Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

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Stuttgarter
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Stuttgarter »

Wolfgang, sollte ich Dir mal "in echt" begegnen, würde ich Dir gerne die Füße küssen.
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Leonard Zelig
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Leonard Zelig »

Auch wenn die Wortwahl sicher provokant war, glaube ich schon dass Wolfgang das im Grunde so meint und es nicht nur eine Provokation war. Auf seinem Facebook-Account teilt er auch sehr gerne gegen Polizei und Verfassungsschutz aus. Ohne das jetzt wertend zu meinen, würde es mich stören könnte ich ihn ja entfreunden und ignorieren.

Persönlich finde ich Diskussionen über die Bundeswehr nur so semi-spannend. Interessanter waren da schon die Ausführungen über die AfD, die man genauso gut auf Trump, die Brexit-Befürworter, die Schweden-Demokraten oder Le Pen ummünzen kann. Es sind immer die gleichen Mechanismen am Werk. Und es ist teilweise erschreckend wie ähnlich linke und rechte Populisten bei Themen wie dem Krieg in der Ukraine argumentieren. Die Länder Osteuropas werden nur als Spielbälle der Großmächte gesehen und viele Journalisten sparen sich die Mühe mal Experten aus den betreffenden Ländern zu interviewen statt nur über diese Länder zu reden.

Ob Ignoranz statt Gegenrede die richtige Reaktion auf Provokationen ist weiß ich nicht. Die Medien könnten versuchen die Provokationen nicht mehr so aufzubauschen, sondern sie nur noch kurz in den Nachrichten vermelden. Ich hab letztens einen spannenden Podcast mit einer AfD-Aussteigerin gehört. Die meinte die ganze negative Berichterstattung in den Medien über die AfD habe sie stärker an die Partei gebunden und dass bei einer neutralen Berichterstattung ihr Ausstieg vielleicht schon vorher erfolgt wäre. Sie hatte zeitweise über 1600 AfD-Freunde bei Facebook, ihre Timeline sah entsprechend aus. Solche Filter bubbles verstärken ebenfalls die Wagenburgmentalität.

In Chemnitz zeigt sich vor allem der Hass auf die Medien und die Politik in Verkörperung von Frau Merkel. Die Flüchtlinge sind nur der Auslöser gewesen, aber waren nie der Grund für den Hass. Die Fehler der Vergangenheit rächen sich jetzt. 1990 haben führende Politiker von CDU und SPD gesagt, dass es in fünf Jahren keine Unterschiede zwischen West und Ost mehr gäbe. 28 Jahre später gibt es hingegen immer noch deutliche Unterschiede. In Sachsen sind zahlreiche Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt (in Grenzgebieten sogar die Hälfte aller Beschäftigten), während Menschen in Baden-Württemberg oft schon beim Eintritt ins Berufsleben nach dem Studium über 40.000€ im Jahr verdienen. Wer will es da den jungen Menschen verübeln wenn sie nach der Schule oder spätestens nach dem Studium ihre Heimat verlassen? Zurück bleiben die Alten, die mit ansehen müssen wie ihre Gemeinden immer mehr veröden und vereinsamen. Kein Vergleich zu dem gut betuchten Rentnerehepaar in Hamburg-Harvestehude, das es sich leisten kann die ganze Welt zu bereisen. Natürlich gibt es auch im Westen Ungleichheit und Ungerechtigkeiten. Aber dann wird in der Regel auf den Kapitalismus, die Konzerne und/oder den Neoliberalismus geschimpft. Aber im Osten waren es die Menschen bis zur Wende gewohnt, dass der Staat für die Verteilung von Waren und Gütern zuständig ist. Wenn jemand arm und der andere reich war, dann weil der Staat DDR es so wollte. Die Empörung "Die Flüchtlinge bekommen alles und wir bekommen nichts" geht von der Erwartung aus, dass der Staat einem etwas schuldet. Und wenn man etwas nicht bekommt, dann weil der Staat einen verachtet. Und wenn man glaubt dass einen der Staat verachtet, dann fällt es leicht den Staat und die ÖR-Medien ebenso zu verachten.
Zuletzt geändert von Leonard Zelig am 7. Sep 2018, 21:26, insgesamt 3-mal geändert.
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BummsGeordy
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von BummsGeordy »

Smartie hat geschrieben: 7. Sep 2018, 20:25 Thx für diesen Post, ist bislang einer der besten, welche die Gegenposition einnehmen. Zunächst hast du recht, das Thema geht mir nah, weil zZ einer meiner Freunde im Einsatz ist und ein anderer bald nach Afghanistan geht. Dass sich diese hier als Teil einer "Wehrmachtsnachfolgeorganisation" bezeichnet werden, ist für mich unerträglich (und als Historiker allemal). Mal abgesehen davon: Du schreibst man müsse Kritik zur Bundeswehr aushalten. Ja, klar. Aber das kann man dies differenziert erledigen und nicht auf solche ekelhafte Art und Weise.
Die Kritik an der BW-Werbung hätte auf so viele Arten aufgegriffen werden können, ohne dass man muwillig auf den Gefühlen von Menschen herumtrampelt. Und wenn ich höre: Er thematisiert aktiv die Provokation: Ja mei, das ist ja schön, das macht die an manchen Stellen einfach bodenlose Wortwahl nicht besser.
Letztendlich bleibt bei mir der Eindruck zurück, dass auch von dir Andre, billigend in KAuf genommen wird, wenn durch solch eine Art von Beitrag Menschen angegriffen und veletzt werden. Aber hey, ist ja Teil einer Show(!) und ein mutiges, nein geniales soziales Experiment - für die Andere die Zeche zahlen.
Auch ich habe in meinem Umfeld Menschen, die zum Teil in Afghanistan gedient haben und aktiv in der Bundeswehr sind. Mir ist völlig bewusst, welche existenziellen Entscheidungen Soldaten tragen müssen - für sich und für andere.

