Jochen hat geschrieben: ↑8. Sep 2018, 10:26
Smartie hat geschrieben: ↑7. Sep 2018, 20:25Letztendlich bleibt bei mir der Eindruck zurück, dass auch von dir Andre, billigend in KAuf genommen wird, wenn durch solch eine Art von Beitrag Menschen angegriffen und veletzt werden
Mal vorneweg: Ich
war bei der Bundeswehr. Und ich habe die Zeit dort insgesamt sehr positiv in Erinnerung und bin nie mir rechtem Gedankengut o.ä. in unmittelbaren Kontakt geraten. Ich habe dort viele großartige Menschen kennengelernt, denen ich bis heute freundschaftlich verbunden bin.
Das vorausgeschickt, weil ich mich als "Beteiligter" von Wolfgang keineswegs angegriffen fühle - und mich auch nicht stellvertretend für Freunde und ehemalige Kameraden empören kann oder will, denn sie werden überhaupt nicht angesprochen. Angesprochen werden Strukturen, und diese Strukturen gehören angesprochen, weil sie existieren und weil sie schädlich sind. Natürlich ist nicht jeder Bundeswehrsoldat ein Horst-Wessel-Lied-skandierender Nazi. Wie gesagt: Ich habe nie einen getroffen (zumindest keinen, der das offen gezeigt hätte). Aber ich
habe Kameraden getroffen, die davon mehr als bloß ein Liedchen singen konnten, die ähnlich wie Wolfgang "gegaslighted" wurden, die aus Angst vor (von oben zumindest geduldeten, wenn nicht aktiv geförderten) Repressalien ihre politische Gesinnung, sexuelle Orientierung, Herkunft (Russlanddeutsche z.B.) lieber verheimlichten.
Dass die Bundeswehr - wie Wolfgang es formuliert - zum Teil faschistisch unterwandert und oft nicht mit einem ausreichenden historischen und ethischen Bewusstsein für die Aufgaben einer Armee in einem demokratischen Staat gesegnet sei, erscheint mir offen gestanden gar nicht sonderlich diskutabel. Gerade als Historiker müsstest du wissen, welchen Stellenwert ehemalige Wehrmachtsgeneräle und -Offiziere mit teils extrem fragwürdigem Hintergrund jahrzehntelang im Auf- und Ausbau der Bundeswehr spielten. Es wäre im Gegenteil erstaunlich, wenn diese Organisation
nicht zum Teil faschistisch geprägt wäre.
Genau aus diesem Grund bin und war ich übrigens immer ein großer Freund der Wehrpflicht. Nicht, weil ich junge Menschen unbedingt an der Waffe ausbilden oder gar in einen bewaffneten Konflikt schicken möchte. Sondern weil sie der Demokratisierung der Bundeswehr dient. Weil ich keine Armee möchte, die nur aus jenen besteht, die a) gerne irgendwas abballern wollen, b) politisch 70 Jahre in der Vergangenheit schwelgen oder c) rassistisches oder anderweitig menschenfeindliches Gedankengut heimlich auslebt. Diese Armee aber - so zumindest meine Befürchtung - werden wir früher oder später haben, wenn wir ihre Angehörigen laufend stigmatisieren, interessierte junge Menschen für bescheuert erklären und die von Wolfgang offen kritisierten Strukturen nicht endlich niederreißen. Die Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivildienstes hat uns in vielerlei Hinsicht einen Bärendienst erwiesen.
Kurz: Im Hinblick auf die Bundeswehr haben Wolfgang und ich manche diametral unterschiedliche Ansicht - und viele unterschiedliche Erfahrungen. Das ist auch völlig okay so. Das nennt sich demokratische, pluralistische Gesellschaft. Deshalb fühle ich mich von seiner Kolumne auch nicht angegriffen oder gar verletzt. Und ich sehe auch beim besten Willen nicht, wie man diesen persönlichen Angriff in diese Kolumne hineinlesen oder -konstruieren könnte. Der steht schlicht nicht drin. Was drin steht, ist eine sehr lesenswerte und kluge Auseinandersetzung mit dem Wesen der Provokation in Zeiten von sozialen Medien und Co. am Beispiel der Bundeswehrwerbung.
Ich würde (wie Wolfgang schon weiß) bloß an einer Stelle widersprechen - beim Fazit nämlich. Die einzige Lösung in diesem gezinkten Spiel besteht nämlich tatsächlich im Nicht-Mitspielen. Im Nicht-als-Verstärker-Wirken. Im Es-nicht-aus-hehren-Motiven-schlimmer-machen. Der kleine postrukturalistische Systemkritiker in meinem Hinterkopf möchte Trump und Co. beinahe applaudieren, denn die beweisen gerade ein theoretisches Axiom der Systemkritik: dass Protest gegen das System das System nicht schwächt, sondern stärkt.
Hallo Jochen,
schön, dass du dich in die Diskussion einschaltest, das ist in der Regel eigentlich immer eine Bereicherung. Leider kann ich das in diesem Fall nicht behaupten und dass liegt schlicht an der Tatsache, dass du offenkundig meinen allerersten Beitrag in diesem Thread nicht gelesen hast. Ansonsten kann ich mir nicht erklären, wie du zu der abenteuerlichen These kommst, dass ich scheinbar nicht zu würdigen wüsste, dass
"Strukturen angesprochen werden, und diese Strukturen gehören angesprochen, weil sie existieren und weil sie schädlich sind."
