Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

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Klagsam
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Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Klagsam »

Ich bin gerade dabei den Gamestar Podcast zur "Spielestory-Krise" mit Maurice, Dimi und Jochen zu hören. Dazu fallen mir gerade mal direkt 2 Gegenthesen ein, die ich hier gerne mal zur Diskussion stellen würde.

1. Im Podcast ist immer wieder die Rede von der "dritten Ebene" in der Spiele ihre Geschichte erzählen können. Gemeint ist anstatt "show, don't tell" den Spieler erleben zu lassen, wie der Protagonist beispielsweise eine stupide Tätigkeit ausführt. Als Beispiel wird immer wieder die Fischfabrik-Szene in "What remains of Edith Finch" oder "Papers please" angeführt.

Meine Gegenthese: Das ist zwar eine sexy Theorie, hat aber wenig Bezug zur Realität. Die Möglichkeiten, jemanden etwas erlebbar machen zu lassen sind im Spiel nämlich ziemlich eingeschränkt. Ein anderes Beispiel das Jochen anführt ist jemanden zu köpfen. Und gerade da sehe ich schon massive Einschränkungen: Das Haupterlebnis jemanden zu köpfen ergibt sich nämlich aus den realen Implikationen jemanden zu köpfen: Also das Leben eines anderen Menschen zu beenden und zu wissen, dass ICH jetzt dafür verantwortlich bin.
Anderes Beispiel: Red Dead Redemption stellt wohl das Leid von Tieren sehr explizit dar und lässt mich wohl (ich habe es aus diesem Grund nicht gespielt) so erleben, wie es ist sich anderen Lebewesen gegenüber grausam zu verhalten. Hier kann mich das Spiel das zwar erleben lassen, aber für mich persönlich macht das keinen Unterschied, ob ich das nun Spiele oder ob ich zugucke wie jemand ein Tier quält - somit ist es eigentlich keine "dritte Ebene".
Die Folterszene in GTA 5? Keine Wahlfreiheit, kein Erleben davon, wie es sich anfühlt jemanden zu foltern mit dem Wissen jetzt bleibende psychische und/oder körperliche Schäden verursacht zu haben, ein Leben WIRKLICH verändert zu haben.
Ich kann den Spieler über einen monotonen Spielablauf vielleicht Monotonie erlebbar machen lassen, über Einschränkungen von Wahlfreiheit vielleicht Autonomieeinschränkungen und sogar Reaktanz erleben lassen, aber viel mehr wird nicht möglich sein. Dinge die keine realen Implikationen haben wie bspw. verfolgt werden, verprügelt werden, Geburtstag haben, Freunde finden, Freunde verlieren, Sex haben, etc. kann ich den Spieler auch nicht über noch so gutes Spieldesign erleben lassen.


2. Das Verhältnis von Storys und Spielen ist ungefähr so wie das Verhältnis von Spass und Arbeit - und somit sind Spiele auch nicht das geeignete Medium eine gute Geschcihte zu erzählen:
Spass ist nicht der Zweck von Arbeit, Arbeit ist nicht dazu da Spass zu machen, es ist aber ein netter Bonus wenn sie das doch tut.
Analog: Geschichten zu erzählen ist nicht der Zweck von Spielen, Spiele sind nicht dazu da Geschichten zu erzählen (und vor allen Dingen nicht das geeignete Medium dafür), aber es ist nice to have falls sie es doch tun.
Mit Geschichten/Storys meine ich hier Erzählungen, nicht kleine Mini-Begebenheiten - die lassen sich auch in Spielen erzählen.

