Touchscreen #6: Florence

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Cantus1977
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Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Cantus1977 »

Florence ist wirklich ein sehr schönes kleines Spiel. Ihr habt in Eurem Podcast viele Punkte angesprochen, die mich auch bewegt haben, danke wie immer für den sehr guten Input! Über die fehlenden Sex-Darstellung bin ich auch gestolpert und war hierüber angesichts der ansonsten sehr detailverliebten Darstellung zunächst wirklich enttäuscht. Dass es schwer war, hierfür eine einfühlsame und unpeinliche spielerische Metapher zu finden, hat mir aber eingeleuchtet. Ich habe während des Podcasts an Luxuria Superbia gedacht (gelogen, ich bin nur bis "...äh, Dings, wie hieß das nochmal?!" gekommen, bis eben der Groschen fiel): wäre so etwas Eurer Meinung nach eine gelungene Abstrahierung gewesen?

Ich freue mich auf viele weitere Touchscreense!

Grüße
Martin
Joschel
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Joschel »

Danke für den Tipp - hab mir das Spiel gleich mal im App-Store runter geladen. Ist da derzeit sogar im Angebot für 2,29Euro.
Das Spiel hat mir richtig gut gefallen. Und ähnlich wie bei Gorogoa trägt die Haptik des Tablets ganz erheblich zum Spielerlebnis bei.
Zuletzt geändert von Joschel am 23. Nov 2018, 20:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Axel
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Axel »

Ich finde das Ende des Spiels, und eure Besprechung, schwierig! Eigentlich hatte Dennis ja den richtigen Ansatzpunkt der Kritik, bevor er leider ziemlich harsch von Nina unterbrochen wurde, bevor er diese ausformulieren konnte.

Das Ende besteht ja darin, dass Florence als Malerin sehr erfolgreich ist und das als Ausweg ihrer inneren Leere verkauft wird. Hier gehen die Entwickler leider dem neoliberalen Duktus auf dem Leim, dass nur Erfolg etwas bedeutet. Schade, dass ihr das nicht kritisch hinterfragt!

Ja, Kunst ist eine sehr gute Form um gegen das Gefühl der inneren Leere anzugehen. Um sich auszudrücken, um wieder Struktur zu gewinnen. Aber ganz wichtig dabei muss sein: Die Kunst sollte man in erster Linie für sich selbst machen. Das heißt, es ist, wenn es auf therapeutischer Ebene etwas bringen soll, egal ob jene Kunst einen anderen Menschen interessiert oder nicht. Allein das Erschaffen von Kunst, was man daraus mitnimmt, ist aus therapeutischer Sicht wichtig und nicht die anschließende Bewertung Dritter. Das ist ein sehr elementarer Unterschied. So läuft das auch in der Praxis, beispielsweise bei der Therapie von Depressionen. Da wird Kunst sehr häufig eingesetzt, aber nie würde eine gute Therapeutin diese Kunst werten, sondern die anschließende Frage lautet immer "Wie hast Du Dich dabei gefühlt? Was hast Du für Dich mitgenommen?"

Es wäre also ein viel besseres und glaubwürdigeres Ende geworden, hätte Florence einfach für sich wieder angefangen zu malen und darüber die Stabilität gewonnen um beispielsweise mit ihrer Mutter ein besseres Verhältnis aufzubauen. So aber lautet die Message: "Du musst nur erfolgreich sein und schon lösen sich all Deine Probleme." Und das vernichtet für mich die gesamte Grundmessage der Erzählung. Weil diese Message die größte Lüge der heutigen Leistungsgesellschaft ist.
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Gonas
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Gonas »

Vielen Dank für die Vorstellung dieses Spiels. Habe mir nach den ersten paar Sätzen des Podcasts gleich mal ein Let's Play von dem Spiel angesehen (besitze selbst kein Handy) und war ziemlich begeistert. Wieder ein schönes Beispiel was man alles mit dem Medium anstellen kann und wie wenig ausgereizt das doch ist. Viele zauberhafte pfiffige Ideen.

MitSchmackes! hat geschrieben: 23. Nov 2018, 20:42 Es wäre also ein viel besseres und glaubwürdigeres Ende geworden, hätte Florence einfach für sich wieder angefangen zu malen und darüber die Stabilität gewonnen um beispielsweise mit ihrer Mutter ein besseres Verhältnis aufzubauen. So aber lautet die Message: "Du musst nur erfolgreich sein und schon lösen sich all Deine Probleme." Und das vernichtet für mich die gesamte Grundmessage der Erzählung. Weil diese Message die größte Lüge der heutigen Leistungsgesellschaft ist.
Ich glaube da interpretierst da etwas anderes hinein als die Entwickler eigentlich vermitteln wollten, bzw. bist auf diese Sichtweise geeicht. Ich denke ansich wollten die Entwickler das umgekehrt vermitteln. Sie befreit sich von Zwängen, nimmt ihr Leben in die Hand und hat deshalb Erfolg.

