Mir geht es auch so, dass ich die erste Hälfte des Podcasts eher ernüchternd finde. Ja, Andre hat es schon geschrieben, Andre und Wolfgang sagen immer wieder Dinge wie "am Ende ist es die Entscheidung der Entwickler und das ist legitim" und Sebastian bildet auch in der übrigen Zeit einen Gegenpol. Dennoch kam mir gerade die These, es ginge vielen ja eigentlich nur um den exklusiven Club, doch etwas diffamierend vor. Man begegnet diesem Vorwurf immer wieder, und meistens dient er dazu, der Position, die Entscheidung von From Software gut zu finden, dass es eben keinen leichten Schwierigkeitsgrad gibt, die Legitimation zu entziehen. Das mag von euch nicht so intendiert gewesen sein, wirkt aber durch die Prominenz, die Dauer, und den Ton, wie ihr darüber sprecht, ein wenig so.
Und ehrlich gesagt geht mir diese Aussage langsam auch ein wenig auf den Keks. Das ist ein billiges Totschlagargument, mit dem man es sich einfach machen kann, indem man unterstellt, "die anderen" würden eh nur an sich denken. Es mag bestimmt, vor allem junge, Menschen geben, denen so etwas wirklich wichtig ist und die das brauchen, um sich ihr Selbstwertgefühl aufzubauen. Die sagen das aber in der Regel auch recht deutlich, zumindest implizit durch ihre Ausdrucksweise. Aber einfach zu sagen, das sei ja möglicherweise auch bei allen so, die etwas anderes sagen, die würden sich aber nur nicht trauen, zu sagen, was sie eigentlich denken, ist so ein klassisches "du weißt es doch eigentlich auch, willst es nur nicht zugeben"-Argument. Dagegen lässt sich schlechterdings nicht argumentieren, da die Person, die diese These vertritt, für sich selbst bestimmen kann, wie lange sie wahr ist.
Die Posts von Soulaire und akill0816 finde ich daher sehr wertvoll in diesem Thread und möchte meine Zeit nicht damit verschwenden, diese Argumentation nochmal zu wiederholen, das würde nur Zeit kosten. Auf zwei Dinge möchte ich aber anekdotisch eingehen: Einmal auf die allgemeine These, Dark Souls sei für Wolfgang (stellvertretend für viele) motorisch nicht schaffbar, und auf die Aussage von Phazonis, der akill0816s Aussage widerspricht, dass ein einfacher Schwierigkeitsgrad auch auf das Spielerlebnis Einfluss habe.
Kurze Pause:
Und weiter.
Zu "Dark Souls ist so wahnsinnig schwer, ich kann das einfach nicht und bin zu alt dafür":
Ich glaube immer noch, dass das für die allermeisten Menschen nicht zutrifft. Nun kenne ich Wolfgangs spielerische Fähigkeiten nicht persönlich und ich mag mich täuschen. Aber ich halte allgemein diesen Nimbus, dass Dark Souls so wahnsinnig schwer ist, schlicht für falsch. Und der Beleg dafür bin gewissermaßen ich (weiter unten mehr dazu, erst mal Theorie). Dark Souls ist nicht wahnsinnig schwer, Dark Souls hat nur das Scheitern als inhärenten Spielbestandteil. Darauf spielt Seb im Podcast ja an, wenn er fragt, wie das denn mit Leuten sei, die einfach keine Lust hätten, das Spiel so zu spielen. Ich habe den Eindruck, dass ein Großteil der Leute, die für Dark Souls einen leichten Schwierigkeitsgrad wünschen oder gar fordern, es entweder gar nie ausprobiert haben, weil überall steht, es sei so schwer, und sie schwere Spiele mit so Rumkämpfen normalerweise nicht gut können (in diese Gruppe wäre ich beinah gefallen), oder aber es ausprobiert haben, und gescheitert sind, aber nicht daran, dass sie zu schlecht sind für das Spiel, sondern weil sie zu ungeduldig oder zu wenig frustresistent sind.
