Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

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Soulaire
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Soulaire »

VikingBK1981 hat geschrieben: 6. Jul 2019, 21:26
Soulaire hat geschrieben: 6. Jul 2019, 20:55 In erster Linie tragen die entsprechenden Staaten die Verantwortung für diese Arbeitsbedingungen. Der einzelne Konsument kann das gar nicht überblicken wie etwas genau hergestellt wird und was noch moralisch akzeptabel ist. Der Individualismus wird nur noch als Ausrede benutzt, weil man weiß dass sich so nichts ändern wird und man die entsprechende Verantwortung an den Kunden abtreten kann. Die "Moralkeule", die immer öfters rausgeholt wird verschlimmert das Ganze sogar noch und erschwert zusätzlich mögliche Verbesserungen leider.
Ich kaufe auch keine AAA-Spiele mehr aus verschiedenen Gründen, nicht nur wegen den Arbeitsbedingungen. Crunch ist ja auch nur ein Symptom von dem immer gleichen formelhaften System, welches ich persönlich nicht unterstützen möchte.
Aber das einem Einzelnen vorzuhalten halte ich für Quatsch.
Viel eher sollte man mal beim Games-Journalismus anfangen, der Crunch gelichzeitig verharmlost aber trotzdem ja ganz schlimm findet und vor allem immer noch "Hof-Berichterstattung" betreibt wo es nur geht. Gleichzeitig wird sich über fehlende Innovation beschwert und formelhafte Spiele wie Assassins Creed, Tomb Raider und Co bekommen immer noch 90er-Wertungen. Das passt einfach nicht zusammen. Gerade weil das ja alles zusammenhängt.
Mit der Formel geringe Personalkosten, generisches Spielkonzept, gute Grafik und teures Marketing wirst du so oder so erfolgreich sein und das halte ich für sehr schädlich.
Das Hauptproblem sehe ich also weniger beim Einzelnen, sondern bei einer Öffentlichkeit die sich für integer hält, aber es einfach nicht ist. z.B Gamestar.
Und bei den Arbeitsbedingungen trägt wie schon gesagt der Staat übergeordnet die Verantwortung.

Das hier einige aus verschiedenen Gründen keine AAA Titel mehr kaufen ist ihr gutes Recht. Die Indies als die moralisch überlegen hinzustellen ist aber sich falsch. Auch dort gibt es Crunch. Auch dort werden Mitarbeiter nach Fertigstellung entlassen.

Wenn sich was ändern soll wird das nur über die die Mitarbeiter selbst gehen.
Indies sind nicht per se besser.
leider zieht sich diese Formelhaftigkeit inclusive Crunch auch oft in den Indie-Bereich in den letzten Jahren.
trotzdem ist das nichts im Gegensatz zu den klassischen AAA-Games, wo sehr viel den Investoren untergeordnet wird und sehr viele Franchises mit zig Teilen produziert werden, also regelrecht gemolken wird.
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Schlagerfreund
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Schlagerfreund »

Der Vorwurf das man hier eine moralische Überlegenheit angibt kommt nur von dir und ich finde ihn haltlos. Wenn ich oder jemand in einer Debatte begründet warum er z.B. keine Triple A Spiele kauft, dann hat das nix mit moralischer Überlegenheit raushängen zu tun. Ist ja nicht so als würde die Personen hier im Forum permanent erwähnen. Davon abgesehen wurden auch Gründe genannt die nix mit Moral zu tun haben, sondern die eher in die Richtung gehen das man sich kreativere Spiele und andere Spielerfahrungen wünscht.

