. Nur in der gegenseitigen Ergänzung sind sie nutzbar.

Nachtrag: Anhand der Definitionen ist auch erkennbar, dass eher künstlerische Werke vergangener Jahrhunderte abgedeckt werden. Die künstlerische Auseinandersetzung mit Spielen in den Game Studies wird meines Erachtens die Entscheidungen von Juristen ebenso beeinflussen, wie die der Literatur- oder Filmwissenschaft. Auffallend ist zum Beispiel dass alle Definitionen einer Betrachtung zugeordnet sind. Damit sind digitale Spiele und Performance-Theater einfach nicht greifbar. Daher der Verweis auf die zu entwickelnden Theorien.
Zuletzt geändert von Ricer am 16. Aug 2018, 14:48, insgesamt 1-mal geändert.
Papiertigger
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Papiertigger »

Ricer hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:39 Aber die drei Kunstbegriffe stehen doch nicht für sich. Nur in der gegenseitigen Ergänzung sind sie nutzbar.
Kannst Du das bitte genauer erläutern?
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Ricer
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Ricer »

Das Bundesverfassungsgericht hat ja nicht zur gleichen Zeit alle Definitionen festgelegt. Die entwickelten sich über Jahre. Und meiner Meinung besteht bei digitalen Spielen die Möglichkeit einer weiteren Betrachtungsweise, die wir momentan noch nicht so klar sehen. Sorry, dass ich hier etwas zerfasert geschrieben habe :)
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HerrReineke
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von HerrReineke »

Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:16 Bei reinen Spielmechanik-Spielen hätte ich Probleme: Solitaire, Minesweeper, Tetris, Schach am Computer u.ä. Die sind meines Erachtens nicht der Interpretation offen.
Okay, ich habe tatsächlich weniger in diese Richtung gedacht, aber auch dort halte ich es nicht im geringsten für ausgeschlossen. Schach gibt es massig Varianten von, die mehr darstellen als einfach nur ein Schachbrett. Zu Tetris gab es doch diesen einen Klon, bei dem man gefesselte Gefangene stapelt, die einen dann angreifen, wenn sie bis oben an die Kante der Grube kommen (finde es leider grad nicht mehr - dafür ein Serious Game mit einer ähnlichem Ansatzpunkt, dass wohl für Diskussion sorgte).

Und dann wird man vermutlich differenzieren können, dass auch Spiele wie Minesweeper und Solitair jedenfalls Kunst enthlten (Musik, die bemalten Spielkarten etc.). Da ist dann die Frage, wieviel Kunstinhalt vielleicht irgendwann ein Gesamtwerk zu Kunst machen kann. Oder ob das Spiel ein Kunstwerk ist, weil die Designer in kleinen Bereichen außerhalb des Gameplays künstlerische Freiheit hatten und diese dann nutzten (z.B. eben die Musik und das Grafikdesign). Aber okay, vermutlich kann man bei Computerspielen doch rausfliegen :lol:

Wobei, grad kommt mir einv errückter Gedanke... Wenn man Minesweeper umbaut und die Minen in Hakenkreuze verwandelt. Ist es sozialadäquat, dass die Hakenkreuze den Tod bedeuten? Ist das Hakenkreuz hier als Symbol für die Niederlage und den eigenen Tod genug Interpretationsspielraum um eine solche Version wiederum als Kunst zu deuten? Was kostet nochmal ein Antrag bei der USK? :ugly:
Aber wer der Ansicht ist, alle Spiele seien Kunst, von dem würde ich gerne wissen, sind dann Brettspiele auch Kunst, Schach, Die Siedler von Catan oder "Ich sehe was, was Du nicht siehst"? Denn wieso sollte zwischen Spielen am Computer und Spielen außerhalb des Computers unterschieden werden? Ist Versteckenspielen Kunst und sind Sport-Spiele wie Fußball oder Handball Kunst, wenn Fifa und Pro Evo Kunst sind? Denn was unterscheidet echten Sport von Gesellschaftsspielen oder eben Computerspielen, außer dass man (wie in Computerspielen) seine Geschicklichkeit und mehr Körperteile einsetzt und ein größeres Spielfeld hat. Das würde mich ehrlich mal interessieren.
Mh, Brettspiele würde ich jetzt auch nicht ausnehmen wollen - selbe Begründung wie oben (aber ja, durchaus schwierige Frage). Gesellschaftsspiele deshalb, weil es da nur die Regeln gibt, aber keinen "Künstler" der irgendwas macht - das sind im Zweifel nur die Spieler. Bei einer Videospielumsetzung kann künstlerischer Ausdruck in der Umsetzung dieser auf das Gesellschaftsspiel ausgelegten Regeln fließen. Das können sicher auch die Kinder auf dem Bolzplatz: Wenn sie denn wollen würden^^ Das fällt dann wohl unter Aktionskunst.

