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Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 13:18
von NeverDieTwice
Für mich persönlich war das der spannendste / spaßigste Sonntagspodcast seit langem. Der Anfang war etwas schwergängig, auch weil der Herr Weidemann zum einen ein geübter Redner zu sein scheint und zum anderen eine sehr aggressive Gesprächstaktik fährt, der man als Gastgeber zumindest anfangs eher ungern Kontra bietet. Da befürchtete ich schon der Gast redet Jochen und Andre gegen die Wand, da fing Jochen im dritten Akt endlich an es ihm gleichzutun - fantastisch. Das Andre dabei der gute Cop geblieben ist war meiner Ansicht nach taktisch auch wertvoll - selbst wenn das ganze eher aus der Situation heraus geboren wurde. Ansonsten läuft das ganze wie bei Interviews mit Serdar Somuncu, der ein zu geringes Maß an Selbstkontrolle hat, wenn er mit seiner Sprachgewalt loslegt und die Gäste schon fast aus dem Studio flüchten lässt - eine gesunde Grundnettigkeit ist mir da lieber.

Herr Weidemann ist kein Kundenberater
Der Herr Weidemann ist mir auch sehr sympatisch. Der Mann bekommt von Unternehmen Geld dafür, das er Sie berät wie man am besten Kunden melkt, ohne das die Kunden es mitbekommen (wollen). Ob solche Berater im Free2Play Bereich auftreten oder in klassischeren Spielesegmenten ist letztlich egal. Das Unternehmen möchte für dreistellige Stundenhonorare (aus der Luft gegriffen, aber für mich wäre ein Herr Weidemann das Wert) auch keine Grundsatzdiskussionen führen, ob das ethisch alles vertretbar ist, sondern die Zukunft ihrer eigenen Unternehmung sichern. Das in der Branche mit martialischen Gleichnissen wie der Waljagd um sich geschmissen wird, ist für mich nicht mehr verwunderlich, als die recht peinlichen Angriffs-Brandbriefe, oft als Mitarbeitermotivation gebraucht, die man sonst von großen Unternehmen liest.

Weniger interessante Frage
Ob das die Zukunft ist, war für mich auch eine eher weniger packende Frage, als die persönliche Einstellung des Herrn Weidemann zu dem Thema. Wie so oft in der Wirklichkeit wird es vermutlich auf ein Mittelding hinauslaufen: klassische Spiele ab 60€+ mit kleineren Free2Play Elementen, und reine Free2Play Titel mit entsprechend ausgefalleneren Kundenabschöpfungsmethoden.

Interessante theoretische Parallelen
Aus reiner BWL theoretischer Sicht hat Free2Play auch sehr schöne Implikationen, da man argumentieren könnte, die sogenannte Konsumentenrente wird hier vollkommen abgeschöpft.
Sagen wir unser Spiel kostet 50€, nun werden wir alle Kunden abgreifen können, die bereit gewesen wären exakt 50€ für ein Spiel zu bezahlen. Darüber hinaus haben wir natürlich auch die Kunden bekommen, die bereit gewesen wären mehr als 50€ für das Spiel zu bezahlen. Im Normalfall hätten jetzt also z.B. alle Kunden die bereit gewesen wären 60€ zu zahlen, 10€ Konsumentenrente "gespart", da das Spiel nun mal nur 50€ kostet. Jetzt hört unser schönes Pay2Play Spiel aber nicht auf. Wir verkaufen zum Beispiel Exp Booster, Waffen, Ausrüstung oder ähnliches. Die 10€, die die Leute nun vorher gespart haben, werden Sie vermutlich auch noch ausgeben, um im Spiel irgendeinen Mist zu bekommen. Das wird nicht bei allen funktionieren und auch nicht immer aber von der Grundidee ist das doch fantastisch aus Unternehmenssicht. Wir verlieren kein Geld gleich wie hoch oder niedrig wir den Preis ansetzen, denn die Denkweise der Leute wird häufig sein: "Ja gut, das Spiel war so günstig. Jetzt kauf ich mir eben noch dieses schöne Schwert.". Haben Kunden vorher mehr gespart beim Kaufpreis, werden Sie vermutlich entsprechend mehr für die Zusatzausrüstung ausgeben und umgekehrt. Als Bonus obendrauf greifen wir nun einen zusätzlichen Kundenstamm ab, nämlich alle Leute die bereit gewesen wären bis zu 49,99€ für das Spiel zu bezahlen, sich das Spiel als normalen Vollpreistitel also nicht geholt hätten. Diese haben nun die Chance einen geringeren oder gar nicht vorhandenen Kaufpreis zu bezahlen und vermutlich werden einige davon noch Zusatzitems aus dem Shop kaufen, bis ihre persönliche Schmerzschwelle z.B. 49,99€ für dieses Gesamtprodukt erreicht ist. Damit haben wir die Zahl unserer Kunden maximiert (nämlich alle, die überhaupt Interesse hätten das zu spielen), das was wir aus jedem einzelnen Kunden herausholen können, haben wir so in jedem Fall maximiert (da schier unbegrenzt dank Itemshops) und das was der Kunde bei uns sparen (möchte) effektiv minimiert.
BildDas Bild frech geklaut von Wikipedia CC https://de.wikipedia.org/wiki/Konsumentenrente

