Re: Auf ein Bier - Runde #206: Sexuelle Gewalt & Steam
Verfasst: 18. Mär 2019, 04:22
Hallo ihr Lieben,
bei dieser Episode habe ich mir einen Forenaccount zugelegt, weil ich nach den ersten zehn Minuten ein bisschen Schnappatmung bekommen habe.
Gut gemacht, ich bin dran geblieben, hab ein paar mal durchgeatmet und ein bisschen nachgedacht und eure Gedanken Revue passieren lassen.
Ich hoffe ich treffe den Ton den Forums und freue mich auf guten Austausch.
Falls jemand was in den falschen Hals bekommt, bitte einmal nachfragen, meist lässt sich das so einfach und schnell klären.
Schwierig finde ich die Sonderstellung der sexualisierte Gewalt, das Konstrukt ist meiner Ansicht nach eh schwammig und ich sehe da wenig Grund den Begriff sexualisierte Gewalt anstatt sexuelle Gewalt zu nutzen, vor allem, wenn man vorher nicht trennscharf klar gemacht hat, warum man ihn nutzt.
Mit dem Begriff sind viele Grundannahmen verknüpft, wie s.B. Bownmillers „Rape is a conscious process of intimidation by which all men keep all women in a state of fear“.
Das kann man im Falle von Rape Day vielleicht sogar vertreten, im Falle von jeder Art von Gewalt, die mit Sex zu tun hat, halte ich das für erstmal zweifelhaft.
Warum hat diese Art von Gewalt jetzt eine Sonderstellung?
Nina sprach die hohe Geschlechtsspezifität dieser Gewalt an.
Da würde ich widersprechen. Schaut man sich methodisch gute Studien an, also Studien mit vernünftiger Stichprobe bei denen auf Soziale Erwünschtheit geachtet wurde und allen Geschlechtern die selben Fragen gestellt werden und überhaupt alle Geschlechter befragt wurden (alles leider kein Standard), liegt das Geschlechterverhältnis bei den Opfern zwischen etwa 25/75 und 45/55 für Prävalenz von mit Gewalt zu Sex gezwungen (was für mich Vergewaltigung bedeutet), je nachdem, ob man sich die 12 Monats oder die Lebenszeitprävalenz anschaut (National Intimate Partner ans Sexual Violence Survey).
Das ist erheblich ausgeglichener als gemeinhin angenommen wird.
Gleichzeitig findet man eine hohe Geschlechtsspezifizität bei anderen Gewaltarten, schaut man sich die Todeszahlen von Soldaten in Kampfhandlungen an, wird man ein stärker ausgeprägtes Geschlechterverhältnis finden, als bei der sexuellen Gewalt weiter oben.
Dennoch gibt es keinen Aufschrei bei "Soldatengewalt" im neuen CoD.
Geschlechtsspezifität ist daher meiner Ansicht nach keine ausreichende Erklärung für diese Sonderstellung von sexueller Gewalt.
Was mich ansonsten gestört hat, ist, dass ich den Eindruck hatte, dass vor allem Wolfgang den Anspruch vertreten hat, dass Spiele in irgendeiner Weise einen Lehr- oder moralischen Anspruch haben sollten, besonders wenn sie mit solchen kontroversen Inhalten arbeiten, wie Rape Day.
Das halte ich für eine ganz befremdliche Einstellung.
Ein Spiel kann schlecht sein, wenn es kontextlos Grausamkeiten präsentiert, aber dass zwingend dieser Anspruch damit verbunden ist und das gar ein Kriterium für Verbannung auf einer Plattform sein soll, halte ich für eine Gefahr für den kreativen Prozess.
Ich muss etwas, was andere Leute machen und mit dem sie sich ihre Zeit vertreiben, nicht verstehen.
Es reicht, wenn sie dabei keine Leute verletzen, und das ist bei Pixeln eben nicht der Fall.
Ich persönlich bin sehr froh, dass Valve extrem vorsichtig bei ihren Regulierung ist.
Das heißt nicht, dass Valve da nicht deutliche Verbesserungen machen kann und sollte, z.B. eine Verbesserung der Jugendschutzregelungen, wie von Nina gefordert.