Aber Kunst ist eh ein echt schweres Themenfeld... Joseph Beuys und seine Fettecke z.B. Da wurde ja auch ordentlich gestritten ob das noch Kunst sein kann. Inzwischen wohl offensichtlich ja; aber ist das beschmieren einer Ecke mit Fett so viel interpretationszugänglicher als Minesweeper?

Gut, dass ein Spiel gar keine Kunst sein muss, damit es auch sozialadäquat sein kann und diese Diskussion daher nicht zwingend voneinander abhängen :lol:
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Papiertigger »

Ricer hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:56 Das Bundesverfassungsgericht hat ja nicht zur gleichen Zeit alle Definitionen festgelegt. Die entwickelten sich über Jahre. Und meiner Meinung besteht bei digitalen Spielen die Möglichkeit einer weiteren Betrachtungsweise, die wir momentan noch nicht so klar sehen. Sorry, dass ich hier etwas zerfasert geschrieben habe :)
Ja klar, genau das meinte ich aber auch. Nur können sich Computerspiele nicht auf den formalen Kunstbegriff stützen wie etablierte Werktypen, die erstmal "per se" Kunst sind, sondern ihr Kunstcharakter muss nach dem materiellen und insbesondere dem offenen Kunstbegriff im Einzelfall bewertet werden.
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HerrReineke
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von HerrReineke »

Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:34 So verstehe ich aber den so genannten formalen Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichts, nach dem Kunst ist, was einem Werktyp zugeordnet werden kann. Ausgangspunkt war nämlich die juristische Definition von Kunst. Es gibt ja juristisch drei Kunstbegriffe, und die kann man durchaus parallel verwenden, im Zweifel für die Kunst - man korrigiere mich gerne sachverständig, wenn ich mich irre. ;) Aber ob eine "Kunsttheorie" entwickelt wurde, ist für keinen dieser Kunstbegriffe ein Kriterium. Dass nicht jeder Farbklecks auf einem Stück Stoff Kunst ist, ist natürlich richtig, das würde aber auch kein vernünftiger Mensch dem Werktyp Malerei zuordnen, wobei es auch da natürlich einen Graubereich gibt, wie immer.
Mal ein Zitat aus einem juristischen Kommentar dazu:
Kempen hat geschrieben:"In Anbetracht der unübersehbaren dogmatischen Schwächen der einzelnen Kunstbegriffe erscheint es ratsam, ähnlich der Vorgehensweise des BVerfG, mit sämtlichen Kunstbegriffen zu operieren. Sie bieten hinreichende Anhaltspunkte, um im Einzelfall darüber zu befinden, ob die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 Alt. 1 ihrem Schutzbereich nach berührt wird.

In Zweifelsfällen empfiehlt es sich über die zuvor genannten Definitionsansätze hinaus, weitere Kriterien bei der Beurteilung, ob ein Kunstwerk vorliegt, heranzuziehen und sich dabei des Sinns und Zwecks der Freiheitsgarantie zu erinnern. Nicht zuletzt um die Staatsfreiheit der Kunst sicherzustellen und um die Unabgeschlossenheit künstlerischer Formen zu berücksichtigen, besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Gewährleistung der Kunstfreiheit jedenfalls weit zu verstehen ist (BVerfGE 119, 1 (23) = NJW 2008, 39 (40) – Esra; MKS/Starck Art. 5 Abs. 3 Rn. 298 f., 301; Dreier/Wittreck Art. 5 Abs. 3 (Kunst) Rn. 41)."
In: BeckOK Grundgesetz, GG Art. 5 Rn. 162 f.

