Ein paar der Probleme der deutschen Branche scheinen im Rekrutierungsprozess zu liegen: In Deutschland so gut wie keine Chance bekommen, in UK sofort an AAA dran:
Hier eine LinkedIn-Message, die mich heute erreicht hat. Ich habe nur erkennbare Informationen und Zitate sinnerhaltend geändert, um die Person zu schützen. Sie weiß davon.
Hallo Wolfgang!
Nachdem du mich letztes Jahr hier bei der Jobsuche etwas unterstützt hast, dachte ich, ich melde mich mal und erzähle, wie es gelaufen ist, für den Fall, dass dich interessiert, wie sich das für jemanden gestaltet, der noch nicht seit Jahrzehnten in der Branche ist
Die Jobsuche gerade in Deutschland fand ich doch ziemlich ernüchternd. Als erstes fiel mir auf, wie spezifisch gerade die etablierten Studios heute suchen. Oft sind es keine Game-Designer, sondern Combat- Monetization- oder sonstige Spezial-Designer, die auf der Wunschliste stehen. Selbst, wenn ein Game-Designer ausgeschrieben ist, wird oft schnell klar, dass es eigentlich um sehr spezifische Anforderungsprofile geht. Wer einmal, und sei es nur durch Zufall, in eine Richtung losmarschiert, kann da schon seine Mühe haben, da wieder heraus zu kommen.
Die zweite Auffälligkeit: Es werden natürlich nur Leute gesucht, die schon längst alles können und gemacht haben, auch abseits von den weit verbreiteten obligatorischen Inseraten für Senior-Designer. Selbst, als Lebenslauf und Anforderung nahezu exakt übereinstimmten, sagte man mir direkt am Anfang des ersten Telefonats, dass man glaube, ich wäre noch nicht für den Job geeignet – nur um dann auf meine etwas konsternierte Antwort, dass ich das zumindest nach den Anforderungen in der Ausschreibung anders sehe, doch einen Test zukommen zu lassen, nachdem man mit dem Entwicklerteam Rücksprache gehalten hatte.
Der dritte, zumindest für mich schwerwiegendste Punkt: Abseits von Mobile- und Browserspielen, natürlich im Pay-to-win-Free2Play-Bereich, ist das Angebot unglaublich dünn. Da mir die Denkweise, die in diesem Bereich notwendig ist, um als Designer zu arbeiten, überhaupt nicht gefällt, und ich gerade davon weg wollte, sind nur noch eine Handvoll Optionen übrig geblieben.
Bei der einzigen davon, die dann auch vom Profil passte, habe ich dann Erfahrung mit einem anderen bekannten Problem der deutschen Branche gemacht: Dem Unvermögen, oder auch Unwillen, Angestellte anständig zu bezahlen. Nach zwei erfolgreichen Gesprächen flatterte die Zusage eines mittelständischen deutschen Studios ins Haus. Die (realistische, wie ich mich zuvor bei ehemaligen Kollegen versichert hatte) Gehaltsvorstellung, die im Gespräch noch nickend zur Kenntnis genommen worden war, wurde hier aber sehr deutlich unterschritten, natürlich stillschweigend, so als wäre es das normalste der Welt. Meine Antwort mit dem Hinweis, dass das Angebot doch etwas unter meinen Vorstellungen liege, gepaart mit der Frage, ob man darüber nochmal sprechen könne, explizit ohne irgendeine harte Forderung, wurde einige Tage später damit beantwortet, dass man sich dann lieber um einen anderen Kandidaten bemühen wolle.
In einer Situation, in der man seit einigen Monaten vergeblich einen Job sucht und nicht viel Erfahrung mit Bewerbungsverfahren hat, ist man natürlich erst einmal verunsichert, ob man irgendwas falsch gemacht hat. Es hat mich dann doch einige Gespräche mit Bekannten und ehemaligen Kollegen gekostet, um mir sicher zu sein, dass der Fehler hier nicht bei mir liegt, sondern das Verhalten des Studios mindestens unprofessionell war. Es ist schon eine besondere Dreistigkeit, es mit einem viel zu niedrigen Gehalt zu versuchen, und bei dem kleinsten Anzeichen von Widerspruch sofort einen Rückzieher zu machen.
Langer Rede, kurzer Sinn: Irgendwann habe ich dann angefangen, mich auch außerhalb Deutschlands umzusehen, obwohl das nie mein Plan war. Und dann ging es eigentlich ganz schnell: Bei einer großen Firma in UK beworben, zwei Skype-Gespräche, zwei mal hingeflogen, und nun seit 4 Monaten wohnhaft im Vereinigten Königreich. Die Sache mit der spezifischen Suche haben sie hier zwar auch (ich bin jetzt Game-Economy-Designer), dafür kann ich hier an einem AAA-First-Person-Shooter für PC + Konsole arbeiten und werde relativ gut bezahlt. Auch die weiteren Vorteile, beispielsweise eine private Krankenversicherung, sind umfangreicher, als ich es bisher in irgendeiner deutschen Ausschreibung gesehen habe. Selbst eine jährliche erfolgsabhängige Bonuszahlung gibt's – das Thema führt im Gespräch unter Kollegen in Deutschland meiner Erfahrung nach nur zu sarkastischen Lachern. Dabei arbeitet man auf Augenhöhe mit Designern, die zuvor an Spielen wie Rainbow Six: Siege, GTA, dem Tomb-Raider-Reboot und Halo Wars 2 gearbeitet haben.
Unter diesen Voraussetzungen ist es leider kein Wunder, dass viele der deutschen Spiele-Industrie den Rücken kehren. Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gewagt und mich nicht unter Wert verkauft habe. Da du ein bisschen dazu beigetragen hast, mir zu zeigen, dass ich eigentlich alles mitbringe, was nötig ist, an dieser Stelle auch an dich nochmal ein Dank dafür!