Begründung: a) Historisch haben Spiele keine Geschichten erzählt und es war auch nicht ihr Zweck das zu tun: Kaum ein Mensch hat Pirates, Bards Tale, Galaga, Great Giana Sisters, Boulder Dash, Populous oder gar Ultima wegen ihrer Geschichten gespielt. Allenfalls ließe sich diese Argumentation noch für Textadventures aufmachen, aber die wurden im Allgemeinen auch eher wegen ihrer Rätsel gespielt. Die "Geschichten" oder das Setting waren "nice to have" aber nicht der eigentliche Beweggrund diese Spiele zu spielen.
b) Die Spielmechanik ist der Geschichte im Weg. Im Buch, im Hörspiel und im Film kann ich das Pacing bestimmen, den Spannungsauf- und abbau gestalten und die Rezipienten konstant in der Geschichte halten. In Spielen ist das viel schwieriger, denn der Spieler möchte gerne spielen - ansonsten ist es eben eine Visual Novel
c) Ich habe bisher noch kein Spiel gespielt dessen Geschichte in Buch- oder Filmform nicht straffer, pointierter und besser erzählt worden wäre als als Spiel
BigBB
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von BigBB »

Bei mir hat sich der Geschmack in den letzten Jahren erheblich geändert, wenn es um Geschichten in Spielen geht.

Mittlerweile fühle ich mich grade bei westlichen Spielen, was die Geschichte angeht, verarscht und nicht für voll genommen. Grade bei den ganzen AAA Blockbustern wie CoD, Anthem, FarCry, etc. Selbst das viel gelobte Horizon fand ich furchtbar schlecht. Mich holen die Geschichten einfach nicht mehr ab.

Ganz anders sieht es bei vielen japanischen Produktionen aus. Persona, Yakuza, Dragon Quest, die ganzen Souls Spiele, usw.
Hier WILL ich wissen, wie es weiter geht. Hier interessieren mich die Charaktere. Hier nimmt mich die Musik mit.

Etwas was mir bei westlichen Produktionen schon lange nicht mehr passiert ist.

OK, Ausnahmen gibt es. Die da wären: What remains of Edith Finch, The last of us, Uncharted, Brothers, und ein paar andere, die mir grade nicht einfallen wollen. Die werden aber gefühlt immer weniger.

Den selben Trend habe ich auch bei Filmen. So wenige westliche Kinofilme neuerer Machart nehmen mich noch mit. Ganz selten mal.
Und dann, dann kommt aus asiatischen Landen das Meisterwerk "Yor name" um die Ecke und zeigt kurz wie Geschichten gehen.
Ernsthaft, dieser Film hat mich emotional zerfetzt im Sessel zurück gelassen. (wer den noch nicht gesehen hat, mein Tipp. Schaut ihn euch an...so toll)

Naja, so ist es bei mir. Ich werde wohl alt und wunderlich, wer weiß. :-)
DaFrenz
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von DaFrenz »

Mag sein, dass Filme und Bücher straffer erzählt werden, aber das ist nicht das einzige ausschlaggebende Argument für die Qualität einer Story. Spiele können eine Handlung sehr viel besser in den Kontext des Settings einbinden als lineare Medien. Die Geschichten aus Witcher 3 beispielsweise würden viel von ihrer Wirkung verlieren, wenn sie linear hintereinander abgespult würden.
Auch alternative Handlungsverläufe lassen sich in Spielen besser darstellen. Gerade Visal Novels können dadurch ein mehrdimensionales Handlungsgebilde aufbauen, das in einem linearen Buch nur mit Abstrichen möglich wäre.

Im Übrigen haben fast alle Spiele eine Story, vielleicht mit Ausnahme von Tetris und ähnlichen Puzzlespielen. Ich denke, ein Kontext, in dem eine Handlung ausgeführt wird, bereichert ein Hobby praktisch immer. Es ist eben interessanter zu wissen, dass mein Avatar die Prinzessin zu retten will, als einfach nur irgendwelche Knöpfe zu drücken bis das Spiel mir sagt, dass es jetzt vorbei ist.
Spiel und Story sind praktisch immer miteinander verwoben. Manchmal ist der eine oder der andere Aspekt dominanter, aber ganz ohne einen von beiden geht es selten.