Oder auch:
Scholz hat geschrieben:Als Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne ist nach hiesiger Auffassung somit – bei gebotener inhaltlicher Differenzierung je nach Kunstart – grundsätzlich jeder schöpferisch-individuale Akt sinnlich-anschaulicher Formgebung zu begreifen, der der „objektivierte“ Ausdruck eines persönlichen Erlebnisses seines Schöpfers ist und auf kommunikative Sinnvermittlung nach außen gerichtet ist.
In: Maunz/Dürig GG Art. 5 Abs. 3 Rn. 29

Es gibt übrigens noch mehr als die drei großen bekannten juristischen Kunstbegriffe (offen, formell, materiell), z.B. noch den der Drittanerkennung. Und es gibt auch Stimmen in der Jurisprudenz, die von einem Defintionsverbot für den Kunstbegriff ausgehen (mit denen habe ich mich aber bislang nicht beschäftigt, keine Ahnung worauf die das sützen).
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Papiertigger »

HerrReineke hat geschrieben: 16. Aug 2018, 14:58 Gesellschaftsspiele deshalb, weil es da nur die Regeln gibt, aber keinen "Künstler" der irgendwas macht - das sind im Zweifel nur die Spieler.
Aber das Spiel sind ja die Regeln, die wurden gemacht, durch einen oder mehrere Schöpfer, wie bei Computerspielen, und dass die Spieler "irgendwas machen" innerhalb der vorgegebenen Regeln, inklusive z.B. einem vorgegebenen Spielfeld, das ist bei Computerspielen genauso wie bei Gesellschaftsspielen oder Wettkampfsport.
Bei einer Videospielumsetzung kann künstlerischer Ausdruck in der Umsetzung dieser auf das Gesellschaftsspiel ausgelegten Regeln fließen. Das können sicher auch die Kinder auf dem Bolzplatz: Wenn sie denn wollen würden^^ Das fällt dann wohl unter Aktionskunst.
Dann ist also der Rasenwart vom Fußballverein auch ein Künstler? Edit: Okay, schlechtes Beispiel, der hat kaum künstlerische Freiheit, wie das Spielfeld und das Spielgerät aussieht, legt der Fußballverband fest, dann wären die also die Künstler. :ugly:

Worauf ich hinaus will: Wenn man den Kunstbegriff zu sehr ausdehnt und sagt, Spiele seien per se Kunst, dann wird es schnell ziemlich absurd.

Zu den Kunstbegriffen, vielen Dank für die Zitate, das ist immer hilfreich :) . Ich sehe da allerdings keinen Widerspruch zu dem, was ich geschrieben habe.
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Ricer
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Ricer »

Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 15:04 Ja klar, genau das meinte ich aber auch. Nur können sich Computerspiele nicht auf den formalen Kunstbegriff stützen wie etablierte Werktypen, die erstmal "per se" Kunst sind, sondern ihr Kunstcharakter muss nach dem materiellen und insbesondere dem offenen Kunstbegriff im Einzelfall bewertet werden.
Verstanden :)
Und die ganzen Einzelfälle würden dann mit der Weiterentwicklung von digitalen Spielen und der Forschung zu einer neuen (juristischen) Definition führen.
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Papiertigger »

Denkbar, dass Computerspiele irgendwann eine vergleichbare gesellschaftliche Anerkennung haben wie Filme derzeit, und ein Richter nicht zweimal über den Kunstcharakter nachdenkt, sondern diesen als selbstverständlich annimmt. Auf der anderen Seite kann man sich fragen, weshalb ein "reines Spielmechanikspiel", dem schwerlich objektivierbar eine Aussage oder tiefere Bedeutung zu entnehmen ist, des Schutzes der Kunstfreiheit - um einen von HerrReineke zitierten Begriff zu verwenden - angesichts des "Sinns und Zwecks der Freiheitsgarantie" - bedarf. Schließlich könnte ein solches Spiel ohne Aussage und Bedeutung dem Staat ohnehin nicht auf die Art gefährlich werden, wie es Kunst kann.
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HerrReineke
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von HerrReineke »

Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 15:20 Aber das Spiel sind ja die Regeln, die wurden gemacht, durch einen oder mehrere Schöpfer, wie bei Computerspielen, und dass die Spieler "irgendwas machen" innerhalb der vorgegebenen Regeln, inklusive z.B. einem vorgegebenen Spielfeld, das ist bei Computerspielen genauso wie bei Gesellschaftsspielen oder Wettkampfsport.
Ja, ich würde auch zustimmen, dass ein Spiel an sich, allein durch die Regeln Kunst sein kann. Auch wenn mir spontan kein Beispiel dafür einfällt, bei dem ich die Regeln al solche für Kunst halten würde - mir fallen nur Einhegungen von Regeln ein, die dann einen Kunstcharakter entwickeln. Ich würde z.B. das Minderheiten-Quartett direkt darunter zählen.
Dann ist also der Rasenwart vom Fußballverein auch ein Künstler? Edit: Okay, schlechtes Beispiel, der hat kaum künstlerische Freiheit, wie das Spielfeld und das Spielgerät aussieht, legt der Fußballverband fest, dann wären die also die Künstler. :ugly:

Worauf ich hinaus will: Wenn man den Kunstbegriff zu sehr ausdehnt und sagt, Spiele seien per se Kunst, dann wird es schnell ziemlich absurd.
Wenn der Rasenwart anfängt in den Rasen Bilder zu malen, wie man es ja z.B. auch bei Frisuren machen kann, dann ist das sicherlich Kunst. Nur das Mähen an sich in geraden Linien aber auch sehr klar nicht.

Das erinnert mich auch daran, dass ich in der Kanzlei an einem Fall mitgearbeitet habe, bei dem es um einen bekannten People-Fotografen geht, der sich dagegen wehrt Pflichtmitglied der Handwerkskammer zu werden weil er sagt (und ich finde im Ergebnis zutreffend), dass seine Bilder nicht pures Handwerk sondern Kunst sind. Aber gerade bei sowas werden die Grenzen natürlich arg schwer zu ziehen sein. (dabei übrigens besonders kompliziert, dass es unterschiedliche juristische Kunstbegriffe gibt, also z.B. auch in Hinblick auf die Künstlersozialkasse etc.
Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 15:20 Zu den Kunstbegriffen, vielen Dank für die Zitate, das ist immer hilfreich :) . Ich sehe da allerdings keinen Widerspruch zu dem, was ich geschrieben habe.
Gerne doch :)
Ich glaube wir sind im Ergebnis gar nicht weit voneinander weg, wir betonen nur jeweils das Gegenteil: Du betonst, dass es nicht zu weit gehen darf, ich betone, dass man die Grenze nicht voreilig ziehen darf und wir beide kommen irgendwo in der Mitte raus :lol:
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Ricer
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Ricer »

Papiertigger hat geschrieben: 16. Aug 2018, 15:40 Auf der anderen Seite kann man sich fragen, weshalb ein "reines Spielmechanikspiel", dem schwerlich objektivierbar eine Aussage oder tiefere Bedeutung zu entnehmen ist, des Schutzes der Kunstfreiheit - um einen von HerrReineke zitierten Begriff zu verwenden - angesichts des "Sinns und Zwecks der Freiheitsgarantie" - bedarf.
Ich denke es gibt noch nicht genug Spielmechanikspiele, die ihre volle narrative Kompetenz nutzen. Das spricht Wolfgang in den Kolumnen oft an. Spiele müssen über ihre originären spielmechanischen Eigenschaften erzählen lernen und da sind wir, so wie ich es verstanden habe, erst am Anfang der Entwicklung.
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Rigolax »

