TheDarkShadow hat geschrieben: ↑2. Mär 2020, 13:10
Ich hab überlegt jetzt noch mehr zu schreiben, aber eine gute Diskussion lebt davon das man seinen Gegenüber zuhört, dessen Argumente ernst nimmt, diese mit seiner Sicht der Dinge abstimmt und dann entweder seine Meinung anpasst oder seine bestätigt sieht, aber nicht davon seine Aussagen immer wieder zu widerholen, ohne auf die vorherigen der Gegenseite eingegangen zu sein. Dies ist leider zum Groß nicht der Fall.
Hinzu kommen mir etwas zu schnell Unterstellungen und indirekte angriffe, sowas muss nicht sein, auch bei einem geladenen Thema. Hab zwar schon deutlich! schlimmeres gesehen, hier kommen immerhin keine ad hominems, welche eine Diskussionskultur richtig vergiften, aber leider eben noch immer wieder unnötige Unterstellungen, welche einde Diskussion nunmal konterkarieren, schade!
Die einzige sachbezogene Kritik, die ich hier von dir auf den letzten Seiten gelesen habe ist, dass das Kampfsystem ein anderes wäre. Der Rest war mehrfaches Wiederholen von "Das ist nicht mehr BG, das ist DOS" in verschiedenen Variationen.
Und ja, das Kampfsystem ist sicherlich ein anderes als in BG. Es ist allerdings auch offenbar anders als in DOS2: Die Mechanik mit den elementar aufgeladenen Oberflächen und Volumen wie Feuer, Wasser, Eis, Elektrizität, Rauch, Dampf haben sie (gottseidank) nicht übernommen. Aber auch sonst wird vieles anders sein als in DOS2, schon allein, weil das D&D System im Hintergrund läuft: D&D hat Klassen, DOS2 hat sie nicht. D&D hat Würfel, DOS2 hat sie nicht. D&D und DOS2 haben unterschiedliche Wertesysteme bei der Ausrüstung. In BG3 ziehen die Figuren der Party direkt hintereinander, statt wie in DOS2 abwechselnd mit den Feinden. Und so weiter, und so weiter. Die einzige echte Parallele zwischen BG3 und DOS2, die man derzeit ausmachen kann ist, dass beide rundenbasierten Kampf ohne Felder haben werden.
Und damit muss ich einfach wieder zu meiner zentralen Aussage zurückkehren: Erwartungsmanagement. Larian hat dieses Projekt bekommen, weil sie a) mit DOS2 viel Erfolg hatten b) Erfahrungen mit Party-RPGs hatten und c) die notwendige Technik besitzen. Es war völlig klar, dass BG3 auf einer Weiterentwicklung dieser Grundlagen basieren würde. Genauso klar war, dass das Spiel eben gerade nicht die Uhr um 22 Jahre zurückdrehen und die Entwicklungen des Mediums der letzten zwei Dekaden ignorieren würde. Natürlich würde BG3 moderner ausfallen, weil es eben darum geht, ein Spiel zu machen, was
heute finanziell erfolgreich sein kann.
Du kannst dir ja mal zum Spaß angucken, wie erfolgreich Obsidian mit ihrem letzten Spiel gewesen ist, welches der ursprünglichen Infinity Engine Erfahrung deutlich näher ist. Nichtsdestrotz ist BG3, wie gezeigt, eben nicht einfach nur DOS2 mit Schwertküsten-Texturen, sondern wird sich im Detail mechanisch deutlich unterscheiden. Zu behaupten, es handle sich um einen Reskin oder DOS3, finde ich da sehr unfair.
Wird deswegen alles gut? Ich weiß es nicht. Ich bin kein sonderlich großer Fan von DOS2 oder Larian. Für mich müssen sie, wie oben bereits geschrieben, erst noch beweisen, dass sie die passende Tonalität beherrschen. Sie müssen für mich Baldur's Gate auch im Bereich Level- und Questdesign wiedererwecken - beides Dinge, die ich in DOS2 so nicht gesehen habe. Sie dürfen mich nicht wieder so maßlos zuschütten mit Loot und Nebenquests. So habe ich in DOS2 leider ein wenig den Sinn für Dramturgie vermisst: Weil alles bemüht ausgefallen und Pseudo-Originell war, fand ich es recht schnell anstrengend. Larian muss auch die leisen Töne beherrschen lernen, damit es Herausragendes geben kann.
Gleichzeitig muss ich aber auch anerkennen, dass viel der Faszination Schwertküste über Dinge wie Namen, Monster, Ortschaften, Zauber, Geschichten usw transportiert wird - das Setting war auch in BG1 & 2 schon eines der großen Pluspunkte, warum sollte also nicht auch BG3 an dieser Stelle davon profitieren? Der Rendertrailer verspricht ja unter anderem, dass es wieder Dimensionssprünge geben wird - für mich schon damals eines der spannendsten Elemente des D&D Multiversums. Das man einen Githyanki mit ausgearbeiteter Originstory spielen kann, fand ich sofort super.
Für Larian spricht zudem, dass ihre Technik der Infinity-Engine an vielen Stellen spielerisch überlegen ist und so kreative Problemlösungen ermöglicht, die es in BG1+2 so nicht gab. Dinge verrücken, Gegenstände werfen, Guerilla-Taktiken durch Aufteilen der Party und Ausnutzen von Umweltbedingungen zum Beispiel. All die systemischen Elemente, die durch den höheren Detailgrad bei der Simulation der Spielwelt entstehen und so echte spielergetriebene Lösungen ermöglichen, an die ggf. nicht mal der Entwickler gedacht hat, waren in der Infinity Engine nicht möglich, in DOS2 (und scheinbar auch in BG3) schon. Für ein RPG ist das ideal.
Andersherum war ja auch in BG1&2 nicht alles super. Kritik an der Kampfmechanik gab es ehrlicherweise auch schon damals. Ich erinnere nur an das ständige Rasten im Dungeon und die miese Party-KI. Es waren Setting, Charaktere und Geschichten, welche die Originale groß gemacht haben. Möglicherweise kann Larian das leisten - möglicherweise aber auch nicht. Aber genau deshalb halte ich es für total verfrüht, mit der Glocke bimmelnd herumzuziehen und "Das ist kein BG!" zu rufen, nur, weil die Kampfmechanik keine pausierbare Echtzeit mehr ist oder weil der optische Stil, bedingt durch die Technik, an DOS2 erinnert.