Deshalb zitiere ich mich einmal selbst und zwar einen Post auf dieser Seite:
[i
]"In einem allerersten Post in diesem Thread habe ich geschrieben, dass Rechte in der BW nichts zu suchen haben und dass ich die GAmescom-Werbung daneben fand. Was soll ich denn deiner Meinung noch tun, um zu verdeutlichen, dass die Kritik an der Institution BW und kritikwürdigen Prozessen/ Mentalitäten keine Nestbeschmutzung darstellt, sondern einen wertwollen Beitrag dazu leistet diese Institution zu verbessern???
Von daher finde ich es daneben mich für Dinge rechtfertigen zu müssen, die offenkundig anders von mir beurteilt werden. Das Lesen der Ausgangsposition zu diesem Thread würde ich dann schon als Notwendigkeit ansehen, wenn du mich kritisierst....
Gleichwohl: interessante Diskussion. Gerne davon mehr."[/i]
Wenn du nach dem Lesen dieses Posts also weiter der Meinung bist, dass ich mich generell einer Kritik an problematischen Strukturen in der Bundeswehr verschließe, dann fände ich das sehr schade, denn eigentlich kenne ich dich als Person, die sich sehr wohl mit der Meinung anderer Nutzer auseinandersetzt. Wäre schön, wenn das auch für meine Person gelten würde, zumal das nicht eben wenig mein Berufsehthos berührt. Ich habe nie gefordert Kritik an der BW zu unterlassen, sondern mein Kritikpunkt war ja eben, dass dies nicht differeniert genug erfolgt. Und wenn ich sehe, wie schnell du Formulierungen wie "zum Teil faschistisch geprägte Organisation" verwendest (auf die terminologischen Probleme wurde von anderer Seite bereits hingewiesen, treffender wären wohl Formulierungen wie "nationalistisch, völkisch oder NS-geprägte Offiziere), sehe ich mich eigentlich eher in meiner SIchtweise bestätigt.
Dir mag das vielleicht kleinkariert vorkommen, aber ich frage mich wie du reagieren würdest, wenn ich zu Themen, bei denen du dich gut auskennst, solch harte Kritik üben würdest und mich dabei terminolgisch so schwammig ausdrücken würde. Dass alle hohen Offiziere in der BUndeswehr bis in die 70er Wehrmachtsvergangenheit hatten, ist ja nun nicht eben eine Neuigkeit. Das heißt im Übrigen auch nicht, dass sie deshalb alle automatisch rechtsreaktionäre Positionen vertreten hätten (Beispiel Baudissin, Begründer der inneren Führung, sicher kein Altnazi). Dennoch haben das viel zu viele gemacht und ihre Soldaten dementsprechend beieinflusst. ZU einer differenzierten Diskussion würde aber eben auch gehören, dass die BUndeswehr mit diesem Problem EBEN NICHT ALLEIN WAR. Justiz, Polizei, Universitäten etc. und nahezu sämtlichen Ministerien hatten dieses Problem - und das ist eine Relativierung, die eben nicht ganz unerheblich ist.
Die Bundeswehr hatte damals eben genau wie fast alle anderen Institutionen der jungen BRD ein Problem mit der Aufarbeitung der Vergangenheit, (nicht umsonst konnte bis in die 90er die Legende von der "sauberen Wehrmacht" existieren.) und gerade weil die BW in ihrer Zusammensetzung immer auch einen Querschnitt der Bevölkerung dargestellt hat, ist sie m.E. nicht "rechter" als andere Instituionen / Organisationen.
UNd ja, ich stimme dir in HInblick au die Wehrpflicht 100% zu.
Ich will an dieser Stelle aber kein weiteres Öl in das Feuer schütten, denn eigentlich schreibe ich diesen Beitrag nur, weil ich gesehen habe, dass Wolfgang Walk sehr eingehend auf seinen Beitrag und die Kritik daran eingegangen ist. Gerade weil der Beitrag sehr umfangreich ist, will ich gar nicht auf jeden einzelnen Punkt eingehen, sondern einfach generell festhalten, dass ich es toll finde, dass du, Wolfgang, dir diese Mühe gemacht hast. Das ist nicht selbstverständlich, aber ungemein wichtig!
Würden wir den Sachverhalt bei einem Bier diskutieren, würden wir uns sicherlich NICHT über alles einig -aber ich glaube, es würde eine anregende Diskussion, weil ich nach dem Post das Gefühl bekommen habe, dass du die Kritik bzw. die Kritiker des Beitrages ernst nimmst, auch wenn du sie nicht teilst. Einer der Ursachen dafür, dass ich mich hier sehr emtional und zeitaufwendig in der Diskussion einbringe, liegt eben in dem Umstand bedint, dass ich dieses Gefühl bislang eher nicht hatte.
UNd jetzt noch einmal weiter ausgeholt: Gerade in der Gegenwart finde ich es ungemein wichtig, dass man sich genau darum bemüht- Gegenpositionen ernst nehmen, sie als wertwolle Bereicherung anzuerkennen.
Und ja, deinen Beitrag habe ich beim ersten und zweiten Beitrag nicht als wertvolle Bereicherung angesehen. Deshalb habe ich meine Kritik auch an der einen oder anderen Stelle zu scharf formuliert. Würde ich jetzt z.T. anders machen. Und das liegt an deinem souveränen Umgang mit der Kritik / den Kritikern. Ich kritisiere Wofgang Walk als Autor und ziehe zugleich den Hut vor dem Wolfgang Walk als Autor, der sich stellt.
Beste Grüße,
Smartie