Ein viel greifbareres Beispiel zum Thema Free2Play
Da die Kunden, die aber nicht zusätzlich zahlen wollen dies nicht tun werden, könnte man argumentieren, das diese Kunden nicht den Zugang zum gesamten Spiel / Produkt innehaben. Das Argument das Sie sich das zeitverzögert selbst erspielen können, halte ich in diesem Zusammenhang für haltlos. Das ganze Thema ist sehr komplex und ein einfacheres Beispiel, hilft mir vielleicht selbst auch meine Gedanken zu dem Thema zu ordnen. Zudem kann man beim Thema Spiele immer sagen: "Gut, ist halt nur ein Unterhaltungsprodukt". Um dieser Gedankenträgheit vorzubeugen nun ein Wirtschaftszweig der uns Deutschen an die Nieren geht: Ein Brötchen beim Bäcker das ich für 30 Cent kaufe, möchte ich ja auch sofort haben. Das ich nun 10 Minuten warten muss, während andere für weitere 10 Cent direkt Zugang zu diesem Brötchen bekommen, ist aus meiner eigenen Kundensicht absolut widerlich und gilt es bis zum Tag des jüngsten Gerichts abzulehnen. Schlimmer noch bei Exklusivinhalten: Ich erhalte für 30 Cent nun ein Brötchen das in irgendeiner Art und Weise unzulänglich ist, wie z.B. das es etwas zu früh aus dem Ofen genommen wird und der Teig nicht völlig gar ist. Jetzt kann ich 10 Cent zusätzlich bezahlen und erhalte direkten Zugang zu meinem halbgaren Brötchen oder aber zahle 1,20€ für ein Premium Brötchen das absolut gar ist und ansonsten auch den State of the Art Anforderungen der Gesellschaft entspricht wie ein Brötchen auszusehen hat. Natürlich werde ich, wenn ich es mir auch nur irgendwie leisten kann, nun dieses teurere Brötchen an der Ladentheke bestellen, alleine schon um mein Gesicht vor den anderen Kunden die dort stehen zu wahren. Das dabei Spielewelten in ähnlicher Art und Weise gesellschaftliche Strukturen und damit auch Druck aufbauen können, wie Sie in einer Bäckerei entstehen, sollte mittlerweile ja unstrittig sein. Kaufe ich mir ein günstiges Brötchen gestehe ich finanzielles, man könnte auch sagen, gesellschaftliches Versagen ein. Spiele ich Free 2 Play spiele und laufe in der Spielwelt nur mit dem kostenlosen Loot rum, passiert das Gleiche. Das ich bei Free2Play-Spielen vom Bäcker gesagt bekomme, das ich nur lange genug an der Ladentheke stehen muss um irgendwann ein 30 Cent Brötchen zu bekommen, hinterlässt mich im Übrigen ebenso gedemütigt, wie unzufrieden. Sollte der Bäcker jetzt auch noch für 1,20€ lediglich Lose an alle aushändigen um die Chance zu bekommen ein vollwertiges Brötchen zu erhalten oder aber Alternativ für 120€ (Counter-Strike Global Offensive Skins z.B.) eine 100% Chance auf ein Vollkornbrötchen zu erhalten, würde vermutlich direkt die Polizei gerufen.

Weidemanns Verantwortung
Jetzt ist der Herr Weidemann kein Bäcker, aber als jemand der dem Bäcker sagen würde, mach schlechtere Brötchen und bessere Brötchen fand ich im Besonderen die Frage von Jochen, inwiefern er seine eigene Verantwortung als Streiter für Free2Play sieht grandios und sehr entlarvend. Den Schuh wollte sich der Gast nicht anziehen und hat ausweichend argumentiert. Das ist keine direkte Antwort auf die Frage, aber nun könnte man meinen: entweder Er hat darüber lange nicht mehr wirklich reflektiert (meine präferierte Antwort; der Mann muss schließlich auch Geld verdienen) oder aber Er stimmt Jochens kritischer Haltung ggü. seinem Geschäftsmodell im Grunde zu, möchte diese aber verständlicherweise nicht öffentlich eingestehen.

Brötchen as a Service
Sein Argument, das Free2Play Spiele über einen längeren Zeitraum besser werden ist auch interessant. Nun fängt das Brötchenbeispiel an zu hinken aber machen wir mal spaßeshalber weiter: Der Bäcker schwört bei dem Leben seiner Mutter, das sowohl das 1,20€ Brötchen und das 30 Cent Brötchen, weiter verbessert werden, während Sie bei mir gelagert und verzehrt werden. Da kommen noch Streusel drauf, verziert, eventuell bekommt das 30 Cent Brötchen sogar nochmal 1 Minute mehr Backzeit sodass nur noch ganz wenig roher Teig drinsteckt. Dafür soll ich mir aber weiterhin sein doofes Brötchen anschauen, mich damit inhaltlich beschäftigen, zwischendurch beim Bäcker vielleicht sogar vorbeischauen um ihm Daten darüber zu geben, wie ich das Brötchen verwende... Meiner Meinung nach bringt es das alles nicht.
Erstens sind meine Nutzungsdaten über das Brötchen und meine Lebenszeit viel mehr Wert als alles was er dort an Gegenwert / Arbeit jemals reinstecken könnte, selbst wenn er ein ganzes Bäckerteam dafür auffährt.
Zweitens hätte ich vor 10 Jahren ein Brötchen in der State of the Art Qualität haben können, das mich direkt beim Kauf schon befriedigt zurücklässt. Ich hätte weder Streusel noch Verzierungen gebraucht, ebenso hätte ich mir keiner gesellschaftlichen Inadequanz im Augenblick des Kaufs eines günstigen Brötchens bewusst sein müssen.

Vielleicht bin ich da auch zu verwirrt. In jedem Fall viel Stoff zum Nachdenken auch über die Grenzen des Spielekosmos hinaus. Danke dafür an alle 3 Podcaster!

PS: Die Konsumentenrente habe ich an der Stelle etwas "vergewaltigt". Klassisch geht es dort eher um Konsumgüter, die mehrfach erworben werden können, in denen dann ein Gleichgewichtspreis Preis gebildet wird, der aus Unternehmenssicht optimal ist, etc, etc.. Stellt euch die X Achse stattdessen als Auflistung aller potentiellen Käufer des Spiels vor, dann wird die Grafik auch praktisch mal nützlich für irgendwas.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 13:46
von Rince81
Ich mag den Brötchen Vergleich. Toll.

