Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

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IpsilonZ
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von IpsilonZ »

monieu hat geschrieben: 9. Jun 2019, 22:36
IpsilonZ hat geschrieben: 9. Jun 2019, 21:57 Das ist der Punkt. Er ist ein deutscher General im zweiten Weltkrieg. Und EA besteht darauf, er sei kein Nazi.
Wenn du das so sagst, klingt es als wäre die Kombination ausgeschlossen. Das ist doch aber nicht mal formal der Fall oder mussten alle Führungsoffiziere der Wehrmacht Mitglied in der NSDAP sein? Wäre mir neu.
"we’re not making any political statements in relation to the real life events of WW2"
Es ging nie um die Rolle des Generals selbst, sondern darum, dass man nichts politisches im Bezug zum zweiten Weltkrieg sagen will. Ich selbst habe "Nazi" auch nie ausschließlich als Bezeichnung für Mitglieder NSDAP, sondern auf Anhänger des Nationalsozialismus insgesamt gesehen. Aber hier laufen wir dann wirklich Gefahr uns in Begrifflichkeiten zu verlieren.
Es bleibt aber die Aussage, dass man keine politischen Statements setzen will, in anderen Worten, man den zweiten Weltkrieg darstellen will aber ohne Politik.

monieu hat geschrieben: 9. Jun 2019, 22:36
IpsilonZ hat geschrieben: 9. Jun 2019, 21:57 Der Vorwurf ist, dass der Hersteller den politischen Kontext aus dem Setting (2. Weltkrieg) zieht. Es ist zweiter Weltkrieg aber ohne Nazis.
Und Dom hat ihn konsequent als Nazi-General bezeichnet, um das Gegenteil zu betonen? Oder ist ein Nazi-General kein General, der selbst ein Nationalsozialist ist, sondern einer, der unter den Nationalsozialisten dient?

Wie auch immer, den Vorwurf kann man sicherlich machen. Es stellt sich nur auch da die Frage, wenn wir schon aus dem Zweiten Weltkrieg einen Spielplatz machen, warum sich nicht auch noch auf eine Ästhetik beschränken, die zumindestens aus Sicht der meisten Spieler "nur" den "unverfänglichen" militärischen Aspekt des Deutschen Reiches darstellt. Ablehnen würde ich hauptsächlich, wenn man dieses cherry picking als authentisch verkauft. Insofern zum eigentlichen Stichwort des Threads: Glaubwürdigkeit. Natürlich nicht, es ist so glaubwürdig wie ein Indianderspielplatz als Nachbildung der Siedlungen nordamerikanischer Ureinwohner.
Naja, beides waren ja getrennte Aussagen. Dom hat "Nazi-General" wohl im Kontext "Anhänger des Nationalsozialismus" gesetzt und nicht wirklich als "NSDAP Mitglied". Ich will ihm da jetzt keine Worte in den Mund legen aber letzteres halte ich für eher unwahrscheinlich.
Erst daraufhin kam dann die Reaktion von EA, dass der Typ kein Nazi-General sei und darauf folgte der Vorwurf, dass sie den zweiten Weltkrieg darstellen wollen aber die Rolle der Deutschen in diesem Krieg entpolitiseren wollen.

Wie man dazu steht, ist dann natürlich jedem selbst überlassen. Ich finds auch eher geschmacklos.
monieu
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von monieu »

Nazi-Begriff: Wenn Alliierte im Krieg einen deutschen Soldaten erschossen haben, dann sagten sie vielleicht, sie hätten einen Nazi erwischt. Auf der Ebene würde ich den Begriff nicht verwenden.

Political statements: Es ist natürlich absurd in einer Einparteiendiktatur, wo die Streitkräfte auf den Diktator eingeschworen sind, einen großen Unterschied darin zu sehen, ob jemand auch Mitglied in der herrschenden Partei ist oder nicht. Über die Gesinnung hat das nicht unbedingt etwas ausgesagt. Aber ich würde sagen, es ist einfach nur verklausuliert ausgedrückt: Eigentlich meinen sie beim Kriegspielen ziehen wir einen Grenze dort, wo man jemanden spielen kann bzw. spielen muss, der offen als überzeugter Nazi auftritt.

Ich sehe hier auch eine spezifisch deutsche Mitschuld an der ganzen Darstellungsform, denn für unseren Markt wurde dieser Eisernes Kreuz-Weltkrieg (im Gegensatz zum Hakenkreuz-Weltkrieg) ursprünglich geschaffen. Für das spezifische setting die Lösung von Problemen ideologischer Assoziation durch kosmetische Entschärfung und Nichtansprechen hier durch DICE adaptiert.

