Raptor 2101 hat geschrieben: ↑18. Mär 2019, 18:21
Unsere Gesellschaft scheint bei brutaler Gewallt mit Todesfolge extrem entspannter umzugehen als mit sexuellen Themen.
Zunächst eine wichtige Klarstellung: Sexualisierte Gewalt ist kein "sexuelles Thema", sondern ganz eindeutig als Gewalt einzuordnen. Wie schon an anderer Stelle erklärt, wird der Gewaltakt nur auf der intimsten Ebene ausgeführt - das macht ihn aber nicht vorrangig zu einer sexuellen Handlung. Vielleicht ist Dir das prinzipiell bewusst und vielleicht lege ich demnach Deine Worte auf die Goldwaage, aber diese klare Differenzierung ist mir ausgesprochen wichtig (zumal wir gerade in Deutschland eben doch tendenziell lockerer mit Sexualität als mit expliziter Gewalt umgehen).
Dem Vernehmen nach, ist dort der Umgang mit diesem Thema etwas (nunja) "tolerierter" und die Gegenden gelten nicht gerade als "Frauenfreundlich".
Gerade Japan hat ein riesiges Problem mit sexueller Belästigung und man geht von einer enorm hohen Dunkelziffer im Kontext sexualisierter Gewalt aus, weil deren Opfer a) gesellschaftliche Ächtung fürchten und b) ohnehin nicht damit rechnen, dass Polizei und Justiz sich ihren Fällen mit der gebotenen Sorgfalt annehmen.
dadadave hat geschrieben: ↑18. Mär 2019, 18:42
Gleichzeitig findet man eine hohe Geschlechtsspezifizität bei anderen Gewaltarten, schaut man sich die Todeszahlen von Soldaten in Kampfhandlungen an, wird man ein stärker ausgeprägtes Geschlechterverhältnis finden, als bei der sexuellen Gewalt weiter oben.
Ja, weil es generell viel weniger weibliche Soldaten gibt als männliche und nicht, weil in einer gemischten Gruppe mit ausgewogenem Geschlechtverhältnis gezielt Männer getötet werden. Dieser Vergleich ergibt keinen Sinn.
Der Vergleich ist nicht ganz unangebracht, aus folgendem Grund:
In gemischten Bevölkerungen mit ausgewogenen Geschlechterverhältnissen werden vor allem Männer in den Krieg bzw. in andere gefährliche Situationen geschickt und einem hohen Todes- bzw. Verletzungsrisiko ausgesetzt.
Der Umstand, dass es viel weniger weibliche Soldaten gibt, ist ja nicht reiner Zufall, sondern zumindest in der heutigen Zeit vor allem Ausdruck eines gesellschaftlich akzeptierten (und zumeist unreflektierten) Sexismus. Dies gilt insbesondere für Länder, in denen eine Wehrpflicht besteht, die nur für das eine Geschlecht gilt (wie z.B. beschämenderweise in der Schweiz).
Genau das meine ich ja: Je nach Land werden überwiegend oder sogar ausschließlich Männer in bewaffnete Konflikte entsandt - also ist es kein Wunder, wenn vor allem Männer in diesen Konflikten zu Tode kommen. Es existiert im Militär eben kein ausgewogenes, sondern ein fundamental asymmetrisches Geschlechterverhältnis - anders, als in unserer Gesellschaft insgesamt, in der sich sexualisierte Gewaltakte abspielen. Der direkte Vergleich würde nur funktionieren, wenn ebenso viele Frauen wie Männer in den Krieg zögen (Teil der Gesellschaft sind), dann aber gezielt vornehmlich Männer getötet (vergewaltigt) würden. Dass dieses ungleiche Geschlechterverhältnis unter Soldat_innen an sich ein Problem ist, bestreite ich gar nicht, es passt nur nicht in die gegenwärtige Diskussion.