Ich habe für mich gemerkt, das freetoplay für mich nicht funktioniert. Ich möchte a) ein vollständiges Produkt und dieses b) auch abschließen können. Kann ich bei Freetoplay beides nicht ohne ohne Ende Geld zu versenken. Dabei konnte ich mit einem Titel, der einen integrierten Deckel hat Leben. Einmal zahlen für Werbefreiheit z.b., sowas ging früher, heute hat man gemerkt, dass man mehr verdient, wenn man Werbefreiheit als Aboperk bietet. Oder bei einer Ausgabe von 80€ bekommt man alles Content. Ich habe es probiert, sowohl bei Simpsons Tapped Out Und bei Nintendos Fire Emblem. Macht Spaß und ich wäre grundsätzlich auch bereit Geld zu bezahlen. Habe in beide Titel ca. 5€ gesteckt, dann würde aber jeweils klar, dass die Titel bei meiner Komplettierungsspielweise nur gehen, wenn ich laufend Geld rein werfe und ich habe sie deinstalliert...

Zu kurz kam mir der Ansatz, dass Freetoplay immer zu einer schlechteren Spielerfahrung führt, da hat es dich Teut imho zu einfach gemacht, das auf schlechtes Design zu schieben, dabei funktioniert die hingehaltene Karotte nur so...

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 13:58
von Early
Numfuddle hat geschrieben: 18. Feb 2019, 11:28 Ich schon, weil Sportwetten und Spielautomaten Casinos auch signifikant am Elend und der Sucht anderer Leute verdienen und das in ihr Geschäftsmodell einbauen.
Die Menschen werden allerdings durch nichts gezwungen und können selbst darüber entscheiden. Zigaretten, ungesundes Essen - da gibt's viele Produkte, mit denen man moralische Probleme haben kann. Trotzdem ist es wichtig, dass man den Menschen ihre Freiheiten lässt, auch sich selbst schädigen zu können.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 14:10
von Stuttgarter
Early hat geschrieben: 18. Feb 2019, 13:58
Die Menschen werden allerdings durch nichts gezwungen und können selbst darüber entscheiden. Zigaretten, ungesundes Essen - da gibt's viele Produkte, mit denen man moralische Probleme haben kann. Trotzdem ist es wichtig, dass man den Menschen ihre Freiheiten lässt, auch sich selbst schädigen zu können.
Nur ist dieses Argument halt letztlich - mit Verlaub - falsch. Jeder Staat schränkt die Freiheiten des Individuums ein, auch zum Schutz vor sich selbst. Das fängt mit dem verpflichtenden Sicherheitsgurt an und hört beim Verbot von Heroin auf. Der Staat entscheidet letzlich ziemlich willkürlich, wo er dem einzelnen Freiheit überlässt und wo er ihn vor sich selbst schützt. Die zynische Sichtweise wäre, dass um so mehr Freiheit erlaubt wird, je mehr Geld damit erwirtschaftet wird. Egal ob jetzt Glücksspiel oder legale Drogen wie Alkohol und Zigaretten. Von Größe/Einfluss der entsprechenden Lobby gar nicht erst zu reden.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 14:11
von Nachtfischer
Early hat geschrieben: 18. Feb 2019, 13:58
Numfuddle hat geschrieben: 18. Feb 2019, 11:28 Ich schon, weil Sportwetten und Spielautomaten Casinos auch signifikant am Elend und der Sucht anderer Leute verdienen und das in ihr Geschäftsmodell einbauen.
Die Menschen werden allerdings durch nichts gezwungen und können selbst darüber entscheiden. Zigaretten, ungesundes Essen - da gibt's viele Produkte, mit denen man moralische Probleme haben kann. Trotzdem ist es wichtig, dass man den Menschen ihre Freiheiten lässt, auch sich selbst schädigen zu können.
Das schon, aber wir sind wie gesagt ja in der Wahrnehmung nicht mal konsequent an dem Punkt, dass wir diese Titel bzw. Systeme grundsätzlich als (potenziell) schädlich wahrnehmen würden. Da schwimmen Burger und Gemüse einfach im selben Topf. Freiheit schön und gut, aber möglichst für aufgeklärte Entscheider.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 14:24
von derFuchsi
Hihi ich mag den Brötchenvergleich. :clap:

Zum Podcast-Diskussion Glücksspiel/Lootboxen/World of Warcraft muss ich allerdings Teut irgendwo auch Recht geben. WoW hat es zu seinen Hochzeiten zu einigem traurigen Ruhm gebracht als immer wieder Geschichten von gescheiterten Existenten hochkamen die ihre Schule/Arbeit/Familie aufgaben bzw verloren weil sie vom Spiel nicht mehr los kamen. Und das noch ohne Glücksspiel-Lootboxen. Mit ein Grund warum ich das Spiel nie angefasst habe (Neben der Tatsache dass ich monatliche Abo-Modelle noch nie sonderlich mochte). Das Argument hat Jochen dann aber kurz beiseite gewischt.

Eine generelle Frage zum Thema Glücksspiel. Glücksspiel ist also wenn man gegen Einsatz von Echtgeld einen zufällig ausgewählten Gegenwert bekommt. In der Argumentation von Teut kam aber dann dass es die Lootboxen ja auch kostenlos gäbe und man nur per Geld die Frequenz erhöhe.
Wäre Lotto also kein Glücksspiel mehr wenn man nach der Online-Anmeldung regelmäßig kostenlose Lottoscheine bekäme? :think:

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 14:29
von Early
Stuttgarter hat geschrieben: 18. Feb 2019, 14:10
Early hat geschrieben: 18. Feb 2019, 13:58
Die Menschen werden allerdings durch nichts gezwungen und können selbst darüber entscheiden. Zigaretten, ungesundes Essen - da gibt's viele Produkte, mit denen man moralische Probleme haben kann. Trotzdem ist es wichtig, dass man den Menschen ihre Freiheiten lässt, auch sich selbst schädigen zu können.
Nur ist dieses Argument halt letztlich - mit Verlaub - falsch. Jeder Staat schränkt die Freiheiten des Individuums ein, auch zum Schutz vor sich selbst. Das fängt mit dem verpflichtenden Sicherheitsgurt an und hört beim Verbot von Heroin auf. Der Staat entscheidet letzlich ziemlich willkürlich, wo er dem einzelnen Freiheit überlässt und wo er ihn vor sich selbst schützt. Die zynische Sichtweise wäre, dass um so mehr Freiheit erlaubt wird, je mehr Geld damit erwirtschaftet wird. Egal ob jetzt Glücksspiel oder legale Drogen wie Alkohol und Zigaretten. Von Größe/Einfluss der entsprechenden Lobby gar nicht erst zu reden.
Nicht wirklich. Da geht's mehr um die politische Realität, weil die Bevölkerung derartige Verbote nicht gut heißen würde. Alkohol und Zigaretten wären beispielsweise einfach politisch nicht durchsetzbar.

