Vielen, vielen Dank @ Jochen, Andre, flowseven und syke!
Ihr habt mir mit euren Aussagen und Einwürfen das Spiel nochmal auf eine teils andere Sichtweise näher gebracht.
Und ich seh es wie Jochen, es ist wirklich interessant und beredenswert, da es eine so schön persönliche Geschichte beschreibt, rund um Ideale, Familie (in vielerlei Ebenen), Loyalität, den eigenen Moralkompass, Veränderung, Anpassung und der Suche nach dem Glauben, Sinn, dem greifbarem eigenen Glück bzw. dem Irrtum, dem Verfall, der Erkenntnis, um nur einige der vielen möglichen bedeutungsschwangeren Wörter einzuwerfen, welche mir in den Sinn kommen.
Aber ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich selbst hinterfrage mich oft in meinem Handeln, um dann letztendlich leider oft zudem Resultat zu kommen, dass ich meinen Idealen nicht wirklich treu bleiben kann oder teils auch will.
Und eben jenes konnte ich in dieser Erzählung sehr oft wiederfinden. Es sind dann doch die kleinen Dinge, welche Geschichten groß werden lassen und RDR 2 lässt sich dafür viel Zeit.
Ok, wo fange ich an. Wie gesagt, danke, denn ihr habt meine erlebte Geschichte nochmals aufgewertet, da mir nun vieles um einiges klarer ist.
Beispielsweise @ Andre deine Auffassungsgabe am Ende des Epilogs mit Dutch (Micah und John).
Irgendwie ging das an mir vorbei, aber auch aufgrund der Steuerung, weil ich nicht recht wusste, was soll ich jetzt gameplaytechnisch eigentlich machen soll, womit mir einige wichtige Details des Dialogs leider verloren gingen.
Aber ja so macht es viel mehr Sinn, der desillusionierte Dutch hat sich auf den Weg gemacht, um selbst noch ein bißchen den alten eigenen Gangregeln nachzukommen.
Klar vieles ist an der Szene nicht 100% ig durchdacht und das meiste sprecht ihr ja auch an, aber dieser Aspekt ergibt nun zumindest für mich wieder mehr Sinn. Vor allem auch warum Dutch das Geld zurück lässt.
Es ist zudem ja auch schön, wie hier die Geschichte den Bogen zurück macht. John lebt ja prinzipiell das Leben, welches Abigal und vor allem Arthur sich für ihn gewünscht haben (man war die Szene auf dem Boot genial gespielt von Abigal, als ihr klar wird, dass John es Ernst meint [der Blick *love*], zudem auch nochmal schön symbolisch die erneute kirchliche Heirat, abseits der Gangheirat, dem Versuch erneut sich von der Gang loszusagen). Er hat die Familie (Frau und Sohn) höher gestellt als die Gang. Ist ja geflüchtet und hat versucht sein eigenes Leben zu führen und hat nach anfänglichen Schwierigkeiten auch darin sein Glück gefunden.
Aber dann kommt wieder der Gangmoralkodex zurück und die Sache den Verrat und indirekt alle Dinge für die Arthur zuvor stand, welcher ja teils Johns Mentor war, zu rächen. Da wirft Arthur bzw. seine romantisierte Ansicht der Gang anscheinend einen zu langen Schatten...
Wenn ich nämlich den Abspann richtig interpretiere, suchen die Pinkertons erst nach John als sie auf Micahs Leiche stoßen. Ob sie Micah wegen des Blackwater Geldes erst gesucht haben und auch dahingehend weiter forschen, bleibt offen, würde aber auch hier wiederum dafür sprechen, dass John es dann doch nicht ganz lassen kann. Andererseits weiß ich nicht mehr, ob es im 1. Teil überhaupt angesprochen wird.
Hätte demnach John auf seine Frau gehört (und den neuen "Famillien"-kodex) und wäre nicht dem Kodex der Gang oder Rachegelüsten gefolgt, vielleicht wäre im sein Schicksal erspart geblieben. Ich denke hier ist wieder das Motiv der Gewaltspirale im Mittelpunkt.
Dann ist da noch die Sache mit den Gesprächen im Lager mit Mary Beth und Abigal (ich dachte zuvor in meiner Erinnerung es wäre nur Mary Beth gewesen, komisch mein Erinnerungsvermögen ^^), die ja flowseven schon angesprochen hat.
Sie geben einen schönen kleinen Gegenpart zur Ludonarrative Dissonanz, welchen das Game an sich und auch die eigenen Sichtweise zu seinem Arthur gegeben sein kann. Ich bspw. habe Arthur, so gut es ging, auf die "gute" moralische Weise gespielt. Und so war er mir selbstverständlich sympatisch, aber Jochen hat schon recht, auch so ist er ein Killer vor dem Herrn und ich selbst habe mir in die eigene Tasche gelogen.
Wobei ich selbst schon, angesprochen von meiner Tochter auf das Ende von Arthur und wie ich seinen Tot sehe, eingestehen muss und ihr so auch ungeschönt mitgeteilt habe, dass Arthur im Prinzip seinen Tot so auch verdient hat bzw. er ihn selbst verschuldete.