Ansonsten teile ich BigBBs Einschätzung. Bei Stories gibt es Luft nach oben.
Insanity
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Insanity »

Und doch besteht zwischen Spielen und Geschichten ein gewisses Verwandschaftsverhältnis. Ich meine, was tun Kinder mit Lego? Sie bauen es auf, klopfen die mechanischen Funktionen der Konstruktion ab und fangen dann an, damit Geschichten zu erfinden. Die gehen bei Jungs zwar selten über „Finde den Schatz.“ oder „Erschlage den Drachen!“ hinaus, aber es sind definitiv Geschichten. Vielleicht ist ja die Geschichte die zweite, etwas höhere Ebene des eigentlichen Spiels, und wenn dann der aus der Spielmechanik geborenen Story noch Gefühlsregungen erwachsen, dann haben wir es mit etwas zu tun, dessen Summe größer ist als seine einzelnen Bestandteile.

Und noch ein zweiter Mittagspausengedanke: Gerade Videospiele gerade können wegen des zumeist langsameren Pacings bei Storypeaks einen gewaltigeren emotionalen Impact haben als die sich häufig schneller entwickelnden Filme: Wenn nach Dutzenden Spielstunden eine ans Herz gewachsene Figur stirbt (Hallo, Final Fantasy 7!), tut dieser Verlust doppelt und dreifach weh, weil man als Spieler Zeit, Fleiß und Schweiß in die Figur gesteckt hat. Das ist dann wieder etwas, was so eigentlich nur Videospiele und vllt. Pen & Paper-RPGs können. Wenn nach 5000 Romanseiten ein liebgewonnener Charakter stirbt, tut das zwar auch emotional weh, aber weil die Entwicklung der Figur von uns nur passiv beobachtet wurde, sind wir doch etwas weniger involviert als bei der aktiven Handlung in Games.
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Nachtfischer
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Nachtfischer »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 12:19somit sind Spiele auch nicht das geeignete Medium eine gute Geschichte zu erzählen
Ich gebe dir Recht, solange du damit traditionelle, explizit ausformulierte und linear vordefinierte Geschichten meinst. Das können Romane und Filme wesentlich besser. Im Spiel stört es sogar in der Regel die Interaktivität oder schränkt deren Entfaltung zumindest stark ein. Leider ist diese Form der Erzählung nach wie vor die dominante Variante bei Videospielen. Da merkt man dann immer, dass das Medium noch in den Kinderschuhen steckt und sich gerne zur Sicherheit an die Hand des "großen Bruders" Film klammert.

In sowas wie Edith Finch und seiner Anpassung von Spielmechanismen auf ganz bestimmte narrative Botschaften (siehe Fischfabrik: öder Alltag vs. große Träume) sehe ich aber tatsächlich einen Schritt weg davon und hin zu einer tatsächlich mediumseigenen Form des Erzählens. Klar steht das auch noch am Anfang, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich da in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch einiges tun wird.

Deine Analogie (Spiel + Story = Arbeit + Spaß) kann ich glaube ich so nicht 100% stehen lassen. Spaß bei der Arbeit ist grundsätzlich etwas Positives und man würde davon ausgehen, dass er das Ergebnis der Arbeit verbessert, oder? Je nach Umsetzung kann eine Story (beziehungsweise ein zu großer paralleler Fokus darauf) aber ein Spiel schlechter machen (und umgekehrt). Ich sehe da viel mehr potenzielle Reibungspunkte. Also nicht nur "nice to have", sondern gegebenenfalls auch "dangerous to have".