Puschel hat geschrieben: ↑18. Mär 2019, 20:23Nach einer Google-Suche, die ich lieber nicht getätigt hätte, hier einige Beispiele:
Leanna's Slice of Life,
Slave‘s Sword 2 und, für die Damen,
Hadaka Shitsuji - Naked Butlers. Gibt sicher noch mehr, aber mein Verlauf ist schon geschädigt genug. Diese Spiele sind wahrscheinlich nicht so extrem wie Rape Day, aber ich bin mir sicher, dass es sich ohne den Shitstorm problemlos in diese Reihe hätte einordnen können. Rape Day sticht natürlich allein schon durch seinen Titel hervor, aber wenn das gleiche Spiel sowas wie „Zombie Love“ heißen würde und eine verharmlosende Beschreibung hätte, wäre es auch nicht besser
Soweit ich es nach einer kurzen Recherche beurteilen kann, liegt bei keinem dieser Spiele der Schwerpunkt ganz klar auf sexualisierter Gewalt und es wird auf den jeweiligen Steam-Seiten nicht mit entsprechenden Features geworben - gerade letzteres kann aber natürlich besonders problematisch sein, weil so die Gefahr, unerwartet auf solche Inhalte zu stoßen, signifikant steigt. Schon deshalb sollte man nicht den Fehler machen, die Diskussion über mangelnde Kuration nur deshalb zu den Akten zu legen, weil "Rape Day" von der Plattform verbannt wurde.
Die, auch in den Vorschaubildern auf Steam vorkommende, kleine Schwester des Protagonisten ist eindeutig minderjährig, auch wenn ich daran zweifle, das ihr Alter explizit erwähnt wird. Jedoch ist ein Handlungsstrang des Spiels laut der Beschreibung, dass sie sich wegen Übernatürlichem manchmal in eine erwachsene Form verwandelt, hier wird also extra nochmal herherausgestellt, dass sie normalerweise präpubertär ist. (Nein, die Sexszenen sind nicht ausschließlich mit ihrer erwachsenen Form)
Hier landen wir halt dummerweise in einer legalen Grauzone (daher meine Frage): Extrem jung aussehende weibliche Charaktere gehören fast schon zum Standard-Repertoire von Hentai-Spielen, aber sie werden nie explizit als minderjährig bezeichnet. Vielmehr nimmt man etwaige Kinderpornografie-Vorwürfe sogar - zumindest in den westlichen Releases - vorweg, indem man eingangs in Form einer kurzen Texteinblendung erklärt, dass alle Charaktere mindestens 18 Jahre alt sind.
Provokation ja, aber meiner Meinung nach ist das nicht einzige Ziel des Spiels, denn es will auch ein Fetisch-Pornospiel sein und die dürfen ja seit einem Jahr auf Steam. Nichts herausragendes, aber ich würde sagen, dass es nicht ausschließlich Provokation ist. Kann man aber drüber Streiten.
Fetisch- und Pornospiele werden aber gemeinhin nicht in erster Linie entwickelt, um zu provozieren, sondern um einer bestimmten Zielgruppe stimulierendes Material zu liefern. Bei "Rape Day" schien es genau umgekehrt zu sein.
Die Aussage ist zwar durch „etwas weiter“ stark relativiert, aber ein Platz im Steam Store ist extrem weit von Mainstream entfernt. Der ist voll von schlecht produzierten Müllspielen (zu denen sich auch Rape Day gut zuornden lässt)
Wie gesagt: Die Qualität eines Spiels ist hier nicht entscheidend, sondern der Inhalt. Objektiv schlechte Filme findet man auch in großen Geschäften allenthalben, aber eben keine schlechten Filme, in denen kriminelle Protagonisten (zombifizierte) Frauen vergewaltigen und Babys töten.
RinserofWinds hat geschrieben: ↑19. Mär 2019, 05:54Ich bin froh, dass Valve da sehr konservativ dran gegangen ist und eben nicht gesagt hat "Wir müssen hier eine Flagge für moralischen Grund xy hochhalten". Denn wie hier im Thread schon erwähnt, gäbe es direkt sehr viele andere Spiele auf Steam, die dann gebannt werden müssten. Und wenn die gebannt sind, gibt es noch mehr Spiele, die sehr wahrscheinlich gebannt werden müssten. Und noch mehr Spiele die vielleicht gebannt werden müssten.
Und wer im Endeffekt gebannt wird, hängt dann wohl proportional damit zusammen wie viele erboste Mails und Tweets es zu dem Titel gibt.