Hier komme jetzt anekdotisch ich ins Spiel: Ich habe vor Dark Souls kaum jemals ein Action Rollenspiel / Action Adventure gespielt (also diese Schulterperspektivenvariante, Klickorgien wie Diablo schon). Ich habe mal einige Jahre vorher das erste Darksiders gespielt, und bin daran irgendwann kläglich gescheitert, weil ich mit diesen Knopfdrückereien einfach nicht klar kam. Und ich glaube ich hab kurz vorher das neue Tomb Raider gespielt, was ja mehr so eine anspruchslose Schießbude ist. Geschicklichkeitsspiele jeder coleur sind ein Graus für mich, mir verknoten sich da permanent die Finger. Dann also Dark Souls, hauptsächlich, weil ich die Stimmung in den Videos toll fand, und die Erzählungen, die dazu überall zu lesen waren. Nicht wegen der Tests natürlich, denn die haben mich mit ihrem "schwer!" abgeschreckt. Ein besonderes Problem für mich: Es ist allgemein bekannt, dass Dark Souls eine scheußliche Maussteuerung hat(te?). Ich mir also ein Gamepad gekauft. Ja, richtig, ich hatte vorher noch nie ein Gamepad. Ich habe nie irgendetwas mit Gamepad gespielt, und habe kaum jemals so ein Ding in die Hand genommen.
Das ist also die Voraussetzung: Ich, kaum jemals ein Spiel dieser Art gespielt, null(!) Gamepad-Erfahrung, Geschicklichkeitsspiel-Aversionist, spiele Dark Souls. Und was soll ich sagen, es ging gut. Klar bin ich viel gestorben. Natürlich hab ich eine Weile gebracht, bis ich "Schild wegstecken" und "Waffe wechseln" nicht mehr verwechselt habe. Sicher war ich langsamer als manch erfahrener Geschicklichkeitsspieler. Aber Ornstein und Smaug beispielsweise haben mir weit weniger Probleme gemacht, als vielen anderen offenbar erfahreneren Spielern. Und ich hatte so wahnsinnig viel Freude in dieser unheimlichen, aber wahnsinnig beeindruckend gebauten Welt, die davon lebt, dass ich scheitere, Angst habe, mich fürchte, und vorsichtig bin.
Vor diesem Hintergrund meiner eigenen Erfahrung fällt es mir schwer vorzustellen, dass es wirklich besonders viele Menschen geben soll, die physisch nicht in der Lage sein sollten, diese Erfahrung auch zu machen. Da müsste man schon komplette Nichtspieler oder wirklich körperliche Behinderungen aufgreifen, um Menschen zu finden, die noch signifikant schlechtere Startbedingungen mitbringen würden als ich. Und auch einem Wolfgang würde ich unterstellen, dass seine Voraussetzungen nicht wesentlich weiter weg von meinen sind. Natürlich sind seine Reflexe nicht mehr die eines Zwanzigjährigen. Aber Dark Souls ist nicht unbedingt ein Spiel, das von schnellen Reflexen lebt. Es ist vielmehr eines, das von Geduld, Vorsicht und Taktik lebt. Die Einstellung im Kopf ist dramatisch viel wichtiger als die Fähigkeit an der Tastatur.
Ein weiteres Beispiel in dieser Richtung ist das Let's Play zu Dark Souls von Jörg Langer, Gründer der Gamestar. Ich weiß nicht genau, wie jung Wolfgang ist, aber auch Jörg ist schon lange nicht mehr in seinen Zwanzigern. Er hat Dark Souls zum Release nach kurzem Antesten für ein relativ mittelmäßiges Spiel gehalten und die passend relativ mittelmäßige Wertung (eines anderen Testers) auf GamersGlobal verteidigt. Später hat er sich, mehr als Witz, als "Strafe", ein Let's Play dazu aufgehalst. Natürlich ist er spielerisch weit weg von dem, was ein 15-Jähriger Profi-Darksouler so abspult. Aber fortwährend gescheitert und verzweifelt ist er weniger an Stellen, an denen übermäßig viel Geschick verlangt würde, als vor allem immer dann, wenn er unvorsichtig wurde, in einen "komm, jetzt schnell noch"-Gedanken verfallen ist, oder Gegner nicht (mehr) ernst genommen hat. Das ist ihm auch selbst schnell klar geworden (was nicht heißt, dass man es deswegen immer verhindern kann, wir sind eben Opfer unserer Emotionen). Das Ergebnis ist aber, dass das eigentlich als "Strafe" angefangene Spiel dazu geführt hat, dass er Dark Souls mittlerweile für ein sehr gutes Spiel hält. Daher ist, was Dark Souls angeht, eine Erkenntnis elementar wichtig:
Gegen Dark Souls gewinnt man mit dem Kopf, nicht mit den Fingern.
