Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

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Rince81
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von Rince81 »

Andreas29 hat geschrieben: 25. Mai 2019, 20:20 Zur Nachvollziehbarkeit und Effektivität habe ich schon eine Andeutung gemacht: Wenn ich Creator wäre, würde ich die KJM schon fragen, warum ICH auf derselben Plattform denn jetzt Zeitsperren machen muss und Zuschauer verliere, wo der Ami oder Holländer um 12 Uhr God of War zeigt und es sich die Jugend dann da anguckt.
Bin ich grundsätzlich völlig bei Dir. Ich denke aber in dem Fall würde die KJM vermutlich bei Youtube anklopfen und fragen, warum die Streams der Holländer und Amerikaner bei uns verfügbar sind. :ugly:

Wie man es auch dreht und wendet, alles was effektiver Jugendschutz sein soll, wird große Probleme mit der Verhältnismäßigkeit bekommen, effektiv sind eigentlich nur Sperren und Freischaltung gegen Altersnachweis. Wobei das Tür und Tor für Totalüberwachung öffnet - und wer möchte schon seine gesamte Browserhistorie zentral gesammelt haben nur damit man mal einen FSK 16 Filmtrailer oder USK 18 Lets Play anschauen darf...
Die "Gesendet von meinem HTC11 Life mit Tapatalk"-Signatur
Andreas29

Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von Andreas29 »

Rince81 hat geschrieben: 25. Mai 2019, 21:55 Bin ich grundsätzlich völlig bei Dir. Ich denke aber in dem Fall würde die KJM vermutlich bei Youtube anklopfen und fragen, warum die Streams der Holländer und Amerikaner bei uns verfügbar sind. :ugly:
Ja. Das habe ich ja schon beleuchtet: Theoretisch müsste dann Youtube komplett dran glauben, wenn die keinen Altersnachweis nach KJM-Regularien einführen.
Aber das würde eben nicht verhältnismäßig sein und deswegen wird da nichts passieren und es so inkonsequent bleiben, dass der deutsche Creator zwar erst ab 23 Uhr Call of Duty zeigen darf, es aber tagsüber schon auf Englisch überall abrufbar ist.
Rince81 hat geschrieben: 25. Mai 2019, 21:55Wobei das Tür und Tor für Totalüberwachung öffnet
Und genau da tritt eben unser(wirklich unironisch ) tolles Grundgesetz in Kraft. Denn aus Artikel 5 ergibt sich neben der Meinungs- und Kunstfreiheit auch Informationsfreiheit. Und Youtube besteht ja nicht nur aus Katzenvideos und Ballerspielen, sondern da wird sich auch politisch geäußert und da finden Nachrichten statt. Auch wenn alle gerne über Deutschland meckern: Wir sind nicht in Russland, China oder der Türkei, wo sich der Staat nach seinem Gusto ein eigens Internet schustern kann.

Ich betone immer wieder gerne: Ursula von der Leyen konnte nicht einmal Filter gegen Kinderpornographie durchsetzen, so hoch sind da die Hürden für Internetsperren.

JusProg war der beste Ansatz und den hat die KJM praktisch nur aufgekündigt , weil er nur auf Windows funktioniert. In der Tat ein Problem, woran die Entwickler von JusProg dingend arbeiten müssen. ABER Windows hat bei Betriebssystemen einen Marktanteil von knapp 80%. Und weil 20% andere Betriebssysteme nutzen kündigt die KJM einen Kompromiss, mit dem jeder zufrieden ist, einseitig auf.

Ich hoffen, dass sich das Gericht sehr gut anschaut...
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HerrReineke
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von HerrReineke »

Andreas29 hat geschrieben: 26. Mai 2019, 09:14 ABER Windows hat bei Betriebssystemen einen Marktanteil von knapp 80%. Und weil 20% andere Betriebssysteme nutzen kündigt die KJM einen Kompromiss, mit dem jeder zufrieden ist, einseitig auf.
Das wurde aber auch vor allem mit Mobile begründet und auf Smartphones und Tablets hat Windows keine 80 % Marktanteil :ugly: Ich finde leider grad spontan nur sehr grobe Zahlen für das alles, aber es gibt in Deutschland ca. 41,3 Millionen Haushalte [Quelle], von denen 90% einen PC haben [Quelle], also grob 37,17 Millionen Computer. Gleichzeitig gibt es aber 57 Millionen Smartphones in deutschen Haushalten [Quelle]. Der Marktanteil von Windows an "internetfähigen Geräten" insgesamt - unter Berücksichtigung von Mobile - würde damit bei grob 31,6 % liegen.