Und trotzdem bin ich immer noch traurig.
Aber dank dir @ flowseven weiß ich jetzt, um die anderen Auswirkungen unterschiedlicher moralischer Spielweisen und bin froh Arthur wenigstens zu den etwas besseren Menschen geführt zu haben.
Um zurück zu kommen auf diese Dialoge... ich dachte zuerst, es wären sogenannte Psychotherapigespräche für Arthur (die ja auch nochmal seine Sicht der Dinge unterstreichen, er sieht sich ja tatsächlich als schlechten Menschen und verurteilt seine Taten, wobei er aber keinerlei Hoffnung mehr sieht, dass er sich ändern könne [und hier habe ich als Spieler, wenn auch nur ein wenig, aber immerhin Einfluß gehabt, ich konnte ihm helfen, indem ich gewisse Entscheidungen für ihn treffen konnte, ganz groß!]) aber dann Dank Andre und seiner Analyse des Hirsches und der symbolisierten Suche nach Gott, komme ich nun auf den Trichter nein ... das waren gewissermaßen Beichten. Schön.
Ich selbst bin ja ein überzeugter Atheist und kann gerade mit so Enden wie bei Battlestar Galaktika (ansonsten bis dahin recht spannend) so gar nichts anfangen, weshalb ich im Nachhinein von der Serie stark enttäuscht war. Aber ich habe nichts gegen den Glauben an sich bzw. dass er Menschen hilft sich selbst bzw. einen Sinn im Leben zu finden, ihren moralischen Kompass massgeblich in die richtige Richtung verschiebt und ein Bild des Menschen zeichnet, welches erstrebenswert ist.
Beispielsweise sind meine Kinder evangelisch, weshalb ich schon oft an Weihnachten zu ihrem Grippenspiel mit in der Kirche war und ja, was da so zur Sprache kommt ist gut, ich verstehe schon den Zweck der Kirche für den Einzelnen und bin froh, dass sie meinen Kindern Werte vermittelt, hinter denen auch ich stehe. Zudem es auch bei uns eine starke und vor allem moderne Jugendkirche gibt (u.a. Disko in der Kirche oder abendliche Treffen mit geselligen Unterhaltungen). Dieses Engagement sieht man woanders selten und motiviert auch meine Kinder sich da zu beteiligen, großartig!
Nunja lange Rede kurzer Sinn, ich glaub zwar nicht dran, mag aber den Ansatz, wenn er nicht missbraucht wird und Menschen hilft bzw. sie so auch zu besseren Menschen macht.
Und diese ist mMn nun nach der Erkenntnis dank Andre auch hier eines von vielen Bildern, welches mehr und mehr Sinn ergibt.
In der hauptsächlichen Frage nach dem: Ja wer hat sich den nun geändert? ... bin ich mittlerweile zwiegespalten. Zuerst nach dem Eigenkonsum des Spiel, dachte ich Arthur hätte sich stark gewandelt.
Jetzt nach der Theorie von Jochen, konnte ich wiederum mit dieser Sichtweise extrem viel anfangen... ist ein tolles Bild.
Und für beide Sichtweisen gibt es mehrere Dinge, welche sie untermauern.
Bei Arthur sehe ich gerade im Strauß Neben Strang eine charakterliche Änderung, wobei hier viel von den Entscheidungen vom Spieler abhängt.
Bei Dutch sehe ich sie vielfach an fast jeder Ecke, einige habt ihr ja schon aufgeführt, aber auch gerade die Erweiterung der Gang um die beiden Gestalten, welche Micah anschlebt, ich glaube vorher mussten sich neue Mitglieder erst langsam integrieren. Aber auch hier, vielleicht zeigt sich erst jetzt in der Enge unter anderen äusseren Einflüssen Dutch wahres Gesicht, womit auch Andres Sichtweise wieder zum Tragen kommt.
Die Wahrheit liegt sicherlich irgendwo dazwischen bzw. sie existiert erst gar nicht, beide Sichtweisen machen Sind und ergänzen sich mMn sogar recht gut.
Wenn man jetzt aber mal Arthur und seine Sicht zur Gang bzw. seine romantisierte Sicht zur Gang betrachtet. Dann wird klar, dass sein Blick mit der Zeit immer schärfer wird (das Bild der romantisierten Gang zeigt in schwierigen Zeiten seine wahre Fratze und wie wir mitverfolgen können, ja teils selbst unterlegt mit zuerst gut gedachten bzw. notwendigen Motiven). Liegt es jetzt am sich verändernden Dutch oder den äusseren Einflüssen oder seiner Krankheit.
Ihm wird immer mehr bewusst, dass sein bisheriger Halt im Leben (die Gang, Familie, Loyalität, der Kodex, Dutch als Vaterfigur) sich als pures Wunschdenken entpuppt und ihm der Sinn seines Lebens entgleitet. Eine Erkenntnis reift und wie er immer wieder in den obigen Beichtgesprächen oder auch in Gesprächen mit dem Priester und der Nonne sagt, ist und bleibt er ein schlechter Mensch und ein Entkommen für ihn ist unmöglich.