Auch das Glücksspiel wäre wohl zu stark. Mal ganz davon abgesehen, dass in der heutigen Zeit das Glücksspiel dann komplett auf dubiosen Online-Seiten mit Sitz in Sibirien oder irgendwelchen abgewickelt werden würde, wo man überhaupt keine Kontrollmöglichkeiten mehr hat.

Das ist keine willkürliche Entscheidung des Staates, sondern eine Entscheidung, die der moralischen Sichtweise der Gesellschaft entwächst. Deshalb tut man sich da bei neuen Sachen wie Lootboxen auch mit Verboten leichter - denn vor neuen, unbekannten Sachen haben die Menschen eher Angst als vor altbekannten Dingen wie Alkohol oder Zigaretten. Dementsprechend leichter ist es, diese Dinge politisch zu verbieten.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 14:31
von Early
Nachtfischer hat geschrieben: 18. Feb 2019, 14:11
Early hat geschrieben: 18. Feb 2019, 13:58
Numfuddle hat geschrieben: 18. Feb 2019, 11:28 Ich schon, weil Sportwetten und Spielautomaten Casinos auch signifikant am Elend und der Sucht anderer Leute verdienen und das in ihr Geschäftsmodell einbauen.
Die Menschen werden allerdings durch nichts gezwungen und können selbst darüber entscheiden. Zigaretten, ungesundes Essen - da gibt's viele Produkte, mit denen man moralische Probleme haben kann. Trotzdem ist es wichtig, dass man den Menschen ihre Freiheiten lässt, auch sich selbst schädigen zu können.
Das schon, aber wir sind wie gesagt ja in der Wahrnehmung nicht mal konsequent an dem Punkt, dass wir diese Titel bzw. Systeme grundsätzlich als (potenziell) schädlich wahrnehmen würden. Da schwimmen Burger und Gemüse einfach im selben Topf. Freiheit schön und gut, aber möglichst für aufgeklärte Entscheider.
Das stimmt. Allerdings hat's auch bei der Ernährung lange gedauert und viele Dinge haben sich bis heute noch nicht breitflächig durchsetzt. Ich bin mit einer Ernährungswissenschafterin verheiratet und die schüttelt zuhause oft genug den Kopf über zahlreiche Wissenslücken der Bevölkerung. ;)

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 14:38
von Andre Peschke
derFuchsi hat geschrieben: 18. Feb 2019, 14:24 Das Argument hat Jochen dann aber kurz beiseite gewischt.
Naja, das Argument ist ja auch in dem Moment einfach nicht zielführend. Die Prämisse dahinter war ja: "Bei WoW war's doch auch ok!" - und wie wir im Podcast an der Stelle auch gesagt haben: Es ist nicht klar, ob es ok ist/war. Es gab diesbezüglich keinen vergleichbaren Aufschrei, aber vielleicht weil wir alle weniger sensibilisiert waren und die Mechanik nicht derart offen zutage tritt.

Andre

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 15:43
von Flobaer
Nimlod hat geschrieben: 17. Feb 2019, 12:51 Interessante und anregende Folge, aber es war echt etwas anstrengend, dass Teut zu oft Jochen oder Andre vorzeitig abwürgt oder einfach dazwischenredet, dann einen minutenlangen Business-Monolog hält und am Ende die eigentlich aufgeworfene Frage nicht beantwortet.
Ja, als Redner war er wirklich anstrengend, insbesondere weil er auch ständig Sätze mit Formulierungen wie "Fakt ist, dass ..." und Ähnlichen begonnen hat, worauf natürlich nicht bewiesene Thesen folgten, was ihn nicht gerade sehr sympathisch macht. Solche Formulierungen werden ohnehin eher verwendet um rhetorisch zu dominieren und die Oberhand in einer Diskussion zu erlangen ohne tatsächlich stichhaltige Argumente vorbringen zu müssen. Zusammen mit den Unterbrechungen war das schon sehr unangenehm.
Nimlod hat geschrieben: 17. Feb 2019, 12:51 Davon abgesehen steht aber außer Frage, dass er gute Argumente gebracht hat und auch sehr kompetent rüberkommt.
Das sehe ich anders. Er hat zwar durch seinen Beruf (und seine Argumentationsstruktur) interessante Einblicke gewähren können aber viele seiner Argumente waren schon sehr grenzwertig, zum Beispiel seine Behauptung, dass Spiele gut seien wenn sie eine große Nutzerbasis haben, was natürlich absolut lächerlich ist, Jochen hat darauf ja auch kurz mit "dann müsste FOX News der qualitativste Fernsehsender sein" reagierte, was leider etwas unterging. RTL-Nachmittagsfernsehen, die beliebtesten Youtube-Kanäle oder Bücher-Bestseller (Twilight, 50 Shades of Grey) sind auch noch gute Beispiele. Man kann von der Anzahl der Konsumenten nicht auf die Qualität des Produkts schließen.
Vinter hat geschrieben: 17. Feb 2019, 14:05 Hab nun 25 Minuten gehört und Teut kommt mir vor wie ein Verkäufer.
Genau das habe ich mir auch gedacht. Das ist insbesondere bei Andres Frage danach, ob Spieleentwickler oder -Publisher ein Verantwortungsbewusstsein beziehungsweise Fürsorge für ihre Spieler haben, aufgefallen: Erst weicht er fünf Minuten lang aus um am Ende mit einer Gegenfrage zu antworten ("Was sollte denn ein Entwickler machen?"). Klassische Verkäufertaktik: unangenehmen Fragen ausweichen und keine "Fehler" zugeben, wie zum Beispiel ein Autoverkäufer, der dir nie den Preis nennen will, erst am Schluss wenn er dir das Fahrzeug schon schmackhaft gemacht hat. Eine neutrale Person hätte schlicht und einfach mit "Nein" oder "habe ich so nicht vermehrt beobachten können" geantwort aber er wirkt durch seine Argumentation und Rhetorik definitiv eher wie jemand, der seine Profession verteidigen beziehungsweise verkaufen will, was nicht schlimm ist aber es sollte einem Hörer dieser Folge definitiv bewusst sein, um seine Aussagen mit dem sprichwörtlichem englischen Sandkorn zu betrachten.
Vinter hat geschrieben: 17. Feb 2019, 14:59 2) Sämtliche Kritikpunkte an der Spielqualität werden mit "Das ist aber Fehler der Entwickler" abgeschmettert. Mit dem Totschlagargument brauchen wir die Diskussion nicht führen, denn dann gibt es keine systemimmanenten Fehler bei F2P, sondern immer nur Fehler bei der Implementierung - wie beim Kommunismus, quasi.
Ja, seine Position kann man zusammenfassen mit "Lootboxen/Mikrotransaktionen/F2P ist gut, vorausgesetzt, dass das zugrunde liegende Spiel gut ist". Hat der gute Herr denn schon mal in den Google Play Store geschaut? Solche Spiele existieren praktisch nicht, zumindest nicht in einer Menge, die es mir möglich machen, den Play Store zu nutzen. Dort ist Free-to-play nahezu gleichbedeutend mit "schlechtes Spiel", also einem Spiel, bei dem die Spielmechanik derart angepasst worden ist, dass man "motiviert" wird, Lootboxen zu erwerben beziehungsweise Mikrotransaktionen durchzuführen. Auf Konsolen/PC ist das zwar etwas besser aber dennoch behaupte ich: wenn 99 % aller Free-to-play-Spiele scheiße sind, dann ist seine Position bis zur Irrelevanz trivial. Hat er denn selber ausschließlich bei den qualitativen Free-to-play-Spielen mitgearbeitet, von denen es gefühlt maximal 10 Stück gibt?