Aber dass eine Plattform mit solch einer Marktmacht wie Steam ihre Veröffentlichung einer Ästhetik unterwerfen soll, wie Wolfgang es fordert, finde ich persönlich gefährlich, besonders, wenn wir über Produkte ab 18 sprechen. Da ist glaube ich strukturelle Benachteiligung vorprogrammiert.
Was ist denn mit einer verlässlichen Altersüberprüfung und einen Ban bestimmter Titel für die Rotation in den Werbebannern, so dass sie nurnoch über die Suchfunktion aufrufbar sind?
Was ich auch befremdlich fand, war das euch ernsthaft Fragen wie "Kann man als Entwickler noch wollen, das sein Spiel auf der selben Plattform steht" gestellt wurden.
Ich glaube die meisten Leute wissen gar nicht, was alles auf allen möglichen Plattformen zu kaufen ist.
Nehmen wir die Comicreihe "Crossed" als Beispiel, an die mich das Setting von Rape Day erinnert hatte.
Problemlos auf Amazon kaufbar.
Schön fand ich, dass ihr herausgearbeitet habt, wie sehr der Medienrummel dem Macher des Spiels genutzt haben wird.
Wenn man sich überlegt, dass wir hier über eine Einzelperson sprechen, die billig gerenderte Bildchen mit ein paar Textfeldern unterlegt und damit weltweite Medienaufmerksamkeit für mehrere Tage generiert hat. Das war die Empörung wert bzw dass Valve hier nicht mit mehr Holzhammer reagiert hat?
In zwei Klicks ist jeder im Netz ohne Altersabfrage bei deutlich problematischerem Content.
Naja, ich hoffe in dem Gebrabbel sind ein paar interessante Gedanken dabei, ich war jedenfalls von eurer Folge unterhalten, auch wenn das nach dem Beitrag vielleicht nicht so kling.
Machts gut
PS. Wolfgang kann sich die Rape Legitimationsstudie noch einmal im Detail anschauen.
Die Itemformulierung ist da meiner Ansicht nach entscheidend.
In der Studie folgendes gefragt "Es gibt Personen, die finden, dass Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist. Glauben Sie, dass dies auf folgende Situationen zutrifft?".
Das ist eine schwierige Formulierung, denn sie ist deutlich schärfer als die gängige Gesetzeslage.
Hier wird nicht "Nein heißt nein", sondern "Nur ausdrückliches Ja heißt ja" abgefragt.
Was im Englischen mit "sex without consent" vielleicht noch einigermaßen salient ist, ist im Deutschen deutlich weniger geläufig.
Um das für andere Sprachen zu bewerten, bin ich nicht befähigt.
Ganz egal wie man zu der "Nein heißt nein" und "Ja heißt ja" Debatte steht, durch so eine Frageitemkonstruktion bekommt man deutlich höhere Werte heraus, als wenn man fragt "Es gibt Personen, die finden, dass Vergewaltigung..." oder auch nur "Es gibt Personen, die finden, dass Geschlechtsverkehr gegen den Willen...".
Man kann ja solche Fragen stellen, nur es ist dann hinterher nicht zulässig, dass so zu berichten, als habe man Zustimmung zu Vergewaltigung abgefragt, wie es durch die großen Zeitungen getrieben wurde.
Ein guter Hinweis darauf, dass die Frage anders verstanden wurde, ist, dass nur 1-2% der Antwortenden eine Antwortoption angekreuzt haben, die deutlich macht, dass ein Angriff stattgefunden hat ("Wenn der Angreifer seine Handlungen bereut" und "Wenn der Angreifer nicht realisiert, was er tut").
Klar spielt auch hier wieder die olle Soziale Erwünschtheit rein, aber auf die Art und Weise, wie die EU Studie (Special Eurobarometer 449) das gemacht hat, bekommt man hinterher eine riesige Kriteriumskontamination und damit aufgeblähte Zahlen.
Meh, die Anmerkung ist jetzt schon riesig lang und ich befürchte jetzt schon, dass eh keiner diesen Wall of Text ließt.