Trotzdem ist dieses Ende klar der schwächste Teil des Spiels. Dort wird auch viel positives vermittelt und auch gut umgesetzt, z.B. die Farben oder das finden des Fotos und das Versöhnen mir der Vergangenheit etc., aber diese Kunstkarriere sticht als unpassendes Element heraus. Schade.
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Cantus1977
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Cantus1977 »

Mit Schmackes, ich verstehe Deinen Punkt, lese das aber nicht so "neoliberal" wie Du. Für mich entdeckt sie ihre kindliche Freude am Zeichnen und der Malerei nach der Trennung wieder. Sie hat aber als gereiftere Person mehr zu sagen und wird deshalb auch von ihrer Umgebung wahrgenommen und dann auch noch zur vermarktbaren Künstlerin. Schön für sie, aber mir ist das zu glatt. Das einzige bittersüße Element ist, dass - so meine Interpretation - Mama ihre Kunst vermutlich nur deshalb wahrnimmt, weil sie eben zum Broterwerb taugt. Auch deshalb kann mir das so zusammenbauen, das mir Zyniker das Ende doch nicht mehr soooo arg platt vorkommt. Ich wollte das Ende aber auch mögen, mir haben weite Teile des Spiels einfach so gut gefallen, dass ich mir das selbst nicht kaputtmeckern will. :)
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Laflamme
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Laflamme »

Sehr interessante Besprechung und auch nachvollziehbar für jemanden, der das Spiel wohl nicht spielen wird. Liegt vor allem daran, dass mein mobiler Blechtrottel eher ins technische Museum gehört und höchstens dafür taugt, sich bei SongPop 2 den täglichen Bonus zu holen wenn kein Desktop verfügbar ist. (Die Ratesongs selbst packt das Ding nicht mehr und stürzt beim Laden schon bis zu 5 Mal ab.)

Zur Handlung kann ich daher nichts besonderes beitragen, was nicht eh schon im Podcast gesagt wurde. Ich glaube allerdings, dass der Verzicht auf Sex eher mit der Store Policy ("Wir sind Apple und Google, wir wissen nicht was Sex ist, daher auch in den Spielen bitte keiner.") zu tun hat als mit künstlerischen Entscheidungen. Ach ja, und Florence schaut auf dem Titelbild irgendwie so gar nicht asiatisch aus, aber das mag an eventuellen Klischeevorstellungen liegen.

Nun denn, kommen wir zur üblichen Empfehlung des Visual Novels. Eigentlich hätte ich ja das Spiel geplant gehabt, das seit neuestem 5 Dollar auf Patreon von mir bekommt, da es aber in dieser Folge auch um "No Sex" ging ziehe ich mal ein anderes vor, das ich mir vor ein paar Tagen das erste Mal angeschaut habe. Es wird da in Zukunft garantiert zu Szenen kommen, zur Zeit gibt es aber noch keine.

Titel: The DeLuca Family

Developer: HopesGaming (Patreon: https://www.patreon.com/HopesGaming)
Aktuelle Version: 0.03, Updates ungefähr alle zwei Monate

Plot laut Developer: Our protagonist is a guy like any other normal guy. Lives a peaceful and uncomplicated life. That uncomplicated life turns into a rather complicated one when he receives a letter from a mafioso, who tells our unfortunate protagonist that due to his parents past, he is now under a mafia contract. He is to serve for a mafia family, but not just any mafia family, the DeLuca family. One of the most dangerous and infamous criminal organizations in the country.

Fetisch-Liste: 3DCG, Dating Sim, Male Protagonist, Voyeurism, Big Ass, Point & Click, Animated, MILF, Romance, Humor, Graphic Violence, Teasing, Groping

Tropes: jüngere schüchterne Schwester, langsam auftauende Eislady, sämtliche vorstellbaren Mafiaklischees

Besonderheiten: Das Spiel lebt vom ungewöhnlichen Setting, und vor allem von der total durchgeknallten älteren Schwester Luna, die ihre Tage vor allem damit verbringt, in ihrem Zimmer ihre Waffensammlung zu polieren. Dabei ist sie im Kern aber ein verletzliches Mädchen, wie man innerhalb der ersten Kapitel sehr schnell herausfindet. Das Team schafft es irgendwie, aus ihr Bedrohung, Comic Relief und Wecken eines Beschützerinstinkts gleichzeitig hervorzurufen. Weitere Mitglieder der Familie sind die Patin Lady Cordia, die sich darauf vorbereitet, die Macht an die nächste Generation weiterzugeben; Antonio, der älteste Sohn der den MC unter die Fittiche nimmt, mit seiner Frau Isabel, die dem MC schöne Augen macht (ich denke, eine Affaire mit ihr wäre GANZ dünnes Eis!); oben erwähnte Luna; ihre jüngere Schwester Gracie, die aus kriminellen Machenschaften herausgehalten wird weil sie zu jung ist und der Consigliere Wilfred, über den man Missionen annimmt, welche Geld und XP bringen. Geld investiert man in bessere Ausrüstung oder Skillbücher.

Allerdings muss man sich das aufgrund der eher beschränkten Möglichkeiten in Ren'Py so vorstellen, dass man die Mission anklickt und nur mitgeteilt bekommt, ob sie erfolgreich war oder nicht. Dazu wird die Tageszeit um eine Stufe weitergeschaltet. Durch die XP steigt man im Rang auf, das Maximum ist zur Zeit #10, Elite Soldato.

