@Axel: Ich stimme dir in so vielen Wertungen zu, allein die Schlüsse die du daraus ziehst kann ich nicht so stehen lassen. Sie sind imo nicht nur teilweise widersprüchlich, sondern eben auch an der Sache vorbei. Auch geht es zu sehr an dem vorbei, was ich gesagt habe. Und dabei ist die Tatsache irrelevant, dass ich ebenso "ost-sozialisiert" bin. Deswegen hier noch mal die Highlights.
Konsens ist gut und anstrebenswert. Wirst du nur durch ein Muss niemals erreichen. Autonomie ist ein menschliches Grundbedürfnis, Reaktanz und Wut häufig die emotionale Folge wenn du sie antastest. Gesetz ist nicht gleich Konsens. Es kann höchstens dazu führen, ihn zu befördern, durch mehr Akzeptanz. Ich glaube auch weder dass sich in anderen Ländern niemand beschwert über Tempolimits (im Gegenteil, wie oft ich mir das von US Kollegen anhören musste wie geil das doch sein muss, hier zu rasen, obgleich ich ein Befürworter des Tempolimits bin), genauso glaube ich das uns falsche bzw.
vorgeschobene Verwendungen des Freiheitsbegriffs in interessensgeleiteten Debatten hier weiterhelfen. (i.e., vorgeschoben sind sie insofern als die politischen Rufe nach mehr Freiheit in punkto Tempolimit nicht wirklich die Freiheit des Einzelnen zum Ziel oder Inhalt haben, dann müsste man die Debatte ja viel tiefer und breiter führen, sondern offenkundig die Freiheit bzw. Interessen der Automobilindustrie, die immernoch auf Übermotorisierung als Verkaufsargument setzt). Im übrigen ist vollkommener Konsens auch gar nicht gut bzw. für eine Gruppe erstrebenswert, siehe unten.
Absolutismus hat hier ebenfalls niemand mit der Existenz von Regeln und Gesetzen gleichgesetzt, im Gegenteil, ich und andere habe versucht an dem Beispiel aufzuzeigen dass hier mit Extremen hantiert wird, die ebenfalls weder hilfreich sind, noch realistisch.
Das Eigenverantwortung zum Teil auch als Feigenblatt für egoistisches Verhalten herangezogen wird, bzw. dieses ermöglicht, liegt in der Natur der Sache und gehört zu den Kosten der Freiheit. Die Menschen werden aber auch nicht automatisch weniger egoistisch wenn du ihnen Freiheit nimmst, dafür musst du nur mal einen Blick in die Ellbogengesellschaft der Chinesen werfen. Und eine "gesunde" Portion Egoismus ist uns von der Natur bzw. der Evolution nun mal mitgegeben, die hat auch ihre Berechtigung. Beispielsweise sogar auch, um zu viel Konsens (siehe oben) in Gruppen zu verhindern. Gruppen die nämlich nur auf Konsens basieren, sind auf Dauer recht un-adaptiv, da verbohrt, borniert und verschlossen gegenüber neuen oder abweichenden Meinungen und Fakten. Ergo, zu viel Konsenz macht dumm und träge, sozial gesehen.
Deine Beispiele für die Grenzen von Eigenverantwortung und Kontrolle sind an sich richtig, aber in dem Kontext treffen sie weder die vorher von uns/mir propagierte
relative Freiheit. Außerdem beißt es sich logisch mit deinem Tempolimit-Beispiel, denn wenn ich nicht verantwortlich bin dafür, wenn ich eine Unfall habe, warum dann Egoismus einschränken und Tempolimits einführen?
Bin mir sicher, dass du es eigentlich anders meinst, weiß aber nicht wie genau.
Letztlich tust du hier ebenfalls ein Extrem als Strohmann pushen, nämlich die irrige Annahme dass man zu 100% Kontrolle über seine Leben und unbedingten freien Willen besäße. Das wiederum würden Early und ich, und ich bin sicher die meisten anderen Freunde von "Eigenverantwortung", aber ebenfalls als unsinnig abtun. Es geht um eine relative Möglichkeit der Einflussnahme, die real exisitiert (ich kann durch meine Entscheidungen schon ein stückweit mitbestimmen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, Opfer eines Unfalls oder einer bestimmten Erkrankung wie Diabetes und anderes, zu werden. Diese Mitbestimmung muss man imo den Leuten geben, und wo sie dazu die Fähigkeit nicht haben, versuchen sie kompetenter zu machen. Das alles im Rahmen sinnvoller, aber nicht komplett einengender, Gesetze und Normen.
Und um auf die Depression zurückzukommen, wobei ich die angegebene Lebenszeitprävalenz für
stark übertrieben halte bzw. gerne eine Quelle dazu sehen würde, auch hier gibt es noch Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit. Sie ist stark eingeschränkt, klar, daher bedarf es Schutz und Fürsorge. Aber gerade diese Fürsorge, in Gestalt einer guten, effektiven Therapie, hilft doch dann wieder diese Befähigung zur Eigenverantwortung aufzubauen. Imo ist dass sogar das Ziel jeder guten Therapie - Hilfe zur Selbsthilfe - also Eigenverantwortung als Langzeitziel.
Ansonsten könnten wir die psychisch Kranken ja auch einfach wieder wegsperren und mit Pharmaka "verwalten" wie es früher leider mal der Fall war...