Man kann noch viel zu der Studie oder anderen sagen, aber ich mach jetzt erstmal Schluss.
bei dieser Episode habe ich mir einen Forenaccount zugelegt, weil ich nach den ersten zehn Minuten ein bisschen Schnappatmung bekommen habe.
Gut gemacht, ich bin dran geblieben, hab ein paar mal durchgeatmet und ein bisschen nachgedacht und eure Gedanken Revue passieren lassen.
Ich hoffe ich treffe den Ton den Forums und freue mich auf guten Austausch.
Falls jemand was in den falschen Hals bekommt, bitte einmal nachfragen, meist lässt sich das so einfach und schnell klären.
Schwierig finde ich die Sonderstellung der sexualisierte Gewalt, das Konstrukt ist meiner Ansicht nach eh schwammig und ich sehe da wenig Grund den Begriff sexualisierte Gewalt anstatt sexuelle Gewalt zu nutzen, vor allem, wenn man vorher nicht trennscharf klar gemacht hat, warum man ihn nutzt.
Mit dem Begriff sind viele Grundannahmen verknüpft, wie s.B. Bownmillers „Rape is a conscious process of intimidation by which all men keep all women in a state of fear“.
Das kann man im Falle von Rape Day vielleicht sogar vertreten, im Falle von jeder Art von Gewalt, die mit Sex zu tun hat, halte ich das für erstmal zweifelhaft.
Warum hat diese Art von Gewalt jetzt eine Sonderstellung?
Nina sprach die hohe Geschlechtsspezifität dieser Gewalt an.
Da würde ich widersprechen. Schaut man sich methodisch gute Studien an, also Studien mit vernünftiger Stichprobe bei denen auf Soziale Erwünschtheit geachtet wurde und allen Geschlechtern die selben Fragen gestellt werden und überhaupt alle Geschlechter befragt wurden (alles leider kein Standard), liegt das Geschlechterverhältnis bei den Opfern zwischen etwa 25/75 und 45/55 für Prävalenz von mit Gewalt zu Sex gezwungen (was für mich Vergewaltigung bedeutet), je nachdem, ob man sich die 12 Monats oder die Lebenszeitprävalenz anschaut (National Intimate Partner ans Sexual Violence Survey).
Das ist erheblich ausgeglichener als gemeinhin angenommen wird.
Gleichzeitig findet man eine hohe Geschlechtsspezifizität bei anderen Gewaltarten, schaut man sich die Todeszahlen von Soldaten in Kampfhandlungen an, wird man ein stärker ausgeprägtes Geschlechterverhältnis finden, als bei der sexuellen Gewalt weiter oben.
Dennoch gibt es keinen Aufschrei bei "Soldatengewalt" im neuen CoD.
Geschlechtsspezifität ist daher meiner Ansicht nach keine ausreichende Erklärung für diese Sonderstellung von sexueller Gewalt.
Was mich ansonsten gestört hat, ist, dass ich den Eindruck hatte, dass vor allem Wolfgang den Anspruch vertreten hat, dass Spiele in irgendeiner Weise einen Lehr- oder moralischen Anspruch haben sollten, besonders wenn sie mit solchen kontroversen Inhalten arbeiten, wie Rape Day.
Das halte ich für eine ganz befremdliche Einstellung.
Ein Spiel kann schlecht sein, wenn es kontextlos Grausamkeiten präsentiert, aber dass zwingend dieser Anspruch damit verbunden ist und das gar ein Kriterium für Verbannung auf einer Plattform sein soll, halte ich für eine Gefahr für den kreativen Prozess.
Ich muss etwas, was andere Leute machen und mit dem sie sich ihre Zeit vertreiben, nicht verstehen.
Es reicht, wenn sie dabei keine Leute verletzen, und das ist bei Pixeln eben nicht der Fall.
Ich persönlich bin sehr froh, dass Valve extrem vorsichtig bei ihren Regulierung ist.
Das heißt nicht, dass Valve da nicht deutliche Verbesserungen machen kann und sollte, z.B. eine Verbesserung der Jugendschutzregelungen, wie von Nina gefordert.