Sollte man vom "Free Roaming" (Missionen) genug haben, klickt man auf das Fragezeichen und kann mit der Hauptstory fortfahren. Hier geht es darum herauszufinden, wie man in den ganzen Schlamassel mit dem Mafiavertrag reingeraten ist (das weiß die Familie zwar, sagt es dir aber nicht), wie man wieder rauskommt, was zur Hölle die eigene Mutter (entfremdet) mit der Familie DeLuca zu tun hat (anscheinend war sie in einer Eliteeinheit mit Lady Cordia), spioniert im Haus herum und flirtet laaaaaangsam mit den Töchtern. In den Charakterbögen kann man nach den Hauptstoryabschnitten einsehen, was die NPCs gerade denken. Ab dem nächsten Update gibt es dann eine Visualisierung in Form eines sich verändernden Engels wenn man mit dem Content von Luna, Gracie und Isabel für die aktuelle Version fertig ist. Die Grafik sieht für einen Visual Novel sehr schön aus, und es gibt - was nicht selbstverständlich ist - Animationen.

Das soll es mal gewesen sein, ich freue mich auf die nächste Folge.
Zuletzt geändert von Laflamme am 28. Nov 2018, 19:34, insgesamt 1-mal geändert.
Einer der OGs des Hörerbiers (André Peschke in "Zwei Jahre The Pod")
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Cantus1977
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Cantus1977 »

Laflamme hat geschrieben: 24. Nov 2018, 00:32 Ich glaube allerdings, dass der Verzicht auf Sex eher mit der Store Policy ("Wir sind Apple und Google, wir wissen nicht was Sex ist, daher auch in den Spielen bitte keiner.") zu tun hat als mit künstlerischen Entscheidungen.
Angesichts der doch sehr auffälligen Lücke sehe ich keinen konkreten Grund, das anzunehmen. Zum Bilderbuch-Charme von Florence würde z.B. eine für den Store problematische, explizite Höhöhö-Rubbel-Knickknack-Mechanik ja nicht passen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es mit einer guten spielerischen Metapher auch veröffentlicht worden wäre.

Nur wie sollte die aussehen? Eine bloße Erweiterung der Kommunikations-"Puzzles" oder *hüstel* der Zahnputzmechanik hätte ich als Sexdarstellung vermutlich nicht gerade als gelungen empfunden. Mir fällt tatsächlich kein Spiel ein, das das sexuelle Einander-Kennerlernen als Teil einer Beziehung auf charmante, unpeinliche und etwas humorige Art und Weise inszeniert. Meine einzige Referenz ist Luxuria Superbia, von der ich mir eine "Florence-Version" durchaus gut vorstellen könnte.

Was mich ein bisschen wundert, ist, dass noch nicht einmal ein Übergangsbild oder so eingebaut wurde, das zeigt, das die beiden da im Schlafzimmer etwas anderes vorhaben, als nur Heizkosten zu sparen...
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Dennis Kogel
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Dennis Kogel »

MitSchmackes! hat geschrieben: 23. Nov 2018, 20:42 Ich finde das Ende des Spiels, und eure Besprechung, schwierig! Eigentlich hatte Dennis ja den richtigen Ansatzpunkt der Kritik, bevor er leider ziemlich harsch von Nina unterbrochen wurde, bevor er diese ausformulieren konnte.

Das Ende besteht ja darin, dass Florence als Malerin sehr erfolgreich ist und das als Ausweg ihrer inneren Leere verkauft wird. Hier gehen die Entwickler leider dem neoliberalen Duktus auf dem Leim, dass nur Erfolg etwas bedeutet. Schade, dass ihr das nicht kritisch hinterfragt!

Ja, Kunst ist eine sehr gute Form um gegen das Gefühl der inneren Leere anzugehen. Um sich auszudrücken, um wieder Struktur zu gewinnen. Aber ganz wichtig dabei muss sein: Die Kunst sollte man in erster Linie für sich selbst machen. Das heißt, es ist, wenn es auf therapeutischer Ebene etwas bringen soll, egal ob jene Kunst einen anderen Menschen interessiert oder nicht. Allein das Erschaffen von Kunst, was man daraus mitnimmt, ist aus therapeutischer Sicht wichtig und nicht die anschließende Bewertung Dritter. Das ist ein sehr elementarer Unterschied. So läuft das auch in der Praxis, beispielsweise bei der Therapie von Depressionen. Da wird Kunst sehr häufig eingesetzt, aber nie würde eine gute Therapeutin diese Kunst werten, sondern die anschließende Frage lautet immer "Wie hast Du Dich dabei gefühlt? Was hast Du für Dich mitgenommen?"

Es wäre also ein viel besseres und glaubwürdigeres Ende geworden, hätte Florence einfach für sich wieder angefangen zu malen und darüber die Stabilität gewonnen um beispielsweise mit ihrer Mutter ein besseres Verhältnis aufzubauen. So aber lautet die Message: "Du musst nur erfolgreich sein und schon lösen sich all Deine Probleme." Und das vernichtet für mich die gesamte Grundmessage der Erzählung. Weil diese Message die größte Lüge der heutigen Leistungsgesellschaft ist.
Hat das echt "harsch" gewirkt? Kam mir im Cast gar nicht so vor! Oder zumindest habe ich das null so wahrgenommen. :D

Ich fand Nina hat da eigentlich nur gut erklärt, warum sie mit der Kritik nicht übereinstimmt. Und ich bin da auch geneigt, ihr da jetzt zuzustimmen, weil sie in ihrer Argumentation einen Aspekt aufgegriffen hat, den ich gar nicht bedacht habe.