Lustigerweise habe ich quasi die inhaltliche Vorgänger-Folge des aktuellen Gamestar-Podcasts seinerzeit als einen von vielen Anlässen genommen, genau über diese Themen zu schreiben: Über mediumseigene Narrationsformen sowie die Zusammenführung von Story und Spiel generell. In diesem Zusammenhang kann man dann auch noch Wolfgangs Kolumne zur Heldenreise sehen, die ich ebenfalls kommentiert habe.
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Decius »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 12:19 Begründung: a) Historisch haben Spiele keine Geschichten erzählt und es war auch nicht ihr Zweck das zu tun: Kaum ein Mensch hat Pirates, Bards Tale, Galaga, Great Giana Sisters, Boulder Dash, Populous oder gar Ultima wegen ihrer Geschichten gespielt.
Ja, ja, das ist das Problem wenn man mit der "Keiner hat/Jeder hat"-Keule formuliert, und erstmal große Thesen aufstellt, wo man seine eigenen Ansichten auf den Podest stellt. Ich habe viele dieser Spiele wegen ihrer Geschichte (wenn sie eine haben - Boulder Dash oder Giana Sisters ist da eher dünn aufgestellt) gespielt. Mehr noch, ich spiele fast keine Spiele ohne Geschichte (Tetris eine der Ausnahmen) und zunehmend können mir Spiele ohne Geschichte oder Geschichte in Häppchen (Open World GaaS) wenig Begeisterung abringen. Auch in meiner Spielegeschichte sind es immer Spiele mit Geschichte, die mich am meisten gefesselt und bewegt haben - und auch wenn die Story oft schwach, dünn oder klischeehaft war, hat dadurch, dass ich sie (wie abstrakt auch immer) "erleben" konnte, viele draufgesetzt und diese Geschichten tiefer und besser in mir verankert als viel bessere Bücher oder Filme. Einfach durch die stärkere Unmittelbarkeit des Erlebens.

Der Zugang "Geschichte in Spielen? Stört nur!" hat sich mir nie erschlossen - für mich waren Spiele eigentlich immer ein Medium um Geschichten zu erleben, ob jetzt von Autoren vordefiniert oder emergant Storytelling.
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Yano »

Decius hat geschrieben: 7. Mär 2019, 14:42 Der Zugang "Geschichte in Spielen? Stört nur!" hat sich mir nie erschlossen - für mich waren Spiele eigentlich immer ein Medium um Geschichten zu erleben, ob jetzt von Autoren vordefiniert oder emergant Storytelling.
Ganz dickes unterstreichen meinerseits!

Egal ob SNES, Playstation, PC, Handhelds, Spiele mit Story Fokus standen mir seit Anbeginn der Zocker Karriere ganz oben auf der Prioritäten Liste.
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Klagsam
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Klagsam »

Nachtfischer hat geschrieben: 7. Mär 2019, 14:03 In sowas wie Edith Finch und seiner Anpassung von Spielmechanismen auf ganz bestimmte narrative Botschaften (siehe Fischfabrik: öder Alltag vs. große Träume) sehe ich aber tatsächlich einen Schritt weg davon und hin zu einer tatsächlich mediumseigenen Form des Erzählens. Klar steht das auch noch am Anfang, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich da in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch einiges tun wird.
Ich habe jetzt dummerweise Edith Finch nicht gespielt, aber ich persönlich kann mir nur schwer vorstellen, dass das viel mehr als eine Ausnahme bleiben wird. Eben weil die Möglichkeiten einen Spieler etwas über eine Spielmechanik erlebbar zu machen doch relativ begrenzt sind. Klar werden zukünftige kreative Köpfe da noch einige Möglichkeiten finden, die mir beim besten Willen jetzt nicht einfallen würden. Viele gängige zentrale Themen in Geschichten (Liebe, Rache, Freundschaft, persönliche Entwicklung, Verrat, etc. ) lassen sich imho aber nur schwer in die "dritte Ebene" transportieren.
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Klagsam
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Klagsam »

Insanity hat geschrieben: 7. Mär 2019, 13:22
Und noch ein zweiter Mittagspausengedanke: Gerade Videospiele gerade können wegen des zumeist langsameren Pacings bei Storypeaks einen gewaltigeren emotionalen Impact haben als die sich häufig schneller entwickelnden Filme: Wenn nach Dutzenden Spielstunden eine ans Herz gewachsene Figur stirbt (Hallo, Final Fantasy 7!), tut dieser Verlust doppelt und dreifach weh, weil man als Spieler Zeit, Fleiß und Schweiß in die Figur gesteckt hat. Das ist dann wieder etwas, was so eigentlich nur Videospiele und vllt. Pen & Paper-RPGs können. Wenn nach 5000 Romanseiten ein liebgewonnener Charakter stirbt, tut das zwar auch emotional weh, aber weil die Entwicklung der Figur von uns nur passiv beobachtet wurde, sind wir doch etwas weniger involviert als bei der aktiven Handlung in Games.
Da bin ich mir nicht sicher, ich sage nur Red Wedding. Aber klar, du hast sicherlich einen Punkt darin, dass die pure Zeit die ich mit einer Figur verbringe unter Umständen auch meine parasoziale Beziehung zu dieser Figur intensivieren kann. Den gleichen Effekt hast du aber beispielsweise auch bei einer Serienfigur und da würde ich den Punkt aufmachen, dass eine Serie seine Geschichte eben auch besser erzählen kann als ein Spiel
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lolaldanee
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von lolaldanee »