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:01
von Terranigma
Nachtfischer hat geschrieben: 18. Feb 2019, 14:11Das schon, aber wir sind wie gesagt ja in der Wahrnehmung nicht mal konsequent an dem Punkt, dass wir diese Titel bzw. Systeme grundsätzlich als (potenziell) schädlich wahrnehmen würden. Da schwimmen Burger und Gemüse einfach im selben Topf. Freiheit schön und gut, aber möglichst für aufgeklärte Entscheider.
Da sehe ich allerdings nicht unbedingt die Anbieter in der Verantwortung, denn dass fettiges Essen bei McDonalds auf Dauer nicht die Grundlage für eine gesunde Ernährung legt, dass kann und sollte allgemein bekannt sein. Wenn jemand daher dennoch zu McDonalds geht, ist das dessen freie Entscheidung. Auch in allerlei anderen Lebensbereichen steht es dem Einzelnen frei, sich bewusst einer tatsächlichen oder potentiellen Schädigung auszusetzen, sei es Extremsport, Nacktbaden im Winter oder whatever. Die Verantwortung sehe ich da bei demjenigen, der dieses Angebot nutzt. Vorausgesetzt natürlich, wir reden von Erwachsenen und nicht Kindern und Jugendlichen.
Stuttgarter hat geschrieben: 18. Feb 2019, 14:10Nur ist dieses Argument halt letztlich - mit Verlaub - falsch. Jeder Staat schränkt die Freiheiten des Individuums ein, auch zum Schutz vor sich selbst. Das fängt mit dem verpflichtenden Sicherheitsgurt an und hört beim Verbot von Heroin auf. Der Staat entscheidet letzlich ziemlich willkürlich, wo er dem einzelnen Freiheit überlässt und wo er ihn vor sich selbst schützt. Die zynische Sichtweise wäre, dass um so mehr Freiheit erlaubt wird, je mehr Geld damit erwirtschaftet wird.
Sehe ich nicht so. Diese Verboten mögen wilkürlich erscheinen, aber sie wurden ja von verschiedenen Personen erlassen und nicht von dem Staat als eine Art lebende Entität. Natürlich schränkt der Staat die Freiheit von Personen ein, aber damit ist ja nicht gesagt, in welchen Fällen er dies tun soll. Der deutsche Staat verbietet nicht alles, was tatsächlich oder potentiell gefährlich ist. Daher ist der Hinweis auf Sicherheitsgurte kein Argument dafür, warum etwas Konkretes - z.B. Glücksspielmechaniken in Videospielen - verboten werden sollen. Es ist nur ein Argument dafür, dass die Möglichkeit besteht, solche Verbote zu erlassen. Eine Alternative zur zynischen Sichtweise wäre, dass von Verboten dort abgesehen wird, wo auch eine breite Öffentlichkeit davon nicht erfreut wäre. Ein komplettes Alkoholverbot würde natürlich der Alkoholindustrie schädigen, aber man kann ebenso davon ausgehen, dass auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung einem kompletten Alkoholverbot nicht zustimmen würden.