Meine Kritik war ja wirklich das, was du als "neoliberalen Duktus" bezeichnest. Ich hab' mir in die Notizen gepackt: "ew. am Ende geht es dann doch nur um Kohle? Wie lame!" Aber in Florence geht's ja (jedenfalls für mich persönlich, nach dem Podcast) nicht so richtig darum, wie man Kohle verdient, sondern ums Erwachsenwerden einerseits und darum, seinem Herzen zu folgen andererseits (bzw. überhaupt zu verstehen, was das für einen selbst bedeutet, seinem Herzen zu folgen).

Das ist...ziemlich kitschig. Das sprechen wir aber auch an. Letztendlich zeigt das Spiel ja am Ende: Florence ist unglücklich mit ihrem Leben, trifft diesen knuffigen Kerl, der sie über Umwege realisieren lässt, dass sie ihre Träume verfolgen sollte, sie verfolgt ihre Träume und am Ende steht dann das Glück und (vielleicht) eine Art inner Friede mit sich selbst, der Identität und der Familie. Der Erfolg ist ja quasi nur eine Auswirkung davon, von wegen: Wenn du das machst, was du wirklich liebst, dann setzt sich alles andere von alleine zusammen.

Das hatte ich, wie gesagt, gar nicht so sehr auf dem Schirm, als wir angefangen haben darüber zu sprechen, und ich fand Ninas Argument da überzeugend. Darum wollte ich da gar nicht weiter darauf rumreiten, dass es nicht realistisch ist oder neoliberal etc., weil ich da erkannt habe: Ah, es geht um was anderes.

Ich bin aber bei dir bei wenn du sagst, dass ein anderes Ende, das nicht gleichzeitig zeigt wie Florence eine weltberühmte Künstlerin wird, schöner wäre. Auch weil es einfach abstrus wirkt, dass jemand, der nur als Kind Kunst gemacht hat, als Erwachsener plötzlich so abliefert. Dann wiederrum: Stranger things have happened, wie es auf Florence Konto aussieht, wird nicht gezeigt, und vielleicht ist es auch gar nicht SO schwer, irgendwo eine Show in einer Galliere zu bekommen (da stecke ich zu wenig drin im Kunstgeschäft)

tl;dr.: wollte nur noch mal betonen, dass ich das nicht empfunden habe, als hätte mir Nina den Mund verboten oder so, sondern ich war einfach überzeugt von einem guten Argument, das ich nicht auf dem Schirm hatte!
Gigi
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Gigi »

So, habs nun auch durchgespielt...nettes Spiel und danke für den Tipp...das Ende ist jetzt auch nicht so meins, aber der Weg dahin ist Grafisch und Spielmechanisch sehr gelungen fand ich :)
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Nina
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Nina »