Ansonsten ist es ziemlich traurig das wir:
A: Faire Arbeitsbedingungen sehen wollen und das nicht der Standard ist in dem Branchensegment.
B: Die Forderung danach als "moralisch überlegen" bezeichnet wird. Man sollte meine es wäre das Mindestmaß das akzeptabel wäre.
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Stuttgarter »

VikingBK1981 hat geschrieben: 6. Jul 2019, 20:27 Also ohne einigen zu nah treten zu wollen oder es böse zu meinen, man sollte die Kirche aber auch mal im Dorf lassen. Ja es gibt Crunch, und sicher wäre es besser wäre es nicht so. Nur sind diese nicht total Menschenunwürdig. Manchmal habe ich das Gefühl einige denken, die Entwickler sitzen in einer dunklen Grube und werden ausgepeitscht.
Irgendwie muss ich grad an Beckenbauer denken, der in Katar keinerlei Sklaven gesehen hat... :ugly:
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sleepnt
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von sleepnt »

Gerade im Indie-Segment rechne ich viel eher mit idealistischem Crunch - welcher wiedet sozialen Druck ausübt und zu unfreiwilligem Crunch wird.

Mimimi, gerade mot Desperados 3 beschäftigt, gilt als Vorzeige-Studio. Da wird wohl sehr daraif geachtet, dass kein Crunch entsteht bzw. Überstunden fair bezahlt oder als Urlaub genommen werden können - so wie es den Leuten eigentlich nur zusteht. Aber damit sind sie wohl recht alleine gelassen.
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mart.n
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von mart.n »

Crunch ist ja eigentlich nur schlechtes Projektmanagement und sollte in Zeiten von Scrum gar nicht mehr vorkommen. Ansonsten halte ich es für normal, dass vor einem großen Release gleich welcher Art auch mal deutlich mehr gearbeitet wird. Kenne ich auch als nicht-ITler. Dafür macht man dann in der Mitte halt mal etwas ruhiger.

Was arbeitet ihr denn eigentlich so, die das memschenunwürdig finden? Würde mich echt mal interessieren. Ist in vielen Branchen Gang und Gebe. Und wen es stört, der kündigt halt und sucht sich was anderes. Ist doch gerade im Moment ein absoluter Arbeitnehmermarkt. Da muss nicht der Staat schon wieder eingreifen. Wenn die guten Leute alle abhauen, dann wird sich automatisch was ändern. Und wenn es nicht so schlimm ist, der Druck nicht zu groß ist.. Dann bleibt es halt so.
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Sebastian Solidwork
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Schlagerfreund hat geschrieben: 6. Jul 2019, 21:46 ...
Wenn ich oder jemand in einer Debatte begründet warum er z.B. keine Triple A Spiele kauft, dann hat das nix mit moralischer Überlegenheit raushängen zu tun. Ist ja nicht so als würde die Personen hier im Forum permanent erwähnen. Davon abgesehen wurden auch Gründe genannt die nix mit Moral zu tun haben, sondern die eher in die Richtung gehen das man sich kreativere Spiele und andere Spielerfahrungen wünscht.
Als jemand der das letztere hier schon aussagte will ich noch folgende Anmerkung in die Runde machen:
Ich denke, dass gerade AAA-Spiele nur auf der derzeitigen Produktionsbedingungen zustande kommen. Nur mit den derzeitigen Arbeitsbedingungen sind diese Spiele möglich.
Wolfgang hat das im letzten Wortreich beschrieben. Zum einen ist die Masse der Angestellten nur quasi Fließbandarbeiter und echt kreativ sind nur wenige. Da kommt es schon öfter mal vor, dass sich die Kreativen irrten und Arbeit von mehrere Personenwochen bis -monaten für die Katz waren.
Zum anderen beschrieb er AAA als ein Riesenbaby, dass kaum weiß was es tut. Alles was nicht in kurzer Zeit verstanden wird, wird wieder fallen gelassen. Es entsteht kaum ein tieferes und nachhaltigeres Verständnis für das Medium.
Ineffizienz im Quadrat!
Bestätigt sehe ich das durch so Aussagen, wie dass in RDR2 der letzte (?) Spielabschnitt/Gegend qualitativ nicht mehr mit den vorherigen mithalten kann. Oder auch Days Gone scheint auch mit nur einer sehr schwachen Vision und vielem Chaos entstanden zu sein. Wenn manche Spielelemente nur angedeutet werden bzw. nur kurz vorkommen und wieder unbedeutend werden.
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mart.n hat geschrieben: 6. Jul 2019, 22:36 Ist doch gerade im Moment ein absoluter Arbeitnehmermarkt.
In der "normalen" IT ja. Aber wie Wolfgang es im letzten Wortreich geschildert hat, nicht in der Spielentwicklung. Die ist nochmal ein spezieller Zweig für sich.
Wo ich auch nachvollziehen kann, wenn man grundsätzlich dort bleiben und nicht normale Software machen möchte.
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Axel
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Axel »