Dieses Risiko wäre ja gerade
nicht so groß, wenn Valve einen klaren Regelkatalog aufsetzen und auf dessen Grundlage entscheiden (sowie nach außen kommunizieren) könnte, welches Spiel warum über Steam vertrieben werden darf. Aktuell ist es viel wahrscheinlicher, dass öffentlichem Druck punktuell nachgegeben und eine Entscheidung je nach Fall getroffen wird.
Erster Sexualkontakt wird nicht früher, Verhütungsverhalten von Jugendlichen und Erwachsenen wird nicht schlechter, obwohl die meiste Pornographie es ja weniger mit Verhütung hat.
Ich habe deswegen explizit auf Sexualakte verwiesen, nicht auf das Sexualverhalten in seiner Gesamtheit. Gerade im Bereich der Verhütung ist zum Glück keine signifikantere Änderung hin zu unsichererem Sex festzustellen - aber das liegt maßgeblich an der diesbezüglichen Aufklärung, die etwa in Deutschland Standard ist. Über konkrete Sexualpraktiken hingegen spricht man nicht im Unterricht und entsprechende Angebote etwa von Beratungsstellen werden kaum wahrgenommen, also haben die Kinder und Jugendlichen ein weniger umfassendes (oder gar kein) Vorwissen, wenn sie in Kontakt mit Pornografie kommen, und dementsprechend steigt as Nachahmungsrisiko.
https://www.cdc.gov/violenceprevention/ ... rtBook.pdf
Jau, und mir ist klar, wie unglaubwürdig sich das anhört und was für eine Beweislast da auf mir liegt.
Ich hab keine 40 Jahre Forschungsgeschichte in dem Bereich, möglicherweise irre ich mich auch.
Hauptsächlich stütze ich mich erstmal auf den schon erwähnten CDC Bericht, es gibt aber selbstverständlich noch andere Quellen.
Abgesehen davon, dass auch laut diesem Bericht die Zahl weiblicher Vergewaltigungsopfer doppelt so hoch ist wie die männlicher, bezieht sich die Studie ja leider nur auf die USA. In anderen Ländern ist das Gefälle deutlich krasser. Trotzdem vielen Dank für den Link! Genauer durchlesen werde ich mir den Text trotzdem, weil er rechercherelevant ist.
Aber ok, dann nehmen wir den ordinären Mord. Gesamtbevölkerung der Welt, gemischte Gruppe mit ausgewogenem Geschlechterverhältnis, es werden 79% Männer getötet, 21% Frauen. Kein Aufschrei trotz hoher Geschlechterspezifität.
Auch hier sind die Umstände zu betrachten. Männer sind schon deshalb einer höheren Gefahr ausgesetzt, Opfer von Mord und Totschlag zu werden, weil sie auch mit überwältigender Mehrheit als Akteure (Um aus dem von Dir verlinkten Wikipedia-Eintrag zu zitieren: "A 2013 global study on homicide by the United Nations Office on Drugs and Crime found that
males accounted for about 96 percent of all homicide perpetrators worldwide and 79% of the victims") im Kontext krimineller Delikte auftreten. Hinzu kommt die generell höhere Gewaltbereitschaft unter Männern (die selbstverständlich nicht veranlagt, sondern anerzogen ist - ehe hier jemand falsche Schlüsse zieht). Männer werden vor allem von Männern getötet, daher ist auch dieser Vergleich undurchdacht. Natürlich gilt hier ebenfalls: Diese Zahlen sind alarmierend und wir müssen dringend etwas tun, um sie zu senken. Aber dieses Bewusstsein besteht längst - es ist keineswegs so, dass dieses weltweit bestehende Problem einfach ignoriert wird und man stattdessen nur über sexualisierte Gewalt diskutiert.
Aber es gibt halt auch eine halbe Sarkeesian Folge über die "Misogynie", dass man in Hitman zwei Frauen töten kann, trotz des oben dargestellten Geschlechterverhältnis bei Mordopfern und der Tatsache, dass erheblich mehr als 79% der getöteten NPCs in Hitman Männer sein werden.