Hallo allerseits! Es freut mich sehr, dass einige von euch ebenfalls Gefallen an dem Spiel gefunden haben, und den Austausch bezüglich des Endes finde ich ausgesprochen interessant. Mehr dazu weiter unten im Beitrag.
Cantus1977 hat geschrieben: 23. Nov 2018, 18:24 Über die fehlenden Sex-Darstellung bin ich auch gestolpert und war hierüber angesichts der ansonsten sehr detailverliebten Darstellung zunächst wirklich enttäuscht. Dass es schwer war, hierfür eine einfühlsame und unpeinliche spielerische Metapher zu finden, hat mir aber eingeleuchtet. Ich habe während des Podcasts an Luxuria Superbia gedacht (gelogen, ich bin nur bis "...äh, Dings, wie hieß das nochmal?!" gekommen, bis eben der Groschen fiel): wäre so etwas Eurer Meinung nach eine gelungene Abstrahierung gewesen?
Eher nicht, aber weniger aufgrund dieser speziellen Form der Abstrahierung, sondern wegen ihrer Verortung im Spielkontext. Ich fürchte, dass die meisten Darstellungen sexueller Handlungen nicht mit der "Stimmung" des Spiels zu vereinbaren gewesen wären und zumindest vereinzelte Spieler_innen irritiert hätten. Wie schon im Podcast gesagt, erzählt "Florence" im Kern eine typische Liebesgeschichte und bleibt dabei ausnahmslos familienfreundlich; nun können auch solche Erzählungen sexuelle Handlungen enthalten, allerdings werden diese in der Regel beiläufig bzw. mit einer gewissen Distanz zum Geschehen abgehandelt. Sobald aber eine interaktive Komponente im Spiel enthalten ist und man das Publikum direkt involviert, nimmt diese Distanz zwangsläufig ab, selbst wenn die Darstellung eine relativ abstrakte ist. Ich glaube deshalb, dass etwa die Spielmechanik aus "Luxuria Superbia" zwangsläufig deplatziert gewirkt hätte, auch wenn sie für sich stehend interessant ist. Auf Anhieb kann ich aber leider auch keine Lösung für dieses Problem anbieten.
MitSchmackes! hat geschrieben: 23. Nov 2018, 20:42 Ich finde das Ende des Spiels, und eure Besprechung, schwierig! Eigentlich hatte Dennis ja den richtigen Ansatzpunkt der Kritik, bevor er leider ziemlich harsch von Nina unterbrochen wurde, bevor er diese ausformulieren konnte.
Es erscheint mir sehr kurios, im Hinblick auf die Deutung des Endes bzw. die Kritik daran von einem "richtigen Ansatzpunkt" zu sprechen, denn wie bereits die wenigen Beiträge in diesem Thread deutlich gemacht haben sollten, gibt es verschiedene Interpretationsansätze - und die finde ich übrigens alle gleichermaßen legitim. Ich habe Dennis daher im Cast auch nicht harsch unterbrochen oder seine Schilderung als falsch dargestellt (bzw. darstellen wollen), sondern nur verdeutlicht, dass ich mit seiner Sichtweise nicht übereinstimme, und diverse Gründe dafür genannt.
Es wäre also ein viel besseres und glaubwürdigeres Ende geworden, hätte Florence einfach für sich wieder angefangen zu malen und darüber die Stabilität gewonnen um beispielsweise mit ihrer Mutter ein besseres Verhältnis aufzubauen. So aber lautet die Message: "Du musst nur erfolgreich sein und schon lösen sich all Deine Probleme." Und das vernichtet für mich die gesamte Grundmessage der Erzählung. Weil diese Message die größte Lüge der heutigen Leistungsgesellschaft ist.
Beim ersten Teil der Aussage bin ich ganz bei Dir: Florences scheinbar immenser Erfolg ist unglaubwürdig und droht, die eigentlich interessanteren (und aus meiner Sicht positiveren) Entwicklungen im Leben der Figur zu überschatten. Und vielleicht hat genau das zu Deiner Deutung der Message geführt, die mir allerdings zu simpel ist. Wie gesagt: Mein Eindruck war, dass Florences Erfolg entweder Zufall oder eine Konsequenz des Umstands ist, dass sie endlich ihren Träumen folgt und den Weg einschlägt, der ihr bisher aufgrund familiären und/oder gesellschaftlichen Drucks verwehrt geblieben ist. Das ist, wie Dennis noch einmal in seinem Beitrag betont hat, extrem kitischig und ebenfalls eine vereinfachende Darstellung, die man kritisch sehen kann, aber sie lässt sich dann doch nicht auf "Erfolg = Glück" herunterbrechen.
Ja, Kunst ist eine sehr gute Form um gegen das Gefühl der inneren Leere anzugehen. Um sich auszudrücken, um wieder Struktur zu gewinnen. Aber ganz wichtig dabei muss sein: Die Kunst sollte man in erster Linie für sich selbst machen. Das heißt, es ist, wenn es auf therapeutischer Ebene etwas bringen soll, egal ob jene Kunst einen anderen Menschen interessiert oder nicht. Allein das Erschaffen von Kunst, was man daraus mitnimmt, ist aus therapeutischer Sicht wichtig und nicht die anschließende Bewertung Dritter. Das ist ein sehr elementarer Unterschied. So läuft das auch in der Praxis, beispielsweise bei der Therapie von Depressionen. Da wird Kunst sehr häufig eingesetzt, aber nie würde eine gute Therapeutin diese Kunst werten, sondern die anschließende Frage lautet immer "Wie hast Du Dich dabei gefühlt? Was hast Du für Dich mitgenommen?"
Klar, in der Kunsttherapie - aber darum geht es doch im Spiel gar nicht. Dass Florence lieber Künstlerin als Buchhalterin wäre, wird durch die Darstellung der jeweiligen Tätigkeiten und ihre Gegenüberstellung im Rückblick auf die Vergangenheit klar kommuniziert, und die berufliche Neuausrichtung ist daher nach der Wiederentdeckung der Freude am Kreativen an sich ein naheliegender Schritt. Der künstlerische Ausdruck mag nach der Trennung auch eine therapeutische Wirkung haben, aber die ist eher sekundär.
Cantus1977 hat geschrieben: 23. Nov 2018, 22:39Das einzige bittersüße Element ist, dass - so meine Interpretation - Mama ihre Kunst vermutlich nur deshalb wahrnimmt, weil sie eben zum Broterwerb taugt. Auch deshalb kann mir das so zusammenbauen, das mir Zyniker das Ende doch nicht mehr soooo arg platt vorkommt.
Das ist eine SEHR interessante Deutung der Situation!
Joschel
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Joschel »

Das Ende des Spiels war auf jedenfall der schwächste Part eines ansonsten wirklich tollen Spieles.
Am besten hat mir übrigens gefallen, wie man bei Krishs Einzug vrzweifelt versucht, seine paar Dinge unterzubringen und schließlich das meiste davon in der Kiste bleiben muss.
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Nina
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Nina »

Joschel hat geschrieben: 5. Dez 2018, 15:31 Das Ende des Spiels war auf jedenfall der schwächste Part eines ansonsten wirklich tollen Spieles.
Am besten hat mir übrigens gefallen, wie man bei Krishs Einzug vrzweifelt versucht, seine paar Dinge unterzubringen und schließlich das meiste davon in der Kiste bleiben muss.
Ja, das war extrem knifflig - gerade bei den Küchenutensilien. Und mir gefällt dieser Part besonders gut, weil er im Laufe des Spiels mit der gleichen Kernmechanik zwei komplett unterschiedliche Emotionen vermittelt bzw. auslöst.
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olipool
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von olipool »

Stimmt, dieses Rein- und später wieder Rausräumen war neben der Dialogmechanik die schönste Umsetzung im Spiel für mich. Blöd war da, dass ich erst gar nicht gemerkt habe, dass man ihre schon vorhandenen Sachen auch wegsortieren kann, um Platz für die eigenen zu schaffen. Auch besonders daran ist, dass man hier genau genommen die Protagonistin wechselt. Ist mir während des Spielens aber nicht negativ aufgefallen.