Was du schreibst lässt mich vermuten, dass du aufgrund deiner emotionalen Nähe eine Art (ich weiß wie kontrovers dieser Begriff sein kann - mir fällt leider kein passenderer ein - versuche ihn so positiv aufzunehmen, wie ich ihn wirklich meine) "Beißreflex" bzgl. der Bundeswehr hast. Krieg/Soldaten und die Bundeswehr im Speziellen stehen nicht selten auch offener und teilweise vielleicht sogar ungerechtfertigter Kritik gegenüber ausgesetzt. Aber nichts in der Welt ist schwarz oder weiß (gerade als Historiker weißt du das sicherlich besser als viele Andere). Und die auch Institutionen können A und B gleichzeitig beinhalten. So sind in der Bundeswehr zweifelsohne moralisch integere Menschen tätig, vielleicht sogar Einige die sich aktiv gegen Rechts einsetzten... höchstwahrscheinlich wird Krieg, Kampf, Konflikt und Auslandseinsätze innerhalb der Bundeswehr heftig von allen Seiten diskutiert - ABER das heißt nicht, dass die nunmal wirklich vorhandenen "Skandale" und immer wieder auffallenden Rechtsausleger nicht AUCH vorhanden wären.

Kritik an der Bundeswehr als ganze Organisation heißt nicht, dass man die Menschen und Soldaten die im Zweifel ihr Leben riskieren deshalb nicht geschätzt werden können. Man Kann die Bundeswehr kritisch sehen und vielleicht sogar ablehnen und GLEICHZEITIG die Opfer, Risiken und guten Absichten (der wahrscheinlich meisten) Soldaten wahrnehmen, akzeptieren und sogar wertschätzen.

Ich persönlich finde Wolfgangs Beitrag (wie ich schon geschrieben hatte) wertvoll und richtig gut. Das heißt aber nicht, dass man (oder ich in diesem Fall) Soldaten abwertet oder die Risiken nicht dennoch gleichzeitig anerkennen kann.

mit dem "Beißreflex" wollte ich andeuten, dass du dies wahrscheinlich vermischst. Den Beitrag von Wolfgang als Angriff auf "unsere Soldaten" wertest. Befürchtest, dass der Rückhalt im eigenen Land dadurch erodiert, ihr Einsatz in ein "falsches Licht" gestellt wird. Das wird aber bei den wenigsten Menschen der Fall sein. Nochmal: ich spüre durch deine Beiträge wie verloren es sich anfühlt wenn man gegen die "Populisten" (und ja - es ist ja eine populistische Provokation) versucht zu argumentieren. Aber interessanterweise ist ja genau DAS der Punkt, den Wolfang machen möchte.
--------
Ich finde es zum Beispiel völlig unerträglich und menschenverachtend auf der Gamescom (einem Event, dass sich ehrlicherweise eher an Jüngere wendet) mit Parolen wie "bester Multiplayer", usw. zu werben, weil DAS von gerade der Bundeswehr ausgehend die tatsächliche Bedeutung, die Ausmaße und die Risiken der dienenden Soldaten völlig ins Lächerliche zieht, untergräbt und aushöhlt.

Daher wundert es mich ein bisschen, dass dich das nicht zu stören scheint - Wolfgangs Beitrag, der ganz konkret sagt, dass es völlig andere Sichtweisen gibt, die genauso valide sind wie seine, als "schlimmeren" Beitrag empfindest... :/
Smartie
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Smartie »

BummsGeordy hat geschrieben: 7. Sep 2018, 21:09 ABER das heißt nicht, dass die nunmal wirklich vorhandenen "Skandale" und immer wieder auffallenden Rechtsausleger nicht AUCH vorhanden wären.

Kritik an der Bundeswehr als ganze Organisation heißt nicht, dass man die Menschen und Soldaten die im Zweifel ihr Leben riskieren deshalb nicht geschätzt werden können. Man Kann die Bundeswehr kritisch sehen und vielleicht sogar ablehnen und GLEICHZEITIG die Opfer, Risiken und guten Absichten (der wahrscheinlich meisten) Soldaten wahrnehmen, akzeptieren und sogar wertschätzen.

Ich persönlich finde Wolfgangs Beitrag (wie ich schon geschrieben hatte) wertvoll und richtig gut. Das heißt aber nicht, dass man (oder ich in diesem Fall) Soldaten abwertet oder die Risiken nicht dennoch gleichzeitig anerkennen kann.

mit dem "Beißreflex" wollte ich andeuten, dass du dies wahrscheinlich vermischst. Den Beitrag von Wolfgang als Angriff auf "unsere Soldaten" wertest. Befürchtest, dass der Rückhalt im eigenen Land dadurch erodiert, ihr Einsatz in ein "falsches Licht" gestellt wird. Das wird aber bei den wenigsten Menschen der Fall sein. Nochmal: ich spüre durch deine Beiträge wie verloren es sich anfühlt wenn man gegen die "Populisten" (und ja - es ist ja eine populistische Provokation) versucht zu argumentieren. Aber interessanterweise ist ja genau DAS der Punkt, den Wolfang machen möchte.
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Ich finde es zum Beispiel völlig unerträglich und menschenverachtend auf der Gamescom (einem Event, dass sich ehrlicherweise eher an Jüngere wendet) mit Parolen wie "bester Multiplayer", usw. zu werben, weil DAS von gerade der Bundeswehr ausgehend die tatsächliche Bedeutung, die Ausmaße und die Risiken der dienenden Soldaten völlig ins Lächerliche zieht, untergräbt und aushöhlt.