Bei Sekiro mag das übrigens komplett anders sein. Nach allem was man liest und hört, ist der Fokus in diesem Fall erheblich stärker auf dem Beherrschen des Kampfsystems gelegt, sodass ich da auch erhebliche Zweifel habe, ob ich damit klarkäme. Aber das ist dann auch ok, wenn From Software sich entscheidet, mal ein Spiel für Leute zu machen, die darauf abfahren, und mit dem ich eben mal nicht klarkomme. Vielleicht hol ich es mir mal in einem Sale und schaue, wie weit ich komme. Vielleicht werde ich ja auch hier wieder überrascht.
Und hier kommt jetzt der Bogen zurück zum Podcast: Die Abwesenheit eines leichten Schwierigkeitsgrads hat mir, Jörg und vermutlich auch vielen anderen diese Dark-Souls-Erfahrung erst ermöglicht. Denn ich hätte *garantiert* auf "leicht" gestellt, nach all dem, was man liest und hört, und den schlechten Voraussetzungen, die ich hatte. Und hätte mir damit selbst eine der besten spielerischen Erfahrungen des letzten Jahrzehnts genommen. Daher bin ich From Software sehr dankbar dafür, dass es keinen einfachen Schwierigkeitsgrad gibt. Ich bin dafür, auch allen anderen die Chance zu geben, dieses tolle Erlebnis zu erleben, auch wenn Wolfgang das Argument hanebüchen nennt. Natürlich steht es From Software zu, das für ein zukünftiges Spiel ganz anders zu handhaben, das ist dann auch ok. Aber für die Souls-Spiele, Bloodborne und Sekiro haben sie sich dagegen entschieden. Ich fände es gut, könnte man das einfach akzeptieren, und vor allem denen, die das gut finden, nicht unterstellen, sie würden das ja nur sagen, um einem exklusiven Club anzugehören.
Nochmal kurz Pause
(hier sollte ein Bier-Smiley stehen, aber den gibt es scheinbar nicht. Skandal.)
Und weiter:
Zu "Ich meine nur weil ich etwas mehr Schaden mache und der Gegner etwas weniger heißt das ja nicht, dass das Spiel nicht immer noch die selben Skills abverlangt, nur ist es dabei halt etwas freundlicher." von Phazonis:
Um es kurz vorweg zu nehmen: Doch, genau das heißt es. Oder zumindest: Kann es heißen. Das ist natürlich eine recht theoretische Diskussion, daher möchte ich versuchen das mit Beispielen zu erläutern, die ich faktisch so selbst erlebt habe. Ich hab in den letzten Jahren viel WoW auf einem Classic-Server gespielt. Also dieses Classic, das Blizzard im Sommer selbst wieder rausbringen will, und von dem immer alle sagen, das wär ja noch schwer gewesen. Long story short: Ist es nicht. Die meisten Leute wussten damals nur einfach noch nicht, wie man diese Art Spiel optimiert. Es war für die meisten das allererste Mal und so etwas wie "Endgame" noch kein wirklich bekanntes Konzept.
Warum erzähle ich das? Weil das auch die Entwickler "meines" Classic-Servers bemerkt haben: Die Raids waren viel leichter als sie sich früher angefühlt haben. Ihr Gedanke: Wenn wir die Raids einfach so einbauen, wie sie damals waren, bekommen wir das "Classic-Gefühl", für das die Leute zu uns kommen werden, nicht hin. Ihre Lösung: In fast allen Raids erhalten die Gegner mehr Lebenspunkte. Je nach Boss unterschiedlich viel, aber alle mehr. Gerade bei den ersten Raids haben das viele lange nicht bemerkt, denn die Erfahrung war einfach so, wie sie es in Erinnerung hatten. Bei höheren Raids wurde dann aber die Politik etwas geändert: Um die Herausforderung auch für die sehr guten Gilden zu erhalten, gleichzeitig aber die nicht ganz so starken Gilden nicht vom Content auszuschließen, wurde neuer Content (sprich: die späteren Classic-Raids) so veröffentlicht, dass die Lebenspunkte bedeutend viel höher waren, dann aber nach einiger Zeit immer wieder etwas abgeschwächt (Ähnliches hat Blizzard hin und wieder auch schon bei offiziellem Content so gemacht).