Bei den Dialogen habe ich irgendwie auch nicht mitbekommen, dass man am Ende eine Sprechblase gar nicht fertig puzzeln kann, hatte ich eigentlich gehofft, dass es kommt, vielleicht ist es mit durchgerutscht.

Zum Ende: für mich hat sich das ganz harmlos dargestellt, sie kommt aus ihrer "Trauer" raus und startet noch mal "neu", weil sie durch die Beziehung eben auch eine "andere" geworden ist. Dabei folgt sie ihrem Traum und glücklicherweise kann sie davon leben. Nur weil sie ne Ausstellung hat, heißt dass ja nicht, dass sie Millionen scheffelt.

Und zum fehlenden Sex: ist mir überhaupt nicht aufgefallen und habe ich auch null erwartet beim Spielen. Ich hätte das von der Gesamtstimmung vermutlich auch unpassend gefunden. Klar gehört sowas auch zur Beziehung dazu, aber als Designer des Spiels hätte ich vermutlich gefühlt, dass es ein wenig zu intim und "voyeuristisch" ist und zum Ton des restlichen Spiels nicht passt, das ja sonst eher relativ oberflächlich bleibt (thematisch, es bleiben ja auch viele tiefere Themen ausgespart).

Insgesamt hat es mir gut gefallen, es war ein nettes, kleines Spiel, wirklich gut umgesetzt, und jetzt beim Hören des Casts (ich bin noch nicht durch) habe ich fast schon das Gefühl, als würde dem viel mehr beigemessen, als ihm eigentlich zusteht. Hm, wie soll ich sagen...so mein Eindruck und euer Detailgrad an Besprechung passen gefühlt nicht zusammen für mich. Das liegt nicht an schlechten Aussagen von euch, aber ich hätte das eher unter dem Format der Wertschätzung mit ner halben Stunde einsortiert. Aber wie gesagt, ich bin ja noch nicht durch mit dem Cast. ich lass mich überraschen.
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holymoe4237
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von holymoe4237 »

Tolle Folge, vielen Dank!

Die Beziehung Krish-FLorence scheitert nach meiner Interpretation daran, dass Florence ihre eigenen Amibitionen unterdrückt und dann via Krish indirekt auslebt. Krish war als einfacher Straßenmusiker ja glücklich.
Möglicherweise hat sie dieses Muster von ihrer Mutter gelernt, die die mutmaßlich eigenen Wünsche (Beziehung, Glück) auf ihr Kind projiziert, sogar als dieses schon erwachsen ist. Das sieht man in den Telefonaten der beiden.

Mei, der fehlende Sex... ich hätte mir vorstellen können, dass Florence und Krish sich Richtung Bett in die Arme springen und der Spieler dann die Tür zumacht. Während sie zugeht, dringen auf möglichst unkitschige Weise Herzen aus dem Raum. Puha. Geht das überhaupt unkitschig? Ich glaube nicht, daher hat sich das Spiel für eine mMn bessere Lösung entschieden:

Was mich als einziges bei der Folge ein wenig gestört hat, war, dass das Spiel Körperlichkeit ja durchaus thematisiert. Für mich hat das die explizite Darstellung von Sex überflüssig gemacht, das Spiel löst das eleganter.
In Kapitel 14 und 15 (Link) wird die körperliche Entfremdung sowohl visuell als auch spielmechanisch dargestellt: Die beiden wenden sich erst voneinander ab, dann wieder einander zu. Das anschließende Puzzle will man daher instinktiv so lösen, dass sich die beiden anschauen. Geht aber nicht. Das verdeutlicht die seelische und körperliche Entfremdung. Auch passen ihre Körper überhaupt nicht mehr zusammen (dieses und das darauffolgende Puzzle), was für mich persönlich eine recht klare Metapher auf die nicht mehr ausgelebte Sexualität ist.

Genauso, wie Florence Themen und Dialoge der Beziehung abstrahiert, abstrahiert es auch die körperliche Beziehung der beiden.
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Cantus1977
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Cantus1977 »

holymoe4237 hat geschrieben: 11. Dez 2018, 17:07 Was mich als einziges bei der Folge ein wenig gestört hat, war, dass das Spiel Körperlichkeit ja durchaus thematisiert. [...] Das anschließende Puzzle will man daher instinktiv so lösen, dass sich die beiden anschauen. Geht aber nicht. Das verdeutlicht die seelische und körperliche Entfremdung. Auch passen ihre Körper überhaupt nicht mehr zusammen (dieses und das darauffolgende Puzzle), was für mich persönlich eine recht klare Metapher auf die nicht mehr ausgelebte Sexualität ist.