Aber eigentlich wirft es nur ein Schlaglicht auf ein übergeordnetes Phänomen. Denn während man auf der deutschen Seite mühevoll eine Situation herstellen muss, wo man reuelos Soldaten spielen kann, darf man sich als Soldat der Gegenseite mühe- wie reuelos als Teil "der Guten" verstehen (außer es handelt sich um Sowjets, da ist es so naja). Nur das ist eben auch ahistorisch. Der Umstand, dass die nationalsozialistische Ideologie besonders schlimme Ideen zur schlimmsten Konsequenz geführt hat, ändert nichts daran, dass Elemente der allierten Kriegsstrategie ohne weiteres als Kriegsverbrechen aufgefasst werden können. Man denke in Europa an die britische Bombardierung gerade auch in Abgrenzung zur Selbstbeschränkung auf die strategische Bombardierung durch die USA und letztere wiederum im Kontrast zum Brandbombeneinsatz durch die USA in Japan, was die rassistische Komponente der Ostasienkriegsführung verdeutlicht, die sich auch in den Nachfolgekriegen gezeigt hat. Ideologische Parallelen im Kolonialismus und der Politik der Rassentrennung könnte man auch ansprechen. Wichtiger aber für diese Betrachtung: Auf dem Schlachtfeld war ein allierter Soldat so nah an möglichem verbrecherischem Handeln wie einer der Achsenmächte. Also zum Beispiel jemanden, der sich ergibt, zu erschießen anstatt ihn gefangen zu nehmen. Der Zweite Weltkrieg bietet vielleicht einmalig gute Argumente für die Zuordnung einer bösen Seite, aber die ethische Bewertung von Individuen macht sich an einzelnen Kriegssituationen und -handlungen fest und da sind die Unterschiede gar nicht mal so ausgeprägt.
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Schlagerfreund
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von Schlagerfreund »

Na ich finde da begeben wir uns aber mit dieser Argumentation schon in die Anfänge für mich eher fragwürdiger Richtungen wie z.B. der Vergleich des Holocausts mit der Bombadierung von Dresden.

Das ein Aliierter Soldat so nah an verbrecherischen Handeln wie z.B. ein Soldat der SS oder der Wehrmacht war ist in meinen Augen auch absoluter Unfug und wird hier mit Pseudo-psychology begründet. Sind wir nicht alle im Grunde fähig die selben Verbrechen zu begehen? Ich wüsste jetzt nicht wo z.B. Army logistische Unterstützung für Massenerschießungen von Zivilisten geleistet hätte oder dem Equivalent der SS den Rücken durch "Partisanenbekämpfung" freigehalten hätte. Das driftet mir auch persönlich gesehen viel zu stark von dem Thema ab.

Fakt ist wie gesagt das EA/DICE etwas sagen und dann das Gegenteil machen.

Vielleicht kann Dom sich ja auch noch mal kurz zu seiner Argumentation hier äußern.
monieu
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von monieu »

Erwartbarer Vorwurf, aber ich interessiere mich an dem Punkt nicht für narrative Überformung. Dass man irgendwelchen Nazis, die in Dresden marschieren, ein antideutsches "jede Bombe war gerecht" entgegensetzt meinethalben. Dass man Gut und Böse zuordnet - halte ich für unsinnig - aber von mir aus. Dass man dem ganzen eine Art übergeordnete Gerechtigkeit zuweist sicherlich in Fragen der Erinnerung, Schuld, dem aus-der-Geschichte-lernen wichtig aber davon mache ich mich bei der Bewertung frei und kann das auch nur jedem anderen raten.

Deshalb spreche ich auch nicht von der "Bombardierung von Dresden" ich spreche von der britischen Strategie des Flächenbombardements (inklusive der Idee des "moral bombing") von Arthur Harris, dem Oberbefehlshaber der Bomberflotte. Die Strategie war in Großbritannien selbst umstritten und wurde von den USA in Europa nicht geteilt. An der meiner Ansicht nach klar verbrecherischen Qualität dieser Strategie ändert übrigens auch nicht die militärhistorische Diskussion, ob sie absolut notwendig war, um den Krieg zu beenden oder zu gewinnen. Damit wurden ja auch die beiden Kernwaffeneinsätze in Japan gerechtfertigt.
Schlagerfreund hat geschrieben: 11. Jun 2019, 10:29 Das ein Aliierter Soldat so nah an verbrecherischen Handeln wie z.B. ein Soldat der SS oder der Wehrmacht war ist in meinen Augen auch absoluter Unfug und wird hier mit Pseudo-psychology begründet. Sind wir nicht alle im Grunde fähig die selben Verbrechen zu begehen? Ich wüsste jetzt nicht wo z.B. Army logistische Unterstützung für Massenerschießungen von Zivilisten geleistet hätte oder dem Equivalent der SS den Rücken durch "Partisanenbekämpfung" freigehalten hätte. Das driftet mir auch persönlich gesehen viel zu stark von dem Thema ab.
Nicht jeder einzelne Wehrmachtssoldat musste mal Zivilisten erschießen. Und auf die Idee, dass man die Waffen-KK spielen darf (die also mal gar nichts mit der Waffen-SS zu tun haben, sind ja ganz andere Buchstaben!), ist auch noch niemand gekommen. Aber ich wundere mich über die Vorstellung: Soldaten werden darin trainiert andere Menschen umzubringen, verfügen über die entsprechenden letalen Mittel und befinden sich im Kriegseinsatz in einer Situation mit enormen Stress, natürlich besteht da immer die Chance die wenigen Regeln des Krieges zu verletzen. Das ist auch heute nicht anders. Meistens werden diese Übertretungen auf der eigenen Seite als Kollateralschäden rationalisiert, auf der Gegenseite als Kriegsverbrechen gedeutet. Dass es davon abgesehen Kriegsverbrechen gibt, die sich auch nicht mehr in einer Grauzone verorten lassen sondern gezielt verübt werden, völlig unbenommen.