Ich finde ja, Spiele mit guten Geschichten sind toll, Spiele in denen die Geschichte schlecht ist, sie sich einem aber aufdrängt, sind schlecht ;)

bahnbrechende Erkenntnis, ich weiß
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Axel
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Axel »

Spass ist nicht der Zweck von Arbeit, Arbeit ist nicht dazu da Spass zu machen, es ist aber ein netter Bonus wenn sie das doch tut.
Ich verstehe die Aussage jetzt ehrlich gesagt nicht.
Insanity
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Insanity »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 16:55
Insanity hat geschrieben: 7. Mär 2019, 13:22
Und noch ein zweiter Mittagspausengedanke: Gerade Videospiele gerade können wegen des zumeist langsameren Pacings bei Storypeaks einen gewaltigeren emotionalen Impact haben als die sich häufig schneller entwickelnden Filme: Wenn nach Dutzenden Spielstunden eine ans Herz gewachsene Figur stirbt (Hallo, Final Fantasy 7!), tut dieser Verlust doppelt und dreifach weh, weil man als Spieler Zeit, Fleiß und Schweiß in die Figur gesteckt hat. Das ist dann wieder etwas, was so eigentlich nur Videospiele und vllt. Pen & Paper-RPGs können. Wenn nach 5000 Romanseiten ein liebgewonnener Charakter stirbt, tut das zwar auch emotional weh, aber weil die Entwicklung der Figur von uns nur passiv beobachtet wurde, sind wir doch etwas weniger involviert als bei der aktiven Handlung in Games.
Da bin ich mir nicht sicher, ich sage nur Red Wedding. Aber klar, du hast sicherlich einen Punkt darin, dass die pure Zeit die ich mit einer Figur verbringe unter Umständen auch meine parasoziale Beziehung zu dieser Figur intensivieren kann. Den gleichen Effekt hast du aber beispielsweise auch bei einer Serienfigur und da würde ich den Punkt aufmachen, dass eine Serie seine Geschichte eben auch besser erzählen kann als ein Spiel
Die Red Wedding hatte ich auch im Kopf beim Scheiben, und es stimmt natürlich, dass sie unfassbar intensiv und wahrscheinlich einer der besten Storytwists ist, die in der Fantasy je geschrieben wurden. Dennnoch glaube ich, dass sie, wäre sie Teil eines Spiels (das man am besten nur einmal spielen dürfte, ohne zweiten Versuch), in dem wir als Spieler Rob trotz ggf. vorhandener Alternativen aktiv zur Hochzeit hingesteuert und so sein Ableben verschuldet hätten, noch einen Tacken wuchtiger wäre. Wir können beim Lesen des Buches auf Herrn Martin sauer sein, wenn es uns nicht gefällt, welches Schicksal er seinen Figuren zuteil werden lässt. Doch im Spiel müssten wir uns selbst die Schuld geben, sofern wir wirklich eine Wahl gehabt hätten - und das ist imo nochmal etwas Anderes, nämlich persönlicher und schmerzhafter.