Dabei konnte man nun genau das beobachten, worum es in diesem Themenpunkt ging. Ich könnte hier endlos referieren über verschiedene Bosse und wie schon geringe "nerfs" dazu geführt haben, dass zuvor wichtige Bossmechaniken plötzlich unwichtig wurden oder nötige Taktiken vereinfacht werden konnten. Ich beschränke mich auf drei augenfällige, abstrahierte Beispiele, die sich so auch in vielen anderen Spielen oder eben den From-Software-Spielen finden könnten:
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Bei einigen Bossen bekommen die Spieler Stärkungszauber (Buffs), die den Kampf deutlich erleichtern, aber nur eine begrenzte Zeit aktiv sind, sagen wir mal fünf Minuten. Wenn der Boss nun normalerweise aber 5 Minuten und 30 Sekunden lebt (im Schnitt), müssen die Spieler die letzten 30 Sekunden ohne diesen Buff kämpfen. Diese Zeit zu meistern entwickelt sich logischerweise zur eigentlichen Herausforderung im Kampf, denn es wird plötzlich viel schwerer, obwohl man schon eine Weile kämpft und zunehmend erschöpft ist (real, aber auch in Bezug auf Ingame-Ressourcen).
Nun reduziere ich die Lebenspunkte des Bosses leicht, sodass er 15 Sekunden schneller tot ist. Er lebt also jetzt noch 5 Minuten und 15 Sekunden statt 5 Minuten und 30 Sekunden. Man könnte sagen: Das kann man sich auch direkt sparen, ist ja fast gleich. Tatsächlich aber hat sich damit die Kampfphase, die den Kern der Herausforderung dargestellt hat, auf 15 Sekunden halbiert. Der Boss ist also dramaitsch viel leichter.
Zusätzlich dazu können wir jetzt noch annehmen, auch ein übliches Phänomen in Spielen, nicht nur in MMOs, dass es Fähigkeiten gibt, die besonders stark sind, aber einen langen Cooldown haben, also nur für besondere Situationen gedacht sind ("Ultimates" oder "Super" oder wie sie auch immer das jeweilige Spiel nennen mag). Nehmen wir mal an, diese stärken einfach alle Spieler beträchtlich, für genau 15 Sekunden. Jetzt hätten wir also mit dem Nerf des Bosses plötzlich eine Situation, in der diese "Ultimates" die komplette "schwere" Kampfphase über aktiv sein können, während vorher noch 15 Sekunden komplett ohne Stärkung überlebt werden mussten. In diesem Fall fällt jetzt sogar die besondere Herausforderung, ohne jede Stärkung eine Weile diesen Kampf zu überleben, komplett weg (und damit die besonderen Taktiken / ein besonderes Spielverhalten / Abfragen von Spielerfähigkeiten).
Wenn man den Nerf auf (im Vergleich zur Kampfdauer) immer noch lächerliche 30 Sekunden ausweitet, bräuchte es hingegen nicht einmal mehr diese Ultimates. Genau so dann in diesem Beispiel auch irgendwann passiert. Gerade diese Ultimate-Geschichte ist etwas, was man auch ganz gut auf From-Software-Spiele übertragen kann. Die haben zwar keine Ultimates, aber durchaus andere Äquivalente wie begrenzte Zauber-Anzahlen, begrenzte Heiltränke oder andere Consumables, die auf ähnliche Weise funktionieren. Angenommen, wir haben einen Verbrauch von einem Heiltrank pro Minute, wir haben 5 Heiltränke, der Boss dauert aber 6 Minuten -> Problem. Ich muss mir als Spieler also hier aktiv überlegen, wie ich dieses Problem löse. Wenn der Boss nur 5 Minuten dauert, also nur unwesentlich kürzer, gibt es das Problem plötzlich nicht mehr, ich muss mir also auch nichts überlegen.