Für ihn ist es, so interpretiere ich es zumindest, seine einzige verbliebene Möglichkeit, einen anderen Halt zu finden, seine Gang letztendlich der Suche nach Glauben zu opfern. Der Glaube an Gott vielleicht oder der Glaube und die Hoffnung an ein besseres Leben für die Lieben in seiner Umgebung. Er tauscht letztendlich dann doch seine Loyalität der Gang gegenüber ein (verhilft John und seiner Famillie zur Flucht vor der Gang, sabotiert teils die Gang) und das Spiel gibt ihm recht.
All jene, die der Gang und seinem bisherigen Ideal entsagen, scheinen danach ein gutes Leben führen zu können. Marry Beth als Schriftstellern, Tilly als Ehefrau, dieser zwilichtige Typ (komme grad nicht auf den Namen) geht mit Koffern und Frau? auf ein Schiff [Tahitti maybe? ^^], selbst John und Famillie bis er rückfällig wird.
Hierbei will ich auch nochmal darauf eingehen wie RDR 2 gewisse Sachen mit Gamplay "untermalt", so Sachen, welche Wolfgang ja oft von Spielen fordert.
@ Jochen, wenn ich es noch recht in Erinnerung hab, steigt doch die Kurve einer klassischen Tragödie zuerst an und fällt danach nur noch.
Ich selbst würde jetzt den Höhepunkt im Kapitel 3 sehen, bis dahin kamen neue und alte Mitgliedern zurück in die Gang, die sich immer mehr gemausert haben und zu echten Stützen wurden.
Auch spielerisch wurden bis hier hin immer neue Gameplaymechanismen eingeführt und auch vom Spieler her etabliert.
Zumindest ich konnte mich hier am stärksten entfalten und auch spielerisch für den Aufbau, die Moral und Versorgung der Gang viel beitragen.
Dann als man jedoch das erste Mal Saint Denis in einer Storymission begegnet oder auch in der Konfrontation in den Straßen von Rodes, als man das erste Gangmitglied wieder verliert, ich glaub ab da ging es bergab.
Zuerst hat man immer weniger Kameraden mit denen man spielerisch in Nebenmissionen interagieren bzw. deren Geschichten man erfahren kann.
Dann fallen spielerische Aspekte des Lagers weg, man kann sich dort nicht mehr einfach versorgen. Dann die Krankheit von Arthur, welche auch mit spielerischen Einschränkungen einher läuft (im letzten Kampf vorm Tod habe ich doch tatsächlich fast alle meine zuvor angehäuften Items verbraucht, welche das Dead Eye wieder aufladen, auch im Spielgeschehen merkte ich es geht dem Ende entgehen, alles wird schwerer bis " werde ich es denn noch schaffen").
Man hat den Verfall spielerisch miterleben dürfen bzw. war zum Schluss stärker eingeschränkt als zuvor. Klar ging dies nicht weit genug, um der Storyprämisse zu genügen, aber doch weiter als bei vielen anderen Spielen.Ich hatte mich jedenfalls sofort an Wolfgang erinnert gefühlt. ^^
Und als letztes möchte ich noch das umstrittene 5. Kapitel ansprechen. Ja, auch mir hat es im Nachhinein weniger gefallen, als der Rest des Spiels.
Aber es hat mMn schon Berechtigung innerhalb der Story und Charakterentwicklung bestimmter Personen.
Am augenscheinlichsten natürlich bei der Szene wo Dutch die Frau umbringt und Arthur wiedermal vom Glauben an die Gang bzw. an Dutch abfällt.
Schade, dass man als Spieler hierbei nicht sieht, worum es Dutch letztendlich bei dem Mord ging. Ich denke, er wollte sein letztes Gold wieder an sich nehmen, belegt wurde es vom Spiel aber nicht.
Allerdings unterlegt es Jochens Sichtweise der Veränderung von Dutch, da hier keinerlei äussere Bedingungen vorliegen, welche es nötig machen, die Frau kaltblütig zu ermorden und es so dem Gangkodex widerspricht, jedenfalls wenn ich Arthurs Reaktion richtig interpretiere.
Weit aus mehr sagt das 5. Kapitel aber über die Personen aus, welche man hier nicht eine Sekunde lang zu Gesicht bekommt.
Nämlich dem Rest der Gang. Dort übernehmen jetzt andere Figuren (u.a. Saddy, hier ist ein für mich wichtiger Entwicklungspunkt ihrer Person hin zur Kopfgeldjägerin, es verleimt ihr ein Gewicht, indem sie die Verantwortung und den Schutz über den Rest der Gruppe übernommen und sehr gut ausgeführt hat) das Ruder und können sich auch selbstständig in Sicherheit bringen.
Hier wird wiederum das Argument von Micah, dass dieser Rest eh nur eine unnötige Last am Bein ist, ein wenig ausgehebelt und so Arthurs Sichtweise für den Spieler bestärkt.
So endlich konnte ich mal einige meiner vielen Gedanken zur "Papier" bringen, Danke auch hierfür!