Grundsätzlich würde ich auch sagen, dass die Verantwortung für den eigenen Konsum zuerst beim Konsumenten liegt. Eben unter der Annahme, dass wir hier von Erwachsenen reden, die auch in anderen Lebensbereichen geschäftsfähig und für ihr Leben und ihre Entscheidungen verantwortlich sind. Dass es auch Fälle gibt, in denen Verbote zum Selbstschutz erlassen werden, sehe ich ebenfalls so; diese sollten allerdings eine Ausnahme sein, eben weil jedwede Freiheitsbeschränkung - ja, fettiges Essen bei McDonalds oder Lootboxen bei Overwatch kaufen zu wollen ist eine Freiheit - gut begründet sein sollte. Gibt wohl allerlei weichere Mechanismen, wie man Exzesse vermeiden kann, z.B. durch monatl. Maximalausgaben, o.Ä. Solche Möglichkeiten sollten genutzt werden, ehe man staatliche Verbote in Betracht zieht. Ich kann Teut da zumindest im Ansatz schon verstehen ...
Flobaer hat geschrieben: 18. Feb 2019, 15:43wenn 99 % aller Free-to-play-Spiele scheiße sind, dann ist seine Position bis zur Irrelevanz trivial.
Seine Position wäre wohl, dass diese Spiele dann aber aufgrund ihrer schlechten Qualität auch schnell wieder vom Markt fliegen, eben weil niemand scheiß Spiele spielen will. Wenn diese Spiele aber gespielt werden, so erfüllen sie für die Spieler wohl ihren Zweck: "Sie machen Spass." Andernfalls würde man sie nicht spielen.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:07
von Oliver Naujoks
NeverDieTwice hat geschrieben: 18. Feb 2019, 13:18Für mich persönlich war das der spannendste / spaßigste Sonntagspodcast seit langem.
Für mich auch. Um mal den Druck auf Euch zu erhöhen: Den müsst Ihr 2019 erstmal toppen! :P

Gerade das Spannungsfeld, dass Teut Weidemann ein eloquenter und kompetenter Gesprächspartner ist, der sein Anliegen leidenschaftlich vertritt einerseits und als Advokat für u.a. Lootboxen (also vulgo: Teufelswerk :) :shock: ) andererseits fungierte, machte die fast zwei Stunden höchst anregend und wirklich spannend.

Großes Tennis! Bitte gerne den jungen Mann in unregelmäßigen Abständen mal wieder einladen!

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:13
von Oliver Naujoks
Flobaer hat geschrieben: 18. Feb 2019, 15:43Hat er denn selber ausschließlich bei den qualitativen Free-to-play-Spielen mitgearbeitet, von denen es gefühlt maximal 10 Stück gibt?
Indeed, da hätte ich doch gerne mal seine persönliche Top-Liste als Empfehlungen gehört.

Ich habe den Podcast auf einer Dienstfahrt gehört und konnte mir mit Mühe und Not (man wird nicht jünger) merken, dass es wohl von einem Indie-Team eine PC-Variante von Shadow of the Colossus gibt; also "Praey for the Gods" (das hat wohl nix mit free-to-play zu tun) gleich mal auf meine Steam-Wunschliste gepackt.

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:26
von guep
Jetzt muss einfach mal eine einzige Erfahrung mit F2P schildern:

Mein einziger, längerer Kontakt zu F2P war 'Pokemon Go' im letzten Sommer. Ich habe grob geschätzt 60 Euro investiert, also ungefähr ein Vollpreisspiel und habe es ca. 2 Montate lang gespielt. Wo habe ich das Geld investiert? Nicht in neue Klamotten für den Trainer, sondern um künstliche Beschränkungen aufzuheben, die mich genervt haben: Stauraum. Der Platz für Pokemon und Items ist sehr stark begrenzt, sodass du entweder ständig dabei bist, zu sortieren und auszumisten, oder eben Geld ausgibst, damit du ein klein wenig mehr Platz erhältst, um das nervige Sortieren auf den Abend verlegen zu können. Und das Spiel ist so gemacht, dass du mit fortlaufender Spielzeit immer mehr Platz brauchst, weil du mehr Pokemons fängst. Ich denke es gibt auch absichtlich keine einfachen Hilfsmittel, um z.B. schlechte Pokemon auszusortieren.
Hat mir das Spiel Spaß gemacht? Ja, aber vor allem, weil ich mit anderen Leuten dieses Spiel gespielt habe, mit ihnen unterwegs war und somit der soziale Aspekt gewirkt hat.

Ich behaupte, ich hätte das Spiel in wesentlich besserer Erinnerung, wenn es diese F2P Mechanismen nicht gehabt hätte und es wäre auch das bessere Vollpreispiel geworden. Ich würde das Spiel auch nie wieder von vorne beginnen, was ich bei Vollpreisspielen durchaus gerne mache.

Was mich am Ende auch zum Aufhören bewegt hat ist, dass es nur mit extrem hohen Zeitaufwand möglich ist, das 'Ende' zu erreichen (Spielerlevel 40), was für mich lange ein Ansporn war, bis ich gemerkt habe, dass ich selbst auf Level 34 erst einen kleinen Bruchteil des Weges zurückgelegt hatte. Auch das ist für mich ein typisches F2P System: der Spieler soll ja nie ans Ende kommen, weil dann legt er das Spiel beiseite und gibt kein Geld mehr aus.
Für mich ist ein großartiges Spielerlebnis was anderes und das Spiel wird auch nie in meinen persönliches All Time Charts auftauchen, obwohl ich vermutlich damit wesentlich mehr Zeit verbracht habe, als mit so manchem meiner Lieblingsspiele. Am Ende fühlte ich mich ausgenutzt von dem Spiel, und das habe ich so noch bei keinem Vollpreisspiel empfunden.

Zum Podcast: ich fand die Diskussion sehr spannend. im Verlauf des Podcasts wurde immer offensichtlicher, dass der Gast die rosa Brille nicht runter nehmen will und F2P als heile Welt sieht, in der das Böse von den reichen Walnetzwerkern vertrieben wird. ;-)

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:31
von dadadave
Gut fand ich, dass Herr Weidemann eine etwas andere Perspektive einbrachte. Wenn's um Marktverhältnisse und Zahlen sowie um Businesslogik ging, konnte er wertvollen Input geben. Ich schätze das z.B. auch sehr, wenn zwischendurch Wolfgang einbezogen wird, weil ich doch teilweise etwas staune, wie man sich als Journalist so lange mit Spielen auseinander setzen kann, und dann derart verquere und zynische Vorstellungen von der Industrie, den Entwicklern und der Spieleentwicklung an sich haben kann.