Daher wundert es mich ein bisschen, dass dich das nicht zu stören scheint - Wolfgangs Beitrag, der ganz konkret sagt, dass es völlig andere Sichtweisen gibt, die genauso valide sind wie seine, als "schlimmeren" Beitrag empfindest... :/
In einem allerersten Post in diesem Thread habe ich geschrieben, dass Rechte in der BW nichts zu suchen haben und dass ich die GAmescom-Werbung daneben fand. Was soll ich denn deiner Meinung noch tun, um zu verdeutlichen, dass die Kritik an der Institution BW und kritikwürdigen Prozessen/ Mentalitäten keine Nestbeschmutzung darstellt, sondern einen wertwollen Beitrag dazu leistet diese Institution zu verbessern???

Von daher finde ich es daneben mich für Dinge rechtfertigen zu müssen, die offenkundig anders von mir beurteilt werden. Das Lesen der Ausgangsposition zu diesem Thread würde ich dann schon als Notwendigkeit ansehen, wenn du mich kritisierst....
Und ganz ehrlich: Wenn es Wolfgang darum gegangen wäre, die vorherigen Ausführungen am Ende in ein anderes, sprich differenzierteres Licht zu rücken, dann hätte er das gekonnt. Schreiben kann der Mann bekanntlich.

Gleichwohl: interessante Diskussion. Gerne davon mehr.
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BummsGeordy
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von BummsGeordy »

ich hatte deinen Ausgangspost heute Vormittag irgendwann gelesen - und bei dem ganzen "hin und her" ist mir das wohl entfallen. Dafür möchte ich mich entschuldigen und gerne den letzten Absatz zurücknehmen - der Rest bleibt aber unberührt bestehen.
Smartie
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Smartie »

BummsGeordy hat geschrieben: 7. Sep 2018, 21:50 ich hatte deinen Ausgangspost heute Vormittag irgendwann gelesen - und bei dem ganzen "hin und her" ist mir das wohl entfallen. Dafür möchte ich mich entschuldigen und gerne den letzten Absatz zurücknehmen - der Rest bleibt aber unberührt bestehen.
Damit kann ich gut leben, dir noch einen schönen Abend!
Canardo
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Canardo »

Ich fand den Beitrag wirklich hervorragend und, für mich auf jeden Fall, sehr erhellend. Vielen Dank Wolfgang. Und ich muss mich X-Frog anschliessen: bitte macht diesen Beitrag für alle zugänglich, das ist viel zu wichtig um hinter einer Paywall zu verschwinden und sollte auch möglichst viele Nichtgamer erreichen können.
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Frostkaktus
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Frostkaktus »

Ich war heute morgen echt extrem mies gelaunt. Aber dies gewiefte Stück intellektueller Akrobatik hat mir den Einstieg in den Tag extrem versüßt. Ich kann verstehen, dass man den Text, wenn man ihn nur nebenher hört, schnell falsch verstehen kann.
Man muss es schon mögen, dass man konzentriert zuhören und mitdenken muss. Aber genau das zeichnet Wolfgangs Stücke für mich aus. Sie sind das Tüpfelchen auf dem i des Podcasts. <3

Allein sich anfangs zu fragen "öhm, was hat das jetzt mit Games zu tun?" und dann gehen einem während des Hörens die Leuchten auf und man nickt vor sich hin, da das, was man irgendwo schon für sich erkannt hatte (wir spielen nach unterschiedlichen Regeln & Siegbdingungen), in konkrete Worte gefasst wurde.

Und ganz ehrlich? Selbst wenn der Bogen zu Spielen nicht gelungen wäre: ich mag es, dass Wolfgang immer wieder moralische & politische Fragen thematisiert.
Und das Chaos sprach zu mir: "Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen."
Ich lächelte und war froh. Und es kam schlimmer.
Rince81
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Rince81 »

Smartie hat geschrieben: 7. Sep 2018, 20:25 Dass sich diese hier als Teil einer "Wehrmachtsnachfolgeorganisation" bezeichnet werden, ist für mich unerträglich (und als Historiker allemal). Mal abgesehen davon: Du schreibst man müsse Kritik zur Bundeswehr aushalten. Ja, klar. Aber das kann man dies differenziert erledigen und nicht auf solche ekelhafte Art und Weise.
Du kannst das eine nicht ohne das andere haben.

Meine privaten Bundeswehrerfahrungen waren da zwiespältig - einerseits wurde uns Wehrpflichtigen der Staatsbürger in Uniform als Ideal genannt und dem auch meist entsprochen, andererseits sah sich das Zeit- und Berufspersonal durchaus in der historischen Tradition des deutschen Landsers - und das zieht sich durch die gesamte Bundeswehr. Wobei die Bundeswehr heute nicht mehr die Bundeswehr der Gründungsjahre ist, dennoch:

