Man kann jetzt wieder einwenden, ich würde bloß erneut ein Beispiel hervorzerren, darauf zeigen und rufen "Seht her, was sie jetzt schon wieder angestellt haben!" - aber ich tue es trotzdem, weil dieses Beispiel für mich so exemplarisch zeigt, was bei Gamestar gerade so falsch läuft, und wie weit sie sich von den selbst verordneten Standards entfernt haben.
Am 13.6. erschien auf Steam die Early Access-Version von Torchlight III. Am selben Tag erschien auf der Gamestar-Webseite im Rahmen der Aktion "Find your next game" eine Preview von Dimitry Halley (
https://www.gamestar.de/artikel/torchli ... 58786.html), die im Tenor durchaus positiv klang, zumindest was das Spiel selbst anging. Da ich Torchlight II mit großem Vergnügen gespielt hatte, ging ich positiv gestimmt mal auf Steam, um mir anzusehen, ob ich vielleicht in die EA-Version investieren wollte. Erstaunt musste ich feststellen, dass bei bereits über 1.500 Steam-Reviews der Tenor "größtenteils negativ" war, was Dimis Prognose doch stark zuwiderlief. Bei genauerer Betrachtung stellte sich heraus, dass die EA-Version Multiplayer only war, aber unter horrenden Serverproblemen litt. Zudem wurden auch unbefriedigendes Gameplay, oberflächliche Skilltrees, Bugs, die Anmutung eines Mobile- oder Free-to-play-Spiels (was es ursprünglicvh ja auch werden sollte) usw. bemängelt.
Im Kommentarthread zur GS-Preview habe ich die Frage gestellt, warum denn in der Preview auf kein einziges dieser Probleme oder auf die negativen Reviews hingewiesen wurde, und bekam von Dimi zur Antwort:
"Weil der Artikel nicht auf der Early-Access-Version basiert. Wie du auch am letzten Satz erkennen kannst "Wir werden ebenfalls einen Blick reinwerfen und informieren euch zeitnah, ob sich der Kauf von Torchlight 3 jetzt schon lohnt."
Es wird morgen einen größeren Stream zu dem Thema geben, in dem wir vor dem gegenwärtigen Zustand des Spiels warnen."
Auch bezüglich meiner Nachfrage, auf welcher Version die Preview denn dann beruhe und warum man nicht einfach damit abgewartet hätte, bis man die EA-Version selbst ausprobieren konnte, wurde ich auf den "großen Stream" am Folgetag vertröstet.
Tatsächlich erschien erst am 15.6. ein Folgeartikel (
https://www.gamestar.de/artikel/torchli ... 58852.html) von Dennis Zirkler, der vor der EA-Version von Torchlight III warnt. Der Multiplayerzwang und die anfängliche Unspielbarkeit wegen ständiger Serverabbrüche werden genannt, auch etliche andere Kritikpunkte der Steam-Reviewer und auch einiger Gamestar-Leser werden angeführt. Am Ende kommt noch ein Kommentarkasten von Dimi, wo er in einem Nebensatz den Offenbarungseid leistet:
"Auf Basis von Interviews und ausführlichem Gameplay-Material lautete unsere ursprüngliche Prognose nämlich: Da steckt eigentlich ein tolles Spiel drin."
Mal abgesehen davon, dass das Gameplay-Material so ausführlich nicht gewesen sein kann, wenn all die von Spielern angeführten Kritikpunkte dabei nicht aufgefallen sind, finde ich es überaus bemerkenswert (tm), dass man bei GS mittlerweile Previews offenbar auf Basis von Entwicklerinterviews und ein paar gezeigten Videos schreibt, ohne
zumindest darauf hinzuweisen. Dass auf diese Art gewonnene Infos nicht unbedingt für bare Münze zu nehmen sind, sollte in der Branche inzwischen sattsam bekannt sein.
Und
noch bemerkenswerter finde ich, dass nicht nur in der Preview, sondern auch im Artikel über den schlechten Zustand der EA-Version jeglicher Hinweis fehlt, dass ein Gamestar-Redakteur je selbst Hand an das Spiel gelegt hätte. In der Preview beruft man sich ausschließlich auf Aussagen der Entwickler, in deren "Widerruf" ausschließlich auf Aussagen von Steam- und Gamestar-Usern.
Es tut mir leid, aber für dieses journalistische Selbstverständnis fällt mir echt kein freundlicheres Wort ein als "erbärmlich".
Das Um und Auf einer Zeitschrift wie der Gamestar ist das Vertrauen ihrer Leser, dass die angebotene Information verlässlich ist und journalistisch sorgfältig erarbeitet wird. Dieses Vertrauen fehlt mir mittlerweile komplett. Ich habe daher nach langem Zögern nun für mich die Konsequenzen gezogen und mein Plus-Abo gekündigt, weil ich sowas beim besten Willen nicht mehr finanziell unterstützen will und kann.