That said...
für einmal lagen Jochen's Einwände ziemlich oft ziemlich richtig und ich war froh, dass Herr Weidemann nicht gänzlich unwidersprochen seine Thesen ausbreiten konnte. Natürlich kann man den guten Mann auch einfach reden lassen, ein zwei Vorlagen geben und ihn sich selbst entlarven lassen, vielleicht war das eher Andrés Gesprächsstrategie. Evtl. möchte man ja auch nicht das Ganze zu einem antagonistischen zwei gegen eins Gespräch verkommen lassen, nachvollziehbar. Aber die Art und Weise, in der Herr Weidemann öfters unterbrochen und abgewürgt hat und reingegrätscht ist, da hätte ich ehrlich gesagt erstmal das Gespräch unterbrochen und miteinander besprochen, wie man den hier miteinander kommunizieren will.

Zum Inhaltlichen
Herr Weidemanns autoritäre, dominante Art konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie dürftig er teilweise argumentiert hat. Der komplette Rückzug auf "wenn viele Leute es kaufen, ist es gut" ist...bedauerlich. Bei allem Verständnis dafür, wie schwer es ist, Qualität zu quantifizieren: man muss schon kräftige Verdrängungsmuskeln haben, um all die (jahrzehntealten) Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung auszublenden, die nahelegen, dass Menschen nicht rein rational agieren und eben einer Vielzahl an Irrtümern unterliegen (die regelmässig in der Werbung und eben auch in f2p ausgebeutet werden). Zudem reden wir von einem Markt mit wenig aufgeklärten Konsumenten (also wenn wir von mobile f2p reden, zumindest), da wird auch einfach Geld ausgegeben, weil die Leute nicht wissen, wie viel geiler Spiele eigentlich sein können).

Die Geschichte mit "Zeit vs. Geld" klingt auch erstmal gut, die Leute sollen das substituieren können, von dem sie weniger haben. An und für sich ist das zu begrüssen. Nur ist es oft so, dass bei f2p die Zeithaber und die Geldhaber gegeneinander ausgespielt werden, auf einer vom Entwickler für Monetarisierungszwecke optimierte Tretmühle.

Die Nummer von wegen "lass uns schauen, wer die Studie bezahlt hat", um wissenschaftliche Studien vom Tisch zu wischen war auch ziemlich dürftig. Auch wenn ich Verständnis gegenüber einer gewissen Skepsis habe, wenn Leute mit Studienergebnissen um sich werfen, denn oft geht es um Details: "xyz spricht die gleichen Rezeptoren an wie Heroin", klingt erstmal voll spektakulär, was daraus in Medien abgeleitet wird ist aber oft komplett unzulässig (also jetzt als Beispiel zum Umgang mit Studien, ich weiss nicht, wie es sich im konkreten Fall verhält). Aber nein, wer so auf diesen Punkt reagiert, scheint keine besseren Argumente als Verschwörungstheorien zu haben.

Was niedrige Einstiegshürden anbelangt, das ist tatsächlich auch aus Spielersicht ein positiver Faktor bei f2p. Angesichts der grosszügigen Rückerstattungsmöglichkeiten, die sich zumindest auf PC als Standard eingebürgert haben (2 Stunden Spielzeit, innerhalb 2 Wochen ab Kauf), ist das aber jetzt auch nicht mehr so ein Riesenvorteil.

Fakt ist, dass das Monetarisierungsmodell das Design eines Spiels erheblich beeinflusst. Ich glaube, das kann teilweise gut gehen mit F2P und zu fairen Spielen führen, die tolle Erlebnisse bieten. Aber die Vorstellung, dass man jede Art von Spielen auf f2p zurechtbiegen kann, halte ich für sehr optimistisch (nicht, dass Herr Weidemann das explizit vertreten hätte). Das Resultat, das ich deshalb im AAA-Bereich erwarte, ist dass die Diversität an Spielen darunter leidet (auch, weil Konsumenten immer weniger bereit sind, für Spiele zu zahlen. Sei das, weil sie durch Sales dazu erzogen werden, sei es, weil eine Gratismentalität aus der heutigen Wirtschaftswelt nicht mehr wegzudenken ist, sei es, weil sie nicht rechnen können um zu verstehen, dass 60$ vor 30 Jahren nicht 60$ heute entsprechen). Nun wäre das nicht schlimm, wenn daneben ein gesunder Premium Games Bereich existiert. Meine Sorge ist aber, dass aus diversen Gründen die GaaS und f2p -Spiele gezwungenermassen möglichst grosse Zeitfresser sein müssen, was dazu führt, dass weniger Spieler(zeit) für Premium Games übrig bleibt und sich das Ganze extrem konsolidiert. Noch mehr "Winner takes it all" als es das Spielebusiness ohnehin schon ist.

Im Übrigen: man kann auch Parallelen zu den Abomodellen à la Netflix & Co. ziehen, die aktuell der feuchte Traum mancher Leute in der Spielebranche zu sein scheinen. Diese Abomodelle erzeugen starke Anreize, möglichst in die Länge gezogenen Content zu produzieren, um die Nutzer zu binden. Auch erzeugen sie Anreize, Dinge zu produzieren, die "gut genug" sind, dass man deren Konsum nicht bereut und man das Gefühl kriegt, an einem Entertainment-Füllhorn zu sitzen, sodass sich die Abo-Verlängerung lohnt. Wenn ich so höre (und selber Angebote erhalten habe), wie die diversen bald auf den Markt wollenden "Netflix für Spiele" die Spielentwickler nach effektiv gespielter Zeit ihrer Titel entlöhnen wollen, so schwant mir Übles für Spiele, die die Zeit der Konsumenten respektieren (nicht so, wie mein ausschweifender Forumpost, ha!)...

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:40
von Andre Peschke
dadadave hat geschrieben: 18. Feb 2019, 16:31 Natürlich kann man den guten Mann auch einfach reden lassen, ein zwei Vorlagen geben und ihn sich selbst entlarven lassen, vielleicht war das eher Andrés Gesprächsstrategie.
Das war weniger Strategie, als einfach die Entwicklung. Viele meiner Fragen hat Jochen einfach zuerst gestellt. Und wenn Teut und Jochen gerade hitzig diskutieren, finde ich es auch gut dem erstmal Raum zu geben.