So ist es mit der gesamten Bundeswehr. Bei Gründung der Bundeswehr waren sämtlich Offiziers- und Unteroffiziersposten bei ehemaligen Wehrmachtssoldaten, der Aufbau der Bundeswehr wäre ohne die ganzen alten Nazis nicht möglich gewesen, da ist an Wolfgangs Provokation eben ein sehr wahrer Kern. Dabei sind wir dann wieder bei der Einleitung, das eine oder das andere gibt es nicht - es gibt einen Stauffenberg-Kaserne, viele der höherrangigen Wehrmachtwiderständler haben heute ihre nach ihnen benannte Kasernen - dafür gibt es keine einzige Scholl-Kaserne oder auch Elser-Kaserne. Den militärischen Widerstand gegen Hitler aus der Wehrmacht reklamiert die Bundeswehr gerne für sich. die Dafür gibt es dann eine Lent-Kaserne in Niedersachsen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Lent

Die Bundeswehr sah auch keinerlei historisches Problem nach der Wiedervereinigung ihren zweiten Amtssitz in den Bendlerblock zu verlegen. Natürlich erinnert man nicht daran, dass das Gebäude als Gefechtsstand bei der "Verteidigung" Berlins diente bzw. der Ausbau zur heutigen Form ein NS-Bauwerk ist - die Bundeswehr pickte sich wieder die Rosinen raus und verweist auf die "Gedenkstätte für den deutschen Widerstand".

Wenn man aus "Tradition" heute den Widerstand in der Wehrmacht (der bei vielen erst einsetzte als man realisierte, dass das mit dem "Endsieg" so herum nichts mehr wird), dann muss man auch die andere Traditionen akzeptieren und zu denen zählt eben auch, dass die Wehrmacht vorne mit dabei war bei so ziemlich sämtlichen Verbrechen und Massenmorden während des Nationalsozialismus. Hat doch beim Eisernen Kreuz doch auch geklappt, dessen Einführung war ja auch nur identitätstiftende Traditionspflege.
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Nordhesse80
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Nordhesse80 »

Ich habe die Diskusion die hier schon stattfand nur überflogen und mein Beitrag hat daher eher weniger Bezug dazu. Das Genau lesen werde ich aber noch nachholen, wenn ich nicht so müde bin.

Habe auf dem Heimweg die neue Wortreich Folge gehört und es war fast schon eine Herausforderung. Einerseits empfand ich es als einseitig und sehr stark eingefärbt durch seine Erfahrungen, die denen aus meiner Dienstzeit komplett wiedersprechen, aber gerade mit seinem Abschluss fand ich es sehr spannend. Hat er es geschafft mich ein Stück weit zu provozieren und mich über meine Reaktion nachdenken lassen? Eindeutig ja!
Deshalb verfolge ich auch gerne seine kurzen Beiträge bei Facebook. Öfters für mich sehr provokant, aber es regt mich an meine eigenen Denkmuster zu hinterfragen.
Dafür danke an Wolfgang und für mich einer der Gründe warum ich auf 10$ gewechselt war.

Jetzt nochmal zum Thema Provokation und AFD:
Ich bin in der Kommunalpolitik aktiv und das auch noch in der SPD, wodurch ich schon einige Erfahrungen sammeln konnte mit Provokativen Beiträgen. Seine Kolumne hat mich eher wieder darüber nachdenken lassen, dass wir bis heute auf der Suche sind nach dem richtigen Umgang mit dem immer radikaler werdenden Rechten.
Was ist die richtige Reaktion? Ich versuche immer selbst mit denen das Gespräch zu suchen, die mir drohen, oder mich beschimpfen, wobei man sich da immer öfter wie Don Quijote vorkommt. Der Ton wird immer rauher und ich kann alle verstehen die es auf unserer Ebene aufgeben.
Okay das war vielleicht schon zu weit weg vom Beitrag, also schließe ich mit einem Dank an Wolfgang und der restlichen The Pod Crew.
Ihr hebt mit eurem Projekt die Berichterstattung über Games und allem was dazu gehört auf eine top Niveau. Danke dafür!
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Axel
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Axel »

Nordhesse80 hat geschrieben: 8. Sep 2018, 02:17 Was ist die richtige Reaktion? Ich versuche immer selbst mit denen das Gespräch zu suchen, die mir drohen, oder mich beschimpfen, wobei man sich da immer öfter wie Don Quijote vorkommt. Der Ton wird immer rauher und ich kann alle verstehen die es auf unserer Ebene aufgeben.
Garnicht. Ich empfehle jedem unbedingt diesen Podcast von Jenny Günther, in dieser Folge ist Franziska Schreiber zu Gast. Kein linker Podcast. Jenny war früher mal bei der CDU, dann AfD. Heute ist sie parteilos. Ihr Gast Franziska war vier Jahre lang Vorsitzende der Jungen Union in Sachsen. Beide sprechen extrem freivüber die Sektenstruktur innerhalb der AfD und wie diese Partei sich immer krasser radikalisierte. https://podcaste97de5.podigee.io/35-inside-afd
Wie gesagt, beides Insiderinnen! Wenn Du die zwei Stunden Dir angehört hast, dann weißt Du: Mit denen kannst Du kein Gespräch suchen. Das wollen die nicht. Das sind knallharte Neonazis.

Wie man mit der AfD am besten umgeht? IMO am besten ignorieren und eigene Themen setzen.
Gmork
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Gmork »

MitSchmackes! hat geschrieben: 8. Sep 2018, 02:38 Wie man mit der AfD am besten umgeht? IMO am besten ignorieren und eigene Themen setzen.
Vermutlich genau der falsche Weg -- so werden deren Anhänger erst recht in ihrer "Wir gegen alle"-Mentalität gestärkt!
Stetig mit - wenn auch scheinbar ins Leere laufenden -- Argumenten dagegen halten; entkräften/aufdecken der nicht vorhandenen Logik usw. Und wenn man dadurch nur einen Menschen erreicht, der überzeugt wird seine Sichtweise zu ändern, auszutreten o.ä. - gut!