sleepnt hat geschrieben: 6. Jul 2019, 20:58 So kann jeder Einzelne etwas bewegen!
Glaube ich ehrlich gesagt nicht dran. Besonders nicht in Ländern wie hier in Deutschland, wo die Entwicklerszene sehr klein ist und jeder jeden kennt. Wenn man Dich als „unbequemen Nestbeschmutzer“ ansieht, wirst Du da wohl nirgendwo mehr eine Anstellung finden. Zudem es ja auch nicht überall entsprechende Arbeitsplätze gibt. Nehmen wir mal an, jemand arbeitet in einer Region wo es nur wenige Arbeitsplätze gibt. Je nach persönlichen Begebenheiten (Frau und Erwartung eines Kindes, oder auch pflegebedürftige Eltern / Großeltern, ...) kann man sich sowas dann auch nicht leisten mal auf den Tisch zu hauen. Ende vom Lied ist Mittel- und Langfristig, dass sich entsprechende Talente andere Betätigungsfelder suchen, etwa in der Industrie. Das wird ja von Wolfgang auch immer wieder kritisiert, dass man einmal gut ausgebildete Talente kaum hält und diese sich umorientieren. Folge: Es geht immer wieder sehr viel Know How verloren und man fängt personell im Endeffekt immer wieder von vorn an.
So Leute wie die von Mimimi oder ein Manfred Linzner (Gründer und Chef von Shin‘en, seit Jahrzehnten in der Branche) sind tatsächlich die krasse Ausnahmen hier in Deutschland. Ich denke, wir hätten bereits viel mehr gut laufende mittelständige Firmen wie Shin‘en (die es ja nun auch schon seit 20 Jahren gibt und die echt ein verdammt hohes Niveau gehalten haben - übrigens arbeiten Shin‘en auch strikt 8 to 5.), könnten sich talentierte Leute viel mehr entwickeln und Erfahrung sammeln um dann irgendwann eigene Studios zu gründen. Dann hätten wir in Deutschland wahrscheinlich schon eine viel lebendigere Landschaft. Aber nein, junge Talente werden immer wieder verheizt.

Den Verweis auf Crunch bei Indies finde ich unfair. Weil wir hier erstmal definieren müssen, welche Art von Indies wir meinen. Den Typen, der innerhalb von 15 Jahren als Hobbyprojekt Stardew Valley erschaffen hat? Würde ich nicht denken, dass der gecruncht hat, bei der Entwicklungszeit. Ist ja vergleichbar mit der RPG Maker Szene, wo Spiele teils über 5 Jahre und länger in Entwicklung sind - je nach Zeit halt, sind halt Hobbyprojekte. Auch die Entwickler von Shovel Knight, Yacht Club Games, haben erst dieses Jahr ihr neues Projekt Cyber Shadow vorgestellt. Wenn man bedenkt, dass man typischerweise nach Vollendung eines Spiels zum nächsten geht, sind das jetzt rund 5 Jahre. Wirkt jetzt für mich von außen gesehen auch nicht wie die crunchigste Entwicklungszeit. Außerdem sind Indie-Games in der Regel übersichtlichere Projekte. Aber selbst wenn bei den Indies Crunch stattfindet, bleibt der Verweis auf Indies unfair, denn...