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Andere Bosse spawnen in regelmäßigen Abständen Gegnerwellen, ein Klassiker. Sagen wir, ein Boss hat 100 Leben, spawnt aber jede Minute erst mal Diener, die erst weg gemacht werden müssen, bis man dem Boss Schaden zufügen kann. Hat sicher jeder schon mal irgendwo erlebt, und kommt auch in WoW Classic vor. Das "Wegmachen" dieser Diener dauert 50 Sekunden. Es bleiben also je Welle 10 Sekunden Zeit, um dem Boss Schaden zu machen. Sagen wir, pro Sekunde schafft es der Raid, dem Boss ein Leben zu zerkloppen. Je Welle verliert der Boss also 10 Leben, für 100 Leben braucht der Raid also 10 Wellen, was 10 Minuten entspricht. 10 Minuten heißt erst mal: Langer Kampf, der stellt besondere Anforderungen an die Spielweise, gerade was die Ingame-Ressourcen angeht (man kennt das, Mana und so, ist irgendwann weg das verdammte Zeug).
Nerfen wir nun also mal gedanklich diesen Boss und seine Diener um 20%. Das ist jetzt nicht so wahnsinnig viel, also gucken wir mal, was passiert. Die Diener zu töten hat vorher 50 Sekunden gedauert, bei 20% weniger Leben für die Diener schaffen wir das jetzt in 40 Sekunden. Da die Diener aber immer noch nur einmal pro Minute spawnen, hat unser raid jetzt nicht mehr 10, sondern 20 Sekunden in jeder Minute, um Schaden auf dem Boss zu machen. Der Raidschaden am Boss hat sich also verdoppelt, obwohl wir nur einen Wert um 20% geändert haben! Damit schafft der Raid also 20 Leben pro Minute statt 10. Da auch der Boss 20% weniger Lebenspunkte hat, also 80, dauert der Kampf plötzlich nur noch 4 Minuten statt 10, was natürlich die Anforderungen an das Ressourcenmanagement und andere taktische Überlegungen radikal verändert. Und das, obwohl wir nur ein ganz bisschen an einer Zahl geschraubt haben.
Auch hier fallen mir auch aus Dark-Souls spielen Bosse ein, die genau so eine Mechanik benutzen.
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Als drittes und letztes Beispiel (wobei diese Liste natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat) stellen wir uns einen Boss vor, der auf zwei verschiedene Arten Schaden an zufälligen Spielern im Raid verursacht. Dieser Schaden kündigt sich vorher an, und es gibt für jede der beiden Varianten eine Möglichkeit, diesen Schaden dann kurzfristig durch eine spielerische Reaktion zu vermeiden.
Gehen wir davon aus, dass alle Spieler 100 Leben haben und nehmen wir an, beide Schadensarten verursachen 50 Schaden. Was passiert, wenn ein Spieler von beiden kurz nacheinander getroffen wird? Er ist tot. Nehmen wir mal an, dass das durchaus häufig passiert. Was heißt das also für die Spieler? Sie müssen es beherrschen, diese Schadensquellen, oder zumindest eine von beiden, zu vermeiden, denn sonst sterben sie. Der Boss prüft also, ob hinreichend viele Spieler im Raid das beherrschen oder nicht.
Jetzt die Nerf-Keule her. Machen wir es nochmal ganz extrem, das Mimimi wegen des Bosses sei nur mimi.. äh, minimal, also müssen wir auch nur minimal nerfen. Den Schaden um 2% senken? Klingt fair, oder? Ich hör schon Jochen rufen "Wenn man am Balancing schraubt, schraubt man erst mal direkt um 50% oder so, damit man auch was merkt!
Trottel!". Mal gucken, ob das wirklich so wenig bringt (nach dem Lesen der obigen Beispiele könnt ihr euch wahrscheinlich schon denken, worauf es hinausläuft): Beide Schadensarten, von denen die Rede war, machen jetzt noch 49 Schaden. Wird ein Spieler von beiden getroffen, überlebt er mit 2 Lebenspunkten. Die können im Anschluss leicht geheilt werden, wofür hat man Heiler?
Ergebnis: Ein Nerf von winzigen 2% führt in diesem Beispiel dazu, dass der Boss nicht mehr prüft, ob die Spieler es beherrschen, zumindest einer seiner beiden Schadens-Quellen auszuweichen. Je nachdem, wie dieses Vermeiden funktioniert, kann es so sein, dass die Spieler einen ganzen Teil eines Kampfsystems nicht mehr zwingend beherrschen müssen.