Dann kann man sich mal die Unterschiede in der Kriegsführung zwischen der europäischen Ost- und Westfront ansehen. Das Zusammentreffen Westalliierte und Wehrmacht hat sich beiderseits durchaus anders dargestellt als der Kampf zwischen Wehrmacht und der Roten Armee. Oder wie gesagt im Vergleich zu Ostasien.

Aber ich will schon nochmal darauf hinweisen. Es geht nicht um eine Gleichsetzung. In Deutschland muss man zurecht gegen den Mythos der "Sauberen Wehrmacht" vorgehen, in den Siegerländern gibt es im öffentlichen Bewusstsein nicht mal Ansätze davon, obwohl es diese Diskurse nach dem Krieg durchaus gegeben hat. (*) Durchgesetzt hat sich nur das Narrativ vom gerechten Krieg gegen das Böse. Leider gibt es weder gerechte Kriege noch das Böse.

(*) ergänzter Hinweis auf die Aufarbeitung
Zuletzt geändert von monieu am 11. Jun 2019, 21:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Schlagerfreund
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von Schlagerfreund »

Danke aber ich brauche keine historische Lehrstunde bezüglich der Bombardierung von Dresden. Ist auch für das Thema hier nicht sinnvoll. Von daher ignoriere ich das ab jetzt einfach mal.

Wie gesagt, es ist Fakt das EA hier klar mit dem Anspruch den sie sich selber gesetzt haben und gerne kommunizieren krass auseinander geht und dann eine halbgare Ausrede nutzt.
monieu
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von monieu »

Schlagerfreund hat geschrieben: 11. Jun 2019, 12:14 Danke aber ich brauche keine historische Lehrstunde bezüglich der Bombardierung von Dresden.
Ich hatte auch nicht vor, dir eine zu erteilen? Die Bombardierungen von Dresden sind einzelne Beispiele der britischen Strategie, die ich gerade nicht explizit angesprochen habe. Auch weil es - wie selbstdemonstriert - das Weghörstichwort ist.

--

Naja egal. Ich kann es auch ohne historische Bezüge zum Ausdruck bringen: Für mich bricht das alles, wenn man einen Kriegsshooter, wo das Erschießen der Gegner ein griffiger Spaß sein soll, mit einem respektvollem Umgang mit dem Thema Krieg in Zusammenhang bringt. Das können eigentlich nur Fabulierungen des Marketings sein. Wie bei einem Anti-Kriegsfilm gelingt es schon oft nicht sich dem Sog des Spektakels zu entziehen, aber dann muss man zumindestens einen bitteren Geschmack hinterlassen und das trifft ja wohl auf kaum ein Spiel dieser Art zu.

Eigentlich gilt das auch für das andere Ende des Spektrums, denn anstatt eines griffigen Spaß könnte man sich natürlich auch einer möglichst realistischen Simulation versuchen. Nur wenn man dann nicht bereit ist, auch die Spielfigur enorm verwundbar zu machen und sie auch nicht wieder aufstehen zu lassen, wenn sie gefallen ist, schafft man eine andere Art alternativer Realität, wo die Spielfigur als Supersoldat verzerrt ist. Ganz abgesehen von all den anderen historischen Ungenauigkeiten, die eingebaut werden.

Und jetzt kann man sich fragen, was davon ideologisch "gefährlicher" ist, das vermeintlich Realistische oder das offenkundig Unrealistische.
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Pan Sartre
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Re: Magazin #56: DICE und historische Glaubwürdigkeit

Beitrag von Pan Sartre »

Die Geschichte mit dem Widerstandskämpfer der in Battlefield zum Nazi umdeklariert wird, erinnert mich an Akte X. Da gab es im Original einen Victor Klemper, einen Nazi Forscher, der in die USA übergesiedelt ist. Die Figur wurde in der deutschen Fassung in Victor Kerber umbenannt, um Verwechslungen mit Victor Klemperer, einem jüdischen Schriftsteller aus Dresden, zu vermeiden. :D
Außerdem fällt mir RtCW ein. Zitat Wikipedia: "Gelegentlich pfeifen deutsche Soldaten die Melodie von Wolf Biermanns Lied Soldat, Soldat. Das Lied entstand erst gut 20 Jahre später und ist ein Antikriegslied."
Um beim gleichen Spiel zu bleiben, aber eine "positive" Umdeutung einer historischen Person aufzuführen: "Der im Spiel vorkommende Widerstandskämpfer Karl Villigut hat wenig mit der Person des historischen SS-Esoterikers Karl Maria Wiligut zu tun, lediglich der Name wurde verwendet."

Es scheint also eine gewisse Tendenz zu geben, sich in Unterhaltungsmedien "bekannterer" Namen zu bedienen, diese aber in einen widerfaktischen Sachverhalt zu stellen.
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