EA, UBISOFT, ACTIVISION & CO. SIND KONZERNE MIT EINEM JAHRESGEWINN VON MEHREREN HUNDERT MILLIONEN DOLLAR!
Das ist für mich der entscheidende Faktor! Dort sind die Ressourcen mehr als da, um Mitarbeiter fair zu bezahlen und gut zu behandeln. Das ist der entscheidende Punkt.

Für mich klingt vielmehr die Aussage „Das sind die Arbeiter selbst schuld“ leider vielmehr nach einem Schulterzucken des Kunden. Dabei würden wir ja von ausgeruhten Spieleentwickler profitieren, da nur dann Kreativität entsteht. Man sieht das ja bei Nintendo. Ich denke schon, dass die verlinkte übersetzte Stellenausschreibung aus Japan recht authentisch sein könnte. Wie sonst soll dieser Polish und diese Kreativität in den Levels zustande kommen? Jemand, der ne 60 Stunden Woche schiebt, macht irgendwann nur noch Dienst nach Vorschrift und so sehen dann auch die Spiele aus. Also das Einfordern von guten Arbeitsbedingungen würde auch uns Gamern zugute kommen, denn ich bin sicher, dann würden auch die Spiele sehr viel besser werden. Die Spiele von Firmen wie Mimimi oder Shin‘en unterstreichen für mich die Argumentation. Ich denke, dass man das den Spielen ansieht wie die Arbeitsbedingungen sind.
Zuletzt geändert von Axel am 6. Jul 2019, 23:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Schlagerfreund
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Schlagerfreund »

mart.n hat geschrieben: 6. Jul 2019, 22:36 Crunch ist ja eigentlich nur schlechtes Projektmanagement und sollte in Zeiten von Scrum gar nicht mehr vorkommen. Ansonsten halte ich es für normal, dass vor einem großen Release gleich welcher Art auch mal deutlich mehr gearbeitet wird. Kenne ich auch als nicht-ITler. Dafür macht man dann in der Mitte halt mal etwas ruhiger.

Was arbeitet ihr denn eigentlich so, die das memschenunwürdig finden? Würde mich echt mal interessieren. Ist in vielen Branchen Gang und Gebe. Und wen es stört, der kündigt halt und sucht sich was anderes. Ist doch gerade im Moment ein absoluter Arbeitnehmermarkt. Da muss nicht der Staat schon wieder eingreifen. Wenn die guten Leute alle abhauen, dann wird sich automatisch was ändern. Und wenn es nicht so schlimm ist, der Druck nicht zu groß ist.. Dann bleibt es halt so.
Ersteres mag bei sein wenn es unabsichtlich passiert. Inzwischen ist das aber ziemlich oft einkalkuliert. Hier ist das besonders der Fall z.B. Contractors also quasi Leiharbeiter genutzt werden. Es ist schon ein Unterschied ob deine Firma sich mal verkalkuliert, oder ob sie schon fest damit plant das Leute 120 Stunden Wochen schieben sollen/müssen.

Hier wirken meiner Meinung nach auch negative Trends wie Games as a Service mit rein. Da ist ein Spiel in dem Sinne nie fertig und es muss permanent mit Content und Updates versorgt werden, bis es sich eben halt nicht mehr lohnt. Gerade hier bietet es sich dann auch an die Mitarbeiter crunchen zu lassen. In manchen Fällen auch mit nicht korrekt bezahlten Überstunden.

Menschenunwürdig bedeutet in dem Fall nicht das jemand dir jeden Tag ne Ohrschelle gibt. Aber das jüngste Beispiel bei Treyarch hat ja nette Beispiele genannt. Faktisch eine Zwei Klassen Gesellschaft aufgebaut in der Leute aus dem QA Team das essen dürfen was die Mitarbeiter übrig gelassen haben und bei der Nachtschicht ohne Klimaanlage arbeiten dürfen (in Kalifornien wo es dann auch Nachts noch +30 Grad in den Räumlichkeiten ist). Das sind nur einige Beispiele. Wir beziehen uns hier übrigens eher auf den internationalen Sektor. In Deutschland sieht das ganz anders aus, aber da gibt es ja auch praktisch keinen Triple A Entwickler.