Das fällt mir jedes mal auf, wenn es diese großen Runden im TV gibt, zu der jede Partei ein Vertreter schickt (analog das entsprechende Gamescom Panel)--AfD ist entweder gar nicht erst dabei; oder wird direkt auf grundlegendster Ebene ignoriert oder geschlossen pauschal verurteilt. Dabei böte sich hier an, rhetorisch die nicht vorhandene Expertise oder das Programm zum jeweiligen Thema zu zerlegen. Es ist immer noch eine Protestpartei, die u.a. aufgrund fehlender Maßnahmen/Adaption/Fokussierung der anderen Parteien auf die ja scheinbar einen gewissen Teil der Bevölkerung arg beschäftigenden Themen eben genau aus dem Grund gewählt wird.
Durch Ignorieren wird nur die "Echo Chamber" gestärkt.

@Smartie: die bist ein gutes Beispiel, wie man hartnäckig; dabei aber immer höflich und respektvoll; eine Aussage vertritt. Du gehst auf die Antworten ein, erklärst, stellst klar - vielen Dank dafür! So muss Forum funktionieren.

Thematisch bin ich bei dir! Ein ans Ende gestellter Absatz, der die provokativen Aussagen davor ins Gegenteil verkehrt, reicht einfach nicht, die getroffenen Aussagen zu relativieren. Neben den hier, nicht nur einmal, aufkommenden Meinungen, dass Wolfgang seine Agenda mit dem Vehikel des Spielebezugs veröffentlicht; denke ich auch, dass eine Klarstellung seitens der Podcaster und deren eigene Ansichten hilfreich wären.

Gerade bei einem Medium wie Podcast, was jederzeit pausierbar, überspringbar und oft nebenbei gehört wird, ist es keinesfalls sicher, dass alle und jeder den Cast zu Ende hören; somit seine gewollte Wirkung verfehlt. Daher denke ich auch, hätte man dies anders darstellen können. Aus dem Grund halte ich auch eine, bereits geforderte, freie Veröffentlichung des Casts für falsch.

Zu guter Letzt, ein Gedankenexperiment: ich frage mich ernsthaft, wie Wolfgang auf eine eine solche Kolumne in einem anderen Medium, welches sich bspw. zunächst derart polemisch gegenüber der linken Szene / Antifa o.ä. äußern würde, Linksextremismus so darstellen würde, Worte wie "linksversifft" o.ä. nutzen würde. Würde er, aufgrund der letzten Absätze, die die beabsichtigte Provokation offenlegt, sagen "Chapeau! Gut gemacht!"? Hier sind zumindest Zweifel angebracht.
Wolfgang Walk
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Wolfgang Walk »

Andre Peschke hat geschrieben: 7. Sep 2018, 18:34
Ich hab extra noch nicht mit Wolfgang gesprochen, um mich nicht zu spoilern, aber ich wette er ist gerade hochzufrieden mit diesem Thread. Das Experiment ist quasi noch nicht zuende, was wir hier schreiben ist alles Teil der Show. Das finde ich so schön gemacht, dass ich mir nicht das Ende verraten lassen will. :D

Andre
Arbeiterführer André (wenn er nicht dabei ist, nennen wir ihn auch Prolo-Peschke) hat in vielen seiner Interpretationen Recht gehabt, was erstaunlich ist, weil ich ja aus dem Elfenbeinturm heraus schreibe. ;-)

Die Idee zu der Kolumne kam mir nach einem Gespräch mit Herrn Gebauer, in dem er meinte, ich könne doch ein Wortreich zu den Bundeswehrwerbung macht. Meine anfängliche Reaktion war eher negativ, gerade weil ich zur Bundeswehr ein sehr gespanntes, beinahe posttraumatisches Verhältnis habe und mir in diesem einen Bereich aus therapeutischen Gründen eine dezidiert undifferenzierte Meinung erlaube. Ich habe dort so viel von oben abgesegneten Missbrauch erlebt, dass ich das nicht weiter begründen will oder muss, und das ist - versprochen - mein letztes Wort zur Bundeswehr.

Denn um die ging es in der Kolumne (und eine Kolumne ist es im journalistischen Sinne, keine Reportage) tatsächlich nur am Rande. Die Provokation als Mittel der Werbung - und hier spreche ich Werbung an und für sich an - im ökonomischen aber auch sozialen Zusammenhang: Darum ging es. Und das hat das beste Forum der Welt ja auch sehr schön erkannt.

Wobei ich natürlich eitel genug bin um gehofft zu haben, dass jemand auf die Provokation eingeht, obwohl ich sie ja offen lege. Und obwohl ich im Einstieg von vornherein klar mache, dass dies meine sehr persönliche Sichtweise ist. Und obwohl ich expressis verbis hinschreibe, dass die Bundeswehr eben keine faschistische Organisation ist. Obwohl ich also meine Polemik (die "Kritik" zu nennen ich nicht wagen würde, da eine Kritik auf Differenzierung basiert, die ich in der Kolumne zum Zwecke der Demonstration meines Punktes weitgehend aktiv vermieden habe), obwohl ich also diese Polemik noch abgemildert und ihren Zweck im Gesamtzusammenhang recht klar erläutert habe, hat die Provokation funktioniert.