Insgesamt gebe ich dir aber völlig Recht, eine Serie kriegt die erzählte Geschichte sicher besser hin. Nur vereinzelte Momente einer Handlung erlebe ich in Spielen unter Umständen stärker.
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Klagsam
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Klagsam »

Insanity hat geschrieben: 7. Mär 2019, 17:21 Doch im Spiel müssten wir uns selbst die Schuld geben, sofern wir wirklich eine Wahl gehabt hätten - und das ist imo nochmal etwas Anderes, nämlich persönlicher und schmerzhafter.
DAS habe ich noch nicht erlebt. Ist natürlich theoretisch möglich, aber praktisch, realistisch? Solang Menschen die Spiele noch selbst machen und sie nicht von einer KI erstellt werden glaube ich nicht, dass wir das erleben werden echte, storyrelevante Entscheidungen zu treffen, die danach tatsächlich zwei bedeutend unterschiedliche Storystränge zur Folge haben
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Wudan
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Wudan »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 12:19 Begründung: a) Historisch haben Spiele keine Geschichten erzählt und es war auch nicht ihr Zweck das zu tun: Kaum ein Mensch hat Pirates, Bards Tale, Galaga, Great Giana Sisters, Boulder Dash, Populous oder gar Ultima wegen ihrer Geschichten gespielt. Allenfalls ließe sich diese Argumentation noch für Textadventures aufmachen, aber die wurden im Allgemeinen auch eher wegen ihrer Rätsel gespielt. Die "Geschichten" oder das Setting waren "nice to have" aber nicht der eigentliche Beweggrund diese Spiele zu spielen.
Da würde ich schon relativ stark widersprechen. Letztendlich ist es aber eine Frage des Spielertyps. Ok Boulder Dash vielleicht nicht sowie andere Spiele die rein auf Mechanik basieren. Aber gerade bei Pirates, Populus etc. hab zumindest ich immer auch meine eigene Geschichte im Kopf dazu gehabt (Emergent Storytelling?). Genauso wie bei Civilization und Co. Ob so beabsichtigt oder nicht, aber das ist durchaus eine große Motivation diese Spiele zu spielen. Und zu sagen Ultima und Bards Tale hat man nicht wegen der Geschichte gespielt halte ich auch für etwas gewagt. Grundsätzlich gebe ich dir aber darin Recht das erzählen auf der "3. Ebene" in Spielen (noch!) einigermaßen begrenzt ist. Die grundsätzlichen Möglichkeiten dazu sind aber imho noch lange nicht gänzlich ausgelotet, da kann in Zukunft noch viel kommen, das Medium ist immernoch verhältnismäßig jung.
Dinge die keine realen Implikationen haben wie bspw. verfolgt werden, verprügelt werden, Geburtstag haben, Freunde finden, Freunde verlieren, Sex haben, etc. kann ich den Spieler auch nicht über noch so gutes Spieldesign erleben lassen.
Jain.. also da kann ich auch nicht ganz mitgehen. Natürlich ist es immer ein großer Unterschied zur Realität. Aber als Beispiel: So albern es auch klingen mag, meine Crew bei Mass Effect ist mir wirklich echt ans Herz gewachsen und es gab in ME3 eine Szene in der es die Möglichkeit gab das Tali Selbstmord begeht. Und wäre dies eingetreten, dann wär ich wirklich emotional verletzt gewesen, vielleicht sogar so stark das ich an der Stelle das Spiel beendet hätte. Natürlich sind solche Effekte immer begrenzt, aber auch hier bin ich mir nicht sicher was die Zukunft noch so zu bieten hat. In ein paar Jahren könnte ich mir vorstellen das es KI Gefährten gibt in die man sich theoretisch wirklich verlieben kann und auch (VR-) Sex mit ihnen haben kann. Die Japaner machen ja schon Schritte in diese Richtung.
Insanity hat geschrieben:Die Red Wedding hatte ich auch im Kopf beim Scheiben, und es stimmt natürlich, dass sie unfassbar intensiv und wahrscheinlich einer der besten Storytwists ist, die in der Fantasy je geschrieben wurden
So können sich Eindrücke unterscheiden. Für mich wars einer der schlechtesten Storytwists ever. Aber ich weiß mit dieser Meinung steh ich recht alleine :D
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Insanity »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 17:30
Insanity hat geschrieben: 7. Mär 2019, 17:21 Doch im Spiel müssten wir uns selbst die Schuld geben, sofern wir wirklich eine Wahl gehabt hätten - und das ist imo nochmal etwas Anderes, nämlich persönlicher und schmerzhafter.
DAS habe ich noch nicht erlebt. Ist natürlich theoretisch möglich, aber praktisch, realistisch? Solang Menschen die Spiele noch selbst machen und sie nicht von einer KI erstellt werden glaube ich nicht, dass wir das erleben werden echte, storyrelevante Entscheidungen zu treffen, die danach tatsächlich zwei bedeutend unterschiedliche Storystränge zur Folge haben
Naja, bei Until Dawn (um ein podcastaktuelles Beispiel zu nennen) hat man immer wieder die Wahl - und eine falsche Entscheidung hat meistens den Tod eines Charakters zur Folge. Freilich ist es so, dass einem der Tod dieser Figuren ziemlich egal ist, zumindest am Anfang. :D Aber die Auswirkungen sind schon vergleichsweise groß.