Rince81 hat geschrieben: 16. Aug 2018, 12:16 Ist das noch so? Mir fällt kein Spiel in den letzten Jahren ein, die eine Cut USK16 Fassung veröffentlicht haben weil es uncut USK18 ist. Darüber dürfte der Großteil der betroffenen Spiele ohnehin Erwachsene als Zielgruppe haben oder bewusst einen lehrreichen Hintergrund haben wie Attentat und Throug the Darkest of Times.
Gemini: Heroes Reborn fällt mir ein. Die haben angeblich für die 16er Gewalt geschnitten. Wobei ich mir da nicht sicher bin, ob das wirklich so war, da nur etwas Blut fehlt, was kaum den Unterschied gemacht haben dürfte im Jahr 2016. Vermutlich präventiv geschnitten ohne Kontakt mit der USK. Allerdings ohnehin ein eher obskures Spiel.
HerrReineke hat geschrieben: 16. Aug 2018, 12:39 (MW2 ist in der internationalen Version auf dem Index - Liste B).
MW2 steht auf A. Das wurde auf B indiziert, aber einige Jahre später von Amts wegen umgetragen, nachdem die BPjM ihre Verwaltungspraxis bezüglich staatsanwaltlichen Ermittlungseinstellungen aus tatbestandlichen Gründen geändert hatte. Die StA hatte schon kurz nach B-Indizierung etwaige Gewaltdarstellungen nach § 131 StGB verneint. (Az.: 467 AR 6524/09; BPjM-Bekanntmachung Nr. 13/2013). Nebenbei: Die BPjM muss von Amts wegen nach einer B/D-Indizierung die Ermittlungsbehörden informieren (§ 24 (4) JuSchG).

Zum SZ-Artikel: Nach Statement des Familienministerium NRW war offenbar der Fall Bundesfighter 2 (alleine?) entscheidend. War mir so absolut noch nicht klar.

Zur Kunstfrage: Computerspiele sind auch intrinische Kunstwerke. Sie vereinen Musik, Bewegtbild, Texte etc. Am Kunstcharakter der meisten Spiele gibt es keinen Zweifel. Kunst ist zudem schrankenlos frei nach Art. 5 Abs. 3 GG. Nur Grundrechte können die Kunstfreiheit einschränken (praktische Konkordanz; Mephisto-Entscheidung). Man müsste im Kontext von § 86a StGB mal schauen, welche Grundrechte dort tangiert werden, die die Kunstfreiheit einschränken können. Eine ideologische Kunstabwägung wäre an sich wohl nicht haltbar. Zusätzlich gibt's ja noch § 86 StGB (Propagandamittel) und § 130 StGB (Volksverhetzung), bei denen vielleicht eher Grundrechte in Frage kommen als beim Symbolverbot (Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte etc.). Weiß ich allerdings nicht so sicher, wie das genau abläuft. Klar ist wohl, dass ein Hearts of Iron oder Post Scriptum auch in der int. Version keine Propagandamittel sind, da sie sich vor allem nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten und solche Titel auch nie von der BPjM indiziert wurden (während zum Beispiel eine Version nur ohne NS-Symbole die Freigabe erhalten hätte. § 86a StGB ist an sich übrigens kein Indizierungskriterium). Ich vermute mal stark, dass die USK kaum drum rum kommen wird, solche unkritischen, aber nicht verherrlichenden oder verharmlosenden Titel zu kennzeichnen.
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HerrReineke
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von HerrReineke »

Rigolax hat geschrieben: 16. Aug 2018, 21:06 MW2 steht auf A. Das wurde auf B indiziert, aber einige Jahre später von Amts wegen umgetragen, nachdem die BPjM ihre Verwaltungspraxis bezüglich staatsanwaltlichen Ermittlungseinstellungen aus tatbestandlichen Gründen geändert hatte. Die StA hatte schon kurz nach B-Indizierung etwaige Gewaltdarstellungen nach § 131 StGB verneint. (Az.: 467 AR 6524/09; BPjM-Bekanntmachung Nr. 13/2013).
Danke für den Hinweis! Die Umtragung hatte ich gar nicht mitbekommen :lol:
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Rince81
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von Rince81 »

Da sich einige beklagt haben, dass sich nicht einmal die BILD mit unsinnigen und unsachlichen Kommentaren zu der Sache äußert - hier kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund...

https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 41474.html

"Die klammheimlich herbeigeführte Änderung während der parlamentarischen Sommerpause, ohne Befassung der Parlamente und gesellschaftlichen Gruppen, darf nicht hingenommen werden. (...) Eine so weitreichende Änderung mit so grundsätzlicher Wirkung kann und darf nicht ohne Befassung des Bundestags erfolgen."
:ugly:
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hightower
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Re: USK: Haltung gegenüber Nazi-Symbolen in Spielen gelockert

Beitrag von hightower »

Annelie Buntenbach, von der das obige Zitat stammt, sollte es eigentlich besser wissen.
Hier mal der Link zu Wikipedia: Annelie Buntenbach Mitglied des DGB Bundesvorstands
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