Und es ging mir eben nicht darum, hier ein paar Podcasthörer vorzuführen, sondern aufzuzeigen, wie mächtig die Waffe Provokation ist. Sie kann offen geschwungen werden, die Psyche des Menschen ist gegen sie nur schwer gefeit. Wenn also Gmork schreibt:
Zu guter Letzt, ein Gedankenexperiment: ich frage mich ernsthaft, wie Wolfgang auf eine eine solche Kolumne in einem anderen Medium, welches sich bspw. zunächst derart polemisch gegenüber der linken Szene / Antifa o.ä. äußern würde, Linksextremismus so darstellen würde, Worte wie "linksversifft" o.ä. nutzen würde. Würde er, aufgrund der letzten Absätze, die die beabsichtigte Provokation offenlegt, sagen "Chapeau! Gut gemacht!"? Hier sind zumindest Zweifel angebracht.
Dazu kann ich nur sagen: Ja, sind sie. Je nach Tagesform. Ich bin als Mitglied einer katholischen Studentenverbindung die Auseinandersetzung mit mir fremden, sehr konservativen (allerdings nie faschistischen) Ideen gewöhnt, habe gelernt zuzuhören, bis der andere ausgeredet hat, habe gelernt, einer Provokation auch mal nicht auf den Leim zu gehen. Aber immun bin ich nicht. Dazu bin ich als Mensch zu impulsiv. Und das ist wahrscheinlich keiner. Es ging mir auch nicht darum, das Gegenteil zu behaupten. Ich beschreibe Mechanismen, die auch für mich eine Gefahr darstellen. Ich glaube nicht, dass ich deshalb kein Recht dazu habe.

Worauf ich aber noch hinweisen möchte: Nachdem ich die Kolumne geschrieben hatte, aber bevor sie gestern online ging, hat mich Jochen noch mal kontaktiert. Er tatzelte mich damit, dass ich schon wieder die AfD erwähnen musste - und dannn diskutierten wir über die Provokation an und für sich. Und Jochen meinte, es dürfte halt keiner drauf reinfallen. Ich widersprach und sagte, dass ich das für unrealistisch halte, und das wir andere Wege finden müssen mit ihr umzugehen, genau weil - wie ich in der Kolumne ja auch angeführt habe - immer ein paar darauf anspringen werden. Und es kann nicht sein, dass wir ab dann nur noch zuschauen und keine Strategie mehr haben.

Diesen Punkt hat diese Diskussion belegt. Und das geht nicht als Vorwurf oder "Ätsch" an irgendjemanden. Diejenigen, die ich mit der Provokation getroffen habe, haben dazu genauso ein Recht (und ein Recht entsprechend zu reagieren) wie ich es habe, die Provokation als Beweisstück A zu benutzen, um die Mechnik einer Provokation verständlich zu machen. Diesen Verlauf der Diskussion hier will ich aber einfach mal als empirischen Beleg für die Richtigkeit meiner These stehen lassen, dass die Provokation als Mittel ein beinahe totalitäres weil kaum umgehbares, ignorierbares ist. Zumindest nicht von einer größeren Gruppe.

Ich schließe nicht aus, dass im Laufe der nächsten Jahre in dieser Hinsicht die Menschen im Umgang mit sozialen Medien klüger werden, dass das Mittel zu einem bestimmten Grade stumpfer wird. Es wäre wünschenswert. Aber Stand Spätsommer 2018 sind wir noch nicht so weit.
Wolfgang Walk
Beiträge: 344
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Wolfgang Walk »

Dieses Argument allerdings...
Gmork hat geschrieben: 8. Sep 2018, 07:38 Gerade bei einem Medium wie Podcast, was jederzeit pausierbar, überspringbar und oft nebenbei gehört wird, ist es keinesfalls sicher, dass alle und jeder den Cast zu Ende hören; somit seine gewollte Wirkung verfehlt. Daher denke ich auch, hätte man dies anders darstellen können. Aus dem Grund halte ich auch eine, bereits geforderte, freie Veröffentlichung des Casts für falsch.
...akzeptiere ich nicht. Meine Kolumnen sind, seit ich sie gestartet habe, argumentative Statiken, denen man nicht einfach den Stützpfeiler des Zusammenhangs wegziehen kann. Dies sollte nach mehr als einem Dutzend von ihnen sehr klar geworden sein - und wer sie nur nebenbei hört und sich ein paar einzelne Gedanken rauspickt, der betreibt selbst schon die Polemik, die er mir vorwirft.

Die Kolumne heißt Wortreich. Und auch, wenn da mancher "Gelaber" verstehen mag: Mir unterläuft selten ein einziges Wort, das nicht innerhalb der Kolumne, in der es verwendet wird, für den Gesamtzusammenhang wichtig ist. Der letzte Absatz ist nicht weniger wichtig als der erste, und wie in einer gut erzählten Geschichte versucht er gelegentlich, noch einmal die Perspektive neu anzuordnen, um so dem Blick auf das gesamte Thema eine überraschende, neue Sichtweise zum anschließenden Nachdenken mitzugeben.

Das mag man doof finden. Aber ich würde mir das von anderen Schreibern viel häufiger wünschen. Dann wüsste ich nämlich im letzten Absatz, warum ich nicht nach dem zweiten mit dem Lesen aufgehört habe.

Dass ich da oft genug an meinem eigenen Anspruch scheitere, das ist eine ganz andere Geschichte. Denn diesmal ist es mir gelungen.
Zuletzt geändert von Wolfgang Walk am 8. Sep 2018, 21:07, insgesamt 1-mal geändert.
Stuttgarter
Beiträge: 1634
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Stuttgarter »

Wer Gamespodcast.de und die einzelnen Formate als etwas ansieht, das man "nebenbei" konsumieren kann, hat etwas grundsätzliches nicht verstanden.