Der Traum wäre natürlich eine gänzlich offene Welt, in der die Motivation des Protagonisten gleich der intrinsischen Motivation des Spielers ist und in der man somit emotional involviert seine Entscheidungen auf Basis der vom Spiel vermittelten Informationen trifft. Und wenn man DANN ein Ereignis wie die Red Wedding erleben würde, das wäre ... brutal. :shock:
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Klagsam »

Wudan hat geschrieben: 7. Mär 2019, 19:17
Aber gerade bei Pirates, Populus etc. hab zumindest ich immer auch meine eigene Geschichte im Kopf dazu gehabt (Emergent Storytelling?). Genauso wie bei Civilization und Co. Ob so beabsichtigt oder nicht, aber das ist durchaus eine große Motivation diese Spiele zu spielen.
Klar. Aber Hand aufs Herz: Hast du diese Spiele der Geschichte(n) wegen gespielt? Hast du dich während du nicht gespielt hast gefragt wie es jetzt wohl mit X oder Y weiter geht?
Und wie gesagt: Ich spreche ja vor allen Dingen von Erzählungen, nicht von kleinen Episödchen die im Rahmen eines Spieles passieren. Hat aber wirklich jemand Bards Tale gespielt, weil er sich dafür interessiert hat, dass der böse Mangar das arme Dörfchen Skara Brae terrorisiert? Oder hat jemand wirklich Ultima gespielt, weil ihn interessiert hat, wie Rainer Jedermann aus Castrop-Rauxel über verschiedene tugendhafte Taten zum Avatar wird?
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Wudan »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 22:27 Klar. Aber Hand aufs Herz: Hast du diese Spiele der Geschichte(n) wegen gespielt? Hast du dich während du nicht gespielt hast gefragt wie es jetzt wohl mit X oder Y weiter geht?
Naja ganz ehrlich, da reden wir von einer Zeit als ich Computerspiele gespielt habe weil sie eben COMPUTERspiele waren :D Was da genau über den Bildschirm geflimmert ist war fast schon egal, es war halt Computer! Und in dem Alter hab ich mir sowieso noch keine tiefergehenden Gedanken dazu gemacht.
Und in dem Zuge muss man sich fragen ob eine historische Herleitung bei dieser Fragestellung überhaupt Sinn macht. Natürlich waren Spiele vor 30 Jahren noch ganz anders, aber das Medium hat sich bis heute viel weiter entwickelt, kann ganz andere Dinge leisten und es werden ganz andere Erwartungen daran gestellt. Der Blick in die Zukunft ist in dieser Hinsicht viel interessanter.
Dennoch würde ich bei der These "Historisch haben Spiele keine Geschichten erzählt und es war auch nicht ihr Zweck das zu tun" nicht ganz mitgehen. Du selbst hast ja schon Textadventures angesprochen. Und da würd ich schon behaupten natürlich hat man das auch wegen der Story gespielt und eher weniger wegen den Rätseln (die oft direkt aus der Hölle kamen).
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Nachtfischer »

Beim Verfolgen der sehr spannenden Diskussionen hier fällt mir wieder auf, wie wichtig es wäre, grundlegend differenzierter an die Sache zu gehen. Viele strittige Punkte basieren hier auf der Annahme, dass alle genannten Beispiele aus einem Topf kommen, zu einem einzigen Medium gehören. Das will ich aber mal infrage stellen. Extreme wie Heavy Rain auf der einen und Tetris auf der anderen Seite bedürfen nicht nur im Design und der kritischen Besprechung völlig anderer Herangehensweisen und Kompetenzen, sondern richten sich auch an völlig andere Spielergruppen (und selbst wenn mir beide gefallen, dann sprechen sie zwei sehr verschiedenartige Teile meiner selbst an).