Genauso, wie Florence Themen und Dialoge der Beziehung abstrahiert, abstrahiert es auch die körperliche Beziehung der beiden.
Interessante Ausführungen, gefällt mir.
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Nina
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Nina »

olipool hat geschrieben: 6. Dez 2018, 21:37Insgesamt hat es mir gut gefallen, es war ein nettes, kleines Spiel, wirklich gut umgesetzt, und jetzt beim Hören des Casts (ich bin noch nicht durch) habe ich fast schon das Gefühl, als würde dem viel mehr beigemessen, als ihm eigentlich zusteht. Hm, wie soll ich sagen...so mein Eindruck und euer Detailgrad an Besprechung passen gefühlt nicht zusammen für mich. Das liegt nicht an schlechten Aussagen von euch, aber ich hätte das eher unter dem Format der Wertschätzung mit ner halben Stunde einsortiert. Aber wie gesagt, ich bin ja noch nicht durch mit dem Cast. ich lass mich überraschen.
Prinzipiell hätte man das Spiel kompakter abhandeln können, das stimmt schon. Meine grundsätzliche Tendenz zu... ähm... sehr sorgfältigen Analysieren mal außen vor gelassen, waren Dennis und ich aber so positiv überrascht von der Detailverliebtheit der Entwickler_innen und den vielen Ebenen, auf denen die Entwicklung der Beziehung und Charaktere veranschaulicht werden (etwa durch die Farbgebung), dass wir uns entsprechend sorgfältig damit befassen wollten.
holymoe4237 hat geschrieben: 11. Dez 2018, 17:07Die Beziehung Krish-FLorence scheitert nach meiner Interpretation daran, dass Florence ihre eigenen Amibitionen unterdrückt und dann via Krish indirekt auslebt. Krish war als einfacher Straßenmusiker ja glücklich.
Möglicherweise hat sie dieses Muster von ihrer Mutter gelernt, die die mutmaßlich eigenen Wünsche (Beziehung, Glück) auf ihr Kind projiziert, sogar als dieses schon erwachsen ist. Das sieht man in den Telefonaten der beiden.
Ich würde nicht so weit gehen, Florence mit ihrer Mutter zu vergleichen, denn Krish liebäugelt ja selbst mit einer professionellen Karriere, wie einer seiner Tagträume und der Prospekt unter seinem Bett deutlich machen. Dass sie aber ihre eigenen Wünsche auf ihn projiziert und ihm auch deshalb den entscheidenden Anstoß gibt, passt perfekt ins Gesamtbild.
Was mich als einziges bei der Folge ein wenig gestört hat, war, dass das Spiel Körperlichkeit ja durchaus thematisiert. Für mich hat das die explizite Darstellung von Sex überflüssig gemacht, das Spiel löst das eleganter.
In Kapitel 14 und 15 (Link) wird die körperliche Entfremdung sowohl visuell als auch spielmechanisch dargestellt: Die beiden wenden sich erst voneinander ab, dann wieder einander zu. Das anschließende Puzzle will man daher instinktiv so lösen, dass sich die beiden anschauen. Geht aber nicht. Das verdeutlicht die seelische und körperliche Entfremdung. Auch passen ihre Körper überhaupt nicht mehr zusammen (dieses und das darauffolgende Puzzle), was für mich persönlich eine recht klare Metapher auf die nicht mehr ausgelebte Sexualität ist.
Auch hier stimme ich Dir teilweise ausdrücklich zu, aber eben nur teilweise. Körperlichkeit hat definitiv, gerade zum Ende hin, einen festen Platz im Spiel, aber ich sehe keine Indikatoren dafür, dass sie auch die sexuelle Ebene tangiert. Das gilt insbesondere, weil nur die Entfremdung so explizit dargestellt wird, nicht aber ihr Gegenstück zu Beginn der Beziehung. Als Metapher kann man die beschriebene Szene in dem von Dir genannten Sinne zwar deuten, doch bedingt durch die vorherige Abwesenheit von Sexualität ist diese Deutungsebene für mich nicht die naheliegendste.
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holymoe4237
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von holymoe4237 »

Ach, Krishs Tagtraum hab ich ganz übersehen, danke für den Hinweis :)

Zur Körperlichkeit hast du natürlich Recht, dass es keine Beweise für eine sexuelle Ebene gibt. Meiner Meinung nach aber halt schon sehr deutliche Indizien:
Sie küssen sich und schlafen in Unterwäsche aneinandergekuschelt in einem Bett miteinander. Ich glaube, darum haben ich die beiden Puzzles gegen Ende als Metapher für die Entfremdung auf sexueller Ebene gelesen. (Auch, weil das voneinander abgewandte Pärchen im gemeinsamen Bett für mich ein visuelles Klischee sexueller Entfremdung ist)

Dadurch, dass die Entfremdung dann "erspielt" wird, ist hier der Geschehenseindruck beim Rezipienten ein viel bleibenderer, obwohl Körperlichkeit sowohl am Ende, als auch am Anfang klar gezeigt wird.
Das wäre mir ohne unseren Dialog hier nicht aufgefallen, danke dafür :D

Hm, gibt es hierfür eigentlich ein Prinzip für Videospiele analog zum "Show don't tell." - etwa 'Don't show or tell - make it playable.' ?

