Stuttgarter hat geschrieben: ↑20. Feb 2019, 14:04
Achtung, Vergleich an extrem viel Krücken: Es gibt Cafés, die jedem Kunden die Möglichkeit anbieten, doppelt soviel für das eigene Getränk zu bezahlen und damit ein zusätzliches Getränk für irgendjemand zu bezahlen, der es sich nicht leisten kann. Das Café vermerkt das bezahlte Getränk - und Stunden später bekommt es dann irgend jemand, ohne, dass sich Geber und Empfänger auch nur begegnen würden. Grundsätzlich ist mensch also nicht immer egoistisch.
Zum eigentlichen Thema: Bei F2P seh ich
den Teil als tatsächlich unproblematisch an, da ja niemand geschädigt wird. Es ist richtig, dass das Geschäftsmodell tot wäre, wenn sich niemand kosmetische Items, XP etc kaufen würde. Das sagt ja aber nix drüber aus, ob das System an und für sich fair ist. Solange es sich wirklich um keine spielrelevanten. nur käuflich erhältlichen Vorteile handelt, solange ist niemand geschädigt. Der eine hat die Wahl, ob er Geld reinsteckt, wenn er es sich leisten kann - der andere hat die Wahl, ob er das Spiel weiterspielen will, wenn er es sich nicht leisten kann, das Spiel dadurch aber ne Qual wird. Ich wüsste nicht, was daran unfair sein soll - "Star Wars" auf meiner Bluray wird ja auch nicht deshalb schlechter bzw. mein Kauf dadurch unfair, weil ich weiß, dass ein anderer sich den Film auf einer Leihbluray aus der Bibliothek anschaut? Und DER Vergleich ist gar nicht so hinkend - wenn die Bluray erscheint, geh ich am Erscheinungstag zu einem Elektronikmarkt, zahle vermutlich 18 Euro, schau den Film am gleichen Abend. Bei der Bibliotheksversion dauert es erstmal paar Wochen, bis die überhaupt ausleihbar ist, und dann muss ich warten, bis ich sie tatsächlich selbst ausleihen kann. Entweder, weil sie dauernd weg ist - oder, weil ich zwar vorbestellen kann, aber dann an siebter Stelle oder so stehe.
Ich verstehe schon, worauf du hinauswillst, muss aber gleich mehrere Einwände erheben:
1) Ich kenne das Konzept solcher Cafés, aber der gravierende Unterschied ist, dass ich in diesem Fall genau weiß, dass ich mit dem von mir gezahlten Betrag jemand anderen fördere, der sich den Kaffee selbst nicht leisten kann. Ich kann also eine informierte Entscheidung treffen, das zu tun, oder auch nicht, oder eben ein anderes Café zu wählen. Ich ziehe stark in Zweifel, ob das der durchschnittliche Kunde im Ingamestore eines x-beliebigen Spiels aus dieser Warte betrachtet oder sich auch nur einen Kopf darum macht. Die schicke Rüstung, die er sich da kauft, kauft er für sich allein, weil er sie haben will, und nicht in dem Wissen oder aus der Motivation heraus, damit anderen, "ärmeren" oder schlicht zahlungsunwilligen Spielern ihr Game querzufinanzieren (und ich bezweifle ehrlich gesagt sogar, dass er das tun wollte, wenn er es wüsste). Um dein Beispiel auf den F2P-Markt anwendbar zu machen, müsste man im Ingamestore einen Hinweis bekommen, dass man mit seinem Kauf dafür sorgt, dass andere Spieler das Game umsonst zocken können - und eben den erhält man aus gutem Grund nicht...
2) Ich bin überzeugt, dass viele (vielleicht sogar die meisten) Spieler - wie ich - nicht deswegen keine Ingamekäufe tätigen, weil sie es sich nicht leisten könnten, sondern weil sie das schlicht ablehnen oder als unnötig empfinden. So gesehen sehe ich in diesem System auch keinen, wenn man so will, "sozialen" Nutzen.
3) Wenn das Spiel durch den Verzicht auf Ingamekäufe "zur Qual wird", dann ist das sogar noch schlimmer, weil es die Spieler sogar NÖTIGT, Geld auszugeben (für etwas, das laut Definition vorgibt, gratis zu sein). Und da wären wir wieder an dem von Andre und Jochen wiederholt und zu Recht kritisierten Punkt, dass der Entwickler das Spiel für ALLE schlechter macht, um wenige zum Zahlen zu verleiten. (Im Übrigen, behauptete Teut nicht, dass solche Spiele gar nicht überleben könnten? Auch so eine Aussage, die der Realität bestenfalls eingeschränkt standhält...)
4) Dein Vergleich mit der Star Wars Bluray ist treffend, aber für einen anderen Punkt, nämlich die Frage (gerne auch von Jochen aufgeworfen), warum so viele Leute ein Spiel um teures Geld direkt zu Release kaufen, und dann vielleicht auch noch einen Season Pass dazu. So wie der Film wird auch das Spiel nicht schlechter (sondern durch Patches oder zusätzlichen Content eventuell sogar besser), wenn man ein paar Monate zuwartet. Der springende Punkt ist aber: auch hier kann der Kunde eine informierte Entscheidung treffen (wenn er nicht gerade zu denen gehört, die man - wie Andre unlängst so schön formulierte - "gestern erst mit einem Kanten Brot vom Baum gelockt hat"), nämlich entweder gleich zuzuschlagen, auf eine Preisreduktion zu warten (die heutzutage oft keine 2 Monate auf sich warten lässt), oder aber die bei großen Produktionen vorprogrammierte GOTY Edition abzuwarten. Das hat mit Geduld und Impulskontrolle zu tun, nicht aber damit, ob jemand anderer von meinem Investment profitiert.
Was ich mit Fairness meine ist also, dass entweder jeder für sein Spiel etwas bezahlen soll, oder aber niemand. Und wenn ich schon durch mein Investment jemand anderem das seine erspare, dann möchte ich das zumindest wissentlich und freiwillig entscheiden können. Bei F2P wie es heute existiert ist also "umsonst" nur für den wirklich umsonst, der zu arm, zu leidensfähig oder zu schlau ist, um Geld auszugeben. Alle anderen sind quasi die Melkkühe, von denen die "Gratisgesellschaft" lebt. Und mich erstaunt ehrlich gesagt, dass ich bei allem Gezeter um F2P-Mechaniken diesen Aspekt wirklich noch nirgendwo erwähnt gehört habe...