Ich zitiere mich da nochmals:
Um beide Ausprägungen des “Spielens” weiter zu verfeinern, braucht es in Zukunft eine klarere Unterscheidung zwischen den Design-Ansätzen. Sowohl im kreativen Prozess und der Kritik als auch beim Publikum werden jeweils sehr unterschiedliche Fähigkeiten, Perspektiven und Vorlieben bemüht. Es handelt sich letztlich um zwei verschiedene Medien, denen lediglich die interaktive Komponente gemeinsam ist.
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Darkcloud
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Darkcloud »

Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 12:19

Begründung: a) Historisch haben Spiele keine Geschichten erzählt und es war auch nicht ihr Zweck das zu tun: Kaum ein Mensch hat Pirates, Bards Tale, Galaga, Great Giana Sisters, Boulder Dash, Populous oder gar Ultima wegen ihrer Geschichten gespielt. Allenfalls ließe sich diese Argumentation noch für Textadventures aufmachen, aber die wurden im Allgemeinen auch eher wegen ihrer Rätsel gespielt. Die "Geschichten" oder das Setting waren "nice to have" aber nicht der eigentliche Beweggrund diese Spiele zu spielen.
Historisch gesehen haben Filme am Anfang nur Spektakel gezeigt wie einen Zug der in Richtung Leinwand fährt. Also sind Filme folglich auch nicht für Stories geeignet.

Spiele können grade durch die Storyunterbrechungen mit Gameplay ein ganz eigenes Pacing schaffen. Besonders wenn man durch eine Gameplaypassage erst mal an den Ort kommen muss an dem ein besonderer Reveal oder ähnliches stattfindet.

Auch kann man dort wie in sonst keinem Medium eine Welt erkunden, was auch dafür sorgt, dass mir diese Welt viel weniger Egal wie in anderen Medien ist.
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Soulaire
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Re: Gamestar-Podcast: Die Spielestory-Krise

Beitrag von Soulaire »

Darkcloud hat geschrieben: 8. Mär 2019, 22:14
Klagsam hat geschrieben: 7. Mär 2019, 12:19

Begründung: a) Historisch haben Spiele keine Geschichten erzählt und es war auch nicht ihr Zweck das zu tun: Kaum ein Mensch hat Pirates, Bards Tale, Galaga, Great Giana Sisters, Boulder Dash, Populous oder gar Ultima wegen ihrer Geschichten gespielt. Allenfalls ließe sich diese Argumentation noch für Textadventures aufmachen, aber die wurden im Allgemeinen auch eher wegen ihrer Rätsel gespielt. Die "Geschichten" oder das Setting waren "nice to have" aber nicht der eigentliche Beweggrund diese Spiele zu spielen.
Historisch gesehen haben Filme am Anfang nur Spektakel gezeigt wie einen Zug der in Richtung Leinwand fährt. Also sind Filme folglich auch nicht für Stories geeignet.

Wieso sollte "Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat" keine gute Geschichte sein? Das war ein Geniestreich sondergleichen weil es eben in keinem anderen Medium so darstellbar war. (nicht nur aus technischer Sicht)
Man sollte die "Spiele-Story" in kein schon vorhandenes Korsett zwängen und deshalb kann man unter dem Begriff "Story" nicht nur die klassische Heldenreise o.ä verstehen.
Der von dir angesprochene Erkundungs-Aspekt ist zum Beispiel eine Art von Storytelling die das Medium Spiel auszeichnet. Allerdings gibt es noch viele andere Möglichkeiten wie Spiele ihre Geschichten erzählen können ohne sich dabei am Film anbiedern zu müssen.
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