Natürlich gibt es Einzelfolgen oder -passagen, wo das problemlos geht. Aber in der Gesamtheit besitzen praktisch alle Formate die Eigenschaft, dass es wirklich auf einen Halbsatz, manchmal auf einzelne Wörter ankommen kann, um verstehen zu können, was tatsächlich gemeint ist. Alle Beteligten zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Macht von Wörtern sehr gut kennen - und Sprache entsprechend behutsam einsetzen. Nicht im Sinne von "immer nur vorsichtig lavierend" - sondern das volle Spektrum der Rhetorik ausnutzend, je nach gegebenem Anlass. Das macht die Qualität der Geschichte aus - aber sie setzt eben auch konzentriertes Zuhören voraus.

Wolfgangs Kolumnen sind dafür das Paradebeispiel (neben vermutlich noch dem Panel).
Jochen

Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Jochen »

Smartie hat geschrieben: 7. Sep 2018, 20:25Letztendlich bleibt bei mir der Eindruck zurück, dass auch von dir Andre, billigend in KAuf genommen wird, wenn durch solch eine Art von Beitrag Menschen angegriffen und veletzt werden
Mal vorneweg: Ich war bei der Bundeswehr. Und ich habe die Zeit dort insgesamt sehr positiv in Erinnerung und bin nie mir rechtem Gedankengut o.ä. in unmittelbaren Kontakt geraten. Ich habe dort viele großartige Menschen kennengelernt, denen ich bis heute freundschaftlich verbunden bin.

Das vorausgeschickt, weil ich mich als "Beteiligter" von Wolfgang keineswegs angegriffen fühle - und mich auch nicht stellvertretend für Freunde und ehemalige Kameraden empören kann oder will, denn sie werden überhaupt nicht angesprochen. Angesprochen werden Strukturen, und diese Strukturen gehören angesprochen, weil sie existieren und weil sie schädlich sind. Natürlich ist nicht jeder Bundeswehrsoldat ein Horst-Wessel-Lied-skandierender Nazi. Wie gesagt: Ich habe nie einen getroffen (zumindest keinen, der das offen gezeigt hätte). Aber ich habe Kameraden getroffen, die davon mehr als bloß ein Liedchen singen konnten, die ähnlich wie Wolfgang "gegaslighted" wurden, die aus Angst vor (von oben zumindest geduldeten, wenn nicht aktiv geförderten) Repressalien ihre politische Gesinnung, sexuelle Orientierung, Herkunft (Russlanddeutsche z.B.) lieber verheimlichten.

Dass die Bundeswehr - wie Wolfgang es formuliert - zum Teil faschistisch unterwandert und oft nicht mit einem ausreichenden historischen und ethischen Bewusstsein für die Aufgaben einer Armee in einem demokratischen Staat gesegnet sei, erscheint mir offen gestanden gar nicht sonderlich diskutabel. Gerade als Historiker müsstest du wissen, welchen Stellenwert ehemalige Wehrmachtsgeneräle und -Offiziere mit teils extrem fragwürdigem Hintergrund jahrzehntelang im Auf- und Ausbau der Bundeswehr spielten. Es wäre im Gegenteil erstaunlich, wenn diese Organisation nicht zum Teil faschistisch geprägt wäre.

Genau aus diesem Grund bin und war ich übrigens immer ein großer Freund der Wehrpflicht. Nicht, weil ich junge Menschen unbedingt an der Waffe ausbilden oder gar in einen bewaffneten Konflikt schicken möchte. Sondern weil sie der Demokratisierung der Bundeswehr dient. Weil ich keine Armee möchte, die nur aus jenen besteht, die a) gerne irgendwas abballern wollen, b) politisch 70 Jahre in der Vergangenheit schwelgen oder c) rassistisches oder anderweitig menschenfeindliches Gedankengut heimlich auslebt. Diese Armee aber - so zumindest meine Befürchtung - werden wir früher oder später haben, wenn wir ihre Angehörigen laufend stigmatisieren, interessierte junge Menschen für bescheuert erklären und die von Wolfgang offen kritisierten Strukturen nicht endlich niederreißen. Die Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes hat uns in vielerlei Hinsicht einen Bärendienst erwiesen.

Kurz: Im Hinblick auf die Bundeswehr haben Wolfgang und ich manche diametral unterschiedliche Ansicht - und viele unterschiedliche Erfahrungen. Das ist auch völlig okay so. Das nennt sich demokratische, pluralistische Gesellschaft. Deshalb fühle ich mich von seiner Kolumne auch nicht angegriffen oder gar verletzt. Und ich sehe auch beim besten Willen nicht, wie man diesen persönlichen Angriff in diese Kolumne hineinlesen oder -konstruieren könnte. Der steht schlicht nicht drin. Was drin steht, ist eine sehr lesenswerte und kluge Auseinandersetzung mit dem Wesen der Provokation in Zeiten von sozialen Medien und Co. am Beispiel der Bundeswehrwerbung.

Ich würde (wie Wolfgang schon weiß) bloß an einer Stelle widersprechen - beim Fazit nämlich. Die einzige Lösung in diesem gezinkten Spiel besteht nämlich tatsächlich im Nicht-Mitspielen. Im Nicht-als-Verstärker-Wirken. Im Es-nicht-aus-hehren-Motiven-schlimmer-machen. Der kleine postrukturalistische Systemkritiker in meinem Hinterkopf möchte Trump und Co. beinahe applaudieren, denn die beweisen gerade ein theoretisches Axiom der Systemkritik: dass Protest gegen das System das System nicht schwächt, sondern stärkt.
Maestro84
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Maestro84 »

Du warst bei der Bundeswehr, Jochen? Hätte ich nicht vermutet, du kamst mir immer eher wie der leicht verpeilte Zivi vor :D .