Das ich vllt grundsätzlich netter mit Teut umgehe liegt daran, dass wir uns schon lange kennen und Teut ein Pfundskerl ist, auch wenn seine Haltung zum Thema F2P und meine ganz erheblich von einander abweichen.

Andre

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:43
von Nephtis
dadadave hat geschrieben: 18. Feb 2019, 16:31 Zum Inhaltlichen
Herr Weidemanns autoritäre, dominante Art konnte nicht darüber hinwegtäuschen, wie dürftig er teilweise argumentiert hat. Der komplette Rückzug auf "wenn viele Leute es kaufen, ist es gut" ist...bedauerlich. Bei allem Verständnis dafür, wie schwer es ist, Qualität zu quantifizieren: man muss schon kräftige Verdrängungsmuskeln haben, um all die (jahrzehntealten) Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung auszublenden, die nahelegen, dass Menschen nicht rein rational agieren und eben einer Vielzahl an Irrtümern unterliegen (die regelmässig in der Werbung und eben auch in f2p ausgebeutet werden). Zudem reden wir von einem Markt mit wenig aufgeklärten Konsumenten (also wenn wir von mobile f2p reden, zumindest), da wird auch einfach Geld ausgegeben, weil die Leute nicht wissen, wie viel geiler Spiele eigentlich sein können).
Das Argument fand ich auch fast am dämlichsten von allen. Der Vergleich mit Fox-News oder Bild von Jochen war perfekt getroffen.
Natürlich ist Qualität immer auch ein wenig Geschmackssache, aber nur weil viele Leute irgendwas konsumieren (Spiele, Musik, Filme, Bücher, ...) ist es noch lange nicht gut oder das beste auf dem Markt.

Habe mir als Vergleich nämlich gerade mal die laut Wikipedia "erfolgreichsten Filme weltweit nach Einspielergebnis" angesehen. Das liegt für mich das Niveau ziemlich niedrig. Die Leute wollen seichte Kost. :mrgreen:

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:49
von Terranigma
dadadave hat geschrieben: 18. Feb 2019, 16:31Bei allem Verständnis dafür, wie schwer es ist, Qualität zu quantifizieren: man muss schon kräftige Verdrängungsmuskeln haben, um all die (jahrzehntealten) Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung auszublenden, die nahelegen, dass Menschen nicht rein rational agieren und eben einer Vielzahl an Irrtümern unterliegen (die regelmässig in der Werbung und eben auch in f2p ausgebeutet werden)
Spielspass ist aber kein rationales, sondern ein emotionales Erleben. Dass man Spielspass darüber definiert, ob ein Spieler eben Spass empfindet, scheint mir als Definition für ein gutes Spiel erst einmal sehr plausibel. Wenn Millionen an Menschen also ein Spiel spielen und daran Spass haben, so legt dies nahe, dass es für diese Menschen auch ein gutes - lies: spassiges - Spiel ist. Man kann Qualität natürlich auch anders definieren, eben abseits vom empfundenen Spass - kurioserweise werden aber genau solche objektivierenden Wertungssysteme umgekehrt ebenso kritisiert - aber das widerlegt die erste Definition nicht. Es ist halt nur eine andere Perspektive. Man kann aber nicht beides haben, subjektive Wertungen - wie sie hier im Podcast ja auch bevorzugt werden - und gleichzeitig aber das subjektive Empfinden der Spieler als einen Indikator für Spielspass ablehnen.

Die Erwiderung von Jochen bzgl. Fox-News oder BILD hat mich da nicht überzeugt, eben weil die Qualität von Journalismus ja gerade nicht über ein Gefühl definiert nicht. Guten Journalismus kann man nicht an einer emotionalen Reaktion - "Zustimmung", "Aufregung, "Freude", o.Ä. - ableiten. Spielspass kann man aber ganz banal darüber ableiten, ob der Spieler ganz subjektiv Spass am Spiel hat. So machen es ja mittlerweile auch immer mehr Magazine und Tester. Falls einem das subjektive Empfinden aber als Qualitätsmaßstab nicht genügt, müsste man halt auch alternativ sagen, was denn objektiv ein gutes Spiel ausmacht. Dann wäre man aber wieder beim alten Gamestar-Wertungssystem, das genau dies versuchte und was hier wiederum auch wenig Gegenliebe fand. ;)

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 16:53
von Stuttgarter
Terranigma hat geschrieben: 18. Feb 2019, 16:01 Dass es auch Fälle gibt, in denen Verbote zum Selbstschutz erlassen werden, sehe ich ebenfalls so; diese sollten allerdings eine Ausnahme sein, eben weil jedwede Freiheitsbeschränkung - ja, fettiges Essen bei McDonalds oder Lootboxen bei Overwatch kaufen zu wollen ist eine Freiheit - gut begründet sein sollte.
Um nur auf diesen Punkt, den so oder so ähnlich ja auch Early genannt hat, einzugehen: Es gibt eine verdammt gute Begründung, bestimmte Dinge zu verbieten oder zumindest sehr stark zu regulieren. Die hat nix mehr mit dem Schutz des einzelnen zu tun - sondern mit der Entlastung der Gesellschaft. Jeder Mensch, der sich selbst schädigt, schädigt auch die Allgemeinheit. Weil er höchstwahrscheinlich irgendwann entweder dem Staat (durch Arbeitslosigkeit) oder dem Gesundheitswesen (durch Gesundheitsschäden) oder beiden auf der Tasche liegen wird. Von den betroffenen Angehörigen gar nicht erst zu reden.

Das heißt nicht, dass ich bestimmte Verbote fordere. Nur, dass es sehr gute Gründe dafür gibt. :)

Re: Folge 202: Die Zukunft ist umsonst

Verfasst: 18. Feb 2019, 17:25
von Terranigma
Stuttgarter hat geschrieben: 18. Feb 2019, 16:53Das heißt nicht, dass ich bestimmte Verbote fordere. Nur, dass es sehr gute Gründe dafür gibt. :)
Okay. So allgemein stimme ich dir da zu.