Wenn man jetzt davon ausgeht, dass der Anteil der Smartphones (und die Nutzungsquote derselben) unter Jugendlichen höher ist als in der Gesamtbevölkerung und man sogar weitere Endgeräte (z.B. Smart-TV mit integrierten Apps und App-Store) berücksichtigt, wird die Auffassung der KJM, dass ein Programm, dass wohl deutlich weniger als ein Drittel der betroffenen Geräte auch nur theoretisch abdecken würde, nicht gerade "effektiv" und mithin ausreichend ist, doch verständlicher.
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Andre Peschke
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von Andre Peschke »

HerrReineke hat geschrieben: 26. Mai 2019, 09:38 Das wurde aber auch vor allem mit Mobile begründet

unter Berücksichtigung von Mobile - würde damit bei grob 31,6 % liegen.

Wenn man jetzt davon ausgeht, dass der Anteil der Smartphones (und die Nutzungsquote derselben) unter Jugendlichen höher ist als in der Gesamtbevölkerung und man sogar weitere Endgeräte (z.B. Smart-TV mit integrierten Apps und App-Store) berücksichtigt, wird die Auffassung der KJM, dass ein Programm, dass wohl deutlich weniger als ein Drittel der betroffenen Geräte auch nur theoretisch abdecken würde, nicht gerade "effektiv" und mithin ausreichend ist, doch verständlicher.
Im Rahmen das GS-Redesigns hieß es ja auch, dass über ääh... 50% mindestens, glaube es war mehr, das Site-Traffics via mobile kommt und die GS setzt ja den JusProg-Tag ein, zB.

Das seltsame ist eher, daß es da nicht heist:"Bis datum XY müssen diese oder jene Plattformen unterstützt werden, finde ich. Wäre auch interessant zu wissen ob dieser Entscheidung irgendwelche Verhandlungen vorausgingen, so dass klar sein musste, dass die KJM da ein Problem sieht, oder ob das jetzt aus heiterem Himmel kam.

Andre
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HerrReineke
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von HerrReineke »

Andre Peschke hat geschrieben: 26. Mai 2019, 10:04 Wäre auch interessant zu wissen ob dieser Entscheidung irgendwelche Verhandlungen vorausgingen, so dass klar sein musste, dass die KJM da ein Problem sieht, oder ob das jetzt aus heiterem Himmel kam.
Zumindest aus dem Subtext der PM klingt - finde ich - schon sehr heraus, dass das von heute auf morgen kam und die kalt erwischt hat. Fände ich auch nicht verwunderlich, da es ja hier nicht direkt um das Verhältnis zwischen KJM und JusProg sondern KJM und FSM geht und erstere scheinbar schlicht ihre Rechtsauffassung geändert hat - vermutlich sogar erst aus Anlass der erneuten Prüfung und Freigabe durch die FSM.
Bloße Mutmaßung meinerseits: Bei der KJM hat sich die Zusammensetzung des Gremiums geändert und / oder die hierfür federführend zuständige Person gewechselt. Oder da hat sich das zum ersten Mal jemand wirklich angeguckt und gemerkt, dass es das System nur für Windows gibt :ugly:
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von Rigolax »

Zumindest wollte sich der Verein hinter JusProg ja kurz vor Bekanntgabe des Verfahrensausgang anscheinend verpflichten, entsprechende Mobile-Systeme zur Anerkennung nachzureichen.

Ich habe aber den Eindruck, dass sich das in Insiderkreisen schon länger angebahnt hatte. Vielleicht spricht auch dafür, dass die KJM nicht 100ig% mit JusProg zufrieden war, dass die 2017er Anerkennung nur auf 2 Jahre und nicht die maximalen 3 erfolgte. Ausschließen würde ich dabei dennoch, dass es JusProg vielleicht schlicht verpennt hat, denn dafür ist das Thema schlicht viel zu wichtig für die Industrie (JusProg ist ja im Grunde eine Entwicklung der Industrie bzw. die finanziert das im Wesentlichen).