Menschenunwürdig ist es für mich weil man hier den Menschen der für einen Arbeitet nicht mehr als Menschen sieht, sondern als reinen Gebrauchsgegenstand den man beliebig austauschen kann und pardon, behandeln kann wie Scheiße.


Wir haben uns hier auch sehr stark auf Crunch versteift, dabei gibt es auch genug andere Beispiele von so Entwickler bei denen einfach auch ein sehr toxisches Betriebsklima herrscht. Man werfe z.B. einen Blick Richtung Entwickler wie Riot wo Sexismus, Homophobie und Diskriminierung auch offensichtlich zur Unternehmenskultur gehören.
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Soulaire
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Soulaire »

Sebastian Solidwork hat geschrieben: 6. Jul 2019, 22:54
gerade das genannte Beispiel von RDR2 widerlegt das ganze doch. Rockstar könnte sich auch 20 Jahre Entwicklungszeit leisten.
die machen hunderte Milliarden Gewinn an ihren Spielen.
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Axel
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Axel »

Schlagerfreund hat geschrieben: 6. Jul 2019, 23:02 Wir haben uns hier auch sehr stark auf Crunch versteift, dabei gibt es auch genug andere Beispiele von so Entwickler bei denen einfach auch ein sehr toxisches Betriebsklima herrscht. Man werfe z.B. einen Blick Richtung Entwickler wie Riot wo Sexismus, Homophobie und Diskriminierung auch offensichtlich zur Unternehmenskultur gehören.
Ja, besonders Sexismus. Nicht nur im Spielebereich, sondern allgemein in der IT scheint das verbreitet zu sein. Kann da aber nur auf Äußerungen einer befreundeten Programmiererin zurückgreifen, die bei all ihren Arbeitsstellen immer hart kämpfen musste, damit man sie überhaupt ernst nimmt. Was wiederum sehr frustrierend sein kann.
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von TheGameOli »

Uff ein sehr interessantes Thema.
Bin da auch eher der Meinung (zumindest in Deutschland) das ein Arbeitnehmer sich jederzeit einen neuen Job suchen kann wenn ihm etwas nicht passt. Jeder beklagt sich auch über Amazon, dennoch würden die nicht so einen Umsatz machen wenn keiner dort bestellen würde.

Andererseits stellt sich für mich die Frage was passiert wenn wir alle kein Title mehr von Publisher A kaufen, sie dicht machen müssen und alle Arbeitnehmer entlassen müssen ob diese dann glücklicher sind?
Ich denke das, das wir in der heutigen Wirtschaft (egal welche sparte) das CRUNCHEN nicht mehr verhindern können selbst wenn wir wollten.

Am Ende des Tages zählt auch meistens nur der Preis. Auch ich bin dann dankbar wenn es diverse Title bei Steam, GOG oder sonst wo für kleines Geld gibt. Und ja ich bin mir auch bewusst wo dann gespart wird.
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schneeland
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von schneeland »

Axel hat geschrieben: 6. Jul 2019, 23:18 Ja, besonders Sexismus. Nicht nur im Spielebereich, sondern allgemein in der IT scheint das verbreitet zu sein.
Dem würde ich widersprechen. Ja, es gibt Sexisten in der IT und sicher auch Homophobe, aber bei all meinen bisherigen Arbeitgebern (und während der Selbständigkeit: Kunden) waren sexistische und homophobe Äußerungen die Ausnahme. Das Hauptproblem ist eher der, im Vergleich zur Normalbevölkerung, etwas erhöhte Anteil von Menschen mit eingeschränkter Sozialkompetenz - die verhalten sich aber dann auch gleichmäßig Scheiße gegenüber den Kollegen :ugly:

Was es leider häufiger gibt (wenn auch vermutlich nicht mehr als in der Normalbevölkerung) sind Rassismus (v.a. gegenüber den indischen Kollegen) und Antisemitismus.