EDIT: Belege ergänzt.
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Nina
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Nina »

holymoe4237 hat geschrieben: 18. Dez 2018, 18:46Zur Körperlichkeit hast du natürlich Recht, dass es keine Beweise für eine sexuelle Ebene gibt. Meiner Meinung nach aber halt schon sehr deutliche Indizien:
Sie küssen sich und schlafen in Unterwäsche aneinandergekuschelt in einem Bett miteinander. Ich glaube, darum haben ich die beiden Puzzles gegen Ende als Metapher für die Entfremdung auf sexueller Ebene gelesen. (Auch, weil das voneinander abgewandte Pärchen im gemeinsamen Bett für mich ein visuelles Klischee sexueller Entfremdung ist)

Dadurch, dass die Entfremdung dann "erspielt" wird, ist hier der Geschehenseindruck beim Rezipienten ein viel bleibenderer, obwohl Körperlichkeit sowohl am Ende, als auch am Anfang klar gezeigt wird.
Das wäre mir ohne unseren Dialog hier nicht aufgefallen, danke dafür :D
Haha, gerne! Und wie gesagt: Ich mag mit Deiner Interpretation nicht uneingeschränkt übereinstimmen, nachvollziehbar ist sie aber.
Hm, gibt es hierfür eigentlich ein Prinzip für Videospiele analog zum "Show don't tell." - etwa 'Don't show or tell - make it playable.' ?
Nicht als eiserne Regel, da alle Erzähl- und Darstellungsformen auch im Spiel ihre Daseinsberechtigung haben, aber grundsätzlich halte ich es für sehr erstrebenswert, bestimmte Ereignisse oder Sachverhalte spielerisch erfahrbar zu machen, weil so - zumindest in der Theorie - die Spieler_innen stärker involviert werden.

Kurioserweise fallen mir gerade nur sehr eigentümliche Beispiele für dieses Prinzip ein, aber sie veranschaulichen es hoffentlich ganz gut:

In Lea Schönfelders "Perfect Woman" entscheidet man sich als Frau für einen Werdegang, der sich vom Anfang des Lebens bis zum Ende erstreckt. Je nachdem, welche Entscheidungen man trifft, wird das Leben fordernder oder leichter - und jede Entscheidung nimmt Einfluss darauf, wie viel Mühe späterhin investiert werden muss, um bestimmte Ziele zu erreichen (wer zum Beispiel als Straßenkind aufwächst wird es als Erwachsene schwer haben, den Traum von einer steilen Karriere als Politikerin zu verwirklichen). All das könnte mit vielen Worten und/oder Bildern erzählt werden - stattdessen muss man sich aber im Spiel wortwörtlich verrenken: https://youtu.be/8mLrULxwscY

Hierbei handelt es sich natürlich um eine denkbar simple Spielmechanik, aber die Kernaussage des Spiels wird so anschaulich dargestellt.

"Dys4ria" vermittelt durch sehr clever gestaltete, kurze Gameplay-Passagen die Probleme, mit denen sich Entwicklerin Anna Anthropy als Trans-Frau konfrontiert sieht. Vor allem das Puzzle-Segment am Anfang funktioniert in diesem Sinne sehr gut: https://youtu.be/y8x9hjGBY7c

Es gibt noch zahlreiche andere Titel, die nach diesem Prinzip verfahren, aber diese beiden sind mir direkt eingefallen.
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olipool
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von olipool »

Nachdem ich mit der Folge nun durch bin und ihr noch mal nach Spielen gefragt habt, die Beziehungen darstellen, fielen mir zwei Minispiele ein, die ich im Rahmen eines Game Design Kurses am RIT kennen gelernt habe.

Das eine kommt mit 100x16 Pixeln aus und spielt in 3 Minuten eine Reise durchs Leben, mit oder ohne Partner, aus.
Das zweite stellt die Ehe dar und ist dabei sehr abstrakt, da der Autor versucht hat, allein durch Mechanik zu wirken. Er wollte keine Story wie im Buch und keine Bilder wie im Film. Und das Gefühl, was entsteht, passt erstaunlich gut.

Passage - http://hcsoftware.sourceforge.net/passage/

The Marriage - http://www.rodvik.com/rodgames/marriage.htm
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Nina
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Re: Touchscreen #6: Florence

Beitrag von Nina »

olipool hat geschrieben: 6. Jan 2019, 11:14 Nachdem ich mit der Folge nun durch bin und ihr noch mal nach Spielen gefragt habt, die Beziehungen darstellen, fielen mir zwei Minispiele ein, die ich im Rahmen eines Game Design Kurses am RIT kennen gelernt habe.

Das eine kommt mit 100x16 Pixeln aus und spielt in 3 Minuten eine Reise durchs Leben, mit oder ohne Partner, aus.
Das zweite stellt die Ehe dar und ist dabei sehr abstrakt, da der Autor versucht hat, allein durch Mechanik zu wirken. Er wollte keine Story wie im Buch und keine Bilder wie im Film. Und das Gefühl, was entsteht, passt erstaunlich gut.

Passage - http://hcsoftware.sourceforge.net/passage/

The Marriage - http://www.rodvik.com/rodgames/marriage.htm
"Passage" ist wirklich nett - "The Marriage" dagegen kenne ich noch nicht und werde es mir mal in Ruhe anschauen. Danke für die Links!
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