Das stimmt so nicht. Sarkeesian kritisiert in dem Video ausdrücklich
nicht, dass man die Möglichkeit hat, Frauen zu töten - sondern dass Stripperinnen (also stark sexualisierte Frauen) umgebracht und ihre Leichen anschließend entsorgt werden können. Die komplette Argumentationskette möchte ich hier nicht erneut wiedergeben, weil ich das schon etliche Male getan habe, daher schau Dir das Video bitte erneut an und/oder stöbere mal ein bisschen in diesem Forenthread, denn dort wurde genau dieser Diskussionspunkt an irgendeiner Stelle aufgegriffen:
viewtopic.php?f=2&t=2068&
Aber ich hab dich so verstanden, dass die Tatsache, dass es keinen perfekten Jugendschutz auf Steam geben kann, ein Argument dafür ist, dass solche Spiele nicht auf Steam sein dürfen.
Jein. Mein Hauptargument ist, dass solche Spiele nicht auf Steam landen sollten, weil Steam die weltweit größte Plattform für digitale Spiele ist und man entsprechende Titel aus der ihnen angestammten Nische heben würde, würde man ihnen einen Platz auf dem Marktplatz einräumen. Das Jugendschutz-Thema ist damit aber verknüpft: Denn wenn man Spielen zumindest die Chance bietet, sich dem Mainstream anzunähern, muss man sicherstellen, dass sie nicht in die falschen Hände gelangen. Ich bin aber gar nicht so naiv, "perfekten" Jugenschutz zu verlangen, sondern nur Maßnahmen, die über "gib irgendein Geburtstdatum an, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten" und "setze ein Häkchen im Optionsmenü" hinausgehen.
Ich habe keine Kinder und plane auch keine, aber wenn würde ich sie nie längere Zeit unbeaufsichtigt ins Netz lassen (ha, wie einfach ich das sagen kann, ich muss es ja nie umsetzen).
Viel Erfolg, ich bin seeeehr zuversichtlich, dass sich dieser Plan genau so wird umsetzen lassen!
Das Problem in der Praxis sind doch meistens eher die Eltern, die ihren 10 jährigen Kindern Gta5 an der Kasse kaufen, wo dann jeder Jugendschutz gegen die Wand fährt, oder?
Damit vereinfachst Du einen eigentlich sehr komplexen Sachverhalt. Sicher gibt es Eltern, die einfach nicht auf den Medienkonsum ihrer Kinder achten (bzw. Zugang zu nicht altersgemäßen Inhalten aktiv ermöglichen), aber mindestens ebenso oft sind es andere Verwandte, Freunde und Bekannte, die hier eine große Rolle spielen. Und gerade, wenn das Kind über einen Internetzugang verfügt, wird eine konsequente Regulierung schwierig bis unmöglich.
Ich glaube um die Reaktion zu Rape Day zu verstehen, muss man versuchen das Verhältnis der Gesellschaft zu Gewalt im Geschlechterkontext verstehen.
Auf jeden Fall, daher widmen wir uns ja gerade diesem Thema in der Folge so ausführlich!
rammmses hat geschrieben: ↑19. Mär 2019, 17:30Steam ist nicht "der Mainstream" wie Nina behauptet, da erscheinen Dutzende Spiele pro Tag (!), mehrere Tausend im Jahr. Niemand hat da irgendeinen Überblick, geschweige denn Kontrollfunktion.
Steam ist die weltweit größte und umsatzstärkste Onlineplattform für digitale Spiele und über Spieler_innenkreise hinaus bekannt. Also: Mainstream. Und dass man nun gar keinen Überblick mehr über die tausenden und abertausenden Neuveröffentlichungen mehr hat, ist keine unumstößliche, naturgegebene Tatsache, sondern unter anderem ein Resultat der seit einem Jahr bestehenden, neuen Geschäftspolitik.
Wenn wir jetzt diese Firmenpolitik verdammen, kann man gleich über das Internet an sich reden, das noch viel weniger reguliert wird und werden kann.
Natürlich ist das Internet in seiner Gesamtheit nicht im gleichen Maße regulierbar wie eine einzige Online-Plattform oder vielmehr die Produktpalette einer einzigen Firma. Valve
könnte prinzipiell sein Online-Angebot kuratieren, das wurde sogar bei Steam selbst schon vorgemacht.