Crunch gibt es übrigens auch in der "normalen" IT (gerade vor Messen und größeren Releases), allerdings nicht so systematisch (ich musste z.B. in meiner aktuellen Abteilung in den letzten zwei Jahren glücklicherweise nicht mehr crunchen, sondern maximal mal ein bis zwei Wochen lang etwas länger arbeiten). Und nur ein kleines Zahnrad zu sein ist im Großunternehmen auch relativ normal. Da muss man halt überlegen, wie gut man damit leben kann und ob einem die erhöhte Jobsicherheit das wert ist.

Und um dann den Bogen zur Frage zu spannen: ja, das kann ich relativ problemlos für mich verantworten. Da werde ich schon eher nachdenklich, wie viele chinesische Studenten wohl ein 16-Stunden-pro-Tag-Praktikum bei Foxconn gemacht haben, um mein iPhone zu fertigen, und ob da nicht doch irgendwo in Afrika ein paar Kinder in den Minen standen, um die Rohmaterialien herbeizuschaffen.
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Sebastian Solidwork
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Sebastian Solidwork »

Soulaire hat geschrieben: 6. Jul 2019, 23:11
Sebastian Solidwork hat geschrieben: 6. Jul 2019, 22:54
gerade das genannte Beispiel von RDR2 widerlegt das ganze doch. Rockstar könnte sich auch 20 Jahre Entwicklungszeit leisten.
die machen hunderte Milliarden Gewinn an ihren Spielen.
Sie könnten es sich vermutlich leisten, tun es aber nicht! Zumindest nicht in dem Maße, dass es weniger Crunch für die Mitarbeiter bedeutet.

Das eine Firma viel Geld hat, heißt nicht, dass sie es für ihre normalen Mitarbeiter ausgibt. Die sollen schön schuften damit die Manager Boni und die (Aktien)-Eigentümer ordentliche Gewinne bekommen. Vielleicht bleibt auch noch ein guter Teil in der Portokasse, damit man größere Zukäufe schnell stemmen kann.
Einiges an den Gewinne dürfte auch an den Mutterkonzern Take-Two gegangen sein.

Für mich sind das sehr verfehlte Projekte. Wie Wolfgang es beschrieben hat, wird hier einfach mehr Geld, Rechenleistung und Menschen drauf geworfen. Kaum Nachhaltigkeit, kein tieferes Auseinandersetzten
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von v3to »

Die Diskussion finde ich gut und wichtig. Was mich etwas erstaunt, dass sie erst in den letzten Jahren öffentlich geführt wird. Ich war von 1990 bis 92 in der Spielebranche in Vollzeit als Grafiker unterwegs und hatte bis 2004 vereinzelte Freelancer-Jobs und an sich wurde fast durchgehend gecruncht. Auf Stunden wurde überhaupt nicht geachtet, bzw in der Phase vor einem Release ging das eher darum, wer im Team mit weniger Schlaf auskommt. Das war auch bei befreundeten Entwicklern nicht groß anders und die Geschichten gleichen sich, dass es normal nur ein Teil der Belegschaft betraf und dass diese Situation eher durch indirekten Druck entstand, wie Abnahmefristen durch den Handel (wurde Anfang September nicht geliefert, wurde die Waren nicht mehr abgenommen und man arbeitete monatelang umsonst). Weil man obendrein lebte man von der Hand in den Mund, weil in der Branche ohnehin schlecht bezahlt wurde.

Nur manche Dinge ändern sich scheinbar nie und ich fürchte, dass der Trend zu Service-Games diese Problematik eher etabliert als löst. Die Größenordnung und das Selbstverständnis, mit der das in der AAA-Branche ausufert, ist jedenfalls erschreckend.
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bluttrinker13
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von bluttrinker13 »

Was mich mal interessieren würde - gibt es für einen erfolgreichen crunch (d.h. also das Produkt in time rausgebracht, ein Erfolg ist es auch noch geworden - nehmen wir als Beispiel wieder RDR 2) irgendwelche positiven Ausgleichskonsequenzen für die Mitarbeiter?