Aber dass eine Plattform mit solch einer Marktmacht wie Steam ihre Veröffentlichung einer Ästhetik unterwerfen soll, wie Wolfgang es fordert, finde ich persönlich gefährlich, besonders, wenn wir über Produkte ab 18 sprechen. Da ist glaube ich strukturelle Benachteiligung vorprogrammiert.
Was ist denn mit einer verlässlichen Altersüberprüfung und einen Ban bestimmter Titel für die Rotation in den Werbebannern, so dass sie nurnoch über die Suchfunktion aufrufbar sind?
Was ich auch befremdlich fand, war das euch ernsthaft Fragen wie "Kann man als Entwickler noch wollen, das sein Spiel auf der selben Plattform steht" gestellt wurden.
Ich glaube die meisten Leute wissen gar nicht, was alles auf allen möglichen Plattformen zu kaufen ist.
Nehmen wir die Comicreihe "Crossed" als Beispiel, an die mich das Setting von Rape Day erinnert hatte.
Problemlos auf Amazon kaufbar.
Schön fand ich, dass ihr herausgearbeitet habt, wie sehr der Medienrummel dem Macher des Spiels genutzt haben wird.
Wenn man sich überlegt, dass wir hier über eine Einzelperson sprechen, die billig gerenderte Bildchen mit ein paar Textfeldern unterlegt und damit weltweite Medienaufmerksamkeit für mehrere Tage generiert hat. Das war die Empörung wert bzw dass Valve hier nicht mit mehr Holzhammer reagiert hat?
In zwei Klicks ist jeder im Netz ohne Altersabfrage bei deutlich problematischerem Content.
Naja, ich hoffe in dem Gebrabbel sind ein paar interessante Gedanken dabei, ich war jedenfalls von eurer Folge unterhalten, auch wenn das nach dem Beitrag vielleicht nicht so kling.
Machts gut
PS. Wolfgang kann sich die Rape Legitimationsstudie noch einmal im Detail anschauen.
Die Itemformulierung ist da meiner Ansicht nach entscheidend.
In der Studie folgendes gefragt "Es gibt Personen, die finden, dass Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist. Glauben Sie, dass dies auf folgende Situationen zutrifft?".
Das ist eine schwierige Formulierung, denn sie ist deutlich schärfer als die gängige Gesetzeslage.
Hier wird nicht "Nein heißt nein", sondern "Nur ausdrückliches Ja heißt ja" abgefragt.
Was im Englischen mit "sex without consent" vielleicht noch einigermaßen salient ist, ist im Deutschen deutlich weniger geläufig.
Um das für andere Sprachen zu bewerten, bin ich nicht befähigt.
Ganz egal wie man zu der "Nein heißt nein" und "Ja heißt ja" Debatte steht, durch so eine Frageitemkonstruktion bekommt man deutlich höhere Werte heraus, als wenn man fragt "Es gibt Personen, die finden, dass Vergewaltigung..." oder auch nur "Es gibt Personen, die finden, dass Geschlechtsverkehr gegen den Willen...".
Man kann ja solche Fragen stellen, nur es ist dann hinterher nicht zulässig, dass so zu berichten, als habe man Zustimmung zu Vergewaltigung abgefragt, wie es durch die großen Zeitungen getrieben wurde.
Ein guter Hinweis darauf, dass die Frage anders verstanden wurde, ist, dass nur 1-2% der Antwortenden eine Antwortoption angekreuzt haben, die deutlich macht, dass ein Angriff stattgefunden hat ("Wenn der Angreifer seine Handlungen bereut" und "Wenn der Angreifer nicht realisiert, was er tut").
Klar spielt auch hier wieder die olle Soziale Erwünschtheit rein, aber auf die Art und Weise, wie die EU Studie (Special Eurobarometer 449) das gemacht hat, bekommt man hinterher eine riesige Kriteriumskontamination und damit aufgeblähte Zahlen.
Meh, die Anmerkung ist jetzt schon riesig lang und ich befürchte jetzt schon, dass eh keiner diesen Wall of Text ließt.
Man kann noch viel zu der Studie oder anderen sagen, aber ich mach jetzt erstmal Schluss.