Gerade hier gibt es auch Parallelen zu den From-Software-Spielen, vor allem aber, zumindest wenn man Git Gud glauben darf, zu Sekiro. Denn gerade mit seinen vielen unterschiedlichen "Balken", die es im Kampfsystem zu beachten gilt, und den klaren Skillchecks, von denen Dennis und Nina im Podcast sprechen, ist dieses System für diese Art von Auswirkung vermutlich ziemlich anfällig. Natürlich geht es da nicht immer um 2%, klar, das ist extrem. Aber es zeigt ganz gut, was das Problem ist: Auf der einen Seite könnten schon winzige Änderungen einige Features unnötig machen und damit die Erfahrung fundamental ändern, gleichzeitig würden aber diese winzigen Änderungen an vielen anderen Stellen den Leuten, die einen einfachen Schwierigkeitsgrad wünschen, noch nicht einmal helfen. Eben dort, wo es diese Effekte nicht gibt. Dort müsste der "Nerf" also wieder größer ausfallen, mit dem Risiko, weitere Probleme dieser Art auch noch an anderen Stellen hervorzurufen.
Und noch ein ganz kurzes viertes Beispiel aus eher wirtschaftslastigen Spielen wie beispielsweise Anno:
Wenn ich einen Umsatz von 1000 Talern mit meiner Ware habe, bei Ausgaben von 900 einen Gewinn von 100 mache, und damit gewohnt bin zu spielen, ein Patch nun aber meinen Umsatz (ohne die Kosten zu steigern) um 10% erhöht, habe ich plötzlich einen Gewinn von 200. Obwohl also jemand an seiner Balancing-Tabelle den Wert nur relativ leicht angehoben hat, verdoppelt sich für mich als Spieler das, was für mich übrig bleibt. Dadurch können auch bei solchen Spielen durch eine kleine Änderung plötzlich ganze Entscheidungsebenen (Militär oder Forschung? Ach, beides!) wegfallen.
Conclusio:
Es gibt im Game Design an allen Ecken und Enden solche Grenzeffekte, die schon bei geringen Veränderungen auftreten können. Sie verändern das Spielerlebnis auf anderen Schwierigkeitsgraden massiv und greifen damit, obwohl es ja "nur" Balancing-Änderungen sind, massiv ins eigentliche Gameplay ein. Sie sind auch der Grund dafür, warum es immer wieder Spiele gibt, bei denen einzelne oder sogar viele Schwierigkeitsgrade sich nicht nur fundamental anders anfühlen (und das "für mich fühlt sich das dann auf "leicht" genauso an wie für dich auf "normal" nicht stimmt), sondern gern auch mal den Eindruck machen, "kaputt" zu sein, weil es wahnsinnig aufwändig und schwierig ist, alle diese Effekte a) erst mal zu finden und b) dann so zu lösen, dass diese fundamentale Gameplay-Änderung NICHT auftritt, *trotzdem* aber der Schwierigkeitsgrad leichter wird.
Hat irgendjemand bis hier durchgehalten?
Warum schreibe ich da so viel drüber?
Ich finde es wichtig, dass mehr Menschen verstehen, dass (und warum) Schwierigkeitsgrad und Balancing nicht einfach irgendwelche Konzepte sind, die außerhalb des Spiel Designs existieren und an denen man einfach lustig hin und her schrauben kann, ohne dass das Gameplay davon betroffen ist. Das exakte Gegenteil ist der Fall, beides sind substantielle Bestandteile des Designs eines Spiels. Würde das von mehr Menschen verstanden, würden diese Diskussionen auf sinnvollere Weise geführt und man bliebe von einem großen Teil der Totschlagargumente verschont (Wobei ich hervorheben möchte, dass die Diskussion hier und auch die im Podcast natürlich im Internet-Vergleich ohnehin schon ausgesprochen sinnvoll sind
).
tl:dr:
PS: Bitte entschuldigt eventuelle Fehler, das Schreiben hat länger gedauert als gedacht und ich kann es jetzt nicht mehr Korrektur lesen.