Und bitte bitte keine Mutmaßungen a la "Das glaubst du doch selbst nicht! Da is niemals Pause in dem Ausbeuterverein" etc.

Mit geht es wirklich um konkrete Erfahrungen und Konsequenzen dahingehend, was nach einem crunch die Mitarbeiter, eventuell!, in Anspruch nehmen können - 1 Woche Urlaub? Boni? verkürzte Arbeitszeiten...? Oder geht es wirklich gleich weiter, mit 40h Woche?
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Schlagerfreund
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Schlagerfreund »

Kann man nicht pauschal sagen. Wenn z.B. mit vielen Contractors gearbeitet wird, dann kannst du davon ausgehen das sie crunchen bis ihr Vertrag ausgelaufen ist. Ich glaube du gehst da an die Frage auch falsch heran. Wenn Firmen crunch als normal ansehen, dann ist dafür auch keine Belohnung fällig die über ausbezahlte Überstunden hinaus geht. Der verlorene Freizeit kannst du auch schlecht ausgleichen. Gibt genug Beispiele von Arbeitern in der Branche die durch Crunch Sachen verpasst haben wie die Einschulung ihrer Kinder, Geburtstage, Hochzeiten usw.

Letztendlich ist das glaube ich eine grundsätzliche Frage der Unternehmenskultur. Ich weiß das es kleinere Entwickler gibt wie z.B. Tripwire Interactive wo man (freiwillig) Firmenurlaub anbietet bei denen die Mitarbeiter zusammen in den Urlaub fahren und die Urlaubskosten zu 50% von der Firma getragen werden. Allgemein haben solche Firmen aber einfach eine ganz andere Mentalität. Dort vermeidet das Überstunden entstehen und zwingt sie auch nicht auf. Mitarbeiter werden dort und in solchen Firmen auch viel mehr eingebunden und allgemein halt besser behandelt.
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von bluttrinker13 »

Schlagerfreund hat geschrieben: 7. Jul 2019, 11:56 Kann man nicht pauschal sagen. Wenn z.B. mit vielen Contractors gearbeitet wird, dann kannst du davon ausgehen das sie crunchen bis ihr Vertrag ausgelaufen ist.
Ok danke.
Schlagerfreund hat geschrieben: 7. Jul 2019, 11:56 Ich glaube du gehst da an die Frage auch falsch heran. Wenn Firmen crunch als normal ansehen, dann ist dafür auch keine Belohnung fällig die über ausbezahlte Überstunden hinaus geht. Der verlorene Freizeit kannst du auch schlecht ausgleichen. Gibt genug Beispiele von Arbeitern in der Branche die durch Crunch Sachen verpasst haben wie die Einschulung ihrer Kinder, Geburtstage, Hochzeiten usw.
Sehe ich nicht so, da ich das Wenn... jetzt nicht vorbehaltlos akzeptieren würde. Wenn ein crunch projektbezogen ist, wird er intern sicherlich auch so verkauft werden, oder nicht? Anders gesagt, ich halte es für möglich dass viel ala "Jetzt noch mal Endspurt..." "Dieses eine Projekt und dann..." kommuniziert wird. Ähnlich ja in der Wissenschaft - da gibt es auch crunch, aber der ist immer outcome-bezogen (Paper deadline, Drittmittel deadline, Lehre deadline) und daher ist nach der Erreichung schon die Frage da - was hab ich geschafft und wie geht es jetzt erstmal weiter?

