Nachtfischer hat geschrieben: ↑19. Feb 2019, 10:39
Wenn ich nicht mehr vom Spiel her komme, sondern vom Geschäftsmodell, dann bin ich im Grunde kein Spielemacher mehr (obwohl ich so tue als ob), sondern Abzocker.
Gut, der Vorwurf, vom Geschäftsmodell her zu kommen, ließe sich sicherlich an viele "Kunst"schaffende richten, seien es nun die Entwickler von Apex Legends oder die Leute, die an der Herstellung von drei bis vier Marvelfilmen pro Jahr beteiligt sind. Da trifft dann Lebensrealität auf Ideal, denn am Ende wollen alle ihr Haus abbezahlen und mit der Familie in den Urlaub - und dieser Wunsch ist nur fair.
Dennoch - und da sind wir uns ja im Prinzip einig - besteht der Unterschied halt darin, ob der Kern der Monetarisierung bereits in der Spielmechanik angelegt sein muss oder nicht. Gewisse Dinge kann F2P und GaaS schlicht nicht abbilden: Ein Edith Finch ist mit F2P nicht möglich. Generell sind Spiele mit Anfang und Ende mit F2P nicht möglich. Story wird zwar oft pro forma versucht, aber seien wir mal ehrlich: Die Ansprüche des Geschäftsmodells so eines F2P/GaaS-Titels unterscheiden sich MASSIV von den Ansprüchen einer Story. Während F2P/GaaS schon strukturell darauf setzt, möglichst viel (und damit beliebigen) Content zu haben, gilt es bei Geschichten, alles wegzulassen, was nicht direkt zur Geschichte beiträgt. Damit existieren da ein unvereinbarer Zielkonflikt - und natürlich gewinnt dann am Ende des Geschäftsmodell.
In frühen MMORPGs konnte man zumindest noch erahnen, dass hinter dem Produkt ein Team mit einer echten Vision stand. Selbstverständlich sind gerade bei MMORPGs viele Entscheidungen darauf zurückzuführen, dass der Spieler monatlich Gebühren entrichtet - gleichzeitig passte das aber auch zur Vision: Ein weites Land zu erforschen, die epische Heldenreise, das gemeinsame Bestehen von Abenteuern und das Finden von Schätzen sind zentrale Elemente des Fantasy- und Rollenspielgenres, ob offline oder online, ob digital oder analog, ob Buch, Film oder Spiel. Hier kann man zumindest etwas wie kreative Kohärenz ausmachen, wie künstlerische Integrität, denn Geschäftsmodell und Vision überschneiden sich zu weiten Teilen.
Anders GaaS: Denn mittlerweile muss man ja auch alles Solo spielen können. Wenn man den Spieler dazu verpflichtet, sich dauerhaft mit anderen zusammenzuschließen, könnte das Kundschaft kosten: Ergo hat man pro Forma noch die Onlinewelt, in der aber das Motto "Alles kann, nichts muss gilt". Und plötzlich vereint man die Nachteile von Online und Offline, von Solo und Koop, ohne aber auch ihre Vorteile zu erhalten. Die Stories sind Blödsinn, das Gameplay repetitiv und abwechslungsarm, die Welt statisch und der Grind hoch. Gleichzeitig verkommen aber auch die Mitspieler lediglich zu gesichtslose Handlanger, die man sich nach belieben herbei beschwört, damit sie einem zur nächsten als Bossgegner getarnten Piñata verhelfen. Soziale Interaktion gilt in aktuellen MMOs eher als Störfaktor, der Zeit kostet. Wenn es irgendwie geht, spielt man besser alleine. Alibihalber existieren dann so Dinge wie Events, in denen dann ein halbes Dutzend Spieler via Ping zur selben Stelle auf der Karte gelockt werden, in denen sie stumm nebeneinander her spielen. Und an der Stelle hat dann endgültig das Geschäftsmodell gewonnen. Kann mir niemand erzählen, dass das die große Vision der Gamedesigner war, als sie als Kind davon geträumt haben, Zelda mit anderen spielen zu können.
Und natürlich mag es auch in Destiny davon Ausnahmen geben, es gibt Leute, die in festen Gruppen raiden, aber da muss man sich mal ernsthaft überlegen, welchen Teil des Spiels dieser Aspekt wirklich ausmacht, auf die Menge an Content gesehen, und wie hoch der Prozentsatz der Leute ist, die sich tatsächlich daran beteiligen - meine Schätzung zu beiden Fragen: Verschwindend gering. Für mich wirkt das eher als Feigenblatt, um den Onlinecharakter und damit die Spielstruktur zu legitimieren.