Zur Einordnung vielleicht noch interessant, dass 2013 bereits über JusProg verhandelt wurde. Da ging’s darum, ob eine "wesentliche Verbreitung" der Software nötig sei. PDF: https://www.bag-jugendschutz.de/PDF/VG_ ... -13.NW.pdf und hier ein kurzer Artikel dazu: https://community.beck.de/2013/04/25/vg ... h-11-jmstv Eine vermeintlich fehlende Verbreitung ist natürlich etwas anderes, als wenn es schlicht nicht auf diversen Plattformen verfügbar wäre. EDIT: Hatte hier etwas Quatsch geschrieben, ging nicht um die Anerkennung an sich in dem Fall, war eher en passant zum Thema, wie ich das so verstehe.
Andreas29 hat geschrieben: 25. Mai 2019, 20:20Zur Nachvollziehbarkeit und Effektivität habe ich schon eine Andeutung gemacht: Wenn ich Creator wäre, würde ich die KJM schon fragen, warum ICH auf derselben Plattform denn jetzt Zeitsperren machen muss und Zuschauer verliere, wo der Ami oder Holländer um 12 Uhr God of War zeigt und es sich die Jugend dann da anguckt.
Das ist schon recht kurios eigentlich, wobei es im Jugendmedienschutz aber auch immer um einen Minimalschutz dient. Deswegen reicht es auch hin, wenn im Fernsehen die bösen Filme erst ab 22/23 Uhr laufen, da man -- durchaus zu Recht -- davon ausgeht, dass dadurch ein nicht geringer Teil an Minderjährigen das nicht mehr mitkriegt. Im Internet ist das dann so ähnlich, wenn die deutschsprachigen Angebote (in Deutschland :ugly:) sich zumindest an den Jugendschutz halten, wird der Kontakt mir den problematisierten Inhalten schon reduziert und die Jugendschützer freuen sich. Die eigentlich alberne Unterscheidung zwischen ab 16 und 18 Jahren (als ob die 2 Jahre an sich super signifikant wären) oder viele Indizierungen sind auch primär eigentlich symbolische Akte, die eine gewisse Strahlkraft haben sollten. Daher geht Kritik an der vermeintlichen Sinnlosigkeit der Maßnahmen auch, befürchte ich, oft an den Stellen vorbei.

Meiner Ansicht nach ist die Sicherstellung eines Kinderschutz von staatlicher Seite ja durchaus erstrebenswert, für diejenigen, deren Eltern nicht im Stande sind, das zu leisten. Auch wenn ich die Terminologie um entwicklungsbeeinträchtigend und jugendgefährend nicht mag, weil es so dogmatisch ist, gibt es Inhalte, die Kinder echt nicht sehen brauchen, nicht sehen sollten oder dürften. Medienkompetenz und Positivauszeichnung für bestimmte Inhalte ist imho aber dennoch viel effektiver als Verbote, die oftmals Erwachsene auch stark einschneiden, wie bei der Verbotsvariante Indizierung, oder die das Kreativwesen lähmen wie bei Schnitten in allen Versionen für niedrigere Ratings. Es ist eben ein schwieriger Balanceakt.
Andreas29

Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von Andreas29 »

HerrReineke hat geschrieben: 26. Mai 2019, 09:38 dass ein Programm, dass wohl deutlich weniger als ein Drittel der betroffenen Geräte auch nur theoretisch abdecken würde, nicht gerade "effektiv" und mithin ausreichend ist, doch verständlicher.
Klar. Habe ich jetzt nicht bedacht. Trotzdem ist der Stil nicht OK
einfach einseitig zu sagen: "So ab jetzt gilt es nicht mehr. Entweder ändern oder Ärger.".

So behauptet es jedenfalls die FSM, die ja nicht umsonst klagt. Das war ja ein lange ausgehandelter Kompromiss.

Ich habe davon absolut keine Ahnung, aber kann man da nicht Spezialisten ran setzen, die das Ding z.B. für Android entwickeln? Muss da nu r ein bisschen umgeschrieben werden im Code? Muss das von Grund auf neu entwickelt werden? Wie lange dauert sowas?
Rigolax
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von Rigolax »

Gibt ein Update zu dem Thema. Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Eilverfahren die Gültigkeit von JusProg wiederhergestellt. Die FSM berichtet, dass das Gericht festgestellt hat, dass die FSM ihren Beurteilungsspielraum bei der Bewertung nicht überzogen habe. Damit können Anbieter bis auf Weiteres wieder auf JusProg als Jugendschutzlösung im Rahmen des Möglichen setzen: https://www.fsm.de/de/presse-und-events ... en-jusprog

Die KJM bedauert natürlich die Entscheidung des Gerichts: https://www.kjm-online.de/service/press ... u-jusprog/
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HerrReineke
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Re: Jugendschutz: Kommen die Zeitbeschränkungen wieder?

Beitrag von HerrReineke »

In dieser Sache gibt es Neuigkeiten. Die KJM hatte scheinbar Rechtsmittel eingelegt und das Eilverfahren vor das OVG Berlin/Brandenburg gebracht. Dort gab es nun - so berichtet LTO mit Verweis auf einen Beitrag in der FAZ - einen Vergleich:
"Die Kommission für Jugendschutz nimmt die Aufhebung der Zulassung von Jusprog zurück, während sich JusProg verpflichtet, in den nächsten zwei Monaten Anträge auf Eignungsbeurteilung für noch fehlende Betriebssysteme zu stellen. JusProg soll sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche auf Telemedien nicht mit "entwicklungsbeeinträchtigenden" Angeboten konfrontiert werden."
Das Hauptsacheverfahren wird wohl noch weitergehen und soll dabei die Frage klären, ob die Aufhebung der Zulassung rechtmäßig war.
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