Edit: Im Übigens ist das dann auch ein Punkt weshalb ich Crunch wie in der Wissenschaft weniger kritisch sehe. Ja, die Beanspruchungen sind tlw hoch (zugegeben die Stundenzeiten nicht so krass wie in der Gamesbranche), aber man hat auch immer wieder mal die Möglichkeit das auszugleichen durch mehr Freizeit und anderweitige Interessen. Work-Life-Balance ist hier möglich, mE, auch wenn es vielleicht besser ginge und auch wenn man die sich aktiv nehmen muss. Im übrigen ist das Verpassen von singulären Ereignissen wie eines Geburtstages nichts was per se die Work-Life-Balance verschlechtert, da es bei ihr eher um einen Ausgleich zwischen hohem Zwang und Beanspruchung vs. hohe Autonomie und Entspannung geht.
Decius
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von Decius »

Im Giant Bomb-Podcast hat gestern übrigens ein Betroffener der Contracter-Sache geschrieben, warum die Benachteiligung dieser gegenüber normalen Angestellten existiert, und diese sehr, sehr bewusst so aufgebaut ist: Vor einigen Jahren haben Contractors MS verklagt, weil sie wie normale Angestellte behandelt wurden, aber weniger als normale Angestellte bekommen haben, und haben Recht bekommen. Die Konsequenz für die Branche war jetzt aber nicht "zahlen wir den Leuten mehr" sonder "behandeln wir die Leute schlechter, damit sie nicht glauben, sie wären wie normale Angstellte". Daher dieses System der Schlechterstellung. Capitalsim Ho!
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DexterKane
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Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von DexterKane »

Hey ja, mal nicht meinen Lieblingsitemshop verunglimpfen und mit solchen Praktiken gleichsetzen! ;)

Das Problem mit der Scheinselbstständigkeit gibt’s ja nicht nur in der Spielebranche und nicht nur in den USA, aber bei einer derartigen Masse an Leiharbeitern wundere ich mich doch ein wenig wie lax da das Arbeitsrecht zu sein scheint. Ich frage mich da dann allerdings schon, warum die Leute sich das dauerhaft antun. Unmengen an Stunden, Bezahlung scheiße und eine wirkliche Chance auf Karriere hat man da auch nicht.
Relax, it's North-Korea. The nation state equivalent of the short-bus. - Sterling Archer
bimbes1984

Re: Kann man Games eigentlich noch mit dem eigenen Gewissen vereinbaren?

Beitrag von bimbes1984 »

Axel hat geschrieben: 6. Jul 2019, 23:18
Schlagerfreund hat geschrieben: 6. Jul 2019, 23:02 Wir haben uns hier auch sehr stark auf Crunch versteift, dabei gibt es auch genug andere Beispiele von so Entwickler bei denen einfach auch ein sehr toxisches Betriebsklima herrscht. Man werfe z.B. einen Blick Richtung Entwickler wie Riot wo Sexismus, Homophobie und Diskriminierung auch offensichtlich zur Unternehmenskultur gehören.
Ja, besonders Sexismus. Nicht nur im Spielebereich, sondern allgemein in der IT scheint das verbreitet zu sein. Kann da aber nur auf Äußerungen einer befreundeten Programmiererin zurückgreifen, die bei all ihren Arbeitsstellen immer hart kämpfen musste, damit man sie überhaupt ernst nimmt. Was wiederum sehr frustrierend sein kann.
Das Problem wirst du aber überall dort wiederfinden wo hauptsächlich Männer oder Frauen arbeiten....ich habe nie ein toxischeres Klima (oder nennen wir es zickiges) erlebt wie bei meinem letzten Arbeitgeber, da hatte ich 80% weibliche Kollegen, der Horror.

Das sind halt Spannungen die zwischen de Geschlechtern herrschen, einfache Biologie....es hat ja auch seine Gründe, wieso gewisse Berufe hauptsächlich von Männern/Frauen ausgeübt werden.

Homophobie und Disrkiminierung sind zumindest Dinge, gegen die man als Arbeitgeber angehen sollte....was sich natürlich leicht sagen lässt....als Angestellter :whistle:
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