Wie ich schon bei Patreon schrieb, war die Kolumne sehr gut vom fachlichen her, aber mir als Staatsdiener auch zu provokant. Gibt es Nazis bei der Bundeswehr? Ja, klar, genau wie auf meiner Behörde oder im Handwerksbetrieb von Freunden. Nazis sind eben überall, übrigens nicht nur im Osten, wo angeblich 16 Mio. leben sollen und Besserwessis lieber ihr arrogantes Mundwerk halten oder eben einfach mal nach Nordhessen, Oberbayern oder nach Holstein zu ihren eigenen gehen sollten. Rein vom Thema Bundeswehr auf der Gamescom her finde ich es gut, dass die Bundeswehr Werbung macht, denn wer eine durchmischte Bundeswehr will, in der linke Lehrerkinder zusammen mit "Deutschrussen" der dritten Generation und rechten - Achtung: rechts =/= rechtsradikal! - Arbeitkindern zusammendienen, der muss auch Werbung zulassen. Dies war eben der Vorteil der Wehrpflicht, da kamen die Jungs automatisch zusammen, auch Kinder armer und reicher Eltern. Was passiert, wenn jede Gruppe im eigenen Saft - der eigenen Filterblase - schmort, sehen wir ja täglich. Wie in den USA, schreit man nur noch übereinander und fühlt sich als Bessermensch, anstatt sich auszutauschen. Als Ergebnis bekommen wir eine AfD mit - hier in Hessen - wohl bald 10-15%. Als Liberaldemokrat fällt es mir zumindest - und im Gespräch auch genauso geeichten Freunden - schwer, nicht auf solche Themen zu scheißen und die Politik dem Ansturm von Links und Rechts zu überlassen und sich in den Biedermerkel zurückziehen.

Zusammengefasst kann ich Wolfgangs bittere Erfahrungen - wohl 20 Jahre vor meinen eigenen - akzeptieren, aber ich weiß nicht, ob eigene, bittere Erfahrungen dann passend sind, um jedes betreffende Thema zu bewerten. Nur weil ich als Jugendlicher von Ausländern zusammendemmelt wurde, kehre ich auch nicht alle Ausländer über einen Kamm. Verbitterung muss man niederringen können, wenn man ein liberaler Mensch der politischen Mitte sein will. Ansonsten bleiben einem Selbst nur die beiden - für mich im Kern gleich geeichten - Ränder. Allerdings sehe ich bei dem Thema auch, wieso ich meine Hobbys, von Sauna über Spieleverein bis zu Serien, Lesen und Zocken, gerne unpolitisch halte. Politik ist, vielleicht noch neben Sport, das beste Mittel, um Communitys zu spalten und einem statt Spaß Magengeschwüre zu bescheren. Zumindest aber hat es Wolfgang geschafft, zu provozieren ;) . Und wer es nicht schafft, sich eine solche Folge erst einmal ganz anzuhören, der ist genau in der Falle gelandet, die Wolfgang beschreibt. Da reicht ein Buzzword ("Es gibt 16 Mio. Nazis in Ostdeutschland." oder eben "In Chemnitz ist gar nicht passiert.") und schon freuen sich vielleicht die Medienhäuer, aber die Debatte geht in der wortreichen Schlacht unter. Und dann wenden sich wieder die Liberalen aus der Mitte ab. Die Welt ist eben doch böse.
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holymoe4237
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von holymoe4237 »

Ein sehr schöner Beitrag, danke.

Aber zwei Fragen beschäftigen mich noch:
1, Warum als Kolumne und nicht als Essay? Bei zweiterem wäre begrifflich öfter das Florett statt dem Säbel angebracht und das würde mMn weniger Leute verschrecken. Gerade die offen kommunizierte politische Haltung des Autors lenkt doch vielleicht etwas stark von den Inhalten ab.
Man kann den Beitrag als Spiel und dessen Siegbedingung als "der Leser setzt sich mit den Mechanismen von Provokationen auseinander" sehen. Das würde, glaube ich, ein Essay besser erreichen.

2, Warum wird ein extrem unscharfer Begriff wie "Faschismus" zentral verwendet, ohne diesen auch nur kurz zu erklären? Ob die Bundeswehr "faschistisch unterwandert" ist, ist je nach Begriffsverständnis eine extrem harte oder aber eine selbstverständliche Aussage. Was ist denn Wolfgangs Verständnis von Faschismus?
raspen
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Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von raspen »

Ich verstehe Leute, die den Beitrag gelungen fanden, habe mich als Backer jetzt aber zurückgezogen. Ich möchte einfach die Produktion von Beiträgen nicht unterstützen, die meinen Berufsstand minutenlang durchbeleidigen.
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Lurtz
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Registriert: 22. Feb 2016, 17:19

Re: Wortreich: Das schwerste Spiel überhaupt

Beitrag von Lurtz »

Spannender Beitrag, danke dafür. Auch Respekt für den Mut, sowas zu veröffentlichen, obwohl es einem nicht geringen Teil eurer Hörerschaft ganz pauschal, wegen seines politischen Anstrichs, als auch konkret inhaltlich, gegen den Strich gehen dürfte. Da ist der monatliche Beitrag gut angelegt wenn er derartige Beiträge ermöglicht.
Children are dying.
That's a succinct summary of humankind, I'd say. Who needs tomes and volumes of history? Children are dying. The injustices of the world hide in those three words.
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